Kokón auf. Heraus kommt Ilja Schierbaum, Liedermacher mit Independent-Jugend, Westerngitarre in der Hand, sein zweites Soloalbum in der Hosentasche. Ein Werk, aus dem er wie herausgekrochen kam, leicht, erholt und stolz, weil er dort auch einiges drin lassen konnte. Ein Werk, in dem er sich mit sich selbst gemessen hat. Kein doppelter Boden: Gitarre, Klavier, Bass, Schlagzeug, Melodie, aber vor allem auch Texte, Gedanken- und Traumwelten, in die man gelangt, indem man sich durch die Hecke auf ein lange verlassenes Grundstück drückt: „im Garten… ein Haus aus Feuerglas“.
Leute, die Ilja Schierbaum lieben, interessieren sich auch für Niels Frevert oder Nils Koppruch. Ähnlichkeiten sind nicht zufällig, denn alle drei waren mal Frontman einer Band (Nationalgalerie / Fink), haben unzählige Clubs und verrauchte Kneipen gerockt, hoch zum Olymp, runter in die regennassen Gassen, immer weiter gespielt, auch ohne Band, gelernt wie man das macht: unterhalten ohne Rückendeckung. Und dann: den eigenen Weg gefunden. So wie Ilja jetzt. Nicht dass sein Schaffen davor nicht wirklich seins war. Aber wie verwehrt man sich diesem genialen Kick der Crowdpleaser zu sein, wenn man Songwriter-Wettbewerbe gewinnt, die sich nach John Lennon oder Rio Reiser benennen, und bei denen keine Fleischereifachverkäuferin teilnimmt?
Als Ilja vor ein paar Jahren mit seiner Band Schrottfisch das John Lennon Talent war, durfte er sich einen Mentor wählen und hatte umgehend Niels Frevert am Apparat. „Was soll ich Dir beibringen?“ hat Niels ratlos gefragt. Denn das was beide machen, als Songwriter, kann man ja gar nicht lernen. Inspirationen umsetzen, Energien fangen, umleiten, zu Liedern werden lassen. Dann haben sie sich einfach unterhalten, Erfahrungen ausgetauscht. Talent sein ist schön, aber es ist auch eine Bürde, eine Erwartungshaltung und kann zum Fluch werden.
Wie bei allem weist einem die Erfahrungen den Weg. Dafür muss man sie jedoch machen, man muss weitermachen und dabeibleiben. Dann schält man sich vielleicht eines Tages aus seinem Kokón und erschafft ein Album wie eine verblichene Landkarte zu geheimnisvollen Orten. So wie Ilja, Schierbaum jetzt.
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