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Herzlich willkommen zur Lage
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der Nation. Die Ausgabe Nummer 370
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habt ihr in den Ohren vom 22.
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Februar 2024 und wie immer im Lagezentrum für
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euch an den Mikrofonen sind Philip Banse, das bin ich.
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Und Ulf Buermeyer. Der Philip ist Journalist aus Berlin
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und ich bin Jurist. Schön, dass ihr wieder dabei seid,
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vielleicht auch zum Ersten Mal dabei seid. Wir hatten in den letzten
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Tagen große Freude beim Blick in die sozialen Netzwerke.
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Es gab ganz viel tolles Feedback
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zu unserem Interview mit Professor
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Steffen Mau in der letzten Folge der 369.
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Und viele Leute haben die Lage weiterempfohlen, haben das Interview
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weiterempfohlen. Das freut uns sehr, denn das ist natürlich eine große
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Hilfe. In diesen Zeiten gibts 1000 Podcasts, an jeder Ecke wird
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gepodcastet. Also wenn euch die Lage gefällt,
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wenn euch ein Beitrag gefällt, freuen wir uns sehr, wenn ihr uns
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weiter empfiehlt. Das ist eine ganz große Hilfe.
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Zu unserem ersten Thema: Diese Woche
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ist das der Tod von Alexej
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Nawalny. Er ist gestorben.
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Ich formuliere es mal vorsichtig in einer russischen Strafkolonie.
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Manche sagen auch Foltergefängnis jenseits des Polarkreises.
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Er wurde 47 Jahre alt. Alexej Nawalny ist
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der war, der, muss man sagen, mit Abstand populärste
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Oppositionspolitiker in Russland.
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Hintergrund dieses Todesfalls,
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um es mal ganz neutral zu formulieren, dürften auch die
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russischen Präsidentschaftswahlen im März sein. Wladimir Putin will sich
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jetzt zum fünften Mal wiederwählen lassen, hat dafür extra, damit das
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überhaupt möglich ist, 2020 die russische Verfassung ändern
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lassen. Und in diesem, ja dieser
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Endphase des Wahlkampfs, der aber natürlich kein Wahlkampf im
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demokratischen Sinne ist, dazu kommen wir später noch, fällt jetzt
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eben der Tod von Alexej
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Nawalny, und ich glaube, wir müssen einfach mal rekapitulieren: Wer war
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denn Nawalny eigentlich? Nawalny war, ich habe es gesagt, die
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Oppositionsfigur in Russland.
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Ja, natürlich, war auch keine einfache Figur,
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hat früher auch durchaus schwierige Äußerungen getätigt,
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hatte so eine Neigung zum Nationalismus, sagte überraschend
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wenig fand ich zur Annexion der Krim.
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Aber alles in allem, trotz dieser
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noch aus westlicher Perspektive durchaus kritikwürdigen Aspekte
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war er einfach die Hoffnung
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für viele auf ein anderes demokratisches Russland.
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Und er war einfach das schlechte
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Gewissen des Putinregimes. Er hatte ein Team zusammengestellt,
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was sehr gewandt
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und faktentreu und faktensicher und durchrecherchiert
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Korruption und Machtmissbrauch
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im Land Putins
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aufgedeckt hat. Und er war damit einfach eine
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führende Stimme der russischen Opposition.
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Und zwar gar nicht mal quasi unmittelbar mit inhaltlichen
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politischen Thesen. Sondern er hat vor allem all die Korruption
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und alle möglichen anderen Missstände im Putinregime
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aufgedeckt. Ich unter anderem gab es da so eine YouTube Reportage
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zu einer dekadenten Putinvilla.
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Das war, glaube ich sein bekanntestes Werk. Ja, er hat viele, viele Videos
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gemacht. Aber das ist eins, was auch viele, viele Millionen von Leuten
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gesehen haben, wo er halt mit
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aufwendiger Recherche und Drohnen und allem Pipapo wirklich aufgedeckt
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hat, wo Putin Geld abzweigt
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und was er damit alles so macht. Und er hat es einfach mit seinem
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Team und mit seiner Bewegung geschafft, zum Teil Zehntausende
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auf die Straßen zu bringen. Mit viel Charme, mit viel Witz,
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mit Eloquenz, mit hoher Medienkompetenz und mit Technik
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und auch ein paar Leuten und einem großen Team hat er es eben
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geschafft, sich wirklich zu der Oppositionskraft in Putins
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Reich aufzuschwingen und zu positionieren. Und er war einfach
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alles, was Putin nicht ist mutig,
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mitreißend. Er war auch jung.
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47, hab ich gesagt, ist er geworden, auch gut aussehend.
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Und das sind alles Eigenschaften, die Putin nicht vorzuweisen hat.
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Also schlug Putin zurück. Schon 2020 wollte er
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Alexej Nawalny mit dem Nervengift
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Nowitschok vergiften lassen. Nawalny brach damals an Bord eines
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Fliegers noch über russischem Boden zusammen, wurde nach einer
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Notlandung irgendwo in der Provinz nur ganz knapp gerettet,
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ist dann nach Berlin geflohen, hat sich hier erholt, kehrte
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aber nach einigen Monaten nach Russland zurück, weil er da
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eben weiterhin die Oppositionsbewegung anführen wollte.
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Viele Menschen warnten schon damals,
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er geht in den Tod. Jedenfalls aber ging er zunächst mal
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ins Gefängnis. Seine Stiftung, die er ja gegründet hatte, wurde
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verboten, und er selber wurde verhaftet, eingekerkert,
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in Isolationshaft gehalten
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und auch immer weiter weg verlegt,
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eben irgendwo nach Sibirien, um den Zugang zu ihm möglichst zu
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erschweren. Trotzdem Philip, davon hat er sich,
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soweit es unter diesen Knastbedingungen überhaupt möglich
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war, nicht unterkriegen lassen. Ja, das war das Bemerkenswerte, dass
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jedes Mal, wenn er irgendwo auf Bildern zu sehen war, auf Videos zu
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sehen war, bei irgendwelchen Anhörungen hinter Gitterstäben,
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auch auf Fotos. Dann hat er immer gelacht.
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Hat immer Witze gemacht. Er war natürlich auch zynisch
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und bissig und so, aber er wirkte
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nie verzagt. Er wirkte nie
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resigniert. Er hat die Leute immer ermuntert.
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Er hat immer irgendwie so ein bisschen so ein positives,
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hoffnungsvolles Bild versucht
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abzugeben. Er war einfach nicht tot
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zu bekommen bis zum
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16. Februar 2024.
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Die Behörden sagen nun, Nawalny sei
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von einem Spaziergang, Freigang
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in seiner Strafkolonie zurückgekommen und dann
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zusammengebrochen. Sofort geholte Mediziner
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hätten ihn wiederbeleben wollen. Das sei aber gescheitert.
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Todesursache sei ein Blutgerinnsel.
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Jedenfalls, so die vorläufigen Erkenntnisse, und es laufe noch
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eine Untersuchung. Aber Philip, da gibt es einfach
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ganz massive Zweifel. Ich glaube jedenfalls, außerhalb
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Russlands glaubt eigentlich kaum jemand diese Erklärung.
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Nein, man muss dazu sagen: Natürlich ist das möglich.
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Menschen können solche Blutgerinnsel bekommen. Und auch bis dahin
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kerngesunde Menschen können innerhalb von Sekunden an so was
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versterben, wo sich dann halt ein Blutgerinnsel löst und in einer Ader
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festsetzt, im Gehirn beispielsweise, und dann das zu einem sehr schnellen
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Tod führt. Ja, das kann sein.
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Aber in diesem Fall ist das einfach
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wenig glaubhaft. Zum einen natürlich
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wegen der Rolle Nawalnys. Er war Staatsfeind Nummer eins.
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Er war nachweislich
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Opfer eines staatlich orchestrierten
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Giftanschlags in diesem Flugzeug. Das ist bewiesen, dass
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das Figuren aus dem russischen Geheimdienst gemacht
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haben. Und bis heute ist halt die Leiche von Nawalny
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nicht freigegeben. Die Mutter wartet vor Ort auf die Freigabe der Leiche.
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Weder sie noch andere unabhängige Mediziner haben diese Leiche
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untersuchen können. Und so wird es einfach mit jedem
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Tag schwerer, die tatsächliche Todesursache wirklich unabhängig
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klären zu können. Und wenn die denn so klar wäre,
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dann läge es nahe, das auch schnell freizugeben.
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Das ist bisher nicht passiert. Also ich meine, ich bin nun
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natürlich auch kein Pathologe, kein Gerichtsmediziner, aber nach
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den Erfahrungen, die ich so aus einer gerichtlichen Perspektive mit
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solchen Untersuchungen gemacht habe als Richter, dauert das eben ein,
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zwei Tage maximal. Also man muss natürlich die
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Leichenöffnung durchführen, man muss und wenn schon ein paar chemische
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Untersuchungen machen. Aber es ist einfach völlig absurd,
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dass das jetzt drei Tage und länger dauern soll.
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Es soll noch zwei Wochen jetzt dauern oder so, aber dann sind das,
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dann ist das mit dem Tod fast ein Monat her.
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Und das klingt einfach extrem danach, als wenn man jetzt durch
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diesen Zeitablauf Spuren verwischen möchte. Interessantes Detail am
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Rande: Drei Tage nach dem Tod Nawalnys hat Wladimir
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Putin vier Spitzenbeamte
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der russischen Gefängnisverwaltung
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befördert. Russische offizielle Angaben, reiner
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Zufall. Habe nichts mit dem Tod Nawalnys zu
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tun. Ich glaube, das kann man in Zweifel
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ziehen. Und viele Experten ziehen das auch in Zweifel.
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Das wirkt eher wie eine Belohnung
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dafür, dass sie den aus dem Weg geräumt haben und soll Angst machen
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im Rest der Gesellschaft. Die Witwe von
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Alexej Nawalny hat sehr kurz nach seinem Tod ein
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Video veröffentlicht, das wir euch nicht vorenthalten wollen.
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Das gehört mit in diesen Kontext.
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Und Julija Nawalnaja sagt in diesem Video folgendes:
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Sie sagt: Hallo. Ich bin Julia Nawalnaja. Ich wende mich heute das
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erste Mal auf diesem Kanal an Sie.
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Ich sollte hier nicht sitzen, sondern ein anderer Mensch.
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Aber diesen Menschen hat Wladimir Putin umgebracht.
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Und sie sagt dann weiter: Wir wissen genau, wie Putin Alexej
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Nawalny vor drei Tagen umgebracht hat. Und wir werden euch hier sehr
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bald genau berichten, wer
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das genau war und wie dieses
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Verbrechen genau begangen wurde.
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Wir werden Namen nennen und Gesichter zeigen.
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Ja. Und diese Warnung, diese Drohung hat durchaus Gewicht.
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Denn genau das hat ja das Team rund um Alexej Nawalny vor
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etwa vier Jahren mit denen gemacht, die Nawalny im Flugzeug vergiftet
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haben. Da sind ja genau die verantwortlichen
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Geheimdienstmitarbeiter hinterher namentlich benannt worden.
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Er hat sie sogar angerufen. Er hat sie angerufen und hat gesagt: Ja , hier Alexej
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Nawalny. Kann es sein, dass Sie mich umbringen?
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Also genau deswegen bin ich da sehr gespannt, was die da wirklich,
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was die da recherchiert haben und was sie da zeigen.
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Und der nächste Aspekt ist halt für die Zukunft auch nicht ganz
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unwichtig, wie wird es weitergehen?
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Also Julia Nawalnaja sagt: Ich
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werde die Sache von Alexej fortsetzen, werde für unser
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Land kämpfen und ich rufe euch,
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Sie dazu auf, an meiner Seite zu stehen. Ich rufe euch auf, die Wut
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und den Hass auf jene zu teilen, die es wagen, unsere Zukunft
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zu zerstören. Ja, das ist auf der einen Seite
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natürlich eine engagierte Ankündigung. Andererseits äußert sie
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die eben aus dem Exil.
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Das heißt also, Alexej Nawalny ist ja genau
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zurückgegangen nach Russland, weil er sich der Tatsache bewusst war,
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dass er aus dem Exil nur begrenzte Möglichkeiten haben würde.
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Aber zugleich dieser Geist
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weiterzukämpfen, ist natürlich auch der Geist, den Alexej Nawalny selber
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verbreiten wollte. Seine Frau trägt die Fackel jetzt weiter.
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Ja, genau. Aber das ist ja auch sein Mantra, was er die ganze Zeit
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verbreitet hat. Ja, einfach weitermachen, nicht
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aufgeben. Das hat er auch übrigens in einer
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Doku aus dem Jahr 2022 glaube
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ich gesagt, wo er diesen damals noch hypothetischen
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Fall vorweggenommen hat, dass ihn das Regime umbringt.
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Und damals sagte er für diesen Fall.
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Also er ist ja eben damals nach seiner Behandlung freiwillig in die
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Höhle des Löwen zurückgegangen. Er ahnte, dass ihm das das Leben
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kosten würde und nun sagte er:
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Ihr dürft nicht aufgeben. Wenn sie mich umbringen, sind wir in
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diesem Moment unglaublich stark.
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Aber wir müssen diese Stärke dann auch nutzen.
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Ihr dürft nicht aufgeben. Erinnert euch, dass wir eine riesige
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Kraft sind unter der Knute
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dieser Diebe und Verbrecher. Alles, was das Böse braucht,
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um zu triumphieren, ist das
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Nicht Handeln der Leute. Und deswegen gebt nicht auf.
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Das war seine Message. Und die trägt seine Witwe
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jetzt weiter. Ausgang offen, würde ich mal sagen.
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Die Rahmenbedingung, in der sie
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die Fackel aufnimmt und weitertragen will, der russischen Opposition, die
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sind maximal schwierig.
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Die russische Propaganda, das fand ich auch ganz interessant, die hält
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dagegen. Ich habe mir da mal so ein, zwei Sachen angeguckt und da
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ist auch ein anderes Ereignis noch nach einen neuen Licht erschienen,
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was wir hier noch gar nicht erwähnt haben. Also vor knapp zwei
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Wochen gab es ja ein sehr ausführliches zweistündiges
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Interview von Wladimir Putin
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mit diesem rechtsradikalen Talkshow Host aus den USA
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Tucker Carlson. Also nur, dass man den Namen
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einordnen kann. Ihr kennt Fox News
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wahrscheinlich als Schlagwort. Das ist ein extrem
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konservativer, manche würden sagen in Teilen seinerseits rechtsextremer
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Fernsehsender in den Vereinigten Staaten. Und dort ist Tucker Carlson
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rausgeflogen, weil er ihnen zu krass war. Also Vorwand waren
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Lügen. Aber es gab halt einfach
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Tucker Carlson gewisse ideologische Probleme, weil er selbst für Fox
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News zu krass war. Und da ist er rausgeflogen. Hat jetzt so ein bisschen sein eigenes
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Unternehmen aufgemacht. So Loose Cannon inc.
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Und er ist nach Moskau geflogen, um sich da zwei Stunden mit Putin zu
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unterhalten. Hat auch noch ein paar ganz andere bizarre Videos gedreht.
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Aber im Mittelpunkt steht jetzt hier vor allen Dingen dieses Interview.
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Und Putin durfte halt in diesem Interview sich länglich und mehr
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oder weniger unwidersprochen darüber ausbreiten, warum
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die Ukraine eigentlich kein Existenzrecht hat.
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Und das beginnt im späten Mittelalter.
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Durfte er sich da länglich ausbreiten und dozieren.
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Und bottom Line ist so ein bisschen
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und deswegen war es auch okay, dass Russland die Ukraine nun erobert.
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Dieses Interview ist ehrlich gesagt wirklich total skurril.
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Selbst Tucker Carlson sagt in so einem kurzen, kurzen Aufsager
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vorher, dass er irgendwann den Eindruck hatte, dass das Putin
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ihn im Grunde vollquatschen will. Also Tucker Carlson dachte schon,
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als Wladimir Putin wirklich irgendwie 45 Minuten am Stück
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seinen historischen Diskurs da abliefert, dass er ihn filibustern
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will, also quasi zu Tode quatschen will, bis die Interview Zeit
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abgelaufen ist. Ich glaube, damit lag er auch nicht völlig falsch.
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Ich glaube, er lag wirklich falsch, denn Wladimir Putin glaubt das ja
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ganz offensichtlich. Also diese komische pseudohistorische
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Begründung liefert er ja bei jeder Gelegenheit ab.
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Nur vielleicht nicht ganz in dieser Länge. Aber man fragte sich so ein bisschen
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Warum macht Putin das? Was ist der Sinn und Zweck von
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diesem Interview? Und jetzt, nach dem Tod Nawalnys,
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ist das mir ehrlich gesagt ein bisschen klarer geworden.
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Klarer geworden ist mir das anhand so eines Dialogs im russischen
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Staatsfernsehen. Da unterhält sich Wladimir Solowjow,
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eigentlich so der bekannteste Talkmaster in Russland im
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staatlichen Fernsehen und so was wie der Chef-Propagandist
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in Russland und er unterhält sich
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mit Margarita Simonjan, die ist
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Chefin von RT, also dem russischen Propaganda Auslandssender.
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Und da wurde doch klar, welche Rolle auch dieses Interview
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mit Tucker Carlson für die russische Propaganda spielt.
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Und in diesem Ton geht es also darum, da fragt Margarita Simonjan:
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Du redest über Nawalny?
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Und Wladimir Solowjow sagt: Ja, es gibt momentan
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zu seinem Tod keine Informationen.
