Episode Transcript
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Herzlich willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nummer 376
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vom 4. April 2024
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und in dieser Woche wieder an den Mikrofonen, Ulf Buermeyer, das bin
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ich, Jurist aus Berlin und:
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Philip Banse sitzt Ulf gegenüber im Berliner Lagezentrum.
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Ich bin Journalist. Ganz herzlich willkommen auch von mir.
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Bevor es losgeht, noch zweieinhalb
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kurze Hausmitteilung. Die erste betrifft einen Dank.
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Und zwar danken wir den mehr als
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2500
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Followerinnen und Followern auf
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unserem Telegram Kanal.
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Wir haben uns total gefreut, dass dieser Kanal so durch die Decke
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gegangen ist am Anfang. Zum Vergleich, die Tagesschau,
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die Tagesschau hat auch nur 8000 Followers auf Telegram.
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Das stehen wir mit unseren zweieinhalbtausend Followers echt ziemlich gut da.
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Das hat richtig, richtig Spaß gemacht, das zu beobachten und auch
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so die Interaktion. Wir haben ja so zwei, drei Sachen gepostet in den letzten Wochen und
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da gab es ganz viele Herzen und
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Daumen hoch und so, das hat richtig Spaß gemacht.
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Vielen Dank! Vielen Dank für euer Engagement. Wenn ihr diesen Kanal
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abonnieren wollt, dann könnt ihr das tun unter lage.link/telegram.
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Mit einem M.
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Der Sinn und Zweck ist in erster Linie, ihr kriegt halt als
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allererste mit, wenn eine neue Folge raus ist. Und netter Nebeneffekt
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man kann die super teilen, deswegen machen wir das auch, damit ihr
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gleich sozusagen ein Sharable Item
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in einer App habt, wo man das super an Freunde und Verwandte auch
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weiterleiten kann.
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Ja, also der Auslöser war zum Beispiel, dass mir ein Freund erzählt
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hat, der hat so ein Häuschen in Brandenburg in so einem kleinen Dorf
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und da gibt es ein Dorfchat und da könnt ihr euch vorstellen, was da so
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abgeht im Dorfchat. Und er sagte, wenn ich da jetzt
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einfach mal die Lage reinteilen könnte, den Leuten im Dorfchat, dann
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muss ich denen das nicht erklären. Ich teil denen die Lage und sage,
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Leute, hört da mal rein. Es gibt da noch ein bisschen eine andere Perspektive auf die Welt.
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Das ist unser Gedanke. Mit diesem Telegram Kanal wollen wir
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rein in die Chatgruppen, wo es vielleicht nicht mehr immer so 150
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prozentig demokratisch zur Sache geht.
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Natürlich, das hatten wir ja schon mal angedeutet, wollen wir das Ganze
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auch auf WhatsApp machen, weil ich glaube, das ist schon noch die
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weiter verbreitetere App.
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Das ist nur bei WhatsApp, deswegen haben wir das nicht gleich gemacht,
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technisch nicht ganz so einfach wie bei Telegram.
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Man braucht bei WhatsApp eine
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Businessregistrierung, die haben wir natürlich beantragt, aber
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bisher nichts gehört. Deswegen WhatsApp
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if you are listening.
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Ja, vielleicht hört uns ja auch jemand, der bei WhatsApp am
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richtigen Knopf sitzt.
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Also, schickt eine Mail an [email protected] oder guckt
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mal in euer System: Businessregistrierung.
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Da sind wir da drin und warten auf eine Antwort und
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würden uns freuen, wenn auch wir da irgendwie Zugang bekämen.
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Das wäre doch schön. Ja, vielleicht hat uns ja die KI gekillt oder so. Wer weiß.
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Dann könnten wir diesen selben Service auch auf WhatsApp anbieten.
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Aber rein ins Programm würd ich sagen. Wir haben einiges
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vorbereitet.
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In der heutigen Lage gibt es einen Blog zum Thema Cannabis ist
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tatsächlich teillegalisiert in Stichworten. Was bedeutet das denn
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jetzt ganz konkret?
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Außerdem die RKI Files
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und warum die Probleme nicht da liegen, wo viele denken.
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Wahlen in der Türkei schauen wir uns an. Da gab es überraschende
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Ergebnisse. Die Erdoğan Partei hat die Wahlen tatsächlich verloren
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und wir fragen uns mit einer Expertin, ob die türkische
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Demokratie noch zu retten ist.
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Außerdem natürlich unser Interview mit Mario Vogt, euer Feedback,
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unsere Nachlese.
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Und schließlich schauen wir genauer hin, wie funktioniert eigentlich
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Desinformation in freien Gesellschaften?
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Auch dazu ein Interview mit einem Experten.
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Und wir schauen natürlich auf den Skandal rund um die russische
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Manipulationsplattform Voice of Europe.
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Unser erstes Thema heute ist die Teillegalisierung
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von Cannabis in Deutschland. Hatten wir natürlich ausführlich
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hier schon mal besprochen, was da genau geregelt wird.
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Damals war das aber noch nicht beschlossen.
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Noch nicht law of the Land. Nun ist es Law of the Land und
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deswegen haben wir gedacht, müssen wir das hier noch einmal kurz
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aufnehmen und das allen auch wirklich sagen, die es vielleicht
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noch nicht mitbekommen haben.
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Weil es nämlich da auch immer wieder Verwirrung gibt. Sogar Polizeigewerkschafter haben da
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dem ZDF Käse erzählt die Tage. Deswegen haben wir uns gedacht, ein
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kleines Update, einfach noch mal
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den Fakten quasi ein bisschen Oberwasser zu geben.
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Wie sagt, Philip hat es gesagt, kein Vermittlungsausschuss ist in Kraft
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getreten. Und das bedeutet in Kurzform, man kann 25
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Gramm in der Tasche haben, als Privatperson auf der Straße.
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Man kann 50 Gramm zu Hause lagern
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und daheim auf dem Balkon dürfen auch bis zu drei Pflanzen blühen
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und gedeihen. Und dann wird es ab dem 1.
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Juli allerdings erst auch die Growclubs geben, die Social
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Cannabis, ne, Cannabis Social Clubs.
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Gehen wir jetzt nicht nochmal im Detail drauf ein, hatten wir ein ausführliches
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Interview. Aber natürlich passt
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diese Legalisierung jetzt auch nicht allen ins Programm.
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Nein, Bayern vor allen Dingen will
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das hart kontrollieren, wobei
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niemand so richtig genau weiß, wie das gehen soll.
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Man könnte natürlich auch einfach mal durchatmen.
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Aber durchatmen ist bei der CSU
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nicht so einfach. Wir haben das ja auch schon mal skizziert,
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wie sie das hart auslegen
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können, indem sie zum Beispiel diese Cannabis Social Clubs
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nicht genehmigen, wo das irgendwie möglich ist, sie nicht zu
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genehmigen.
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Zum Beispiel gab es jetzt schon die ersten Schlagzeilen.
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Ich glaube, in Augsburg war es, da wollte sich ein Cannabis Social Club
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gründen. Daraufhin hat die Kommune
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einfach ein paar Häuser weiter einen Spielplatz eingerichtet und damit
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liegt dieser Growclub jetzt in so einer Verbotszone.
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Ja, aber das sind zum Beispiel so die interessanten
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sozialen Wechselwirkungen von neuen Regelungen, dass da einfach
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auf einmal Dynamiken zutage treten, von denen niemand vorher
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vorhersehen konnte oder es vorhergesehen hat, dass das
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passiert. Wenn das natürlich die Nebenwirkung sein sollte, dass
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jetzt alle Städte Kindergärten eröffnen und Spielplätze einrichten
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und Schulen eröffnen, links und rechts, um die Kiffer aus der Stadt
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zu drängen. Dann ist die Bilanz nicht
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nur negativ, möchte ich mal sagen.
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Abgesehen davon, dass das natürlich um so ein Cannabis Social Club zu
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vertreiben, totaler Quatsch ist, weil um diesen Club ja selbst ein
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Kiffverbot gilt. Das heißt, der Club selber hat diese
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Konsumverbotszone genauso wie ein Spielplatz. Da war die Kommune, die
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das eingerichtet hat, offensichtlich schlecht informiert.
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Aber Philip, die Verwirrung um diese Abstandsregeln, die hat eben nicht
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nur diese Kommune so ein bisschen in die Irre geleitet, sondern da
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gibt es ja auch eine ganze Menge Menschen in diesem Land, die sich
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jetzt gerade fragen, was bedeuten denn diese Abstandsflächen rund um
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Spielplätze, Kitas und Schulen und eben um Cannabis Social Clubs genau?
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Da gibt es ja so Karten, die zeigen ganze Innenstädte in Rot,
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beispielsweise die Bubatz Karte.
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Ist das wirklich hilfreich?
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Ja, das weiß ich nicht so genau. Also viele Karten scheinen mir da
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einfach ein Kreis zu ziehen mit dem Radius von 100
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Metern um eben Schulen, Kitas,
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Spielplätze und solche Sachen. Aber das ist nicht das, was das
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Gesetz will. Auch einige Polizisten tappen da
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übrigens im Dunkeln.
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Alexander Poitz ist laut
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ZDF Polizeibeamter aus Brandenburg
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und außerdem stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft
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der Polizei, kurz GdP. Und er sagte im Interview mit ZDF
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heute Zitat: "mindestens 100 Meter und außer
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Sichtweite für den Konsum und 200 Meter für Anbauvereinigung".
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Das ist aber, wenn man in das Gesetz schaut, aus zwei Gründen
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nicht richtig. Also zum einen gelten für
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Anbauvereinigungen dieselben Regeln,
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also 100 Meter grundsätzlich wie
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für die anderen Orte, also Spielplätze, Kitas, Schulen.