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Und ich glaube aber nicht an Zufall.
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Der Tod geschah quasi am Eröffnungstag der Münchner
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Sicherheitskonferenz, wo sich alle führenden Sektierer, also er meint
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westliche Politiker und russische Oppositionelle versammelt hatten.
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Und dann haben die alle ihre vorbereiteten Nachrufe verbreitet.
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Sie haben ihre vorbereiteten Beschuldigungen verbreitet, und ich
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habe mich gefragt, sagt Solowjow: Wem nutzt das?
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Und damit einmal wird einem manches klar, denn er sagt:
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Es gab so unglaublich positive
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Reaktionen auf das Interview Putins
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mit Tucker Carlson, dass der Westen diese Sympathiewelle
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für Putin quasi brechen
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musste. Und deswegen nutzt der
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Tod Nawalnys
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vor allen Dingen dem Westen, weil der Westen, so
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die Lesart von Solowjow, den Tod Nawalnys nun Putin
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in die Schuhe schieben kann. Also die Lesart ist, der war durch
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dieses Interview mit Tucker Carlson im Westen so populär
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geworden. Der Westen hatte verstanden,
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sagt Solowjow, warum Russland die Ukraine angreifen darf und
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erobern darf, dass der Westen
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nun diesen Tod herbeigeführt hat, um
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Putins Popularität im Westen zu brechen.
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Wie soll ich sagen? Das Argument leidet an dem kleinen Detail, dass
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ihn der Tod nicht irgendwo in London eintrat, sondern in einer russischen
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Strafkolonie. Ich will nicht völlig ausschließen,
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dass die CIA da jemanden einschleusen kann. Aber das wäre Geheimdienst Hochreck.
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Für Wladimir Putin war's wahrscheinlich eine ganze Ecke mehr.
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Aber sie bringen dann noch das ergänzende Argument, dass das Timing
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Putin überhaupt nicht ins Konzept passte. Auch deswegen, weil ja
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gerade im März die Präsidentschaftswahlen anstehen,
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Putin angeblich gerade sehr populär
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ist. Und es wird, dass er deswegen einfach quasi so einfach eine Welle
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rund um den Tod eines bekannten Oppositionellen gar nicht gebrauchen
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könne. Auf der anderen Seite ist natürlich völlig klar: Dieses Tucker
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Carlson Interview wird im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf
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eine große Rolle spielen. Wir haben es in der Lage schon berichtet.
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Auf republikanischer Seite gibt es zunehmend Zweifel an
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der Unterstützung der Ukraine. Da waren ja die USA bislang
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jedenfalls quasi in Dollar gemessen die aktivsten Unterstützer.
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Die Republikaner sehen das quasi, also die klassischen Republikaner
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sehen das aus einer finanziellen Perspektive in der Tendenz
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skeptisch, waren bislang aber noch dafür. Aber die Trump Jünger
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insbesondere machen jetzt mobil
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gegen die Unterstützung der Ukraine.
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Und da wiederum gibt es jedenfalls den Verdacht, dass das eine Menge
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damit zu tun haben könnte, dass Trump eben von Putin jedenfalls
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im letzten Präsidentschaftswahlkampf ja massiv unterstützt wurde.
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Und im vorletzten. Und das ist auch, glaube ich, der zentrale Grund, warum Putin dieses
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Interview gemacht hat. Dieses Interview ist jetzt Futter
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für diese ganzen republikanischen
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Hardliner, die sagen hier... Oder vor einem Trump Buddies.
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Trump Buddies vielleicht, die sagen hier, braucht ihr das Interview
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nicht angucken. Wir sagen euch, Putin hat da gute
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Argumente, warum wir die Ukraine nicht mehr unterstützen
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sollten. Und das ist der Grund, warum Putin dieses Interview gegeben
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hat, um denen Futter zu geben für ihre Schlammschlacht zu sagen: Hey,
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Russland hat das Recht die Ukraine
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zu erobern, Hilfe für die Ukraine
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ist schlecht, nicht legitimiert. Bitte deswegen dieses Interview.
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Ja und nun reiht sich eben Alexej Nawalny ein in die lange
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Reihe von toten
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Gegnern Putins. Kurze Zusammenfassung nur so
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der drei vielleicht bekanntesten Fälle. Jewgeni Prigoschin zettelte
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im vergangenen Jahr einen militärischen Aufstand gegen Putin
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an. Ihr wisst noch, dieser etwas schräge Marsch auf Moskau,
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starb dann einige Wochen später durch einen nie aufgeklärten
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Flugzeugabsturz. Anderer Fall Boris Nemzow.
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Boris Nemzow war bis dahin führender Oppositionspolitiker in Russland,
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wurde 2015 direkt vorm Kreml
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erschossen. Auch Anna Politkowskaja
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war eine bekannte Journalistin, hat Gräueltaten in Tschetschenien
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aufgedeckt, hat Putin genervt bis zum Geht nicht mehr.
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Die wurde 2006 in ihrem Hausflur erschossen. Das sind nur einige
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Beispiele von Dutzenden von toten Journalisten, Oppositionellen
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und anderen Abtrünnigen, die auch im Ausland, aber auch im Inland
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vergiftet wurden, erschossen wurden oder einfach verschwunden sind.
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Täter konnten oft ermittelt werden,
19:43
nicht immer. Sie führten, wenn sie ermittelt werden konnten, nach
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Russland, in die Geheimdienste.
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Konsequenzen? Bisher eigentlich wirklich keine.
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Ja, und gerade in diesen Tagen kam die Nachricht, dass ein russischer
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Deserteur, also ein russischer Soldat, der quasi auf die
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ukrainische Seite rübergemacht hatte, dann eben nach Spanien
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geflüchtet war. Dort sage ich mal auf harte
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Weise zu Tode kam. Zwölf Schüsse, glaube ich, waren es,
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mit denen er getötet wurde. Und dann wurde er noch mehrmals vom Auto überfahren. Also man kann
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sagen, er wurde grausam hingerichtet.
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Täter bisher unklar. Und so stellt sich auch hier die
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Frage: War es jetzt Putin, der Nawalny umgebracht hat?
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Natürlich gibt es dafür bisher
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keine Beweise.
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Ja, es kann medizinisch sein, dass er eines natürlichen Todes gestorben
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ist. Wir sagten es eben schon, aber es spricht eben doch sehr viel
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dagegen. Die Punkte normal stichwortartig:
20:30
kein Zugriff der Familie auf die Leiche, sodass etwaige
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Substanzen zwischenzeitlich sich vielleicht zersetzt haben.
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Nachweislich bereits mindestens ein Mordversuch an Nawalny durch den
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FSB, den russischen Geheimdienst. Und Nawalny war eben im Wortsinne
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in der Hand der russischen Gefängnisbehörde. Und Mitarbeiter
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eben dieser Behörde werden nur Tage
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später befördert, sagen wir, das ist jedenfalls eine relativ dichte
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Indizien. Ja, jedenfalls hat das die deutsche
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Politik, sagen wir mal, hinreichend überzeugt.
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Der grüne Vorsitzender oder Covorsitzende Omid Nouripour, der
21:00
sagte auch im Bundestag, Putin trage mindestens politisch die
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Verantwortung für die Ermordung Nawalnys. Also er wurde immerhin
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eingeknastet unter wirklich
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folterartigen Bedingungen dort gehalten.
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Hatte schwere gesundheitliche
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Probleme. Nu ist er halt gestorben.
21:15
Und Unionsaußenpolitiker Norbert
21:17
Röttgen, der wurde noch etwas deutlicher, sagte: Diese Ermordung
21:21
war selbstverständlich Chefsache.
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Putin ist der Täter.
21:25
Die deutsche Unterstützung für die Ukraine mit Waffen und Munition
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müsse jetzt, sagte er, hochgefahren
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werden. Außerdem müssten Gesetze erarbeitet werden, die die
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Verwendung von im Ausland eingefrorenen russischem
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Staatsvermögen für ukrainische Rüstungsaufgaben ermöglichten.
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Diese Gesetze sollten fortan Nawalny Gesetze genannt werden.
21:42
Das ist die Forderung. Knapp 300 Milliarden oder so was Dollar
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eingefrorenen russischen Vermögens gibt es im Ausland als ein bisschen
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die Frage: Was machen wir damit? Da gibt es viele Forderungen zu
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sagen: Na ja, die nehmen wir, die beschlagnahmen wir und dafür kaufen
21:55
wir Waffen für die Ukraine. Die EU hat unterdessen neue
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Sanktionen verhängt. Man fragt sich so langsam: Wo finden
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die eigentlich noch Optionen für eine Verschärfung? Ich glaube, die
22:04
13. oder 14. Sanktionsverschärfung.
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Aber das kann alles nicht darüber hinwegtäuschen.
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Das klang eben auch schon an in einem Nebensatz, dass die
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russische Opposition doch ziemlich am Boden liegt.
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Ja, um die Opposition ist es nicht gut bestellt. Das sagt auch die
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Nowaja Gaseta Europa. Auf Russisch erscheint sie, und
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sie schreibt: Mit Nawalnys Tod scheint es, dass die Ära der
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gesamten russischen Opposition gegen Wladimir Putin
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am Ende ist. Die Oppositionellen, die es noch
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gibt, die sind fast alle im Ausland oder im Gefängnis.
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Das reicht vom Schachweltmeister oder vom ehemaligen
22:38
Schachweltmeister Kasparow bis zum ehemaligen Industriellen
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Chodorkowski. Die sind alle im Ausland.
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Es gibt noch einen Oppositionellen in Russland, Wladimir Karamursa.
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Der ist Journalist und Putin
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Kritiker. Aber auch der wurde schon zweimal
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vergiftet. Der hat das überlebt. Der wurde dann verknackt zu 25
22:56
Jahren im Lager. Der sitzt jetzt auch in Sibirien.
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Und natürlich macht sich seine Frau jetzt, nach dem Tod Nawalnys
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ernsthafte Sorgen, ob der wirklich
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diese 25 Jahre überlebt.
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Also von der russischen Opposition, würde ich sagen, ist momentan nicht
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viel übrig. Tja, und dann allerdings gab es
23:12
ja diese eine Figur, doch es sah so aus, als gäbe es immerhin noch eine
23:15
ernsthafte Oppositionsfigur in Russland, nämlich
23:19
Boris Nadeschdin von der Partei Bürgerinitiative.
23:22
Denn der immerhin hat ja den Ukrainekrieg öffentlich als
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"katastrophalen Fehler" bezeichnet
23:28
und wollte Putin jetzt bei der Präsidentschaftswahl herausfordern.
23:32
Ja, der hat es auch geschafft, überraschend viele Unterschriften zu
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sammeln. Das muss man ja machen, um da bei den Präsidentschaftswahlen
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antreten zu dürfen. Aber er darf nicht an den Wahlen
23:40
teilnehmen, weil sagt halt die Behörde zu viele dieser
23:44
Unterschriften ungültig sind.
23:47
Und da schreibt die Zeit, dass schon ein falsch gesetztes Komma in der
23:50
Adresse oder eine schlecht lesbare Hausnummer reicht.
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Schon ist eine Signatur auf einer solchen Unterstützungsliste
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ungültig. Und wer schon mal Unterschriften gesammelt hat in
23:58
Deutschland zum Beispiel bei so einem Volksbegehren der weiß, na
24:01
diese Listen sind natürlich jetzt alle nicht so, wie soll
24:04
ich sagen, die sind natürlich alle so ein bisschen schwierig geführt
24:08
mitunter, weil das halt einfach so schwer ist. Du stehst da auf der
24:10
Straße und dann verschreiben sich die Leute und so, also es ist halt
24:12
einfach völlig klar, wenn du Fehler finden willst, dann kann es
24:15
natürlich jede zweite Unterschrift irgendwie rauskegeln.
24:17
Also da hat das hat das Regime dann natürlich leichtes Spiel, eine
24:20
solche Kandidatur abzulehnen. Ein zweites echt großes Problem ist
24:24
nicht nur, dass er jetzt nicht antreten kann, sondern dass man sich fragen
24:26
kann, ob das nicht alles im Grunde nur eine große Täuschungsaktion
24:30
ist. Ja, ob das nicht einfach ein Mann war, den Putin ins Rennen geschickt
24:34
hat, ins Rennen hat laufen lassen,
24:36
um zu simulieren, dass es vielleicht
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doch demokratische Wahlen sind, die da in Russland im März
24:41
stattfinden werden. Die Zeit schreibt, die guten
24:43
Beziehungen zum engen Putin Mitarbeiter Kirilenko und seine
24:46
früheren Auftritte im TV nähren
24:49
den Verdacht, dass Nadeschdins mögliche Kandidatur mit
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der Regierung abgesprochen sein
24:54
könnte. Richtig belegt ist das glaube ich nicht.
24:56
Aber nun darf er halt nicht mehr teilnehmen und damit ist das Ding
24:59
dann auch durch. Jedenfalls werden Menschen, die
25:02
in Russland um Alexej Nawalny
25:04
trauern, zu Hunderten verhaftet und eingesperrt. Ich muss erst mal
25:07
sagen Chapeau, dass sich überhaupt noch Menschen auf die
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Straße trauen. Ja, die gehen da hin und wollen
25:13
irgendwie Blumen an irgendwelchen Denkmälern ablegen.
25:16
Also nicht der peacigste Protest, den man sich vorstellen kann.
25:18
Aber selbst das lassen die russischen Behörden nicht zu.
25:21
Bei den Protesten 2022
25:24
hatte Putin noch relativ milde
25:26
reagiert. Jetzt hingegen hat das Regime
25:28
offensichtlich in den Angriffsmodus umgeschaltet, unterdrückt Proteste
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brutal, noch bevor sie überhaupt entstehen. Wie gesagt, wer Blumen
25:36
ablegen will, wird angeschrien, verscheucht, verhaftet.
25:39
Dystopische Szenen. So viel zum Thema Diktatur
25:43
in Russland. Und ich denke, der Chefredakteur
25:45
der Republik, Dimitri Kolesow, bringt das auf Telegram
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ganz gut auf den Punkt. Er schreibt: Der Staat fürchtet,
25:51
dass solange die Emotionen in der Gesellschaft wegen Nawalnys Tod sehr
25:54
stark sind, seine Beerdigung
25:57
zu einem wichtigen politischen Ereignis werden könnte und in
25:59
Massendemonstrationen ausarten
26:02
könnten. Das ist natürlich jetzt die große Frage: Was passiert in
26:05
den nächsten Tagen? Anzeichen bisher gibt es, finde ich,
26:08
keine, dass Massenproteste dort anstehen. Und mir scheint es, dass
26:12
Putin sich doch sehr sicher fühlt. Er fürchtet wirklich
26:15
offensichtlich keine Konsequenzen, befördert die Verantwortlichen.
26:18
Ermutigt ist er durch das Zögern des Westens, würde ich denken, in
26:22
der Ukraine durch Bidens Schwäche, weil er natürlich um seine
26:26
Wiederwahl kämpft und durch Trumps Stärke und die Umfragewerte, die
26:29
Trump dort zu verzeichnen hat. Und das Signal, würde ich sagen
26:33
von Nawalnys Tod ist: Wagt
26:36
es nicht, gegen mich anzutreten. Wagt es nicht, euren Kopf aus
26:39
der Luke zu stecken, denn das endet
26:41
mit eurem Tod. Ja, wie stark er sich wirklich
26:43
fühlt, finde ich an der Stelle eine spannende Frage.
26:45
Also gerade in dem Kontext dieses doch sehr harten Vorgehens gegenüber
26:49
Protesten. Ich meine, mal ganz ehrlich. Nawalny ist nun tot.
26:53
Ja, natürlich könnte rund um die Trauergesten
26:57
so was wie eine Opposition entstehen oder die Opposition sich
27:00
öffentlich zeigen. Und ich finde das schon bemerkenswert, dass Putin
27:04
trotz seiner doch vordergründig
27:07
unangefochtenen Stellung in Russland nicht mal dieses kleine Ventil
27:11
der Opposition oder der
27:13
Trauer zulässt. Und dass er selbst da schon
27:15
versucht, jedes Bild von vornherein
27:17
zu verhindern, das irgendwie als als kritische Opposition interpretiert.
27:21
Michael Thumann zitiert in seinem Leitartikel einen Wissenschaftler,
27:25
der das so erklärt, dass Putin
27:27
sich halt mit Speichelleckern umgeben hat, wo Fehler nicht
27:31
angesprochen werden können, wo es keinerlei Kritik gibt, sondern wo es
27:34
so eine Eskalationsspirale sich entwickelt hat, wo die Leute um
27:38
Putin herum sich versuchen
27:40
zu übertreffen mit immer krasseren
27:43
Aktionen, mit immer mehr
27:45
Radikalisierung und mit immer mehr Unterdrückung, weil sie davon
27:49
ausgehen, dass das die Vorgabe Putins ist und dass
27:52
das das ist, was Putin von ihnen erwartet und dass das dann
27:56
vielleicht auch vor Ort in solchen
27:58
Polizeiaktionen endet, wie wir sie an allen Denkmälern in vielen
28:01
großen Städten, aber auch in Kleinstädten in Russland beobachten
28:04
können. Ja, wir haben eine kleine Korrektur
28:07
für euch, und zwar zu unserem Blog, wo wir über den abgesagten
28:10
politischen Aschermittwoch der Grünen berichtet haben in der
28:13
vergangenen Woche. Da schreibt uns die Kollegin Iris Volk vom
28:16
Südwestrundfunk:
28:18
Ihr habt dort gesagt, der politische Aschermittwoch der Grünen sei für
28:20
den Abend geplant gewesen. Das stimmt nicht. Die Veranstaltung
28:23
war für 11:00 vormittags geplant. Machen wir natürlich immer, wenn es
28:26
einen Fehler gibt in der Lage, wird das korrigiert. So auch in diesem
28:29
Fall. Kleiner Nachtrag noch an dieser Stelle: Wir hatten zu den
28:32
Protesten gesagt, dass es sich
28:34
höchstwahrscheinlich auch wieder um eine Unterwanderung durch
28:37
rechtsextreme Kreise handeln könnte.