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Da gibt es keine Differenzierung mehr. Vor allem aber sind die 100
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Meter nicht und außer Sichtweite.
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Wie im Gespräch mit uns Janosch Dahmen, erklärte.
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Er ist gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im Deutschen
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Bundestag.
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Viele dieser Karten, die zurzeit im Internet kursieren, korrelieren
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ehrlicherweise nicht wirklich mit dem Gesetzestext und dem, was da
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drin geregelt wurde. Und zwar ist es dort so
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niedergeschrieben, dass Sichtweite
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das Kriterium ist, nach dem entschieden werden soll, wie weit
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Abstand gehalten werden muss. Wenn also eine Polizistin oder ein
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Polizist jemanden kontrolliert, dann
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schauen sie, wie weit ist die Kita oder die Schule weg? Kann ich die
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sehen oder nicht? Und wenn die nicht zu sehen ist,
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dann darf da geraucht werden, wenn ich sie sehen kann, entsprechend
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nicht. Zusätzlich schreibt das Gesetz fest, dass maximal
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100 Meter eingehalten werden, also eine Obergrenze.
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Wer weiter als 100 Meter entfernt ist, der darf dann da auf jeden Fall
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rauchen. Insofern ist es tatsächlich so, dass die Karten
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nicht so richtig den Ist Zustand beschreiben, weil sie in der Regel
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einen Radius von 100 Metern um die Einrichtung legen und damit die
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Städte viel mehr rot färben, als sie sich tatsächlich in der Praxis
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darstellen dürften.
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100 Meter ist die maximale Entfernung. So weit-
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Wo das verboten ist.
8:15
Wo das verboten ist.
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Wenn die Schule aber nicht in Sichtweite ist und man ist um die
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Ecke und Luftlinie 50 Meter, kann man trotzdem kiffen,
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wenn die Kita oder die Schule nicht in Sichtweite ist.
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Wenn zum Beispiel eine Häuserecke dazwischen liegt oder so, wenn eine
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Häuserzeile dazwischen liegt, irgendwas, wenn auch nur eine Hecke
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dazwischen ist, dann ist die Schule eben nicht mehr zu sehen.
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Das ist die entscheidende Frage. Und insofern ja, wie gesagt.
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Das hat-
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Hochkompliziert ist es nicht.
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Eigentlich ist es nicht so kompliziert. Es hat sich offensichtlich noch
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nicht mal zur Polizei in Brandenburg so richtig rumgesprochen.
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Der Test ist immer: da, wo ihr steht guckt, seht ihr die Kita?
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Seht ihr die Schule? Seht ihr den Spielplatz? Oder seid ihr 100
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Meter entfernt? Eins von beiden reicht, damit es safe ist.
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Und ich würde mal sagen, das ist mal ein Gesetz, was eine Veränderung
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mit sich bringt. Das hat die Ampel durchgesetzt. Da kann man jetzt
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drüber streiten oder nicht. Man kann das gut finden oder nicht,
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aber das ist ein Gesetz, an dem man die Ampel messen kann, für die man
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sie wählen kann oder abwählen kann. Aber sie haben ein Projekt
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umgesetzt, was sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben,
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und das haben sie jetzt zu weiten Teilen umgesetzt.
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Und das ist in meinen Augen
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eine gute Liberalisierung unserer Gesellschaft. Sie hätte noch
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weitergehen können in meinen Augen. Aber das ist, finde ich, ein
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wichtiger Schritt nach vorne. Daran kann man die Politik messen
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und das, finde ich, ist an sich
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erst mal schon ein großes Verdienst.
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Würde ich genauso sehen. Ich würde nur sagen, wir brauchen
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natürlich auch noch die Abgabe
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an Gelegenheitskonsumierende. Also was natürlich ein Problem ist,
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ist das nach wie vor zwei Themengebiete für den Schwarzmarkt
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offen sind. Das eine sind Menschen unter 18, die werden nach wie vor
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leider zum Dealer geschickt und zum anderen Menschen, die eben weder
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Pflanzen zu Hause haben noch in einem Cannabis Social Club sind.
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Die haben nach wie vor keine legale Erwerbsmöglichkeit.
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Aber, und das muss man ja immer dazu sagen, da soll es ja ein zweites
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Gesetz geben, das eben auch quasi Coffeeshops in Deutschland
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ermöglicht. Und da muss man sagen, damit der Schwarzmarkt wirklich,
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wirklich ein Ende findet, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass
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dieser zweite Schritt jetzt nicht versandet.
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Jetzt droht ja schon wieder so ein bisschen der nächste Bundestagswahlkampf.
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In anderthalb Jahren wird gewählt. Geht schon so langsam los, bei
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anderen Themen sieht man schon, wie es da auch in der Ampel starke
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Absetzbewegungen gibt. Also da würde ich jetzt wirklich
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sagen, liebe Ampel, jetzt nicht auf halber Strecke stehen bleiben.
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Aber unterm Strich glaube ich, ist es ein gutes Projekt und das wird ja
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auch wissenschaftlich evaluiert. Und da werden wir sicherlich auch
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dranbleiben.
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Zu unserem nächsten Thema. Wir schauen in die Türkei, denn
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da haben in dieser Woche Wahlen stattgefunden. Die Türkei ist ja
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ein sehr bedeutendes und zugleich auch ein stückweit schillerndes
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Land. Sie ist auf der einen Seite NATO Mitglied, hat
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auf der anderen Seite aber auch immer noch gute Beziehungen nach
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Moskau, hat eine vermittelnde Rolle
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im Ukrainekrieg gespielt, kontrolliert aus geografischen
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Gründen den Zugang zum Schwarzen
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Meer, einfach weil der durch eine
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türkische Meerenge führt. Und zugleich aber will die Türkei
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in die EU. Das wiederum ist alles andere als ein Selbstläufer, denn
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sie wird seit 20 Jahren regiert von
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Recep Tayyip Erdoğan. Einem, das kann man so sagen, einem
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Autokraten.
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Ja, das haben wir ja auch schon öfter thematisiert.
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Journalisten, Journalistinnen werden in der Türkei eingesperrt.
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Richter, Richterinnen, die Erdoğan unlieb sind, wurden
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entlassen und progressive Menschen vor allen Dingen fürchten und
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wirklich um die Reste der Demokratie in der Türkei.
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Erdoğan ist Mitgründer der AKP, einer islamisch konservativen
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Partei und er wurde eben letztes Jahr als Präsident
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wiedergewählt. Nun fanden in der Türkei
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aber Kommunalwahlen statt.
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Da wurden also Bürgermeister, Bürgermeisterinnen und Stadtparlamente
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neu gewählt. Und da ist was passiert, womit
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eigentlich kaum jemand gerechnet hatte.
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Genau, die AKP, also die Erdoğan
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Partei, wurde nämlich erstmals seit ihrer Gründung 2002
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nur zweitstärkste Kraft bei diesen Kommunalwahlen, gewann also nur 24
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der 81 Bürgermeister:innenämter
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in der Türkei und kam landesweit
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auch nur auf 35,5 %
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der Stimmen. Wahlsieger hingegen
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ist die oppositionelle CHP,
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eine Mitte Linkspartei.
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Richtig, die erhielten so plus minus 37 % der Stimmen, haben landesweit
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35 Bürgermeisterposten
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erobert. Vor allen Dingen, das ist das Wichtige, haben sie ihre Posten
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in Istanbul und Ankara verteidigen können. Und dort werden eben
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traditionell neue, auch nationale
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Führungsfiguren für die Türkei
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geboren. Wie wir das jetzt alles zu deuten haben, das wollen wir mal
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besprechen mit einer Expertin
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vor Ort, nämlich Beate Apelt.
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Sie ist Leiterin des Projekts,
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wie das so heißt bei der FDP nahen
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Friedrich-Naumann-Stiftung in der Türkei.
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Also sie ist sozusagen Büroleiterin
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der Naumann Stiftung in der Türkei. Herzlich willkommen in der Lage der
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Nation. Frau Apelt.
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Hallo, herzlichen Dank für die Einladung.
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Ja, Frau Apelt, wir haben ja gerade schon zwei Stichworte genannt,
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welche Parteien es so gibt in der Türkei. Was sind denn aus Ihrer
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Sicht die wesentlichen Parteien,
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die wesentlichen politischen Kräfte in der Türkei und wofür stehen die?
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Na, die wichtigsten haben sie schon genannt. Das ist natürlich die AKP,
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die hier seit 2002 die größte Partei, jetzt
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eben nicht mehr die größte Partei offensichtlich, ist.
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Und die wichtigste Oppositionspartei ist die Republikanische Volkspartei,
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die von Atatürk gegründet wurde, die CHP, die auch am
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stärksten ist und jetzt der große Gewinner ist. Aber es gibt natürlich
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kleinere Parteien. Also zum einen möchte ich da die DEM
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nennen. Das ist eine prokurdische,
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ziemlich links ausgerichtete Partei.
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Viele werden sie kennen unter dem Namen HDP.
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Firmiert jetzt aber unter dem Namen DEM.
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Die hat jetzt nicht gut abgeschnitten, hat 5,7 %
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nur erlangt, aber vertritt eben ein bestimmtes Segment vor allem der
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kurdischen Bevölkerung. Wichtig bei dieser Wahl war jetzt
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auch eine Partei, die relativ
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neu ist, glaube 2018 gegründet, aber bisher relativ
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unbedeutend war. Die neue Wohlfahrtspartei.