28:39
Inzwischen hat sich dieser Verdacht bestätigt. Inzwischen haben auch
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Behörden offiziell gesagt es waren eben nicht nur Bauern Proteste,
28:45
sondern unter die protestierenden Landwirtinnen und Landwirte hatten
28:48
sich wieder Rechtsextremisten gemischt. Das ist mal wieder so ein
28:52
inszenierter Protest von der ganz rechten Ecke.
28:55
Ja, wir kommen noch mal kurz auf das Interview mit Steffen Mau zurück,
28:58
was ihr als letzte Folge in eurem
29:00
Feed gefunden habt. Das ist ja recht gut angekommen,
29:02
haben wir oben schon gesagt. Ich habe nur beim Schneiden gemerkt
29:05
vom Interview, dass
29:07
mir da einfach nur so ein paar Gedanken gekommen sind und ich
29:10
dachte so, das lohnt sich vielleicht noch mal so ein paar Erkenntnisse
29:13
von uns hier kompakt irgendwie
29:15
zu bündeln, weil er ja doch schon einiges drinsteckte in diesem
29:19
Interview. Und einen Aspekt, den wir
29:21
da ja besprochen hatten mit Herrn Mau war diese Frage, warum
29:25
die Erhöhung, zum Beispiel das Bürgergeld vor allem von jenen
29:27
kritisiert wird, die selber wenig
29:29
finanzielle Ressourcen haben.
29:31
Warum wollen die nicht lieber Geld
29:34
von Reichen, sei es durch eine Steuer, Vermögenssteuer?
29:37
Wie auch immer. Ja, das ist ja erst mal total
29:39
kontraintuitiv. Die, die selber nicht viel haben,
29:42
treten gegen die, die noch weniger haben, anstatt mal zu schauen,
29:46
ob es nicht vielleicht Menschen in der Gesellschaft gibt, die problemlos was abgeben könnten.
29:50
Und da hatte Steffen Mau, fanden wir wirklich eine ganz spannende Sicht
29:53
darauf. Na ja, gut, er sagt halt, weil wir
29:55
halt insgesamt so die Gesellschaft eine Ideologie anhängt, dass eben
29:59
Reichtum unter dem Verdacht steht, verdient
30:02
worden zu sein. So möchte ich es mal nennen, obwohl das die Zahlen halt
30:05
oft nicht hergeben. Oft ist großer Reichtum eben
30:09
nicht durch Arbeit verdient,
30:11
sondern vererbt. Und trotzdem
30:15
gibt es da wenig Debatte darüber, ob wir da nicht mal von oben nach unten
30:18
verteilen sollen, sondern da kommt dann häufig die Debatte auf ab 15 €
30:21
mehr Bürgergeld, das sind ja dann
30:23
irgendwie 20 € mehr, als ich habe. Das ist irgendwie schwierig.
30:26
Was ich beim Schneiden noch so dachte, ist, weil er ja auch so
30:28
sagte, dass die Bindekraft von Parteien und Gewerkschaften
30:31
abgenommen hat und die nicht mehr so in der Lage sind,
30:34
soziale Energien und Spannung, die es ja so gibt, aufzunehmen,
30:38
dass Leute, sagen
30:40
wir mal mit wenig finanziellen Ressourcen dann eben durch
30:44
diese mangelnde Bindung auch nicht mehr die Kraft aufbringen,
30:48
um sich mit mächtigeren
30:50
Institutionen und Persönlichkeiten
30:52
anzulegen, sondern dass es da aufgrund dieser mangelnden weiß ich
30:55
nicht Solidarität, Bindungskraft unter Leuten mit weniger
30:58
finanziellen Ressourcen einfacher
31:01
ist, Schwächere anzugreifen,
31:03
als sich vielleicht gemeinsam organisiert mit Stärkeren
31:07
anzulegen. Und man kann, glaube ich schon auch sagen jedenfalls in der Tendenz
31:10
haben Menschen mit viel Geld auch
31:12
leichter die Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen.
31:15
Dem kann man was entgegensetzen
31:17
durch Zusammenschluss. Wenn Menschen, die individuell
31:21
wenig Möglichkeiten haben, sich zusammenschließen, zum Beispiel zu
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Gewerkschaften oder zu Parteien, dann können sie eben selber soziale
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Energien einsammeln. Aber da, und das ist ja auch eine Binsenweisheit, das hat er dann noch
31:30
mal wiederholt. Da gibt es aber das Problem, dass
31:32
die Bindungskraft solcher Parteien
31:34
und Gewerkschaften abgenommen hat und dementsprechend wächst das
31:37
Gefühl der Machtlosigkeit bei denen, die eben individuell
31:41
nicht so viel zu melden haben. Richtig. In eine weitere Funktion
31:44
solcher Institutionen wie Parteien und Gewerkschaften war, das habe ich
31:47
so mitgenommen aus dem Interview eben das krasse Emotionen,
31:51
spontane Emotionen, vielleicht auch irrationale Emotionen von
31:55
diesen Institutionen wie Parteien quasi abgepuffert wurden.
31:59
Die haben verhindert,
32:01
dass diese Emotionen mehr oder weniger eins zu eins
32:05
durchschlagen auf die öffentliche Debatte oder den politischen
32:08
Diskurs oder eins zu eins transportiert wurden, meinetwegen
32:12
ins Parlament. Also extreme Gedanken wurden
32:15
wirklich jahrzehntelang insbesondere von der Union aufgefangen.
32:17
Es gab ja auch dieses berühmte Diktum von Franz Josef Strauß, dem
32:21
ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten, selbst ein sehr
32:23
konservativer Mensch. Und der hatte den Begriff
32:27
geprägt, dass es einfach rechts von der Union keine Partei mehr geben
32:31
dürfe. Dementsprechend hat die Union es
32:33
einfach geschafft, viele, man muss auch sagen harte Nazis zu
32:36
integrieren. Also in den 50er Jahren gab es, hab ich keine Zahlen, aber
32:39
mutmaßlich noch mehr Nazis
32:41
als heute. Hoffentlich. Aber die haben eben im politischen
32:44
Diskurs eigentlich keine Rolle gespielt. Es gab eine Splitterpartei,
32:47
diese SRP, die wurde dann verboten,
32:49
weil es einfach Adenauer und Co geschafft haben, diese Nazis
32:52
halbwegs zu entschärfen und insbesondere sie zu gewinnen für die
32:56
parlamentarische Demokratie. Ja, es gab total problematische
33:00
Figuren, denken wir an Herrn Globke und so einen harten Nazi, der in
33:03
unmittelbarer Nähe von Adenauer und so, also ich will das gar nicht
33:06
kleinreden, dass es ein Riesenproblem gab mit Altnazis.
33:08
Aber die Union hat es geschafft, dass Nazi Ideen im politischen
33:12
Diskurs einfach nicht mehr so eine Rolle gespielt haben.
33:14
Und auch da haben wir einfach erlebt, mit abnehmender Bindung
33:18
der Union, insbesondere für sehr rechte Kräfte, gab es immer mehr
33:21
freie Radikale und die haben sich dann mittelfristig eben in der AfD
33:25
angesammelt. Und so, das ist der nächste Punkt,
33:28
finde ich, den ich so aus diesem Interview so mitgenommen habe,
33:32
kommt es halt dazu, dass diese Emotion, diese Gefühle, die es
33:35
natürlich immer schon gegeben hat, in gewissem Maß quasi heimatlos
33:39
geworden sind und wie du es nun so beschreibst, als freie
33:42
Radikale im politischen System wirken. Und diese Emotionen.
33:47
Ich will nicht sagen, die neuen Kräfte sind aber in einer bisher
33:50
ungekannten Stärke
33:52
und Mächtigkeit im politischen
33:54
System wirken. Früher gab es Ideologien,
33:58
Traditionen, Gewerkschaften, Gewohnheiten, die prägend
34:01
waren für das politische Handeln. Heute sind es eben heimatlose
34:05
Gefühle, die durch sozialen Wandel befeuert werden.
34:09
Auch viele Ängste, die einfach
34:11
eine sehr, sehr große Rolle spielen
34:13
und sich auch gegen Feindbilder sehr leicht richten lassen.
34:16
Und eben sehr abrupt, vor allen Dingen sehr kurzlebig, sehr
34:19
wechselhaft, aber gleichzeitig eben sehr mächtig sind und so
34:23
das doch maßgeblich mitbestimmen,
34:25
was wir derzeit so an
34:28
fragmentierter Gesellschaft so erleben. Da kommt dann auch wieder dieses
34:31
Stichwort ins Spiel von den Polarisierungsunternehmern, also von
34:34
Akteuren im politischen Diskurs, die einfach damit nicht Geld
34:38
verdienen, aber politischen Einfluss gewinnenl dass sie eben
34:41
polarisieren, dass sie eben Emotionen freisetzen, heimatlose
34:45
Emotionen auch bündeln auf Feindbildern. Also diese ganze
34:48
Migrationsdebatte beruht ja im Grunde darauf, dass das bestimmte
34:51
Gruppen in der Gesellschaft zu Feindbildern gemacht werden, zu
34:54
Sündenböcken gemacht werden. Und das funktioniert eben vor allem
34:57
gut durch Polarisierungsunternehmer, durch Leute, die wissen, wie man
35:01
diese Emotionen schüren kann. Nur noch das
35:05
Stichwort: Was haben wir mitgenommen? Also, damit das richtig
35:07
eingeordnet wird, das sind jetzt unsere Assoziationen zu dem
35:11
Interview. Wir wollen damit nicht all das dem Professor Mau...
35:15
Ne ne! Er hat das nicht alles so gesagt.
35:17
Das wäre ein Missverständnis! Das sind Gedanken, die darüber
35:19
hinausgehen. Basierend auf dem Interview.
35:22
Und eins ist eben diese Veränderungsmüdigkeit, dieses
35:25
Stichwort, was
35:27
man, finde ich ganz gut beschreibt,
35:30
dass natürlich diese Emotionen, diese sozialen Emotionen auf beiden
35:33
Seiten des politischen Spektrums vorhanden sind, dass sie aber
35:37
am konservativen Ende oder noch viel mehr am rechtsextremen Ende
35:41
eine viel größere Kraft haben,
35:44
weil dort Wandel
35:46
an sich mit viel größerer Skepsis
35:50
aufgenommen wird. Und wenn auf einer progressiven
35:52
Seite, die an sich dem Wandel an sich sehr positiv und
35:56
aufgeschlossen gegenübersteht, dann Emotionen aufkommt wie Das geht uns
35:59
nicht schnell genug, dann haben die nicht die Kraft, wie
36:02
politischer und gesellschaftlicher Wandel auf der
36:06
konservativen Seite, die eher darauf aus ist Es müsste eigentlich so
36:09
bleiben, wie es ist oder es müsste sogar zurückgedreht werden.
36:12
Und dass diese Emotionen, die in der Reibung von diesen Auffassungen und
36:16
dem gesellschaftlichen Wandel entstehen, dass die einfach viel,
36:19
viel mächtiger sind und sich dementsprechend auch viel leichter
36:22
ausbeuten lassen. Zugleich war auch ein spannender
36:25
Gedanke aus meiner Perspektive, dass die Gesellschaft ja einfach zu mehr
36:29
bereit wäre, dass die Gesellschaft grundsätzlich gar nicht
36:32
so veränderungsresistent ist, sondern es geht darum, dass man
36:36
den Menschen erklärt, warum das wichtig ist. Wir haben einfach
36:39
momentan niemanden, der es schafft, dieses Potenzial zur positiven
36:43
Gestaltung zu heben. Es fehlt so an der Vision, an der
36:46
politischen Führung, auch an der Überzeugung der Menschen.
36:48
Und was natürlich schon so ist, das hörte ich jetzt gerade noch mal
36:52
im Deutschlandfunk, die da wiederum eine Studie wiedergegeben haben.
36:55
Es gibt schon so was wie eine Veränderungsmüdigkeit auch in der
36:58
Mitte der Gesellschaft. Und zwar einfach wahrscheinlich,
37:01
weil es ja immer ein bisschen schwer, so Gefühle und Einstellungen zu
37:04
erklären kausal, aber wahrscheinlich
37:06
aufgrund der Vielzahl an Krisen
37:08
und viel zu an Herausforderungen der letzten Jahre. Die Menschen sehnen
37:11
sich einfach nach so ein bisschen
37:14
mehr nach einem ruhigen Hafen. Und das heißt jetzt nicht, dass sie
37:16
deswegen gar keine Veränderung mehr wollen. Also keine Ahnung.
37:19
Der Klimawandel wird ja von über 80 % schon als großes Problem
37:21
gesehen, aber es fehlt da an dem Menschen, der die Führung übernimmt.
37:25
Und das, finde ich, wirft wieder diese sehr spannende Frage auf: Wann
37:28
lassen sich denn eigentlich Leute auf Zumutungen ein?
37:31
Ja, und da finde ich es im Interview mit Mau klar geworden: Es müssen ein
37:34
paar Bedingungen erfüllt sein. Das eine ist: Es muss natürlich
37:37
eine politische Vision oder ein politisches Projekt geben,
37:41
in das einzelne Maßnahmen einsortiert werden. Das muss in
37:44
einem größeren Rahmen hängen, der Einzelne dann vielleicht
37:48
auch schwierige Maßnahmen sinnvoll erscheinen lässt, weil eben
37:51
am Ende des Tunnels ein Licht, ein Ziel zu erkennen ist, das ist das
37:54
eine. Und bei diesem Prozess
37:56
der Veränderung und der Zumutung
37:58
muss es gerecht zugehen. Es muss gerecht zugehen,
38:02
damit all jene, die handeln
38:04
sollen, verstehen:
38:06
Ah, das ist so gerecht, dass ich nicht der oder die Einzige bin,
38:09
die handelt. Sondern weil es so gerecht ist,
38:13
werden noch viele, viele andere so handeln wie ich.
38:17
Und das ist der Motor,
38:19
der Leute dazu bringt, Zumutungen
38:21
auch zu ertragen und mitzumachen und vielleicht auch selber zu gestalten.
38:23
Ja, und zu diesem Aspekt hat
38:26
Philip in dieser Woche auch ein spannendes Interview im Spiegel
38:28
gefunden mit der Ökonomin Ulrike Malmendier, die ist eine der
38:32
sogenannten Wirtschaftsweisen, also ein Mitglied des Sachverständigenrats
38:35
der Bundesregierung zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen
38:38
Entwicklung, forscht in den Vereinigten Staaten.
38:41
Und sie sagte zum Thema Führung:.
38:43
Ich glaube, von der Bundesregierung jetzt eine eigene Version zu
38:46
erwarten, nach dem Motto So machen wir das jetzt ist zu viel verlangt.
38:49
Wir sind ja nicht China, sagt sie. Das kann nicht von oben kommen.
38:52
Das muss von Unternehmen und Bürger und Bürgerinnen entwickelt und
38:54
vorangetrieben werden, sagt sie. Was ich aber nicht verstehe,
38:58
ist, warum die Bundesregierung das, was sie tut, nicht besser
39:01
kommuniziert, etwa beim Gebäudeenergiegesetz, sagt sie.
39:04
Das war inhaltlich richtig,
39:06
in der Verkaufe aber echter Murks.
39:09
In dieser Koalition sitzen einige der besten Kommunikatoren, die ich
39:12
kenne. Ich habe viele von ihnen schon gefragt, wie es sein kann,
39:16
dass sie ihre politischen Maßnahmen mitunter auch die nötigen Zumutungen
39:19
für die Leute nicht besser erklären können.
39:22
Dazu haben wir in der Lage ja schon häufig was gesagt. Ich glaube, der wesentliche Grund,
39:26
wieso Ihnen das Verkaufen nicht gelingt, ist diese Sehnsucht nach
39:29
der inneren Distanzierung, sobald es schwierig wird. Also bei der SPD,
39:32
ist das durch die Bank besonders krass, natürlich geführt vom
39:35
Bundeskanzler, dass sie einfach
39:38
immer so ein bisschen spüren, dass sie den Leuten eigentlich lieber
39:40
nichts zumuten wollen und deswegen eben das nicht schaffen zu sagen,
39:43
Ja, wir verkaufen das jetzt aber auch bei der FDP, auch bei den
39:46
Grünen sieht man das. Bei der FDP ist dieses Abgrenzen von der Ampel
39:49
noch stärker wahrscheinlich ausgeprägt als bei den
39:52
Sozialdemokraten. Und es ist halt schwierig, etwas
39:54
engagiert zu verkaufen, wenn man zugleich das Gefühl hat,
39:57
ich möchte mich davon am liebsten distanzieren, weil es die Leute
39:59
eigentlich nicht hören wollen. Richtig. Und natürlich spielt das
40:02
eine Rolle, dass eben vielen Politiker, Politikerinnen, denke
40:05
ich, auch so das größere politische Projekt fehlt oder zumindest sie
40:08
nicht in der Lage sind, das so zu skizzieren, damit sie dann
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auch in der Lage sind, Zumutungen den Leuten vernünftig zu verkaufen.
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Und auch zu dieser irrationalen
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Skepsis vieler Menschen in Deutschland gegenüber Zuwanderung
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hat die Wirtschaftsweise Malmendier finde ich was ganz Interessantes
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gesagt. Sie sagt ja, letztes Jahr
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ist die deutsche Wirtschaft um 0,3 % geschrumpft.
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Ja, in diesem Jahr ist die Prognose eher Stagnation.
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Mit anderen Worten, der Wirtschaft in Deutschland geht es jedenfalls
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wenn man dieses Wachstumskriterium anlegt, nicht so wahnsinnig gut.
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Aber sie appelliert an die Menschen in Deutschland, auch
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gerade an die Wirtschaft, die Politik, die Chancen zu sehen
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und zu nutzen. Sie sagt, viel wichtiger jetzt als
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diese kurzfristigen, relativ kurzfristigen Wachstumszahlen,
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sagt sie, wäre es meiner Meinung nach, über das langfristige
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Potenzialwachstum zu sprechen, also die ökonomische Größe,
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die wir erreichen könnten,
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wenn wir denn alle unsere Produktionsfaktoren richtig
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auslasten, also Arbeit, Maschinen
41:10
und Energie. Dieses Szenario, sagt sie, sieht
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für Deutschland wesentlich besser aus, wenn wir es denn richtig
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anstellen. Also weniger auf die Zahlen gucken, sondern darauf, ob wir die Chancen
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auch nutzen, die wir haben. Und da sieht sie einfach großes
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Potenzial, das brachliegt. Und einen Akzent hat sie dabei
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gelegt auf einen Faktor, wo Deutschland sein Potenzial bisher
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überhaupt nicht ausschöpft und damit das Wachstum ausbremst.
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Sie sagt: Der wesentliche Grund
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dafür, dass wir so unser Potenzialwachstum nicht ausschöpfen,
41:39
sind die fehlenden Arbeitskräfte.
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Da geht es nicht nur um Hochkaräter.
41:44
Es wird schlicht einfach auf allen Ebenen der Gesellschaft
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zu wenig gearbeitet. Vor allem aber kommen zu
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wenig Fachkräfte ins Land, um all die Arbeit zu erledigen.
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Und da sagt sie auch, da geht es jetzt nicht nur um Hochschulprofessoren,
41:58
Professorinnen, sondern es geht einfach durch das komplette
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Qualifikationsspektrum vom Pizzaboten, Botin
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bis zu Hochschulprofessorin. Du hast ja schon im Bereich
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Raumpflege hast du ja große Probleme.
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Und das fand ich interessant, dass sie sagt: Guckt nicht so auf diese
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kurzfristigen Zahlen. Das wäre so ein politisches Projekt,
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dass man sagt ja, das läuft grad nicht rund, aber wir könnten einiges
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erreichen. Wir sind das skizziert sie in dem
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Interview auch, wir haben so viele Qualitäten. Biotechnologie, alle
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möglichen anderen Industriesparten, auf die wir jetzt gar nicht so
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sehen. Da stecken enorme Potenziale drin. Wir haben unglaubliche
42:31
Fähigkeiten. Es gibt nur ein paar Stellschrauben,
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an denen wir drehen müssen, um das auszuschöpfen.
42:36
Eine davon ist eben: Es müssen mehr Leute ins Land kommen,
42:40
um hier zu arbeiten. Und die, die hier sind, sollen wir natürlich auch mal arbeiten lassen.
42:43
Das ist natürlich auch ein großes Thema, dass es immer noch
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große Gruppen von zum Beispiel geflüchteten Menschen gibt, die wir
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nicht arbeiten lassen. Absurdes Thema aber gut, wollen wir
42:51
an dieser Stelle nicht vertiefen. Spannend ist aber, dass diese
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Interviews sowohl mit Steffen Mau in der Lage als auch mit Ulrike
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Malmendier im Spiegel quasi das argumentative Rüstzeug
43:02
liefern, um eine Frage zu beantworten, die uns schon vor ein
43:05
paar Wochen ein Hörer geschickt hat und die wir sehr spannend
43:08
fanden. Hörer jJan schreibt uns nämlich:.
43:11
Wenn ich es richtig verstehe, ist der demografische Wandel die
43:14
Schlange, vor dem kleinste bis größere Wirtschaftslenker wie
43:17
ein Kaninchen sitzen. Gleichzeitig aber treibt die AfD die
43:20
Politik vor sich her, bis diese ja bereits anfängt, thematische
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Konzessionen zu machen. Wie so in aller Welt, fragt
43:27
Jan, aber dreht die Politik den Spieß nicht um?
43:30
Wieso ist es möglich, dass die AfD
43:32
alle Parteien mit dem Migrationsthema vor sich
43:35
hertreibt? Natürlich muss viel gemacht werden.
43:38
Wohnungsbauprogramme müssen in großem Stil auf den Tisch.
43:41
Es müsste viel mehr in Bildung und Eingliederung investiert werden.
43:44
Alle Migranten, die schon hier sitzen, müssten in den Arbeitsmarkt
43:46
integriert werden. Aber so könnte man dann der
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AfD doch vollkommen dieses Thema abgraben.
43:52
Da kann man nur sagen: Ja, das haben wir in der Lage auch schon häufiger
43:54
so berichtet. Denn die Abwehr von Migration ist
43:57
völlig irrational, sagt Steffen Mau. Sagt Ulrike Malmendier.
44:00
Und das sagt nicht zuletzt auch die Bundesagentur für Arbeit.
44:03
Wir brauchen 400.000 Menschen netto
44:05
zusätzlich im Jahr. Ohne Migration brechen manche
44:08
Bereiche unserer Wirtschaft heute schon zusammen. Gerade der soziale
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und medizinische Bereich. Wer macht denn die Pflegedienste in
44:15
den Krankenhäusern? Pflegekräfte haben sehr oft schon
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heute einen Migrationshintergrund. Außerdem guckt euch Restaurants,
44:20
Kneipen, Lieferdienste an. Und Malmendieer und Mau, die sind sich
44:24
einig. Wir bräuchten ein positives Verständnis von der Zuwanderung,
44:27
und zwar nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen.
44:30
Und das interessanterweise sieht auch Siegfried Russwurm so.
44:33
Der ist nichts weniger als der Präsident des Bundesverbands der
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Deutschen Industrie. Also mehr Vertretung alter
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großer deutscher Industrie geht nicht.
44:42
Und mehr CDU Nähe geht
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fast auch nicht bei einem Lobbyverband.
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Und der plädierte heute früh im Deutschlandfunk für eine bessere
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Willkommenskultur. Denn Deutschland, so warnt er,
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sei eben nicht das einzige Land,
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das quasi um Immigration konkurriere, in das Menschen
44:58
einwandern können. Das heißt, wir sind im Wettbewerb,
45:01
und damit ist Offenheit
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einladen, verstehen,
45:06
dass wir diese Menschen dringend brauchen in einem Land, das immer
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mehr altert und in dem 400.000
45:11
Menschen mehr jährlich in Rente gehen, als neu aus den Schulen in
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den Arbeitsmarkt gehen. Wir müssen diese Menschen willkommen
45:18
heißen und das überall ausdrücken in unserer Kommunikation,
45:22
auf unseren Straßen, in der direkten Begegnung.
45:24
Angesichts von hohen Umfragewerten für die AfD sieht Russwurm gerade
45:27
auch die Unternehmen in der Pflicht, den Menschen in Deutschland zu
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sagen, dass es einfach ohne Migration nicht gehen wird.
45:34
Mehr als vielleicht jedes Land auf der Welt haben wir in den
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letzten Jahrzehnten von Weltoffenheit, von internationaler
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Vernetzung profitiert. Das müssen auch wir Unternehmer
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den Menschen immer wieder sagen,
45:46
damit nicht andere, die vermeintlich
45:49
einfache Antworten auf komplexe Fragen haben, die letztlich ja keine
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Antworten sind, die Oberhand gewinnen.
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Häufig kommt dann natürlich das Argument: Aber wir brauchen doch
45:58
andere, wir wollen nicht die Geflüchteten, nein, wir wollen
46:01
halt andere Fachkräfte. Wir brauchen ausschließlich
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Fachkräfte, IT, Profis, Professorinnen, Professoren.
46:08
Wir wollen nicht diese ganzen Geflüchteten. Und das stimmt einfach nicht mehr.
46:10
Ich meine, das sagt Malmendier auch. Malmendier sagt in diesem Interview:
46:13
Wir brauchen einfach alle. Ich habe es oben, sagt von der Pizza
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Bäckerin, von der Pflegerin über die Lieferantenbotin,
46:21
Pizza ausfahren bis
46:23
in Uni Berufe, Architekten, Ärztinnen, Professoren.
46:26
Man muss einfach sehen: Jeder Mensch kann lernen im Prinzip, wenn er
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nicht gerade zum Beispiel erblindet ist, ein Bus zu fahren.
46:32
Jeder Mensch kann eigentlich lernen, wenn er nicht gerade gelähmt ist,
46:35
Senioren zu pflegen. Beispiel Bauindustrie.
46:37
Da hatten wir vor ein paar Monaten ja das Interview mit den
46:40
Mitarbeitenden da von der Firma Goldbeck, die versuchen, Menschen
46:43
in ihr Unternehmen zu integrieren. Die sagen auch, wir brauchen nur ein
46:46
paar Wochen, um die anzulernen. Das Riesenproblem ist eben, dass die
46:49
Ausländerbehörden so lange brauchen, um den Menschen Arbeitserlaubnisse
46:52
auszustellen. Das ist das Problem. Aber nicht, dass die Menschen nicht
46:55
arbeiten wollen, sondern sie dürfen nicht.
46:57
Und wir leben halt so ein bisschen auch noch in dieser Selbstlüge, dass
47:00
alle Welt nach Deutschland will. Gerade die, die halt eine
47:03
Hochschulqualifikation haben und
47:05
besonders spezialisiert sind in irgendwelchen Topberufen.
47:08
Und das ist halt nicht mehr so. Die Leute hier in Deutschland
47:11
sprechen viel zu wenig Englisch. Es gibt an allen Ecken und Enden
47:14
Rassismus. Indische Programmierer, glaube ich,
47:17
weiß ich nicht, ob ich denen empfehlen würde, nach Sachsen zu gehen.
47:19
Im Zweifel lieber nicht, weil man weiß ja nicht, was mit denen da so
47:22
geschieht. Also es stellt sich natürlich die
47:24
Frage, warum macht die Politik dieses irrationale Spiel mit?
47:28
Ja, viele Menschen lehnen
47:30
Migration ab, manchmal
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auch mit der Fußnote Ja, wir wollen ja gerne Fachkräfte und so.
47:34
Und mal ganz ehrlich, mehr als 80 % fanden die Abschiebethesen
47:38
von Scholz gut und da würde ich jetzt gegenhalten im Anschluss
47:42
an das, was wir in dem Interview mit Steffen Mau besprochen haben.
47:45
Stichwort Man muss die Menschen überzeugen, es braucht Vision und
47:47
Führung. Aus meiner Sicht ist das das eigentliche Versagen der Ampel.
47:52
Sie schafft es nicht, ein komplett
47:54
positives Bild auf Migration
47:56
zu vertreten. Ja, es gibt Probleme
47:59
mit Migration. Aber das Problem ist nicht, dass zu
48:01
viele Menschen kommen, sondern dass wir es bislang noch nicht schaffen,
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sie hinreichend zu integrieren. Und das ist quasi der der
48:07
entscheidende Unterschied. Natürlich geht es nicht darum,
48:09
Probleme mit Migration kleinzureden,
48:11
von Schulen über Wohnung. Natürlich gibt es Probleme.
48:14
Das sagt ja auch unser unser Hörer, der diese Frage gestellt hat.
48:17
Aber die Lösung ist halt nicht weniger Menschen, sondern die Lösung
48:20
muss immer sein, die Menschen, die da sind, besser zu integrieren.
48:23
Wir können sie uns eben auch nicht mehr aussuchen und wir brauchen sie.
48:26
Das passiert aber nicht. In unterschiedlichen Abstufungen
48:29
läuft auch die demokratische Politik
48:31
diesem absurden Abwehrnarrativ der Rassisten und der AfD hinterher.
48:35
Und sie wundert sich dann zugleich immer, dass die AfD immer stärker
48:38
wird. Das sagt Steffen Mau im Interview ja auch die AfD hat
48:40
einfach dieses diese Ownership für das Thema Abwehr von Menschen,
48:44
Abwehr von Migration und sobald man Migration diskutiert als Abwehr
48:48
Narrativ gewinnt immer die AfD.
48:50
Dabei könnte die Ampel zum Beispiel die AfD und leider ja auch in Teilen
48:53
die Union inhaltlich stellen, indem sie einfach sagt: Was sind denn die
48:56
echten Integrationshindernisse? Beispiel, dass man immer noch bei
48:59
der Behörde fragen muss, ob ein Migrant überhaupt arbeiten darf zum
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Beispiel. Das blockiert maßgeblich
49:05
auch die Union. Auch in der Ampel sagen wir die FDP
49:07
ist ja nicht so ganz sicher, was sie davon halten soll. Aber das haben
49:10
wir schon in mehreren Interviews herausgearbeitet, dass man immer
49:13
noch erst mal die Ausländerbehörde fragen muss, ob man arbeiten darf.
49:15
Das behindert einfach die Arbeitsaufnahme. Vor allem, dass die Bundesagentur
49:18
für Arbeit dann auch noch mal zustimmen muss. Und dann geht das wieder zurück an
49:21
die Ausländerbehörde. Und da haben wir auch gesagt, das
49:23
haben wir auch in verschiedenen Interviews, in Gesprächen mit
49:26
Politikern und Politikerinnen mal gesagt: Dreht es doch um!
49:28
Lasst die Leute einfach arbeiten.
49:30
Meldet das. Und wenn die Bundesagentur für
49:33
Arbeit oder die Ausländerbehörde irgenwelche Probleme sieht, dann
49:35
kann sie im Nachhinein prüfen und vielleicht auch die Arbeitserlaubnis
49:38
wieder entziehen. Und das ist halt Bürokratieabbau par
49:41
excellence. Du fragst nicht mehr vorher die Behörde und dann dauert
49:44
das Monate und wenn das okay kommt, ist der Job weg.
49:46
Sondern es müsste doch so sein, dass wie du es gesagt hast, Philip.
49:49
Man kann einfach arbeiten. Man meldet den Arbeitsvertrag, der
49:52
Arbeitgeber meldet den Arbeitsvertrag. Und wenn dann irgendeine Behörde
49:56
oder die Bundesagentur für Arbeit ein Problem hat, können sie immer
49:58
noch sagen: Hallo, hallo, der Lohn ist so niedrig, das ist Dumping oder
50:01
was weiß ich. Aber da könnte man so viel
50:03
Bürokratie sparen. Und das Problem ist halt momentan
50:06
ist by default No. Also wenn nichts passiert, wenn die
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Behörde überfordert, überlastet ist, wenn alle krank sind oder Corona
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haben, geht gar nichts voran und das kann nicht gehen.
50:14
Das wäre echt mal Bürokratieabbau und auch politisch total cool.
50:18
Da könnte die Ampel, sagen wir mal die Union, die AfD stellen.
50:21
Was ist hier los? Warum lassen wir die Leute nicht
50:23
arbeiten? Auf der Habenseite der Ampel, die
50:26
gibt es ja auch. Und da stehen nicht nur 1, 2, 3 Punkte drauf, sondern
50:30
da stehen schon einige substanzielle
50:33
Errungenschaften drauf, die sie umgesetzt haben.
50:36
Und eine Erfolgsgeschichte
50:39
ist sicherlich und definitiv
50:41
der boomende Ausbau
50:43
der Solarenergie in
50:45
Deutschland. Der Ausbau geht durch die Decke, alle Ziele wurden
50:49
übertroffen, auch die Erwartungen wurden übertroffen.
50:51
Also PV in Deutschland
50:53
boomt und die Wirtschaftswoche hat dazu letzte Woche mal einen ganz
50:57
guten, sehr interessanten Überblicksartikel. Haben wir
50:59
natürlich verlinkt.
51:02
Laut diesem Artikel sagt das Freiburger Fraunhofer Institut für
51:05
solare Energiesysteme: In Deutschland wurden im vergangenen
51:09
Jahr 14,1 Gigawatt Kapazität neu installiert.
51:13
Das ist weit mehr als geplant worden. Ich glaube, geplant waren
51:16
neun, das sind fünf Gigawatt mehr. Das ist ein neuer Rekord.
51:20
Und insgesamt sind jetzt in Deutschland mehr als 80 Gigawatt
51:23
Solarleistung installiert,
51:25
verteilt auf 3,7 fast
51:27
4 Millionen Anlagen. Also das ist wirklich eine absolute
51:31
Erfolgsbilanz. Und das hat auch erst angefangen
51:33
mit der Ampel. Das gab es vorher nicht wirklich. Das geht aufs Konto
51:37
der Ampel. Und dieser Solarboom,
51:39
der schafft eben massiv auch Arbeitsplätze beim
51:42
Montieren neuer Anlagen auf Dächern und Wiesen.
51:45
Und zwar so viele, dass auch da natürlich ein großer
51:47
Arbeitskräftemangel herrscht. Wohlgemerkt nicht Fachkräfte,
51:51
sondern auch einfach nur Leute, die mit vier Wochen Training übers Dach
51:54
hüpfen können. Doch woher kommen eigentlich die
51:56
Solarpanels, die man braucht, um sie montieren zu können?