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Die ist ganz islamistisch ausgerichtet, also ziemlich radikal,
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hat auch sehr einseitige
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Agenda in der Hinsicht und die hat jetzt über 6 % erlangt.
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Das war eine der vielen Überraschungen dieser Wahl.
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Wir haben es am Anfang skizziert, bevor wir jetzt sozusagen en detail
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noch mal in die Ergebnisse und die
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Analyse der Wahl eintreten, dass in der Türkei ja Journalisten,
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Journalistinnen verfolgt, eingesperrt werden. Richter,
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Richterinnen wurden abgesetzt
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und sobald man auch nur einen Hauch Verständnis für die Belange der
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Kurden und Kurdinnen äußert, läuft man Gefahr, in den Knast zu wandern.
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Vielleicht bevor wir über die Wahl konkret reden.
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In welchem politischen Klima hat das alles stattgefunden?
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Was ist das politische Klima der
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Demokratie in der Türkei unter Erdoğan?
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Also die Türkei ist kein freies Land mehr. Das ist ganz klar.
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Viele demokratische Spielregeln
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sind quasi ausgehebelt.
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Der Präsident hat sich Zugriff
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verschafft auf eigentlich
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alle Teile des Staates,
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also insbesondere der Justiz.
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Er hat durch seine Verfassungsreform
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im Jahr 2017 vom Volk abstimmen lassen, dass die
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Türkei kein parlamentarisches System mehr hat, sondern ein präsidentielles
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System. Also es ist ganz, ganz viel Macht in seiner Hand und
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das einzige, was quasi wirklich noch einigermaßen gut
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funktioniert als demokratisches
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Element, sind die Wahlen. Also Wahlen bedeuten hier wirklich
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was, die Leute gehen hin. Die Wahlbeteiligung ist erstaunlich
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hoch und es gibt natürlich hier und da
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Unregelmäßigkeiten. Aber Wahlfälschungen in großen Stil,
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wie wir das in Russland oder Belarus sehen, gibt es hier nicht.
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Wir haben ja oben das Ergebnis grob skizziert. Es waren natürlich auf
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den ersten Blick nur Kommunalwahlen, auf der anderen Seite aber
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angesichts des mangelnden demokratischen Klimas in der Türkei,
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angesichts der mangelnden demokratischen Freiheiten für viele doch
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überraschend, dass eine Oppositionspartei, also eine Partei,
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die eben nicht mit Erdoğan verbrüdert ist, überhaupt so viele
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Stimmen bekommen kann. Was waren denn aus Ihrer Sicht die
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wichtigsten Ergebnisse?
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Also erst mal möchte ich sagen, auch hier waren alle überrascht.
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Auch die hiesigen seriösen Umfrageinstitute haben das nicht
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vorhergesehen, sondern es gab die Erwartung, dass eher einige
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der bisher oppositionsregierten Städte an die AKP übergehen würden.
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Also um Ankara und Izmir hat man sich da nicht so viel Sorgen
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gemacht, aber einige andere schon. Und auch in Istanbul
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sah es nach einem sehr knappen Kopf an Kopf Rennen aus zwischen
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Ekrem İmamoğlu, dem amtierenden Bürgermeister, und seinem AKP Herausforderer
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Murat Kurum. Was wir dann jetzt aber gesehen
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haben, ist, dass die CHP
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quasi überall dazugewonnen hat, dass
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sie viele Städte neu
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gewonnen hat, große und auch kleine Städte. Und zwar nicht nur in ihren
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angestammten Hochburgen, also die allergrößten Metropolen und die
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Ägäis, sondern wirklich auch nach Anatolien rein und auch in kleinere
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Städte rein, wo wirklich die Leute konservativ sind.
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Also das war sehr überraschend. Und eine andere Sache habe ich
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vorhin schon angesprochen, dass diese neue Wohlfahrtspartei, diese
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islamistische Partei, erstaunliche
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6,1 % bekommen hat.
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Ich glaube, was wir hier sehen, ist eine Protestwahl der Leute,
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die eigentlich AKP Anhänger sind
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und die da eine Alternative
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gesucht haben. Und ja, wir werden sicher
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über die Gründe auch noch sprechen.
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Genau, vielleicht kann man da mal, vielleicht kann man da mal einhaken. Was sind denn jetzt so die
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inhaltlichen Gründe, die die Leute
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haben, die Opposition wählen lassen?
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Das sind ja Kommunalwahlen, da geht es ja auch um städtische Belange
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wahrscheinlich, lokale Belange. Was waren die Gründe?
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Also die ganzen Zahlen der einzelnen
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Distrikte sind noch nicht so richtig analytisch aufgearbeitet, das ich
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jetzt richtig valide was dazu sagen kann. Aber es gibt natürlich
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Vermutungen, woran es gelegen hat. Also erst mal muss man wissen, es
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ist nicht so, dass jetzt massenweise Wähler von der AKP zur CHP
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rübergegangen sind. Die Türkei ist ein unglaublich
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polarisiertes Land und dass man dieses Lager wechselt
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vom konservativ religiösen
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ins säkulare Lager irgendwie wechselt, das ist gar nicht so
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wahrscheinlich. Man sieht eher, dass viele, viele
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AKP Wähler einfach zu Hause geblieben sind.
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Die Wahlbeteiligung war nur 78 %,
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die war letztes Jahr 84 %, bei den letzten Lokalwahlen sogar 88 %.
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Oder sich eben für eine Alternative im eigenen Lager, im konservativen
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und religiösen Lager entschieden haben.
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Und die Inhalte, die mögen teilweise
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eine Rolle gespielt haben in den Städten, aber ganz
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viel ist das hier, glaube ich, auch ein Abstrafen der Regierungspolitik
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im wirtschaftlichen Bereich gewesen. Den Türkinnen und Türken geht es
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nicht gut. Wir haben hier eine riesen
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Inflationskrise seit zwei Jahren und jetzt ist gerade die Inflation
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wieder etwas angestiegen auf fast 70 %.
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Das sind aber nur die offiziellen Zahlen.
18:38
Unabhängige Institute sprechen von dreistelligen Zahlen und
18:42
den Leuten geht es wirklich nicht gut, speziell den Rentnern.
18:44
Die Renten sind inzwischen weit unter dem Mindestlohn, sie sind
18:48
unter der Armutsgrenze. Und die Leute haben schon erwartet,
18:51
dass Erdoğan noch mal ein Wahlgeschenk austeilt und die Renten
18:54
erhöht. Das ist nicht passiert.
18:56
Er hat ja seit letztem Jahr einen ziemlich vernünftigen
18:59
Finanz- und Wirtschaftsminister eingesetzt, der versucht, das Land
19:03
wirtschaftlich wieder aufs richtige Gleis zu setzen, sage ich mal, und
19:07
es geht nicht gut zusammen mit dem Austeilen von großen Geldgeschenken,
19:10
die nicht finanziert sind. Von daher denke ich, die Wahl ist
19:13
gar nicht so einen Zuspruch zur CHP gewesen, sondern
19:17
eher ein Protest gegen die AKP.
19:19
Das führt zur Frage, wie es mit Erdoğan weitergeht.
19:21
Der hat sich ja im Wahlkampf sehr präsent gezeigt, hat jetzt aber die
19:24
Niederlage für viele überraschend, doch eindeutig und ohne großes
19:28
Winden eingeräumt und war ungewohnt
19:30
selbstkritisch. So habe ich das zumindest empfunden.
19:32
Und Anfang März hatte ich gelesen, Anfang März soll er gesagt haben,
19:36
dass diese Kommunalwahlen für ihn
19:38
das Finale sein würden.
19:40
Jetzt sind ja Präsidentschaftswahlen gerade letztes Jahr gewesen, die
19:43
nächsten sind 2028,
19:45
also tritt er da nicht mehr an? War es das jetzt für Erdoğan?
19:49
Das kann ich zum heutigen Zeitpunkt nicht vorhersagen.
19:52
Also die türkische Verfassung sagt, er darf nicht noch mal antreten.
19:55
Bei den nächsten Wahlen 2028
19:58
müsste er ein Nachfolger
20:00
aufbauen. Aber wenn er antreten wollte,
20:04
hätte er die Mittel, denke
20:06
ich, das möglich zu machen. Also sowas ist hier auch schon in
20:09
der Diskussion, nicht von seiner Seite. Aber es gibt andere, die da
20:12
Stichwortgeber sind, man könnte die Verfassung ändern, so
20:16
er noch ein weiteres Mal antreten kann. Man könnte vorgezogene
20:19
Neuwahlen ausrufen,
20:21
auch dann könnte er noch mal antreten.
20:23
Also das würde ich nicht völlig ausschließen. Das hängt vielleicht
20:27
auch von seiner Kraft ab, ob er sich eine weitere Legislaturperiode
20:30
zutraut, Regierungsperiode.
20:33
Also das schließt man hier nicht aus.
20:35
Aber auf der anderen Seite sehen wir natürlich jetzt eine neue Figur, die
20:39
Potenzial hat für eine Präsidentschaftskandidatur, nämlich
20:42
Ekrem İmamoğlu hier in Istanbul,
20:44
von dem man vorher schon gesagt hat, wenn er die Wahl jetzt verliert,
20:47
wird er weg vom Fenster sein. Aber wenn er sie gewinnt, dann wird
20:50
er der nächste Präsidentschaftskandidat der CHP.
20:53
Ja, denn der hat ja jetzt den dritten Sieg gegen die AKP
20:56
eingefahren als Bürgermeister von Istanbul, also einer der ganz
21:00
großen türkischen Metropolen.