51:59
Diese Produktion der Pannel wird
52:01
auch von ein paar deutschen Firmen
52:03
betrieben. Ein paar gibt es auch in Deutschland.
52:05
Ursprünglich gab es aber mal viel mehr. Dann aber Philip gab
52:09
es einen Crash, weil nämlich die Förderung gestrichen wurde.
52:11
Richtig. Genau das war glaube ich mit Merkel II, Union-FDP
52:15
Regierung um 2010.
52:17
Da gab es dann so einen Deckel, dann wurde die Förderung
52:20
zusammengestrichen und da ist sehr, sehr viel von der deutschen
52:24
Solarindustrie dann über den Jordan
52:26
gegangen. Solarworld, glaube ich, hat 2017 dann Konkurs angemeldet.
52:30
Also da ist ein riesen Schaden angerichtet worden.
52:32
Und heute gibt es aber wieder Solarfirmen in Deutschland, vor
52:36
allem in Ostdeutschland. Aber, und das ist der entscheidende
52:39
Punkt sie stellen halt nur einen sehr, sehr geringen Anteil der
52:42
Panels her, die dann auch wirklich in Deutschland verbaut werden.
52:45
Und zwar also unter 10 %
52:47
alles zusammen. Die meisten Solarpanel, nämlich mehr als 90 %,
52:51
werden heute in China hergestellt,
52:53
denn auf jeden Fall sind sie einen Tick billiger.
52:56
Klar, und manche Brancheninsider
52:58
sagen uns, sie seien auch besser,
53:00
weil sie modernere Technologien nutzen. Die in Deutschland tätigen
53:03
Hersteller würden das vermutlich etwas anders sehen, aber das ist
53:06
jedenfalls umstritten, ob die nicht mindestens genauso gut sind, wenn
53:09
nicht besser. Richtig, Es war ja mal eine Zeit lang so, dass die wirklich scheiße
53:11
waren. Die waren minderwertig und das ist völlig vorbei.
53:14
Das ist heute definitiv vorbei. So, und in den vergangenen Monaten
53:18
brach nun ein regelrechter Preiskrieg auf dem Markt
53:21
für Solarpanels aus. Die Preise für Module in Europa
53:25
sind drastisch gefallen, binnen eines Jahres um bis zu 40 %.
53:29
Das lag unter anderem auch daran,
53:31
dass die Vereinigten Staaten und Indien Protektionismus betrieben
53:34
haben, also ihre Märkte für chinesische Panel über Zölle quasi
53:38
geschlossen haben. Und dann mussten die in China
53:40
produzierten Panel natürlich irgendwo hin. Dadurch entstand ein
53:42
Überangebot. Die Panel drängen jetzt auf den
53:45
europäischen Markt. Und die Wirtschaftswoche zitiert
53:48
eine Analyse der Agentur Rysler Energy.
53:51
Demnach lagerten
53:53
in Europa im vergangenen Oktober,
53:55
also vor einem guten halben Jahr, unverkaufte PV Module
53:59
mit einer Kapazität von 80
54:02
Gigawatt, 80 Gigawatt! Und ein großer Teil davon eben aus
54:05
China. Dazu muss man wissen: Im
54:07
ganzen letzten Jahr 2023
54:10
wurden in Europa Solarpanele
54:13
verbaut mit einer Kapazität von 56 Gigawatt.
54:16
Das heißt da liegen auf Halde
54:18
weit mehr als ein ganzer Jahresbedarf für ganz Europa.
54:22
Ja, und das drückt natürlich auf die Preise. Und irgendwann sind die
54:25
Preise dann so niedrig, dass die Deutschen Panel überhaupt nicht
54:28
mehr wettbewerbsfähig sind.
54:30
Und der Vorwurf der deutschen Hersteller von Solarpanels, die
54:34
mit anderen Betrieben im Bundesverband Solarwirtschaft
54:37
organisiert sind, sagen: Unsere Panels sind genauso gut wie die
54:40
chinesischen. Aber die chinesischen Panels sind viel zu billig, weil der
54:43
chinesische Staat sie subventioniert.
54:45
Und da könnten wir, die deutschen Hersteller, nicht
54:49
mithalten. Und die Folge ist jetzt in
54:51
Deutschland stehen wieder mal
54:53
muss man sagen Arbeitsplätze in der Solarindustrie auf der Kippe.
54:57
Also prominentestes Beispiel ist das Unternehmen Meyer Burger
55:00
ist, glaube ich, ein Schweizer Unternehmen. Aber haben zwei oder drei Werke
55:03
in Ostdeutschland, mehrere Werke in Sachsen. Und die schreiben:
55:07
Wir bereiten die Schließung der Modulproduktion in Deutschland vor.
55:11
Sie sagen, ein Teil des Plans wäre bedauerlicherweise die
55:14
Schließung des Werks in Freiberg, Deutschland bereits Anfang
55:18
April 2024, also in wenigen Wochen.
55:21
Dabei handelt es sich um die größte in Betrieb befindliche
55:24
Solarmodulproduktion Europas.
55:26
Hiervon wären rund 500 Beschäftigte betroffen.
55:29
Und Meyer Burger schreibt in der Mitteilung weiter: Für den Fall
55:32
ausbleibender Maßnahmen der Politik
55:35
zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen sollen auf
55:37
diese Weise die derzeitig unhaltbaren Verluste abgestellt
55:41
werden. Eine endgültige Entscheidung müsste bis zur 2.
55:44
Februar hälfte getroffen werden. Jetzt! In diesen Tagen. Also die machen ordentlich Druck. Sonst schließen die PV Produktionswerke in Ostdeutschland sagen sie jedenfalls.
56:10
Kann man sich vorstellen, Schließen von solchen Werken, gerade in Ostdeutschland, kann man sich vorstellen, wie sich das auf ihr Wahlverhalten auswirkt.
56:13
Und die Region ist außerdem ja auch noch traumatisiert vom ersten
56:16
Sterben der PV Produktion nach den 2010 er Jahren.
56:20
Ja, da haben wir eben schon gesagt, boomende Industrie mit riesen
56:22
Hoffnungen. Dann wurden die Förderung zusammengestrichen und es
56:25
entstanden eben Wüsten.
56:27
Dementsprechend hoch ist nun der Druck, diese Arbeitsplätze diesmal
56:30
schnell zu retten. Man möchte fast hinzusetzen
56:33
Irgendwie. Dazu kommen dann aber noch
56:37
strategische Gedanken,
56:39
die in die Richtung gehen: Wollen
56:41
wir eigentlich diese Zukunftstechnik
56:44
Solar PV wirklich
56:46
komplett den Chinesen überlassen? Dabei geht es ja nicht nur um die
56:49
Module, sondern du hast ja auch Wechselrichter. Du hast einen ganzen
56:51
Zoo an Technik, den du brauchst um im großen Stil PV
56:55
Module aufzustellen. Ein bisschen was davon auch in
56:58
Deutschland. Ein bisschen was auch in Deutschland. Aber trotzdem In all
57:00
diesen Techniksparten kommt die ganz, ganz große Mehrheit der
57:04
Produktion mittlerweile aus China.
57:06
Und da steckt natürlich
57:08
die Sorge drin: Was, wenn China irgendwann mal so eine Eskalation
57:10
betreibt wie Russland? Die jetzt zum Beispiel mal Taiwan
57:13
angreifen? Ich meine, denn dann könnte natürlich auch Deutschland dem nicht
57:17
tatenlos zuschauen. Mutmaßlich würde man dann wieder
57:20
versuchen, irgendwie mit Sanktionen eine Änderung des chinesischen
57:23
Verhaltens zu erreichen. Das würde aber dann möglicherweise
57:27
wiederum die Energiewende massiv beeinträchtigen. Also ein
57:29
Handelskrieg mit China würde Stand heute bedeuten, dass in Deutschland
57:33
praktisch keine Solaranlage mehr gebaut wird.
57:35
Also wenn die wirklich dicht machen, ihr kriegt von uns nichts
57:38
mehr, dann würde hier Stillstand sein. Das bezweifelt auch keiner.
57:42
Ja, es gibt PV Produktion in Europa,
57:44
aber die reicht nicht annähernd aus, um hier diesen Boom zu füttern,
57:47
der aktuell stattfindet. Also dann wäre jedenfalls für
57:50
Monate, wenn nicht Jahre, wäre der Ausbau dann vorbei.
57:53
Und da stellt sich natürlich die Frage müssen wir nicht resiliente,
57:56
also widerstandsfähiger werden, indem auch Europa eine
58:00
ja florierende Solarindustrie hat
58:02
oder aufbaut? So nach dem Motto Solar oder Strom
58:06
ist eben das neue Gas. Wir brauchen das.
58:08
Wir können uns da nicht abhängig machen von China.
58:10
Wir sind schon abhängig und wir müssen uns unabhängiger machen.
58:14
Das ist die strategische Überlegung. Und da hat nun der Bundesverband
58:17
Solarindustrie dazu im Herbst einen Vorschlag gemacht und seine Idee
58:21
ist ein sogenannter Resilienzbonus.
58:23
Ihr wisst ja, wenn man eine PV Anlage baut unter bestimmten
58:27
Voraussetzungen Versteigerung usw usw, dann bekommt man für jede
58:30
Kilowattstunde, die man in das öffentliche Stromnetz einspeist,
58:34
einen bestimmten Centbetrag. Das ist die sogenannte
58:36
Einspeisevergütung. Im privaten Bereich sind das gerade
58:39
gut 0,08 €. Und da, das ist die Idee mit
58:42
dem Resilienzbonus, da soll es einen Zuschlag geben zwischen ein und 3,5
58:47
Cent pro Kilowattstunde, je nachdem, wie viel von der
58:51
Hardware in der Solaranlage, aus der der Strom kommt, in Europa
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produziert wurde. Das die Idee. Der Anreiz soll halt sein.
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Verbaut halt möglichst viel Anlagen aus Europa, Technik aus Europa.
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Das stützt die heimische Produktion. Und ihr kriegt pro Kilowattstunde
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halt noch oben was drauf. Das gleicht dann mindestens die
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Mehrkosten aus, die ihr halt für diese etwas teurere Technik aus
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Europa zahlt. Das ist das ein und da würde man ja erst mal denken.
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Ja, das klingt doch logisch. Dann gibt es aber noch diese andere
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Seite der Solarindustrie,
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die halt nicht irgendwie einzelne Panels herstellen oder Technik für
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die Installation solcher Anlagen, sondern die einfach komplette
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Solaranlagen an Endkunden
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verkaufen. Und die kaufen halt
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größtenteils ihre Einzelteile momentan günstig in China ein.
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Und die haben natürlich überhaupt keine Lust dazu, jetzt irgendwie
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in Deutschland teurere Technik einzukaufen.
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Und außerdem warnen sie auch so ein bisschen vor der
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Unsicherheit, die da entstehen könnte. Also Unternehmen wie Enpal
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zum Beispiel oder 1,5 Grad,
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deutsche Unternehmen mit tausenden Mitarbeitenden, die warnen: Wir
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könnten extrem viele Probleme bekommen, wenn jetzt tatsächlich
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dieser Resilienzbonus am Horizont
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auftaucht. Und was das konkret bedeutet, das
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haben wir mal Mario Kohle gefragt.
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Der ist der CEO, also der Boss quasi
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des Solaranbieters Enpal. Er sagt:.
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Förderung der europäischen Solarindustrie, okay, aber
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nicht bitte mit einem Resilienzbonus
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für Leute, die eben europäische
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Solartechnik aufs Dach setzen. Direkte Folge der aktuell
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diskutierten Förderung über einen komplizierten Endkundenbonus
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wäre ein Chaos auf dem Solarmarkt zulasten des Handwerks.
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Kunden würden bestehende Aufträge stornieren und auf die Verfügbarkeit
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der geförderten Module warten, die es in der benötigten Menge gar nicht
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gibt. Der Einbruch der Nachfrage
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bedeutet ein verheerendes Stop and Go, das tausende Arbeitsplätze
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aufs Spiel setzt und die Existenz vieler Solarbetriebe gefährdet.
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Die Solar Ausbauziele und die Klimaziele kämen unter die Räder.
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Okay, also wenn es dieser Resilienz Bonus nicht ist, kann man diesen
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Firmen, wenn man denn will, dass die in der EU produzieren, nicht einfach
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direkt Geld überweisen? Das ist zum Beispiel so eine Frage,
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die da im Raum steht. Und um das mal kompetent zu klären,
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haben wir uns verabredet mit Franziska Brantner.
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Sie ist Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und
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Klimaschutz. Also im Hause Habeck,
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44 Jahre alt, promovierte Politikwissenschaftlerin, hat unter
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anderem studiert am Sciences Po in Paris und an der SIPA, der
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School of Public International Affairs, der Columbia University
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in New York City. Herzlich willkommen in der Lage der Nation.
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Ich danke für die Möglichkeit. Wir haben es eben gehört.
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Resilienzbonus für die Solarbranche
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in Deutschland - Ja oder nein?
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Wir haben in einer in Europa und auch in Deutschland zwei relevante
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Ziele. Wir wollen sehr schnell den
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Ausbau der Erneuerbaren haben. Dazu gehört natürlich auch Solar.
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Und gleichzeitig wollen wir auch bei der Technologie
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Weiterentwicklung dabei sein. Wir wollen auch bei uns einen Teil
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der Wertschöpfung haben, um sicherzustellen, dass wir auch in
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Zukunft hier selber agieren können,
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wenn es auch nötig sein sollte und zu große Abhängigkeiten
1:01:51
in diesem Bereich vermeiden.
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Wir haben in den letzten zwei Jahren gemerkt, wie schmerzhaft es ist,
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wenn man für eine Energie Branche
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von einem anderen Land zu sehr abhängig ist.
1:02:01
Deswegen wollen wir das für die Zukunft gerne vermeiden.
1:02:04
Und deswegen sind das zwei Ziele und die müssen wir gut in Einklang
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bringen. Und eine Option ist es eben zu sagen: Es gibt einen sehr
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begrenzten, sehr limitierten Bereich, in dem auch ein Kriterium
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wie weniger Verwundbarkeit,
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größere Sicherheit, größere Innovationskraft bei uns
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auch ein relevanter Punkt sein kann.
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Das heißt also, sind Sie für einen Resilienzbonus?
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Die Frage ist immer, wie es ausgestaltet wird.
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Also sind Sie dafür. Ich bin im Prinzip dafür, sich zu
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überlegen, wie man diese gemeinsamen Ziele gut
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so ausgestalten kann, dass wir eine billige, eine schnelle,
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einen schnellen Ausbau der Erneuerbaren bei uns in Deutschland
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haben und gleichzeitig nicht komplett die Technologien
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bei uns auch verlieren. Okay, nun ist natürlich die Frage
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ist dieser Resilienz Bonus tatsächlich das Instrument, das uns
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hier weiterführt? Wir haben die Kritik von einem der
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führenden Anbieter von quasi schlüsselfertigen Solaranlagen eben
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gehört. Wenn die Politik will, dass
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auch in Europa Photovoltaiktechnik
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produziert wird, warum geben wir Herstellern wie zum Beispiel der
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Firma Meyer Burger, die ja in Sachsen Produktionsbetriebe
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unterhält, nicht einfach Geld? Warum sagen wir denen nicht einfach
1:03:12
okay, die Chinesen werfen viel Geld
1:03:14
in ihre Unternehmen. Das machen wir jetzt eben auch,
1:03:18
damit die international konkurrenzfähig sind.
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Na ja, die Frage ist ja immer Geld kommt ja nicht vom Himmel, sondern
1:03:23
muss ja auch irgendwo herkommen. Das ist am Ende auch Steuerzahlergeld.
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Und momentan haben wir auch dort gewisse Begrenzungen.
1:03:30
Sie haben die Debatten vielleicht mitbekommen. Schuldenbremse lässt
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grüßen. Und deswegen ist auch die Frage, wie
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man hier ein Level playing field herstellt, weil natürlich
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wir auch wissen, unter welchen Bedingungen und wie in China viele
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dieser Solarpanele ja auch hergestellt wird.
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Und zu einem gewissen Grad unsere
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Europäer da auch ja,
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der faire Wettbewerb vielleicht nicht gegeben ist und wir zusätzlich
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noch eine besondere Situation haben, dass die amerikanische Seite
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den Markt zugemacht haben für Produkte aus Zwangsarbeit, was
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auch ganz stark die Solarbranche betrifft und deswegen jetzt
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natürlich noch mal mehr zu uns kommt. Das ist nicht, kann man
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nicht die Chinesen dafür schuldig machen. Aber es sind natürlich
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Auswirkungen, die wir in Europa und auch in Deutschland
1:04:11
zu spüren haben. Also sie sind im Prinzip
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dafür, Solarproduktion PV Produktion
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in Europa zu halten aus politischen Gründen. Wir wollen uns nicht
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abhängig machen. Die Amerikaner, haben sie gesagt,
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wollen das auch. Die Amerikaner haben die Zölle zum Beispiel erhöht.
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Auch weil es bei Solarmodulen
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den Vorwurf häufig gibt, dass sie in China mit Zwangsarbeit und
1:04:30
unter schwierigen Arbeitsbedingungen hergestellt werden.