21:02
Und zugleich gilt er jedenfalls
21:04
Beobachtern in Deutschland häufig als Hoffnungsträger der progressiven
21:07
Kräfte in der Türkei. Auf der anderen Seite läuft
21:10
gegen ihn ein Gerichtsverfahren, wo natürlich jetzt viele sagen, na, das
21:14
sei im Wesentlichen politisch motiviert, das sei ein Versuch, ihn
21:17
auszuschalten, weil da möglicherweise nämlich eine
21:19
Haftstrafe und auch ein Betätigungsverbot bei rauskommen
21:23
könnten. Und wenn man sich das mal so überlegt, der vielleicht
21:26
aussichtsreichste Oppositionskandidat
21:28
wird vor Gericht gezerrt, kann man sich ja schon die Frage
21:31
stellen, hat die Demokratie in der Türkei überhaupt noch eine Chance,
21:34
wenn gleich versucht wird, die Menschen auszuschalten?
21:36
So in Putin's Style?
21:38
Na ja, da ist er kein Einzelfall. Es gibt ja auch etliche andere,
21:41
besonders unter den kurdischen Politikerinnen und Politikern, die
21:44
mit Verfahren, also von politischer Aktivität ferngehalten werden.
21:49
İmamoğlu hat sogar drei Verfahren in irgendeiner Form laufen.
21:51
In einem ist er bereits verurteilt zu zwei Jahren, sieben Monaten und
21:54
ein paar Tagen Gefängnis. Die wird er nicht absitzen müssen.
21:57
Das Urteil ist jetzt noch in zwei höheren Instanzen.
22:00
Wenn das irgendwann endgültig in Kraft tritt, wird er tatsächlich ein
22:03
Politikverbot bekommen. Die Gefängnisstrafe sehe ich nicht
22:07
kommen. Aber es gibt zwei weitere,
22:09
auch politisch motivierte Untersuchungen gegen ihn.
22:13
Das heißt, dieses Mittel oder diese Karte, die man dann ziehen kann,
22:16
wenn es kritisch wird, die wird schon vorbereitet.
22:18
Allerdings ist in der Türkei
22:20
immer auch mit Überraschungen zu rechnen. Und das muss
22:24
nicht heißen, dass man ihn auf Dauer von der Politik fernhalten kann.
22:27
Auch Erdoğan ist damals nach seiner Bürgermeisterzeit in Istanbul
22:32
in einem politischen Verfahren ins Gefängnis gesteckt worden und danach
22:35
umso stärker in die Politik
22:37
zurückgekehrt und dann Ministerpräsident geworden.
22:39
Nun hat sich ja die Ampelkoalition eine menschenrechtsgeleitete
22:42
Außenpolitik auf die Fahnen geschrieben. Gerade die
22:45
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat dem sogar noch das
22:48
Attribut feministisch hinzugefügt. Also eine feministische Außenpolitik
22:52
soll es sein. Da stellt sich natürlich die Frage,
22:54
wenn man sich diese Situation in der Türkei anschaut, was würden Sie denn
22:57
denken, wie sollte sich die Außenpolitik gegenüber
23:01
Erdoğan zurzeit positionieren?
23:05
Das ist eine knifflige Frage, weil man kann natürlich ganz auf die,
23:09
auf die Werte, auf die Menschenrechte setzen und dann muss
23:12
man im Prinzip Sanktionen verhängen.
23:15
Aber das ist nicht so einfach. Wir sind mit der Türkei in
23:18
vielfältiger Weise ganz eng verbunden. Es gibt unglaublich enge,
23:21
wichtige Wirtschaftsbeziehungen, die für beide Länder sehr
23:25
gewichtig sind. Die Türkei ist ein wichtiges NATO
23:28
Mitglied mit der zweitgrößten Armee in der NATO.
23:31
Aber nichtsdestotrotz liegt sie zwischen der EU und dem
23:34
unruhigen Nahen und Mittleren Osten.
23:37
Also das ist kein Partner, den man
23:39
einfach abschreiben kann, sondern man muss sich da engagieren
23:43
und irgendwie pragmatisch Politik
23:45
machen. Aber was natürlich in der
23:48
Außenpolitik gut wäre, wenn man sozusagen die Hebel,
23:51
die man hat, auch einsetzt, um etwas hier für die Verbesserung
23:55
der Menschenrechtssituation zu erreichen, auch für einzelne Leute,
23:58
die im Gefängnis sitzen. Und so was funktioniert am
24:02
besten meiner Ansicht nach hinter verschlossenen Türen auch
24:05
vielleicht, dass man wirtschaftliche Entscheidungen mal mit solchen
24:08
Dingen verknüpft, aber bitte nicht auf Twitter oder sehr
24:11
öffentlich, weil das ist etwas,
24:13
was also gegenteilig ausschlägt
24:15
eher wenn dann der Präsident hier sein Gesicht verliert.
24:19
Letzte Frage vielleicht auch noch daran anknüpfend.
24:21
Es gibt ja immer noch die Idee
24:23
bei vielen, dass die Türkei der EU beitreten sollte.
24:27
Was ist da der Stand? Die Perspektive?
24:29
Also offiziell ist die Türkei immer noch Beitrittskandidat.
24:33
Es gibt da zwei Schulen, sozusagen. Die einen sagen ja, man
24:36
sollte jetzt sich mal ehrlich machen und es jetzt mal beenden, weil das
24:39
hat realistisch keine Aussicht auf Erfolg.
24:42
Und die anderen sagen, es ist aber gut, wenn wir diese Instrumente
24:46
noch haben, also wenn die Türkei institutionell noch eingebunden ist.
24:49
Es gibt auf dieser Ebene des
24:51
EU Beitritts Zusammenarbeit. Es gibt auch Gelder aus der EU
24:55
für bestimmte Infrastrukturmodernisierung in der
24:58
Türkei usw. Die Türkei akzeptiert dadurch auch
25:02
EU Unterstützung für zivilgesellschaftliche
25:04
Organisationen und es wäre zum Nachteil der
25:08
Türkei es aufzugeben. Wichtig finde ich ehrlich gesagt
25:11
auch, über die Hälfte der Menschen
25:13
in der Türkei würden gerne Mitglied
25:15
in der EU werden und würden sich entsetzlich hängen gelassen
25:19
fühlen, wenn man diese Tür wirklich zuschlägt.
25:22
Aber realistisch ist das natürlich
25:25
in den nächsten Jahren überhaupt nicht.
25:26
Ja, ganz herzlichen Dank. Das war im Gespräch mit der Lage
25:28
Nation Beate Apel. Sie leitet das Projekt, also das
25:32
Büro der FDP nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in der
25:35
Türkei. Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.
25:37
Auf Wiedersehen!
25:38
Wir haben ne kleine Korrektur anzubringen. Und zwar hatten wir im
25:41
Zusammenhang mit dem neuen Organspenderegister,
25:45
das es jetzt online gibt, gesagt,
25:47
ja, da muss man sich mit dem Personalausweis und der
25:51
eID Funktion einwählen.
25:53
Das stimmt auch, aber in dem Zusammenhang hatten wir gesagt, dass
25:55
das für unter
25:57
16-jährige de facto noch nicht funktioniert, weil die angeblich
26:00
keinen Personalausweis haben.
26:01
Das stimmt halt nicht. Das war so, als Philip und ich
26:04
unseren ersten Perso beantragt haben damals.
26:06
Irgendwie, da war das die ganz große Neuigkeit. Ich bin jetzt 16, ich
26:09
kriege jetzt einen Perso. Das ist heute anders.
26:12
Heute können Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit schon ab der
26:15
Geburt einen Personalausweis beantragen.
26:18
Findet sich auf den Seiten des Innenministeriums.
26:20
Für Kinder unter 16 Jahren muss die Beantragung dann allerdings durch
26:23
die Sorgeberechtigten erfolgen und das Kind muss bei der Beantragung
26:27
persönlich anwesend sein. Also auf Deutsch, man muss mit dem
26:30
Baby zum Amt, aber dann kann man auch einen Personalausweis
26:33
für Menschen unter 16 beantragen.
26:35
Und das ist halt umso ärgerlicher dieser Fehler, weil ich das
26:37
natürlich vor sechs
26:39
Wochen durchexerziert habe mit meinem Sohn. Wir waren dann schön
26:42
beim Bürgeramt, haben Reisepass
26:44
und Personalausweis beantragt
26:46
und dann ist das so geil in Berlin,
26:48
was sie wollen Reisepass und Perso? Das ist doch Quatsch.
26:52
Tja, ich weiß schon.
26:56
Aber nein, das machen wir nicht. Wir hätten aber gerne.
27:00
Aber ist teuer. Ich sage ja, aber
27:03
manchmal vergisst man das eine. Und ich hätt einfach gern beide.
27:06
Ja, das ist doch Quatsch. Und? Ja, aber ich hätte gern beides.
27:09
Ich hätte gerne einen Reisepass. Und ich hätte gern Perso.
27:12
Können wir das bitte so machen? So. Ja.
27:14
Also, ich hätte es wissen sollen. Ich und meine Frau, wir haben einen
27:17
kleinen Familienausflug gemacht, weil es in Berlin natürlich auch immer so geil ist. Du kriegst
27:19
natürlich keinen Termin.
27:20
War das nicht diese Reise nach Spandau?
27:21
War die Reise nach Spandau. Da hast du die 115 angerufen, weil du
27:24
natürlich kein Termin klicken konntest und 115 sagt ja, ja, wir
27:27
haben ja ein Termin übermorgen 7:35 oder
27:31
irgend so eine Zeit war das. Wir sind um 5:30 aufgestanden, haben
27:34
diese Weltreise nach Spandau raus gemacht mit dem Lütten natürlich.
27:37
In dem Perso steht jetzt eine Größe drin. Der ist heute schon
27:41
nicht mehr so groß.
27:43
Wie? Da stehen irgendwie 60 Zentimeter?
27:43
66 Zentimeter steht dann da drin. Da ist dann halt ein Foto.
27:46
An dem Tag schon habe ich den auf dem Foto schon nicht mehr wiedererkannt.
27:51
Anyway. Aber Kinder nach der Geburt. Er hat jetzt beides.
27:53
Kinder ab der Geburt, Perso und Reisepass.
27:56
Zu unserem nächsten Thema. Man denkt ja immer in der
28:00
Demokratie, da gibt es so einen öffentlichen Raum, so ein
28:02
Diskursraum und da herrscht
28:04
ein fairer Kampf um die besten Ideen. Da wird mit vollem Einsatz
28:08
um die Wahrheit gerungen. Es wird sich ein faires Gefecht
28:11
um die besten Ideen geliefert.
28:13
Der Marktplatz der Ideen. Das Town Hall Meeting.
28:17
Da geht es um die Wahrheit, denkt man immer so, ist so eine Art
28:19
demokratisches Ideal. Aber Philip, wenn man ganz ehrlich
28:22
ist, muss man sagen. Das stimmt halt nicht.
28:24
Das stimmt nicht. Die öffentliche Debatte wird von sehr vielen
28:27
Interessen beeinflusst. Das ist nicht immer illegitim.
28:31
Es gibt auch Lobbygruppen, die natürlich Interessen formulieren,
28:34
was völlig legitim ist.
28:36
Weil das dann transparent ist.
28:37
Das ist ein wichtiger Faktor. Es soll natürlich transparent sein
28:39
und nachvollziehbar sein, wie solche Interessen finanziert
28:43
werden, wie sie vorgetragen werden. Also das ist natürlich auch Teil
28:47
einer freiheitlichen Gesellschaft, dass eben wirklich auch alle Teile
28:49
der Gesellschaft an dieser Debatte
28:51
mitwirken können. Es hat aber in letzter Zeit
28:54
vermehrt Einflüsse auf diese Debatte in Deutschland und
28:58
der Welt gegeben, die
29:00
a) nicht transparent sind und b) antiwissenschaftlich
29:04
und antidemokratisch sind.
29:06
Weil ein demokratischer Diskurs eben darauf angewiesen ist, dass die
29:09
Menschen, die da mitdiskutieren, jedenfalls im Grundsatz bei der
29:12
Wahrheit bleiben und nicht mit Fake News um sich werfen.
29:14
Und selbst Spitzenpolitiker:innen sind nicht völlig frei davon.
29:17
Sie unterliegen dem Einfluss von Desinformation.
29:20
Ein Beispiel dafür war unser Interview in der vergangenen Woche
29:23
mit Mario Voigt, dem CDU Spitzenkandidaten zur Landtagswahl
29:26
2024 in Thüringen.
29:28
So sagte uns Mario Voigt im Interview.
29:31
Herr Habeck feiert sich gerade dafür, dass er 30 % Förderung
29:35
für quasi das Gebäudeenergiegesetz
29:37
offengelegt hat. Nur in meinem Thüringer ländlichen
29:40
Raum, wenn die das machen müssen, dann kostet die die Investition
29:43
100.000 € mit Wärmepumpe.
29:45
Das stimmt ja nicht.
29:46
Doch, natürlich.
29:46
Ich war gerade, dieses das stimmt einfach nicht.
29:48
Nein. Die Wärmepumpe alleine kostet nur 15.000 €.
29:51
Aber es geht ja darum, Sie müssen Ihre komplette Heizung...
29:54
Ne, das stimmt nicht.
29:55
Was Voigt da sagt, ist ja nicht völliger Quatsch.
29:57
Natürlich gibt es alte
29:59
Häuser, die man besser sanieren sollte und dann kostet das auch
30:03
schnell 100.000 €. Aber wenn die Leute keine
30:06
Wärmepumpe wollen in diesen Häusern,
30:09
dann kaufen sie sich halt keine. Niemand zwingt sie dazu,
30:12
ihre Heizung auszutauschen. Sie können weiter mit Gas heizen,
30:16
auf die nächsten Jahre und Habecks Förderprogramme ignorieren.
30:20
Das ist die erste Irreführung. Niemand muss seine Heizung
30:24
tauschen, auch wenn das durch solche
30:26
Äußerung insinuiert wird. Nebenbei wäre es aber trotzdem
30:29
natürlich ganz cool, solche Häuser zu sanieren, weil auch wenn sie
30:32
mit Gas heizen, wird das nämlich demnächst richtig teuer, weil Gas
30:35
richtig teuer wird und jede eingesparte Kilowattstunde
30:38
bares Geld spart. Aber das nur nebenbei. Die zweite Irreführung ist,
30:42
Erzählung wie diese: "Habecks Wärmepumpe kostet euch schnell
30:45
100.000 €", die führen
30:48
viele in die Irre und die verschleiern, dass Wärmepumpen
30:51
in sehr sehr sehr vielen, auch
30:53
alten Gebäuden, alten Häusern ohne Probleme
30:57
betrieben werden können, günstiger
30:59
sind und nebenbei natürlich noch besser fürs Klima.
31:02
Das haben diverse Studien ergeben und das ist schlicht
31:06
Stand der Wissenschaft.
31:07
Aber trotzdem führen wir eine Nebelkerzendebatte
31:11
nach der nächsten. Weitere Beispiele neben der
31:13
Wärmepumpe: heizen mit Wasserstoff.
31:16
Auch nicht realistisch. EFuels für Autos, allenfalls
31:19
für Oldtimer irgendwie relevant. Trotzdem wird darüber diskutiert.
31:22
Und da haben wir uns einfach gefragt, warum führen wir diese
31:26
wissenschaftlich kaum nachvollziehbaren Quatschdebatten?
31:29
Warum glauben so viele Menschen an
31:31
Ideen, die naturwissenschaftlich
31:33
betrachtet ganz wenig Sinn machen?
31:34
Ja, nicht nur, aber eben vor allen Dingen auch in dieser Klimafrage.
31:39
Und dazu hat ein Buch geschrieben Professor Dr. Christian Stöcker.
31:42
Das Buch heißt "Männer, die die Welt verbrennen". Christian Stöcker hat
31:46
Psychologie studiert, promoviert
31:48
in kognitiver Psychologie, war dann viele Jahre Journalist,
31:51
unter anderem eben ab 2005 rund elf Jahre beim Spiegel
31:56
im Ressort Netzwelt, das er fünf Jahre lang geleitet hat,
32:00
von 2011 bis 2016.
32:02
Heute ist er Professor für digitale
32:04
Kommunikation an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in
32:07
Hamburg. Er kennt also die Perspektive aus der
32:11
Medien-, aus der Journalistensicht
32:13
und eben auch aus der wissenschaftlichen Sicht. Wie gesagt, hat jetzt ein Buch
32:16
geschrieben "Männer, die die Welt verbrennen". Ganz herzlich
32:19
willkommen in der Lage, Professor Christian Stöcker.
32:21
Vielen Dank für die Einladung.
32:22
Ja, Herr Stöcker, warum wird denn in Deutschland überhaupt noch
32:24
kontrovers darüber diskutiert, ob eine Wärmepumpe Sinn macht?
32:29
Ja, das ist
32:31
eine Frage, bei der, wenn man sie ehrlich beantwortet, man
32:34
immer in der Gefahr ist, dass man gleich das Gefühl vermittelt, das
32:38
Reich der Verschwörungstheorie zu betreten. Also so bitter muss man es
32:40
leider sagen. Es wurde insbesondere im letzten
32:43
Jahr in Deutschland unfassbar viel
32:46
Desinformation über Wärmepumpen verbreitet.
32:48
Es gibt klare Belege
32:50
aus Großbritannien beispielsweise für also auch konzertierte, von
32:54
gut finanzierten PR Agenturen
32:56
gesteuerte Kampagnen, um entsprechende Zweifel
33:00
an der Sinnhaftigkeit von Wärmepumpen zu säen.
33:03
In Deutschland haben wir sowas so klar belegt nicht.
33:06
Aber wir haben jede Menge von völlig absurden und grotesken Aussagen
33:09
von Politikern, eigentlich ausschließlich männlichen, fast
33:12
ausschließlich bis auf Sahra Wagenknecht, zum Thema Wärmepumpen
33:15
in Talkshows und an anderen Stellen,
33:17
wo man sehr deutlich sieht, dass da einfach absichtlich
33:20
Falschinformation gestreut
33:22
wurde und gleichzeitig unheimlich viel Blödsinn erzählt wurde, auch
33:26
über alternative Möglichkeiten. So was wie
33:29
Wasserstoffheizungen. Wir werden in Deutschland niemals
33:31
irgendwo ernsthaft mit Wasserstoff heizen. Aber Jens Spahn
33:35
beispielsweise saß letztes Jahr in einer Talkshow und hat behauptet,
33:37
mit der Photovoltaik auf dem Dach machen wir Wasserstoff im Keller und
33:40
den verbrennen wir dann in der Gasheizung.
33:42
Das wird definitiv nicht passieren. Zum Glück, wäre nämlich auch sehr
33:45
gefährlich. Aber es wurde
33:47
wirklich konzertiert,
33:49
unter anderem von Politikern
33:51
bestimmter Parteien, aber auch von bestimmten Zeitungen aus dem
33:54
Springer Verlag insbesondere,
33:56
diese Technologie absichtlich
33:59
und mit viel Falschinformation
34:01
schlechtgeredet, das muss man leider sagen.