1:04:33
Warum sagen wir, warum sagt EU
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dann nicht erst recht okay, dann erhöhen auch wir die Zölle, dann
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sind die Paneele aus China teurer. Unsere Leute in Europa haben wieder
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eine Chance und nebenbei bekämpfen wir auch noch menschenrechtswidrige
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Arbeitsbedingungen. Also unser Ziel ist ja nicht wie in
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den USA zu sagen, wir machen das jetzt alles selber.
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Also ich halte nichts davon zu sagen, jedes Solarpanele, was in
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Deutschland auf dem Dach kommt, wird in Deutschland hergestellt, auch
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nicht in Europa. Wir haben schon bei vielen anderen
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Dingen überhaupt nicht genügend Arbeitskräfte.
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Das wäre absurd zu sagen, wir machen das jetzt alles selber.
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Das ist auch nicht das Ziel. Und das ist durchaus anders als in
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anderen Regionen. Und unser Ziel ist zu sagen, wir wollen bei der Technologie,
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zumindest bei der Weiterentwicklung und auch bei der Innovationskraft
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weiter mit dabei sein können, um zum Beispiel auch im Zweifel
1:05:15
es selber wieder mal zu können. Und das ist ein Unterschied zu
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Ich mache alles selber. Deswegen ist auch unser Ziel nicht
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wir wollen per se nichts mehr aus China bekommen. Wir wollen
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natürlich, dass dort die Zwangsarbeit endet. Deswegen diskutieren wir
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auf europäischer Ebene eine Richtlinie gegen Zwangsarbeit.
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Das ist aber noch mal ein anderes Thema, aber hängt damit zusammen,
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um hier auch ein Level Playing Field herzustellen.
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Aber der Anspruch ist nicht zu sagen Wir wollen nichts mehr aus China
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oder wir wollen unseren Markt komplett abschotten, sondern die
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Frage ist: Wie schaffen wir es, dass wir Resilienz,
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man kann auch sagen weniger Verwundbarkeit haben, dass wir bei
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der Innovation auch weiterhin bei uns noch mitspielen können.
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Und das ist ein Ja, ein Ziel. Da haben wir auch gute Akteure
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im Markt. Und natürlich gibt es da
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ein gewisses Spannungsfeld
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zwischen den Akteuren, und wir versuchen, das in eine gute Balance
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zu bringen. Ja, Sie haben es gerade schon angedeutet Geld fällt nicht vom
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Himmel. Es geht also unter anderem auch darum, das vorhandene
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Geld möglichst sinnvoll einzusetzen
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bei angespannter Haushaltslage
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jedenfalls, solange wenigstens einen Koalitionspartner konsequent keine
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Steuern erhöhen will. Also der Bund ist ja nicht einfach
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so arm oder knapp bei Kasse, sondern ist deswegen knapp bei
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Kasse, weil die FDP sich gegen bestimmte Besteuerung wendet.
1:06:24
Aber gut, gehen wir mal davon aus, man muss das Geld möglichst sinnvoll
1:06:27
einsetzen und das in einer Situation, wo es ja auch eine
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Debatte gibt darum, wie steht eigentlich die deutsche Wirtschaft
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da? Also Herr Lindner und Herr Habeck sind sich im Ansatz einig
1:06:36
Deutschland steckt in einer Wirtschaftskrise.
1:06:39
Andere Leute sind bei dieser Diagnose nicht so scharf, sagen
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das Wachstum ist an der Nulllinie. Wir haben eine Wachstumskrise, aber
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zugleich herrscht ja fast Vollbeschäftigung in vielen Bereichen. Sie sagten, es fehlen
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Arbeitskräfte auf allen Qualifikationsstufen.
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Also schon fraglich, ob nicht auch ein Mangel an Menschen ein
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relevanter Flaschenhals ist. Aber gehen wir mal davon aus, dass
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die Wirtschaft tatsächlich staatliche Hilfe braucht, dann setzt
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ja dieser Streit ein ums richtige Rezept, nicht nur im Bereich PV,
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sondern im Bereich Industriepolitik
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generell. Die FDP bringt immer wieder ins Spiel, man könne
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doch Unternehmenssteuern senken und oder den Solidaritätszuschlag
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für Unternehmen streichen. Wie sehen Sie das?
1:07:18
Ich teile die
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Zielrichtung, die auch die FDP hat, dass wir die Innovationskraft in
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unserem Land stärken müssen und sicherstellen müssen, dass
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Innovationen finanziert werden. Dass wir es schaffen, die nächsten
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Technologien nicht nur zu entwickeln, sondern auch auf die Straße
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zu bringen, sie zu exportieren in den in den gesamten Weltmarkt.
1:07:34
Dass es die deutsche Stärke. Und hier müssen wir auch wieder
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wettbewerbsfähiger werden. Ein Punkt ist Facharbeitskräfte,
1:07:40
da haben Sie absolut recht. Das ist ein limitierende Faktor.
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Übrigens auch der Krankheitsstand, den wir hatten, ist ein limitierende
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Faktor. Wir haben den Faktor Energiepreise.
1:07:48
Das wird wieder besser. Da sind wir auf einem guten Weg.
1:07:50
Und dann haben wir die Frage Bürokratieabbau, die
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uns alle umtreibt und wo wir viel machen. Und dann ist die Frage
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natürlich: Wie hoch sind die Steuern? Und da haben wir in Deutschland,
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sind wir etwas über dem Durchschnitt bei den Unternehmenssteuern.
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Gleichzeitig haben wir natürlich hier auch ein gutes Umfeld.
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Und jetzt ist die Frage aber, wie man Steuergeld,
1:08:11
weil jede Steuersenkung bedeutet
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ja auch, dass was anderes irgendwo gekürzt werden muss, wie man damit
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gut umgeht und vor allem wie es zielgerichtet eingesetzt werden
1:08:20
muss. Was für uns wichtig ist, ist, dass wir es am Ende wirklich auch
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schaffen, dass wir mehr
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Investitionen in Innovationen
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in unseren Standort auch erreichen.
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Und nicht jede Unternehmenssteuersenkung bewirkt das.
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Deswegen führen wir jetzt die Debatte, wie man das zielgerichtet
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hinbekommen kann. Und das ist, glaube ich, auch die
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Aufgabe, weil ja, wenn
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man gleichzeitig vor allen Dingen sagt, man hält die Schuldenbremse
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ein, muss man auch sagen, wo man uns dann kürzen will, weil die
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Mindereinnahmen führen ja woanders sofort auch dann zu Kürzungen.
1:08:51
Heute ist Dienstag, morgen ist Mittwoch folglich, und das ist der
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Tag, an dem im Vermittlungsausschuss über das Wachstumchancengesetz im
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Vermittlungsausschuss verhandelt wird. Abschließend das soll dann am
1:09:01
Donnerstag beschlossen werden. Was wird da beschlossen werden?
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Was steht da drin? Ich hoffe, dass es jetzt endlich
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kommt. Also das ist auch nicht mehr akzeptabel, dass das im Bundesrat
1:09:10
aufgehalten wird. Ich weiß, dass Herr Söder
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immer noch gerne möchte, dass wir darüber die Frage des Haushalts und
1:09:16
die Frage Wie gehen wir mit der Landwirtschaft um klären.
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Aber das wird unseren Unternehmen nicht gerecht.
1:09:21
Die haben jetzt auch selber
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gesagt, die 18 Wirtschaftsverbände: Jetzt hört endlich auf mit dieser
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Blockade im Bundesrat. Und ich hoffe, dass wir da jetzt
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auch wirklich durchkommen und endlich diese Entlastung für
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Unternehmen auch geben können. Die Entlastung, wenn das denn so
1:09:34
durchgeht, wie man sich das so vorstellt. Die laufen ja so darauf
1:09:37
hinaus, dass Unternehmen, die Schulden machen, weniger Steuern
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zahlen müssen, weil sie ihre Verluste ins Vorjahr und in die
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Vorjahre übertragen können. Es geht darum da aber auch, dass
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bestimmte Zuschüsse gewährt werden, wenn sinnvolle
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Klimainvestitionen getätigt werden. Aber es läuft schon viel
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darauf hinaus, dass
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einfach Unternehmen weniger Steuern
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werden zahlen müssen, ob sie investieren oder nicht.
1:10:01
Und da ist halt die Debatte, ob das eine sinnvolle Sache ist.
1:10:05
Insbesondere der Volkswirtschaftsprofessor Sebastian
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Dullien kritisiert das. Er ist Wissenschaftlicher Direktor
1:10:10
des Instituts für Makroökonomie
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und Konjunkturforschung, kurz IMK
1:10:15
in der Hans Böckler Stiftung, also ein gewerkschaftsnaher
1:10:17
Wissenschaftler. Er hält wenig von
1:10:20
pauschalen Steuersenkungen, wie er uns vor diesem Interview gesagt hat.
1:10:24
Tatsächlich sind solche allgemeinen Steuersenkungen ein extrem wenig
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zielgenaues Mittel, die Investitionstätigkeit im Land
1:10:29
anzukurbeln. Solche Steuersenkungen bedeuten
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zunächst, dass alle, die Gewinne machen, mehr von diesen Gewinn
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behalten dürfen. Ob dann mit diesen Gewinnen auch
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tatsächlich in neue Ausrüstung und Anlagen investiert wird und ob
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solche Investitionen auch in Deutschland stattfinden, das steht
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auf einem ganz anderen Blatt. Außerdem fallen jene Unternehmen
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durchs Raster, die derzeit keine Gewinne machen, aber trotzdem
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investieren würden. Das ist oft bei Startups der Fall,
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aber auch bei Unternehmen in einer Phase der Umstrukturierung.
1:10:55
Steuersenkungen sind ein typisches Beispiel der Gießkanne.
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Die können wir uns gerade nicht leisten, weil wir durch
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Schuldenbremse und Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht
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unbegrenzt Mittel zur Verfügung haben. Und das geht so ein bisschen darüber
1:11:04
hinaus, was im Wachstumschancengesetz stehen wird, sondern das betrifft
1:11:07
eher die Forderung von Christian Lindner und anderen: Wir wollen
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generell Unternehmenssteuern runter.
1:11:12
Genau, weil es Wachstumschancen Gesetz. Sie haben ja schon ein paar
1:11:14
Punkte erwähnt. Da ist auch zum Beispiel noch eine Forschungsförderung
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drin, eine steuerbasierte, die
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explizit an Forschungsinvestitionen
1:11:21
geknüpft ist. Also das ist eigentlich ein zielgerichtetes
1:11:24
Instrument, was wir ausweiten, das existiert ja auch
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schon vorher. Aber es wird noch ausgeweitet, weil die Unternehmen
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sagen, das hilft uns, um relativ
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bürokratiearm und flexibel auch wirklich dann in die Forschung
1:11:35
reinzugehen. Deswegen Herrn Dullein an sich würde
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ich dem zustimmen. Also genau, wir haben die Aufgabe, zielgerichtet
1:11:41
staatliche Gelder einzusetzen. Das, finde ich, ist die Pflicht.
1:11:45
Das kann auch zu Debatten führen.
1:11:47
Aber ich finde, das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen.
1:11:50
Aber bei dem Wachstumschancengesetz würde ich jetzt sagen, da sind eben
1:11:53
viele Dinge drin, die wirklich auch zielgerichtet sind.
1:11:55
Ja, das ist natürlich richtig. Es sind, wie Sie sagen, viele
1:11:58
Aspekte da drin in diesem Gesetz,
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vorbehaltlich der Einigung im Vermittlungsausschuss.
1:12:02
Aber es gibt eben ja auch die Gießkannenelemente.
1:12:05
Philip hat eben gerade die Verlustvorträge und Verlustrückträge
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genannt, die Unternehmen eben auch dann steuerlich entlasten, wenn sie
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keinen Cent investieren. Und genau da haben wir vor
1:12:14
der Sendung wiederum einen kritischen Ton eingesammelt von
1:12:16
einem anderen Wissenschaftler. Nämlich Jens Südekum.
1:12:19
Der kritisiert zwei Sachen. Die eine hören wir gleich im O-Ton
1:12:21
und die andere beziehen auf das, was Sie gesagt haben. Er sagt: Im
1:12:24
Prinzip ist das eine gute Idee mit den Wachstumschancengesetz, aber
1:12:27
es ist viel zu gering. Selbst diese 7 Milliarden, die wir
1:12:30
da irgendwie mal hatten und jetzt wahrscheinlich runtergedampfwerden
1:12:33
auf drei oder dreieinhalb. Tropfen auf den heißen Stein.
1:12:36
Okay, das sind ja zwei unterschiedliche Kritikpunkte.
1:12:39
Das eine ist es zu klein. Wir würden es gerne größer machen,
1:12:42
also gerade die Forschungsförderung. Die Frage ist ja nur, woher nehmen,
1:12:45
wenn nicht stehlen? Und die andere Frage ist mit der
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Verlust vorrechnen, wie man das anrechnet.
1:12:50
Das bedeutet ja nicht, dass die Leute die Steuern nicht zahlen.
1:12:53
Das finde ich, ist auch wichtig, immer wieder zu betonen, sondern
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es ist die Frage, wann und wie.
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Und da gibt es viele Unternehmen, die in ökonomisch schwierigeren
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Zeiten, wenn es wieder bessere
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Phasen gab oder gibt, wie man das besser gestalten kann.
1:13:08
Das ist eine Frage der Gestaltung, die für viele Unternehmen aber sehr
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relevant sein kann. Und das hat natürlich Auswirkung
1:13:14
über die Haushaltsjahre. Also das stimmt auch, aber es ist
1:13:17
nicht das Gleiche, wie einfach zu sagen, wir senken
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Unternehmenssteuern. Nochmals: Wir haben mit Professor
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Dr. Jens Südekum gesprochen, der ist Professor für International
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Economics an der Heinrich Heine Universität in Düsseldorf.
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Und er fordert noch mal explizit eben nicht nur mehr Einsatz
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von Steuergeldern, sondern auch zielgerichteter Einsatz von
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Steuergeldern, wie er uns in diesem
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folgendem O-Ton sagte. Was wir brauchen, ist eine effektive
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steuerliche Entlastung für
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Unternehmen, aber eben nur für solche Unternehmen, die auch
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tatsächlich mehr investieren.
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Die sollten entlastet werden,
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sei es durch günstige
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Abschreibungsregeln oder durch
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echte Investitionsprämien, so wie sie im Wachstumschancengesetz,
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was ja gerade im Vermittlungsausschuss liegt, ja im Prinzip eigentlich auch
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angedacht waren. Investitionsprämie heißt, ein
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Unternehmen investiert sinnvoll
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nach einer Definition, also Klimaschutz, und dann kriegen sie quasi Zuschüsse, richtiges Bargeld.
1:14:10
Aber davon gibt es eben zu wenig. Wir sind, glaube ich, die Letzten,
1:14:15
die sagen, wir würden nicht gerne hier noch die Unternehmen stärker
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entlasten. Ich finde, das ist Teil einer
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Gesamtdebatte, wie wir in Deutschland nicht nur
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es schaffen, unsere Modernisierung
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der Infrastruktur zu finanzieren, also Schiene, Schule,
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Schwimmbäder, was wir alles zu sanieren haben, sondern gleichzeitig
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es auch noch schaffen, unsere Wirtschaft so gestaltet zu
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gestalten, dass sie auf diesen Planeten passt. Und das erfordert eben unglaubliche
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Investitionen. Und private wie auch staatliche
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und wie man das in Zeiten eines Krieges, der auf unserem Planeten
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und auch in uns, auf unserem Kontinent gerade passiert, in der
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Ukraine. Wie man das gleichzeitig stemmen
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soll, wenn man die Schuldenbremse
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hat in ihrer aktuellen Ausgestaltung, ist die Aufgabe,
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die wir ja die wir als Regierung haben. Und ich finde, dass
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diese Debatte an sich geführt
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werden muss und nicht nur an einem Wie groß ist es Wachstumschancengesetz,
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ist das zu groß, einer zu klein? Sondern wir müssen generell
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die Frage beantworten: Wie finanzieren wir unsere
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Verteidigungsfähigkeit, unsere Unterstützung für die Ukraine, die
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Modernisierung unserer Infrastruktur
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plus die Transformation,
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die digitale und die mit Blick auf das Klima.
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Das sind enorme Leistungen, die wir zu stemmen haben.
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Und es war auch noch nie in der Vergangenheit so, dass eine
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Generation die Eisenbahn aufgebaut
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hat oder das gesamte Stromnetz. Es wurde immer gestreckt über
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Generationen. Und hier müssen wir Wege finden,
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wie man das besser gestalten kann. Da gibt es unterschiedlichste
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Vorschläge, auch von den Ökonomen, die Sie gerade zitiert hatten,
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von einem Sondervermögen über eine Anpassung der Schuldenregel.
1:15:44
Es gibt ja sehr viele Modelle, und ich denke, dass diese Debatte
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eine ist, die wir gemeinsam führen müssen, damit dieses Land und Europa
1:15:51
nicht nur krisenfest ist, sondern vor allen Dingen auch in Zukunft
1:15:54
wettbewerbsfähig ist. Es gibt noch mehr Kritik, die wir
1:15:57
abgefragt haben. Unter anderem haben wir Rudi Bachmann gefragt. Er ist Ökonom in
1:16:00
den USA. Professor of Economics, und
1:16:03
zwar an der University of Notre Dame. Der hat uns heute Nacht was
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geschickt. Er hat uns heute Nacht was geschickt, und der knüpft
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auch an an diesen Wachstumschancengesetz und den
1:16:12
Prinzipien. Aber er sagt das Problem liegt
1:16:15
eigentlich viel tiefer. Ich sehe die Probleme für den
1:16:17
Standort Deutschland ganz woanders. Es ist ja eine geradezu paradoxe
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Kombination aus überbordender Bürokratie auf der einen
1:16:25
und einem erstaunlichen Mangel an staatlicher Leistungsfähigkeit auf
1:16:28
der anderen Seite. So haben wir gerade erfahren, dass
1:16:31
Investitionsprämien gar nicht ausgezahlt werden können, weil dem
1:16:34
Bund die Daten dazu fehlen. Das ist Schilda.