34:02
Das gilt ja nicht nur für die Wärmepumpen. Da gibt es ja auch viele andere Sachen eFuels für Autos
34:06
und solche Sachen. Auch der öffentliche Personennahverkehr,
34:09
da gibt es ja ganz viele Debatten, die wissenschaftlich kaum zu halten
34:12
sind. Die Frage ist, woher kommt das? Informieren sich die
34:16
Leute nicht, wissen sie es nicht besser?
34:18
Also wenn man sich jetzt mal nur die Politik anschaut, ist es eine
34:21
Mischung. Also es gibt Leute, die sind da zweifellos im Auftrag
34:24
irgendwelcher bestimmten Branchen unterwegs.
34:27
Also Beispiel die deutsche
34:29
Gasbranche, die ziemlich groß ist und verzweigt und komplex,
34:33
weil sie besteht zum Teil aus regionalen Energieversorgern usw,
34:37
Stadtwerke, denen Gasnetze gehören und so.
34:39
Die verfügen über gewaltige Assets.
34:41
Also das deutsche Gasnetz ist sicher mehrere 100 Milliarden Euro
34:46
wert und diese
34:48
gewaltigen Assets werden sich in den nächsten 20 Jahren zwangsläufig in
34:51
sogenannte stranded Assets verwandeln, also in
34:53
Investitionsgüter, die nichts mehr wert sind, weil man nicht mehr mit
34:56
Gas heizt, weil wir das einfach nicht mehr machen können.
34:58
Weil es gibt eine Klimakrise und wir müssen aufhören, CO2 zu produzieren.
35:02
Das heißt, da gibt es eine große, verzweigte, komplexe Branche mit
35:05
einer komplexen, verzweigten Lobby.
35:07
Also beim Gas zum Beispiel gibt es da eine Lobbyorganisation namens
35:09
Zukunft Gas, der bis wenige Wochen vor Beginn des Angriffs auf
35:13
die Ukraine auch noch Gazprom angehört hat, also der russische
35:16
Gaskonzern, der in Deutschland kräftig Lobbyarbeit gemacht hat für,
35:20
Zukunft Gas sagt ja eigentlich alles. Also das Gas hat eben keine
35:22
Zukunft. Aber es gibt Leute, die da sehr intensiv dran arbeiten, dafür
35:25
zu sorgen, dass es so ist. Vor dem Hintergrund ist übrigens
35:28
auch diese Wärmepumpedebatte zu sehen. Also in dem Moment, in dem
35:30
ich eben dafür sorge, dass sich jetzt jemand noch eine Gasheizung
35:33
einbaut, was leider letztes Jahr sehr erfolgreich funktioniert hat,
35:36
erzeuge ich eben einen Absatzmarkt,
35:38
der erst mal viele Jahre weiterbestehen wird.
35:40
Und nur darum geht es. Also erst mal, es gibt viele
35:44
Marktbeteiligte, die ein großes Interesse daran haben, weiter ihre
35:47
Produkte zu verkaufen und zwar
35:49
ohne Rücksicht auf Verluste. Es gibt Politikerinnen und
35:52
Politiker, die denen gerne einen Gefallen tun, aus welchen Gründen
35:55
auch immer. Ich will da jetzt nicht in Spekulationen eintreten.
35:58
Es gibt Medienhäuser wie Springer, die zu im Fall von
36:02
Springer 35 % KKR
36:04
gehören, einem der größten Private Equity Investoren
36:08
in fossile Brennstoffe des Planeten,
36:10
Zusätzlich ein kanadischer Pensionsfonds ist da auch noch mit
36:12
drin bei Springer, der auch hohe Anteile an fossilen Brennstoffen
36:16
hält. Und Mathias Döpfner selbst, der mal in seinen bekannten SMS an
36:20
Julian Reichelt geschrieben hat, ich bin sehr für den Klimawandel.
36:23
Warmzeiten waren immer Zeiten, in denen die Menschheit besonders
36:25
erfolgreich war. Also es gibt Medienhäuser,
36:29
Politiker, aber vor allem im Hintergrund eben Lobbyorganisationen
36:32
und Interessen, die ganz intensiv
36:34
daran arbeiten, diese bizarre Parallelrealität, in der fossile
36:38
Brennstoffe besser sind als Wärmepumpen zu erzeugen.
36:40
Eine Nachfrage noch zu dieser Springer KKR Geschichte.
36:43
Springer, größter Verlag in Europa,
36:45
KKR, haben sie geschildert.
36:47
35 % Anteil, große, viele Investments in fossile
36:50
Energien. Da würde Springer jetzt entgegnen, na, das mag ja sein, aber
36:53
die haben ja keinen Einfluss auf unsere Redaktion.
36:55
Na ja, also wie das Verhältnis von Verlag und Redaktion in
36:59
Medienhäusern normalerweise sein sollte in Deutschland, ist ja
37:01
gekennzeichnet durch den Begriff Brandmauer. Den gibt es nicht nur in
37:03
Bezug auf die AfD, sondern auch in Bezug auf die Brandmauer zwischen
37:06
Verlag und Redaktion. Und wie das bei Springer praktisch
37:09
gehandhabt wird, wissen wir spätestens seit diesen SMS von
37:11
Mathias Döpfner. Please stärke die FDP.
37:15
Also in dem Moment, in dem der Chef des Verlags und der Verlagsgruppe
37:19
dem Chefredakteur der Flaggschiff Zeitung explizite inhaltliche
37:23
Ansagen macht, und zwar sehr konkrete tagespolitische Ansagen,
37:26
würde ich sagen, kann man ja schon davon ausgehen, dass Einflussnahme
37:29
stattfindet auf eine ganz andere Art und Weise, als man sich das in einem
37:32
regulären journalistischen Betrieb eigentlich wünschen würde.
37:35
Nachweisen, dass KKR irgendwelche
37:38
konkreten Ansagen bei Springer macht, kann man natürlich nicht,
37:40
aber man kann schon sagen, dass Springer eine Hauspolitik hat.
37:43
Also der Herausgeber der Welt,
37:46
Stefan Aust, der ehemalige Spiegel Chefredakteur, der schon seit
37:50
über 20 Jahren in Deutschland gegen Windkraft agitiert,
37:54
das ist jemand, der letztes Jahr noch gesagt hat, er zweifelt, ob
37:57
der Mensch für die Klimakrise verantwortlich ist.
38:00
Der bekannteste deutsche Klimaskeptikerjournalist
38:04
Deutschlands wurde von Springer angeheuert, nachdem sonst niemand
38:07
mehr mit ihm zusammenarbeiten wollte. Also Springer kultiviert
38:10
aktiv dieses einerseits
38:12
klimaskeptische und andererseits
38:14
transformationsskeptische Narrativ
38:17
sowohl personell als auch inhaltlich. Und ich meine, die
38:20
Gesamtkombination ist schon relativ
38:23
klar. Es gibt da offensichtlich ein Klima in diesem Haus, pun not
38:25
intended, das dafür sorgt, dass man auf diese Art
38:29
und Weise über diese Themen berichtet.
38:31
Nun gut, das ist jetzt Springer. Ich meine, die haben in Deutschland
38:33
eine große Medienmacht, aber die sind ja jetzt auch nicht das einzige
38:36
Medienhaus. Und man würde ja eigentlich denken, dass
38:38
Journalistinnen und Journalisten bemüht sein müssten, die Menschen
38:42
halbwegs wissenschaftlich präzise
38:44
zu informieren. Warum finden sich in der deutschen
38:47
Medienlandschaft auch jenseits von Springer so viele falsche oder
38:50
jedenfalls irreführende Informationen zum Thema Wärmepumpen
38:53
zum Beispiel oder auch zu anderen klimarelevanten technischen Fragen?
38:56
Also das sind 2 bis
38:58
3 Themen. Also einmal ist es so, dass glaube ich der deutsche
39:01
Journalismus insgesamt das Thema Klimakrise lange Zeit
39:05
nicht vollständig verschlafen, aber doch völlig falsch eingeschätzt hat.
39:09
Also es gibt da diesen berühmten Satz von Thomas Bellut, ehemals
39:12
Intendant des ZDF, der sagt, das Klima ist ein Thema und danach kommt
39:15
das nächste Thema. Das ist falsch.
39:18
Also nach dem Klima, wenn das Thema
39:20
Klima nicht ordentlich behandelt wird, kommt gar kein Thema mehr,
39:22
sondern der Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation.
39:24
Und sicher, also da gibt es sozusagen institutionelle Trägheit.
39:27
Es gibt Leute, die jetzt wirklich
39:30
ungern sich eingestehen wollen, dass sie 20 Jahre lang in die falsche
39:33
Richtung geguckt haben. Das sind alles Dinge, die dabei eine
39:35
Rolle spielen. Es gibt strukturelle
39:37
Probleme. Also es gibt eben in den öffentlich rechtlichen
39:41
keine zentrale Klimaredaktion
39:43
oder so was. Also die wirkmächtigste
39:46
Klimaberichterstattung im öffentlich Rechtlichen, um jetzt mal nur in
39:48
diese Richtung zu gucken Fernsehen, machen die Leute, die den
39:50
Wetterbericht machen, also Leute wie Sven Plöger und Karsten Schwanke und
39:53
Özden Terli usw. Die sprechen im Wetterbericht über
39:56
die Klimakrise und das ist sehr ehrenhaft. Aber das ist wirklich
39:59
eigentlich der falsche Ort, sondern
40:01
es ist eben ein Querschnittsthema. Also es gibt institutionelle
40:05
Schwierigkeiten, glaube ich, und Trägheit und auch kognitive
40:07
Dissonanz, die man überwinden muss, weil man eben die ganze Zeit zu
40:10
wenig über etwas gesprochen hat, über das man hätte mehr sprechen
40:13
müssen. Das andere ist aber ich glaube, wir
40:15
sind als Gesellschaften auch immer
40:17
noch nicht richtig auf Ballhöhe, was das Ausmaß
40:21
und die Verteilung und die Vernetzung von fossiler
40:25
Desinformation über die letzten 40 Jahre angeht.
40:28
Also in den USA gibt es immer noch eine sehr große
40:31
Zahl von Leuten, die nicht glauben, dass es eine
40:35
menschengemachte Klimakrise gibt. In den meisten Ländern der Welt ist
40:38
das mittlerweile anders. In den USA ist es noch sehr ausgeprägt, weil die USA auch das
40:41
Mutterland der organisierten Klimawandelleugnung sind.
40:44
Da gibt es also Milliardäre und Konzerne wie Exxon, die
40:48
wirklich hunderte von Millionen Dollar mindestens investiert haben,
40:52
um um da Desinformation zu verbreiten.
40:55
Mittlerweile ist diese Struktur
40:57
immer noch da. Also die besteht aus Think Tanks
41:01
und Stiftungen und
41:03
irgendwelchen vermeintlichen Expertinnen und Experten und
41:07
Lobbyismusorganisationen ohne Ende. In den USA bezahlte sogenannte
41:11
Grassrootorganisationen, die in Wirklichkeit der verlängerter Arm
41:14
von Charles Koch sind, dem größten
41:17
privaten Ölmilliardär
41:19
des Landes usw. All diese Strukturen sind noch da.
41:23
Die meisten davon machen jetzt keine Klimawandelleugnung mehr.
41:27
Aber sie machen jetzt halt was anderes, nämlich sie verbreiten
41:30
Desinformation im Kontext
41:33
der notwendigen Gegenmaßnahmen
41:35
und sie diskreditieren einzelne
41:37
Formen von Energieerzeugung. Also zum Beispiel gibt es in
41:40
Deutschland, glaube ich, wahnsinnig viele Leute, die nicht glauben, dass
41:42
Elektroautos besser fürs Klima sind als Verbrenner. Es ist aber
41:45
glasklar, dass das so ist.
41:47
Es ist ein großer Erfolg, von dieser weitverzweigten Lobbystruktur dafür
41:51
gesorgt zu haben, dass
41:53
an ganz vielen Stellen Zweifel besteht über die Richtigkeit der
41:56
notwendigen Maßnahmen.
41:57
Diese Strukturen reichen ja rein bis in den Deutschen Bundestag.
42:00
Es gibt ja immer wieder einzelne Figuren, die gab es in der Großen
42:02
Koalition schon im Bundeswirtschaftsministerium, und
42:04
die gibt es aber auch jetzt noch im Bundestag, in den
42:08
Regierungsfraktionen. Einzelne Figuren, die dieses
42:11
Gedankengut und diese Industrieinteressen und diese
42:15
Zweifel an den Gegenmaßnahmen in die
42:18
parlamentarische Debatte reintragen. Wer ist das in Deutschland?
42:22
Also derjenige, der das Wärmepumpengesetz, das
42:25
Gebäudeenergiegesetz im Prinzip mehr oder weniger im Alleingang entkernt
42:29
hat, ist Frank Schäffler von der FDP.
42:31
Also die Geschichte geht so. Ein Referentenentwurf wird
42:34
durchgestochen an die Bildzeitung von wem auch immer, mit einem
42:37
bestimmten Spin, der nichts
42:39
mit dem zu tun hat, was in dem Gesetzentwurf tatsächlich drinsteht.
42:42
Da stand nicht drin, wir kommen und reißen dir die Heizung aus dem
42:44
Keller. Aber das war die Geschichte, die erzählt wurde.
42:46
Dann einigt sich die Koalition auf eine veränderte Version dieses
42:50
Gesetzes, die schon deutlich abgeschwächt ist.
42:52
Koalitionsausschuss einigt sich.
42:54
Lindner sagt, wir haben jetzt eine nicht planwirtschaftliche Lösung
42:56
gefunden. Dann gibt es eine FDP Parteitag, und
43:00
dort versammelt Frank Schäffler 30 Rebellen um sich und stürzt auch
43:04
diese neue Version des Gesetzes. Und es wird am Ende eine
43:07
noch weiter entkernte Version
43:09
verabschiedet, über die sich dann in Deutschland eine einzige Gruppe
43:13
richtig freut, nämlich die
43:15
Gaslobby. Und zwar öffentlich.
43:17
Und zu Frank Schäffler muss man jetzt wissen. Frank Schäffler ist
43:19
ein hardcore Libertärer,
43:21
auch wenn er selber das immer wieder bestreitet, der ein
43:24
privates Institut namens Prometheus
43:27
Institut betreibt, das wiederum
43:29
zum Atlasnetzwerk gehört. Und das Atlasnetzwerk ist
43:32
ein seit den Achtzigern bestehendes Netzwerk von libertären
43:36
Thinktanks weltweit,
43:38
gegründet in Großbritannien. In Australien, haben die Atlas
43:41
Mitglieder jetzt mitgewirkt dabei, das The Voice Referendum
43:45
zu drehen, in dem den Aborigines
43:47
mehr Mitspracherecht eingeräumt werden sollte bei Entscheidungen,
43:49
die sie betreffen, weil es ja auch um Öl und Gas und vor allem Kohle
43:52
geht in Australien. Also das Atlasnetzwerk ist ein Teil
43:56
dieser Einflussstruktur, würde ich sagen. In dem steckt sehr viel Geld
43:59
von Charles Koch drin und auch sehr viel Geld von Exxon und anderen,
44:03
mit der versucht wird, weltweit bestimmte Narrative
44:07
in den Markt zu drängen. Ein konkretes Beispiel ist, Frank
44:10
Schäffler ist einer von denen, die immer die Protestierenden der
44:13
letzten Generation als Terroristen bezeichnet hat.
44:16
Obwohl also sich irgendwo festzukleben wirklich kein Terrorismus ist.
44:20
Und dieses Narrativ
44:22
Klimaprotest ist Terrorismus,
44:24
das betreiben Angehörige des Atlas Netzwerks schon seit den
44:28
späten 70er Jahren. Das ging los in Südamerika.
44:31
Man findet es in verschiedenen Weltregionen. Also diese, diese
44:34
Geschichte, die da erzählt wird, ist eine Geschichte, die sozusagen in
44:37
diesen Strukturen entwickelt worden ist und schon sehr lange erzählt
44:40
wird. Und dazu muss man sagen, Frank Schäffler hat letzten Sommer noch
44:42
der Zeit gesagt in einem Gespräch, er zweifelt nicht daran, dass sich
44:45
das Klima ändert. Aber welchen Anteil der Mensch daran
44:48
hat, das ist noch mal eine andere Frage. Es gibt eine starke
44:51
Verknüpfung zwischen so libertären Ideen und Klimawandelleugnung,
44:55
weil in dem Moment, in dem ich sage, der Markt regelt alles, muss ich
44:58
immer noch sagen, aber wenn der Markt es nicht regelt, weil es
45:01
nämlich negative Externalitäten gibt, also schwere Schäden, die
45:04
angerichtet werden durch ein Geschäftsmodell, dann muss das
45:07
irgendwie durch Regulation, Regulierung ausgeglichen werden.
45:11
Das ist aber beim Klimawandel natürlich nicht passiert und beim
45:14
CO2. Also muss man behaupten, CO2 richtet
45:17
gar keinen Schaden an und Frank Schäffler, ein sehr einflussreicher
45:20
Politiker innerhalb der FDP, tut das immer noch. Das sind die Leute, die
45:23
in Deutschland Energiepolitik maßgeblich mit beeinflussen leider.
45:27
Wenn man jetzt auf diese Strukturen der Desinformation schaut, die Sie
45:30
ja am Beispiel dieser Klimadebatten analysiert haben.
45:33
Menschen mit viel Geld, Menschen, die viel Geld verdienen mit dem
45:36
Verbrennen von fossilen Energieträgern, die finanzieren
45:40
Institute. Das setzt sich dann wiederum fort in
45:42
der Politik und in bestimmten Medienhäusern.
45:44
Wenn man also sich diese Strukturen der Desinformation anschaut,
45:48
sehen Sie ähnlich geplanten,
45:50
Unsinn möchte ich das mal nennen, also bezahlten Quatsch in
45:53
den Köpfen. Sehen Sie das auch in anderen
45:55
Diskursen in Deutschland?
45:57
Ja, in jedem Fall. Also das ist ja das, was ich
45:59
tatsächlich an der HAW Hamburg in mehreren Forschungsprojekten
46:02
tatsächlich mache. Da gucken wir uns Desinformation im Allgemeinen,
46:05
digitale Desinformation an
46:08
und der wichtigste Akteur aus
46:10
deutscher Sicht im Augenblick ist zweifellos Russland.
46:12
Da gibt es jede Menge Fälle, auch diverse, sehr aktuelle und durchaus
46:16
bedrückende Fälle, also sowohl was Zahlungen an die AfD angeht, als
46:20
auch andere. Und da muss man wiederum
46:23
sagen, da gibt es natürlich eine starke Verknüpfung, denn Russland
46:25
ist ein Land, das maßgeblich von Öl und Gas abhängt oder
46:29
fast ausschließlich von Öl und Gas abhängt. Also der Reichtum von
46:32
Wladimir Putin und seinem
46:34
inneren Kreis aus kleptokratischen
46:36
Ex KGB Leuten, die sind alle Milliardäre, weil sie
46:40
sich rechtzeitig Zugriff auf diese
46:42
fossilen Assets des Landes gesichert haben.