1:16:37
Das ist Schilda. Also er bezieht sich, soweit ich das verstehe, eben
1:16:40
auf diese Investition, wo festgestellt wurde Na, selbst wenn
1:16:42
wir das jetzt im Vermittlungsausschuss beschließen, das Gesetz, und das
1:16:45
gilt ja rückwirkend dann ab 1. 01. 24, können wir diese
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Investitionsprämie eigentlich frühestens 1.
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01. 25 auszahlen, weil uns einfach
1:16:53
Technik und Daten fehlen. Das heißt, bis das dann wirklich
1:16:56
wirkt und sich in Arbeitsplätzen und Umsätzen auszahlt, wird es im
1:16:59
Zweifel 2026. Also dass Deutschland mit Blick auf
1:17:02
Digitalisierung und Datenzugänge
1:17:05
zehn 15, wenn nicht mehr Jahre im Vergleich zu seinen Nachbarländern
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hintendran ist, darf ja keinen überraschen, dass wir das
1:17:12
jetzt endlich angehen. Ja, zum Glück.
1:17:14
Das ist die gleiche Frage gewesen während der Energiekrise.
1:17:16
Warum können wir nicht jedem was auszahlen? Ja, jeder muss Steuern
1:17:19
zahlen, aber nicht jeder kann was vom Staat bekommen. Das ist jetzt das BMF endlich
1:17:23
angegangen. Hoffentlich haben wir das bald. Es gibt ganz viele
1:17:25
Bereiche, in denen wir. Diese Herausforderung haben wir
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übrigens diese Woche. Gute, gute News.
1:17:31
Das Onlinezugangsgesetz, was am Freitag im Bundestag verabschiedet
1:17:34
wird, was endlich auch mit Blick auf die Verwaltung
1:17:38
den Onlinezugang Digitalisierung
1:17:40
so vorsieht, dass es nicht nur online eingegeben wird und danach
1:17:43
ausgedruckt wird und die Akte wieder abgeheftet wird, sondern das ist
1:17:45
wirklich digital ist. Wir revolutionieren
1:17:48
da gerade relativ viel. Geht es mir alle schnell genug?
1:17:51
Ich könnte es mir auch noch schneller vorstellen, aber immerhin
1:17:54
gehen wir jetzt diese Schritte. Da hat Herr Bachmann ja komplett
1:17:57
recht. Wir haben da Nachholdefizite,
1:17:59
was enorm ist. Und wir sind auch dran bei der Bürokratie. Da hat sich viel
1:18:03
aufgebaut über die letzten Jahrzehnte...
1:18:07
Was machen Sie da konkret? Also Bürokratieabbau, ist ja immer so ganz. Was bauen Sie ab?
1:18:10
Ja, ich mach es Ihnen mal
1:18:12
konkret. Also zum Beispiel haben wir in
1:18:15
Deutschland nicht digitalisierte Energienetze während der
1:18:18
Ukrainekrise, meine baltischen,
1:18:21
nordischen, die immer gefragt haben: Warum nutzen
1:18:24
denn nicht eure Bürgerinnen und Bürger stärker die Vorteile, dass
1:18:27
sie den Strom nutzen, wenn er billig ist? Man sagt ja, das ist ja im
1:18:30
Konzept alles richtig bei euch auch seit zehn Jahren möglich.
1:18:33
Bei uns ist der Ausbau der Smart Meter aber sehr gering.
1:18:36
Da gab es Drittigkeiten zwischen BMI, Innenministerium,
1:18:40
Wirtschaftsministerium, über
1:18:42
die der Datenschutz ausgestaltet werden muss, die Sicherheit dieser
1:18:44
Dinger. Und es war so, dass es alles
1:18:47
blockiert hat über Jahre. Das haben wir zum Beispiel sehr
1:18:50
schnell angegangen, das Gesetz Smart Meter Gesetz. Und dann haben wir
1:18:53
gemerkt, dass wir dort eben die Vorgaben für die Handwerker
1:18:56
einfach drastisch reduziert haben, damit sie sich das für die überhaupt
1:18:59
lohnt, diese Smart Meter einzubauen.
1:19:02
Dann haben wir gemerkt Oh, das fehlt noch was im Eichrecht jetzt.
1:19:05
Eichrecht ist sehr spezifisch, aber da steckt Bürokratie drin.
1:19:08
Aber dann haben wir gesagt, wir müssen jetzt das, weil es digital
1:19:11
ist, nicht mehr die gleichen Anforderungen haben aus dem
1:19:14
Eichrecht als für einen analogen Zähler.
1:19:17
Weil er anders funktioniert. So deswegen haben das Eichrecht
1:19:20
jetzt im Januar noch mal geändert und damit noch mal wieder Bürokratie
1:19:23
weggehauen. So, das ist ganz konkret
1:19:25
und präzise Bürokratieabbau, den
1:19:27
wir machen und das ist eben nicht nur blabla und generell sind alle
1:19:31
dafür, sondern ganz konkret und präzise betrifft das das Eichrecht
1:19:34
zum Beispiel. Ein weiterer Faktor, der häufig
1:19:37
zitiert wird. Um zu begründen, warum Deutschland
1:19:40
als Standort für die Industrie
1:19:42
zurzeit weniger attraktiv sei,
1:19:44
ist der vermeintlich oder tatsächlich hohe Strompreis
1:19:48
für die Industrie. Zwischenzeitlich gab es ja auch mal die Diskussion
1:19:52
um den sogenannte Industriestrompreis, also einen staatlich gedeckelten
1:19:55
Industriepreis für bestimmte Industriebetriebe.
1:19:58
Wie ist denn da der Stand der Debatte? Ist der Strompreis wirklich
1:20:00
noch so hoch? Ist der wirklich noch eine Belastung für den Standort
1:20:03
Deutschland? Also wir haben jetzt im Januar
1:20:06
einen Strompreis an der Börse
1:20:08
gehabt, der niedriger war als zuletzt im Mai '21.
1:20:12
Das bedeutet noch nicht, dass er bei jedem Unternehmen und bei jeder
1:20:15
Bürgerin auf dem Niveau ist. Das ist der Preis an der Börse.
1:20:18
Aber es ist trotzdem schon mal ein Signal. Sie erinnern sich, als der
1:20:21
Skyrocketing war und wir gedacht haben Gott, das Land explodiert.
1:20:24
Von daher ist es trotzdem schon mal eher good news als Bad news.
1:20:28
Wir haben aber trotzdem natürlich in den energieintensiven Branchen
1:20:32
immer noch Kosten, die höher sind als in Nachbarländern oder in
1:20:34
Wettbewerbsländern. Deswegen haben wir zwar nicht den
1:20:38
Industriestrompreis hinbekommen, wie er ursprünglich anvisiert war.
1:20:40
Wir haben aber letztes Jahr noch, das war schon vor Weihnachten, noch
1:20:44
mal Entlastung gemacht bei der Stromsteuer.
1:20:47
Wir haben auch für die besonders Energieintensiven
1:20:50
eine Verlängerung gehabt von einer Förderung auch in Milliardenhöhe.
1:20:54
Das hat auch die Haushaltsnachverhandlungen überlebt.
1:20:57
Das wurde jetzt zwar nicht mehr neu thematisiert, deswegen geht
1:21:00
es manchmal unter. Aber natürlich ist das auch eine
1:21:04
relevante Unterstützung der energieintensiven Industrie in
1:21:07
Milliardenhöhe. Aber wo Sie sagen, sorgsamer
1:21:09
Umgang mit Steuergeldern, wenn Sie einfach die Stromsteuer senken,
1:21:13
dann ist das Gießkanne pur. Davon profitieren alle Unternehmen,
1:21:17
die Strom verbrauchen. Ob sie viel verbrauchen, ob sie
1:21:19
klimaschädliche arbeiten oder nicht klimaschädlich arbeiten, für
1:21:23
alle wird der Strom billiger und der Industrie Strompreis hat ja
1:21:25
wenigstens vorgesehen, dass nur die davon profitieren, die auch
1:21:28
investieren in Klimaschutz. Also dann passt das nicht zusammen.
1:21:31
Wir haben ja die Debatte in Deutschland mitbekommen. Aber Sie tun immer so, als hätten
1:21:35
sie damit nichts zu tun. Sie sitzen da und beobachten.
1:21:38
Und sie sind nun mal in dieser Regierung und die macht das und macht das. Ich hätte gerne was anderes, aber na
1:21:41
ja, nun ist das noch mal so. Es ist ja so, dass man in der
1:21:44
Regierung Kompromisse finden muss und am Ende was hinzubekommen.
1:21:47
Es ist genau Teil das das Schöne auch an der Demokratie,
1:21:51
dass Demokratie nicht bedeutet,
1:21:53
das was ich will, setzt sich durch, sondern dass man sich auseinandersetzt
1:21:55
und am Ende etwas bekommt, was hoffentlich besser ist als der
1:21:58
Status quo. Und da bin ich immer noch der Meinung, dass es besser ist
1:22:01
als der Status quo und auch viele natürlich kleinere Unternehmen davon
1:22:04
profitieren. Aber der Industrie Strompreis an
1:22:07
sich, Sie haben die Debatte verfolgt, die haben wir ja auch
1:22:09
ausführlich, ich glaube über ein halbes Jahr lang diskutiert.
1:22:12
Mir war es wichtig, dass wir am Ende diese Unternehmen
1:22:15
zum Beispiel im Rohstoffbereich, aber auch in anderen Chemiebereich,
1:22:18
Glas dass wir die bei uns halten können. Das sind relevante
1:22:21
Wertschöpfungsbereiche, übrigens auch resilienzrelevant.
1:22:24
Wir haben am Anfang über Resilienz gesprochen. Weniger Verwundbarkeiten
1:22:28
dafür sind ja auch relevant. Und deswegen ist
1:22:31
es schon etwas, wohin ich auch stehe. Auch wenn es natürlich, wenn
1:22:34
das ein rein grüner Entwurf gewesen wäre oder ein rein grünes Ergebnis,
1:22:37
hätte es etwas anders ausgesehen. Ja, vielleicht nur für unsere
1:22:40
Hörerinnen und Hörer der kleine Nachtrag: Was Frau Brantner gesagt
1:22:42
hat zum Strompreis, das ist in der Tat Stand der Dinge. Es hat uns auch
1:22:45
überrascht. Bei der Recherche für dieses Interview war unter anderem
1:22:48
auch eine Botschaft von Professor Jens Südekum auf Twitter.
1:22:50
Er sagt nämlich aktuelle Strompreisanalyse
1:22:54
vom Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft in Deutschland,
1:22:57
also den energieversorgenden Unternehmen.
1:23:00
Und der Strompreis für die Industrie in Deutschland ist tatsächlich
1:23:02
deutlich gesunken. Er bewegt sich heute unter dem
1:23:05
Niveau des Jahres 2021
1:23:07
nur noch knapp über dem Niveau von 2020. Das heißt also, das Thema
1:23:10
Strompreis ist für die Industrie durch. Sie haben es angedeutet, für
1:23:13
die Haushalte noch nicht ganz. Da hängen Verbraucherinnen teilweise
1:23:16
noch fest in zu teuren Verträgen.
1:23:18
Aber jedenfalls im Grundsatz ist das Thema Strompreis in Deutschland
1:23:21
durch. Und das bei über 50 %
1:23:23
grüner Energie. Das ist schon, finde ich, eine große...
1:23:26
Deswegen habe ich ja gesagt, das waren Good News im Januar. Also das kann man nicht anders
1:23:29
bezeichnen. Die Frage ist natürlich immer, was
1:23:32
kommt in der Zukunft und so, aber ehrlich gesagt, wir waren vor zwei
1:23:35
Jahren oder besser wir haben jetzt zwei Jahre
1:23:39
des grausamen Angriffs Putins gegen die Ukraine.
1:23:42
Ich weiß noch, damals haben alle gesagt, das wird katastrophal.
1:23:46
Und dass wir zwei Jahre später bei einem niedrigeren Preis an der Börse
1:23:50
sind als im Jahr 21. Ohne den Krieg.
1:23:53
Ohne den Krieg, da finde ich, muss man sich nicht vor verstecken.
1:23:55
Wie sagt man in Amerika, wo sie ja auch studiert haben: leave on a high note.
1:23:59
We were at the same University. That's right. Und ich habe
1:24:02
tatsächlich meinen Master auch gemacht und die SIPA ist neben der
1:24:04
Law School. Genau, ich war immer in der Law School Library.
1:24:07
Frau Brantner, ganz herzlichen Dank für dieses Interview.
1:24:10
Schön, dass Sie Zeit hatten für die Lage der Nation.
1:24:12
Herzlichen Dank. Genau im Nachklang zu diesem
1:24:15
Interview fand ich noch mal dieses Interview mit Ulrike
1:24:18
Malmendier in ihrem Spiegel ganz interessant. Musste beim Lesen an
1:24:22
unser Interview mit Frau Brantner denken, weil es auch in dem
1:24:24
Interview darum ging: Ja, wir müssen ja sparsam mit Steuergeld
1:24:28
umgehen und wir können das nicht einfach rauspullern, auch wenn
1:24:32
der Anlass und das Ziel
1:24:34
noch so klimafreundlich ist. Und Frau Malmendier argumentiert
1:24:38
ein bisschen dagegen mit dem Beispiel USA, die
1:24:42
sagt, in den USA wird das ein bisschen anders
1:24:45
gehandhabt. Da wird weniger konkret
1:24:47
vorgegeben, welche Heizung
1:24:49
die Leute sich jetzt wann bis wohin einbauen sollen, sondern da wird
1:24:53
gesagt über diesen Inflation Reduction Act: Pass mal auf,
1:24:56
wenn du dir klimafreundliche Technik
1:24:58
anschaffst oder darin investierst, sei es ein Auto, sei es eine
1:25:01
Batterieproduktion, dann bekommst
1:25:03
du Geld bzw da musst du deutlich weniger Steuern zahlen.
1:25:06
Und das deutsche Argument, das deutsche Gegenargument gegen so was
1:25:09
ist dann immer der Mitnahmeeffekt.
1:25:11
Ja was wenn die Leute sich sowieso
1:25:13
ein eAuto kaufen? Was, wenn sie sowieso eine
1:25:16
Batteriefabrik bauen wollen? Dann kriegen sie doch jetzt extra
1:25:19
noch Steuergeld oder einen Steuerbonus.
1:25:21
Das ist doch ineffizient. Und das findet sie persönlich nicht
1:25:25
so wahnsinnig überzeugend. Sie sagt dazu: Natürlich
1:25:28
ist dieser generelle Ansatz manchmal ineffizienter. Da bekommen Leute und
1:25:31
Unternehmen Geld, die sich sowieso ein eAuto gekauft oder in eine
1:25:34
Batteriefabrik investiert hätten. Sowas macht uns in Deutschland immer
1:25:38
sehr nervös. Mitnahmeeffekte ist ja ein
1:25:40
Klassiker, aber wir wollen ja nichts verschwenden, also machen
1:25:43
wir dann lieber erst mal gar nichts. Ich glaube, wir sollten es viel
1:25:47
öfter mal andersherum versuchen. Einfach mal etwas ausprobieren in
1:25:49
dem Wissen, das ist jetzt noch nicht perfekt, aber es wird uns
1:25:52
weiterbringen. Da können wir von den USA lernen.
1:25:55
Ja, das geht aber nur mit Kohle.
1:25:57
Das geht natürlich nur mit Kohle und das ist genau das Problem.
1:26:00
Da sind wir dann wieder bei einem großen Problem
1:26:02
Deutschlandbremse/Schuldenbremse. Und ich finde, an der Stelle kam mir
1:26:06
noch ein Gedanke. Das kam wiederum in dem Interview mit Herrn Russwurm,
1:26:10
dem Präsidenten des Bundesverbandes
1:26:12
der Deutschen Industrie. Der wies nämlich auch darauf hin,
1:26:15
dass einfach die Unternehmen in Deutschland unter überbordender
1:26:18
Bürokratie leiden. Und das ist natürlich auch genau das
1:26:21
Ding. Bevor man irgendwas subventioniert, was nicht 150 %
1:26:24
treffsicher ist, lassen wir natürlich Unternehmen auch gerne mal
1:26:27
150 seitige Anträge ausfüllen,
1:26:29
die dann natürlich wiederum von hunderten von Leuten in den Behörden
1:26:32
geprüft werden müssen. Und da hat sie jetzt nicht
1:26:34
ausdrücklich gesagt im Spiegel, aber da passt, finde ich dieser Russwurm
1:26:37
Gedanke ganz wunderbar dazu. Wenn man, sagen wir mal etwas
1:26:40
weniger treffsicher subventioniert,
1:26:43
etwas weniger kontrolliert, dann schafft man auch nicht diesen
1:26:46
bürokratischen Overhead. Einen zweiten Nachtrag, den wir
1:26:48
liefern müssen zu dem Interview ist natürlich dieser
1:26:51
Vermittlungsausschuss in Sachen Wachstumschancengesetz.
1:26:54
Da waren wir während des Interviews am Dienstag davon ausgegangen, dass
1:26:57
das dann am Mittwoch abgeräumt wird und dann zack zack beschlossen wird.
1:27:00
Well, es kam anders. Also gestern tagte zwar der
1:27:03
Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, der notwendig
1:27:07
geworden war, weil die unionsgeführten Länder im Herbst
1:27:10
das Wachstumschancengesetz im Bundesrat zunächst abgelehnt hatten.
1:27:14
Es gab auch einige Einigung in anderen Fragen, aber eben keine
1:27:17
Einigung beim Thema Wachstumschancengesetz. Der Vermittlungsausschuss hat zwar
1:27:21
abgestimmt, aber dieses Verhandlungsergebnis letztlich nur
1:27:24
mit den Stimmen der Koalition beschlossen. Die Union hat da nicht
1:27:27
zugestimmt. Im Vermittlungsausschuss hatte sie
1:27:29
dazu die nötigen Stimmen, aber eben nicht im Plenum des Bundesrats.
1:27:33
Und da steht nun ein Showdown an,
1:27:35
voraussichtlich am 22. März. Es war noch völlig unklar, ob
1:27:39
die Unionsländer da das Wachstumschancengesetz passieren
1:27:42
lassen werden oder nicht.
1:27:44
Stand heute würde ich denken, eher nein. Auf der anderen Seite gibt es
1:27:48
aber natürlich insbesondere auch viele Wirtschaftsverbände, die seit
1:27:51
Wochen an die Union appellieren, ihren Widerstand aufzugeben.
1:27:54
Und sagen wir mal so: Das Spannende dabei ist ja, dass die Union dieses
1:27:58
Wachstumschancengesetz nicht etwa deswegen ablehnt, weil sie das
1:28:01
Gesetz inhaltlich falsch finden. Eigentlich wollten die ja sogar noch
1:28:04
mehr. Also ursprünglich ging es ja mal um 7 Milliarden, die die
1:28:07
Wirtschaft entlastet werden sollten. Jetzt in den Verhandlungen waren es
1:28:09
dann eher so gute 3 Milliarden. Die Union hatte eigentlich immer
1:28:12
noch viel, viel mehr als 7 Milliarden gefordert.
1:28:14
Also das ist nicht der Grund, warum die Union dieses Gesetz über den
1:28:17
Bundesrat blockiert, sondern die blockieren es, weil sie
1:28:21
mit dieser Entscheidung über die steuerliche Förderung von
1:28:23
Unternehmen ein anderes Thema
1:28:25
verbinden. Ja, sie sind nämlich zu einem ganz anderen Thema, anderer Meinung als
1:28:28
die Ampel. Die Union will Subventionen für Agrardiesel
1:28:32
erhalten, die die Ampel streichen
1:28:34
will. Allerdings sagt die Union
1:28:36
nicht, wo das Geld dafür herkommen soll. Und sie will natürlich auch
1:28:39
nicht an der Schuldenbremse rütteln. Andere Steuern erhöhen will die
1:28:42
Union schon gar nicht. Deswegen ist es, glaube ich, nicht
1:28:45
überinterpretiert, wenn man sagt, es handelt sich dabei um eine
1:28:48
Charmeoffensive der Opposition
1:28:50
gegenüber den Landwirtinnen und Landwirten, die natürlich nicht
1:28:53
wollen, dass diese Agrardieselsubventionen eingespart
1:28:56
werden. Aber diese Charmeoffensive
1:28:58
ist eben nicht finanziert. Und weiß ich nicht, wie fundiert
1:29:02
man das finden soll. Ja, genau. Die Ampel hat ja diese
1:29:04
Subvention für den Agrardiesel gestrichen, weil sie Geld einsparen
1:29:07
muss oder weil sie glaubt, Geld einsparen zu müssen durch das KTF
1:29:10
Urteil und nun sagt die Union: Na ja, wir würden diese
1:29:13
Subvention weiter gern erhalten. Also muss das Geld woanders
1:29:16
herkommen. Und woher, sagt sie, aber nicht. Woher, sagt sie nicht.
1:29:18
Und die Frage ist natürlich außerdem und das ist der Vorwurf an die
1:29:21
Union. Hey, jetzt vermischt das doch nicht
1:29:23
alles. Wir reden hier über die Entlastung der deutschen Industrie,
1:29:26
der deutschen Wirtschaft. Was bitte hat denn der Agrardiesel
1:29:29
mit dem Wachstumschancengesetz zu tun? Und die Union sagt: Na ja,
1:29:32
Landwirtschaft ist eben auch Wirtschaft. Ihr könnt nicht darüber
1:29:36
reden, Steuern für die Industrie
1:29:38
zu senken und gleichzeitig
1:29:41
Steuern für die Landwirtschaft quasi zu erhöhen.
1:29:44
Wobei natürlich die Landwirtschaft von den Regelungen im Wachstumschancengesetz
1:29:47
auch profitieren würde. Ist jetzt nicht so, dass die
1:29:49
Landwirtschaft ausgeklammert ist. Sie würde eben nur durch die
1:29:52
Streichung oder das langsame Abschmelzen der Agrardieselsubventionen
1:29:56
an anderer Stelle belastet. Industrievertreter jedenfalls sehen
1:29:59
das anders als die Union. So fragte Moderator Christoph
1:30:02
Heinemann heute früh auch den Präsidenten des Bundesverbands der
1:30:05
Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm.
1:30:08
Was hat Agrardiesel mit Wachstumschancen zu tun?
1:30:12
Ich glaube, die Problemstellungen
1:30:14
Deutschlands, die Herausforderungen, die auf uns zukommen, sind
1:30:18
vielgestaltig. Und ich halte es wirklich für schwierig, dann solche Verbindungen
1:30:22
einzugehen. Einzelne Themen miteinander
1:30:25
zu verknüpfen. Es passiert das eine nur dann, wenn
1:30:28
das andere nicht passiert oder umgekehrt.
1:30:30
Eine sehr schwierige Argumentation.
1:30:33
Und weil die Union diesen Beschluss eben nicht mitträgt, wird nun erst
1:30:36
am 22. März im Bundesrat klar,
1:30:40
ob dieses Wachstumschancengesetz nun durchkommt oder nicht.
1:30:43
Dann rückwirkend zum 1.1., aber das ist natürlich
1:30:47
dann doch ein schon ewiges
1:30:50
Hin und Her, muss man sagen. Und ich finde, das lohnt an dieser
1:30:52
Stelle auch noch mal einen Hinweis auf das grundsätzliche Problem
1:30:56
der Blockaden im Bundesrat. Man sieht es hier wieder.
1:30:58
Die Ampel hat im Bundestag eine Mehrheit. Sie hat ein Problem
1:31:02
aufgrund der KTF Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
1:31:05
letzten Herbst fehlt Geld. Sie muss dann und hat dafür auch ein
1:31:08
Mandat der Menschen in Deutschland, die politische Entscheidung treffen:
1:31:12
Wo wollen wir sparen und wo nicht? Und sie hat nun die Entscheidung
1:31:14
getroffen Wir wollen die Wirtschaft entlasten. Da will man nicht sparen.
1:31:17
Das lassen wir uns sogar im letzten Stand noch 3 Milliarden € kosten.
1:31:21
Aber wir wollen Geld einsparen
1:31:23
bei Subventionen für Agrardiesel. Das ist die politische Entscheidung
1:31:26
der Ampel. Die kann sie aber jetzt nicht durchsetzen, weil nämlich die
1:31:29
Opposition die CDU, CSU über den Bundesrat
1:31:33
da reingrätschen kann. Ja, und jetzt würde man ja erst mal sagen Na komm.
1:31:36
Also, wenn die Bundesregierung
1:31:38
beschließt, wir entlasten
1:31:40
die Wirtschaft um 7
1:31:42
Milliarden € und die Hälfte davon
1:31:45
sollen die Länder bezahlen,
1:31:47
dann finde ich es erst mal plausibel und legitim und richtig, dass der
1:31:51
Bundesrat dort mitentscheiden
1:31:53
kann. Also wenn der Bundesrat für irgendwas da ist, dann für
1:31:57
so was. Ja, wobei man sagen muss, es werden vor allem auch die Kommunen
1:32:00
belastet. Aber trotzdem, auch deren Interessen sollen ja die Länder
1:32:02
wahren. Da würde ich auch sagen, wenn die Union im Bundesrat
1:32:06
sagen würde, wir finden das Wachstumschancengesetz zu teuer, das
1:32:08
können sich die Länder nicht leisten, deswegen sind wir dagegen,
1:32:11
dann würde ich sagen absolut legitim. Das ist quasi ein
1:32:13
Blockadegrund. Für den wurde das
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Zustimmungsfordernis im Bundesrat ursprünglich mal geschaffen.
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Bovenschulte In Bremen macht das genau das. Der ist es lustigerweise sogar ein
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SPD Regierungschef in Bremen
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sagt: Sorry, liebe Leute, wir
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können da nicht zustimmen. Wir haben einfach jetzt schon derart
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Ebbe in der Kasse, dass wir nicht mitmachen können. Das halte ich für
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legitim. Aber die Union sagt ja nicht, das Wachstumschancengesetz
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ist zu teuer für die Länder, die wollen das ja sogar noch ausbauen.
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Die Union sagt nur Agrardiesel! Völlig anderes Thema.
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Und das ist aus meiner Sicht ein Musterbeispiel dafür, wofür
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eben die Blockademacht des Bundesrats nicht geschaffen
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wurde, sondern wo die Union sie missbraucht. Der Fairness halber:
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Das machen alle Parteien. Genau das ist in dieser Institution
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mittlerweile eingewebt. Und das Argument ist ja,
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dieses Wachstumschancengesetz, das ist eine Angelegenheit auch des
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Bundesrates. Aber die Senkung oder das Abschmelzen der
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Agrardieselsubventionen, das ist nun mal eine Entscheidung der
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Bundesregierung. Dafür ist sie legitimiert, über den
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Bundestag das zu tun.
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Und wenn die Union das jetzt blockiert, dann kann sie das
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nur machen, weil sie in den Ländern eine bestimmte Mehrheit hat
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und so über den Bundesrat
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blockieren kann, mit einem sachfremden Thema.
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Hat mit Wachstumschancen nichts zu tun. Und so, so verhindert sie, so sagt
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sie Ich bin nicht einverstanden mit dieser Agrardieselsubvention, wie
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ihr damit umgeht. Ich habe zwar im Bundestag
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keine Mehrheit dafür. Aber ich grätsche einfach rein.
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Über den Bundesrat grätsche ich in dieses Thema rein.
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Und das Problem ist natürlich kann man diese Pakete beliebig dick
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schnüren. Mit dieser Argumentation könnte die
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Union im Prinzip die gesamte Bundesgesetzgebung torpedieren.
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Möglicherweise kommen sie als nächstes damit um die Ecke und sagen
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Also Cannabis Liberalisierung? Nicht mit uns.
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Keine Ahnung. Finden wir halt politisch falsch. Ist doch super, wies bisher alles
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läuft. Das machen wir auch nicht.
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Das wäre dieselbe Argumentationsstruktur, haben sie noch nicht gesagt, können
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wir der Union nicht unterstellen. Kann aber sein, dass das als
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nächstes passiert. Und deswegen sieht man, so wie das
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zurzeit läuft, funktioniert das einfach nicht im Bundesrat.
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Und wie das zu lösen sein könnte, dazu haben wir ja schon ausführlich
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was geschrieben in unserem Föderalismus Kapitel im Buch
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"Baustellen der Nation". Wir wollten an dieser Stelle nur mal
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darauf hinweisen, dass das
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ein riesen Problem ist, dass der Bundesrat dazu führt,
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so wie er heute gelebt wird, wie er ausgestaltet ist, dass die
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Bundestagswahl leider Gottes nicht mehr dazu führt, dass
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die Mehrheit des Bundestags entscheiden kann.
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Weil sonst wäre das jetzt einfach. Genau! Normalerweise wäre es jetzt
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so Agrardiesel runter, Wachstumschancengesetz kommt,
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fertig. Passiert aber alles nicht, weil der Bundesrat seine
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Macht an dieser Stelle in illegitimer Weise ausübt.
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So wie es auch nie geplant war, von den Menschen, die das die das
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Grundgesetz mal geschrieben haben. Und wieder, das ist kein
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spezifischer Vorwurf gegen die Union, die macht das jetzt aber das
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haben auch SPD und Grüne an anderer Stelle schon gemacht und deswegen
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unser Plädoyer wäre da: Man muss
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die Macht, die Blockademacht des Bundesrats beschneiden, und zwar
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zur Stärkung der Demokratie, damit die Menschen, die die Mehrheit im
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Bundestag bestimmen, bei der Bundestagswahl auch wieder die
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Leitlinien der Politik bestimmen und nicht nur das bestimmen, was der
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Bundestag macht. Und dann kommt die Opposition und
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letzten Endes gibt es einen großen Cocktail, wo irgendwie alle
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mitmachen müssen, von Grünen bis CSU. Das hat mit Demokratie nix
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mehr zu tun. Zum guten Schluss, nach gutem Brauch
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die gute Nachricht der Woche: Deutschland hat sich ja vorgenommen,
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bis spätestens 2038 aus der Kohle raus zu sein, die
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letzten Kohlekraftwerke abgeschaltet zu haben.
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In den Westrevieren, da wird das wahrscheinlich schneller gehen.
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Da ist das jetzt bis 2030 schon vereinbart, also in knapp fünf,
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sechs Jahren. Eventuell sollen auch die
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Kohlekraftwerke in den Ostrevieren
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dann abgeschaltet sein. Es steht noch nicht so ganz fest.
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Und so gut das erst mal klingt,
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Kritiker haben immer moniert: Na dann ist ja alles gut und schön,
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wenn ihr da eure Kohlekraftwerke im Westen und Osten abschaltet.
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Aber das hat ja keinen Klimaeffekt, das bringt ja, das bringt ja in
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Europa nicht weniger CO2. Die große Sorge war der sogenannte
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Wasserbetteffekt. Wasserbetten könnt ihr euch
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vorstellen. Auf der einen Seite liegt man sich aus Wasserbett und
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dann geht es auf der anderen Seite hoch wie so eine Welle.
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Und viele Menschen haben sich einfach Sorgen gemacht, dass es mit
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den CO2 Emissionen genauso läuft.
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Und zwar wegen des Emissionshandels
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in der Europäischen Union. Für jede Tonne CO2 Emissionen
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braucht es ja einen Erlaubnisschein, ein sogenanntes Zertifikat.
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Und nun gibt es für ganz Europa eine fixe Menge solcher CO2
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Emissionszertifikate. Und die Sorge war, wenn Deutschland
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seine Erlaubnisscheine jetzt nicht verbraucht für deutsche
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Kohlekraftwerke... Weil die alle abgeschaltet werden.
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...dann können diese Zertifikate ja einfach frei gehandelt werden.
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Die kommen wieder auf den Markt. Andere Kraftwerke in Europa
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können die Zertifikate dann nutzen, CO2 emittieren und durch den
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deutschen Kohleausstieg würde der CO2 Ausstoß in Europa dann
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gar nicht sinken. Das wäre eben dieser klassische
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Wasserbetteffekt und dann wäre das alles ein Nullsummenspiel.
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Und was ist jetzt passiert? Die Ampel hat einen, finde ich,
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bedeutenden Schritt gemacht. Sie hat jetzt gesagt: Wir
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löschen diese Zertifikate,
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die durch den deutschen Kohleausstieg freiwerden.
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Diese Zertifikate, die frei werden,
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die sollen nach Auskunft der Bundesregierung jetzt nicht mehr
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auf den Markt kommen. Damit können sie auch anderswo in
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Europa im System des Emissionshandels nicht
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mehr für weiteren CO2
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Ausstoß genutzt werden. Dazu muss man sagen Deutschland muss
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das nicht machen. Man hätte die weiter handeln können,
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die Zertifikate. Die sind auch viel Geld wert.
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Also da kann man ja einiges mitverdienen.
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Aber die Staaten können eben etwa
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nach Stellung fossiler Kraftwerke eine entsprechende Menge an
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Emissionsrechten streichen. Lassen die EU, ermuntern
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die Staaten dazu ausdrücklich sogar.
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Und die Bundesregierung hat das jetzt eben gemacht.
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Und das ist, finde ich, eine sehr gute Nachricht, weil das für den
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Klimaschutz und den CO2 Ausstoß in Europa wirklich dann ein
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substantieller Fortschritt ist. Und sie macht das eben auch und das
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finde ich spannend aus politischer Überzeugung und nicht, weil sie
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europarechtlich zwingend dazu verpflichtet wäre.
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Insofern, da muss man auch sagen, da hat die Ampel aus einer
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Klimaschutzperspektive tatsächlich geliefert.
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Damit ist die Lage für diese Woche abschließend ausführlichst erörtert,
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wie er das nicht anders gewohnt seid. Wir danken euch fürs Zuhören.
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Wir danken euch auch für nettes Feedback und wenn euch die Lage
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gefällt, schreibt uns doch einen netten Satz in der Podcast App eures
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Vertrauens. Ist ja wie immer im Internet. Auch bei uns schlägt
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leider immer mal wieder Hass auf in den Kommentaren auf iTunes und in
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anderen Podcastapps. Und euer Feedback, euer freundlicher
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Satz würde uns sehr dabei helfen, dass diese einzelnen Hasskommentare
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in einem Rausch von Flausch untergehen. Ganz herzlichen Dank und
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einen schönes Wochenende! Bis nächste Woche Chao.
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