46:46
Und mit diesen Assets
46:48
wird nicht nur Klimadesinformation
46:50
finanziert, aber auch, sondern natürlich auch so was wie eine
46:54
kräftige Förderung des Themas
46:56
Coronaskepsis oder Impfgegnerschaft.
46:59
Natürlich werden von Russland aus
47:01
Rechtsradikale und zum Teil auch linksradikale, aber primär
47:05
rechtsradikale Parteien in ganz Europa nachweislich
47:08
gefördert. Lustigerweise, Matteo Salvini von der Lega in Italien,
47:13
der Rechtsaußen, da gibt es
47:15
nachweislich eine, da gibt es eine Aufzeichnung von einem Gespräch, wo
47:18
er als Gesandter eines russischen Oligarchen sich mit mehreren
47:21
Legavertretern trifft und von der neuen rechten Allianz in Europa
47:24
schwärmt? Und da wird ein Deal eingefädelt, in
47:27
dem an Matteo Salvinis Lega 50 Millionen Euro fließen
47:31
sollen, und zwar über einen getürkten Öldeal.
47:36
Also das wurde, Russland macht
47:38
ganz viele von diesen Geschäften
47:40
irgendwie auch über
47:42
Öl. Da fließt alles zusammen
47:44
und ich glaube, im Endeffekt ist es so, wenn Sie sich einen
47:47
beliebigen Querdenker suchen und den
47:49
fragen, wie es denn mit der Klimakrise ist, werden Sie
47:52
wahrscheinlich erstaunliche und weniger erstaunliche Antworten
47:55
hören. Weil dieses Desinformationskonglomerat,
47:58
das da entstanden ist und von Russland kräftig gefördert worden
48:02
ist, enthält immer auch
48:04
Klimaskepsis. Denn es geht ja darum, da das
48:07
eigene Geschäftsmodell zu sichern. Aber gleichzeitig geht es auch
48:10
darum, westliche Staaten und Europa
48:12
so weit wie möglich zu destabilisieren. Und da ist im
48:14
Zweifelsfall jedes Narrativ recht. Im Moment ist das Narrativ,
48:17
Deutschland steht am Abgrund und
48:19
wir haben bald Blackout usw. Eben das sind so Dinge, die den
48:23
Leuten Angst machen. Die werden von Russland nach Kräften
48:26
gefördert und die werden natürlich auch von so Parteien wie der AfD,
48:29
die Russland sehr nahestehen, munter gepusht.
48:33
Vielen Dank! Das war im Gespräch mit der Lage. Christian Stöcker ist
48:35
Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg
48:38
und hat jetzt ein Buch geschrieben. Das nennt sich "Männer, die die
48:41
Welt verbrennen". Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit.
48:43
Danke Ihnen.
48:45
Ja, ich habe es ja gerade gehört. Das ist ja bei Professor Stöcker
48:48
schon angeklungen. Auch Russland versucht,
48:50
den öffentlichen Diskurs in Deutschland massiv zu beeinflussen.
48:54
Versucht zu beeinflussen, wie reden
48:56
wir wann über was? Was sind eigentlich die Themen, die
48:59
in Deutschland auf Interesse stoßen? Vor allem bezieht sich diese
49:03
Desinformation hier auf Themen wie Klimawandel, Corona.
49:06
Muss man davon ausgehen, dass also ganz viel Coronaimpfskepsis
49:10
zum Beispiel von Russland beeinflusst war, weil je mehr
49:13
Menschen in Deutschland krank werden, umso besser für Russland.
49:15
Aber natürlich geht es Russland auch darum, die Meinung in Deutschland
49:20
zum Ukrainekrieg, zum Überfall Russlands auf die Ukraine und
49:23
zu unserer Demokratie allgemein
49:25
zu beeinflussen.
49:26
Und besonders brisant ist das natürlich jetzt alles, weil im Juni
49:30
das Europäische Parlament neu
49:32
gewählt wird und eben
49:35
europaweit Kräfte auf dem Vormarsch
49:37
sind, die Russland
49:39
durchaus freundlich und Sympathie geschwängert
49:42
gegenüberstehen.
49:43
Und das ist auch wiederum kein Zufall, denn die haben da einfach
49:46
ihre ganz eigenen Interessen.
49:48
Das jüngste Beispiel für
49:50
diese Versuche, hier für Unruhe zu sorgen und Fake News zu
49:54
verbreiten, war, muss man sagen, das in Anführungsstrichen
49:58
Nachrichtenportal Voice of Europe, also die
50:02
Domain voiceofeurope.com ist offline, da ist nichts zu finden.
50:05
Bei Twitter sind sie noch da, mit 180 über 180.000
50:09
Followern.
50:10
Also X jetzt inzwischen.
50:11
X, genau. Also auf den ersten Blick
50:14
war Voice of Europe ein
50:17
populistisches,
50:19
rechts tendenziöses
50:22
Medienmagazin vielleicht kann man sagen.
50:25
Da sind also diverse Artikel
50:27
erschienen in 16 Sprachen, Sitz war in Prag und
50:31
da dominierten schon so polarisierende Themen, möchte ich es
50:34
mal nennen Migration, Bauernproteste, solche Sachen.
50:38
Es gab auch sehr viele Interviews mit vor allen Dingen rechtsextremen
50:42
und rechtspopulistischen Politikern,
50:44
also AfD Leute zum Beispiel wie
50:46
Maximilian Krah. Erster Platz auf der Liste für
50:50
die Europawahl der AfD. Wurde da, glaube ich, zweimal
50:52
interviewt. Aber dann gab es eben auch
50:56
so merkwürdige Übersetzungsfehler.
50:58
Also Jan Böhmermann wurde als Moderatorin
51:02
bezeichnet, glaube ich, und so. Also es gab so ein paar Sachen, wo
51:04
man beim Lesen so dachte, so-
51:06
Das ist jetzt kein deutscher Muttersprachler gewesen.
51:08
Wie ist das jetzt so? Und dann fanden sich, sagt der
51:10
Spiegel, im Quellcode auch noch kyrillische Buchstaben.
51:14
Ups.
51:14
Und es stellte sich dann jetzt halt raus, Voice of Europe ist
51:18
ein russisches Propaganda-
51:20
und Korruptionsunternehmen.
51:23
Die tschechische Regierung sagt, diese Seite wurde finanziert
51:26
von Putins Freund Wiktor Medwedtschuk.
51:29
Und zwar wurde das verdeckt finanziert und deswegen ist
51:33
diese Seite auch jetzt von der tschechischen Regierung auf eine
51:35
Sanktionsliste gesetzt worden. Deswegen ist das Ding jetzt auch
51:38
wahrscheinlich offline. Wer ist Viktor Medwedtschuk?
51:42
Er ist ein prorussischer Oligarch ukrainischer
51:46
Herkunft. Der gilt als enger Freund
51:48
des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Und auch Maximilian
51:52
Krah, also der AfD Politiker Nummer eins auf der Liste für die
51:55
Europawahl, hat enge Verbindung zu Medwedtschuk
52:01
gehalten, schreibt der Spiegel. Krah hat auch oft
52:03
Russland besucht, hat sich auch mit Medwedtschuk fotografieren lassen.
52:07
Krah selber will kein Geld bekommen haben.
52:10
Also der hat Interviews, zwei Interviews für die Seite gegeben,
52:13
will aber selber kein Geld von Medwedtschuk bekommen haben,
52:17
sagt er. Auch keine geldwerten
52:19
Gegenleistungen will er angenommen haben, schreibt der Spiegel.
52:22
Aber die tschechische Regierung hat weiter herausgefunden, dass diese
52:25
Seite Voice of Europe eben nicht nur Propagandatexte in 16 Sprachen
52:29
veröffentlicht hat, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen,
52:31
nein. Über diese Seite soll auch Geld
52:34
geflossen sein an zahlreiche Abgeordnete in der Europäischen
52:38
Union, damit sie eben Russlands Lied
52:40
singen. Unter anderem nennt die tschechische Tageszeitung Deník N da
52:44
Abgeordnete aus sechs Ländern, unter anderem auch aus Deutschland.
52:47
Und zwar sind das Abgeordnete
52:50
der AfD.
52:51
Richtig. Der Spiegel schreibt, das Geld an diese Abgeordneten aus
52:54
diesen sechs Ländern soll entweder bei persönlichen Treffen in Prag bar
52:57
übergeben worden sein oder eben per Kryptowährung/Bitcoin transferiert
53:02
worden sein. Insgesamt, schreibt der Spiegel,
53:05
seien da mehrere 100.000 €
53:08
überwiesen worden, zumindest stünde das in Rede.
53:11
Also, ein russischer Oligarch, Putinfreund
53:15
finanziert, so ein in Anführungsstrichen
53:18
Medienunternehmen, das erst mal
53:21
rechtsextreme Artikel und Informationen in Anführungsstrichen
53:24
verbreitet. Und soll
53:27
darüber auch Abgeordnete aus sechs
53:29
Ländern Geld übermittelt
53:31
haben, damit die Russlands Lied singen.
53:33
Also vielleicht noch mal um, damit man sich so ein bisschen vorstellen
53:35
kann, wofür die stehen. Also wie gesagt, die Website ist ja
53:37
inzwischen offline. Sie haben aber sich auf X,
53:41
also dieser inzwischen ja auch
53:43
immer skurrileren Seite von
53:45
Elon Mask dazu geäußert. Und sie reden da im Grunde genauso
53:49
wie Donald Trump. Da werden sie also, ist jetzt ein
53:52
englischer Text. Ich übersetze das mal so auszugsweise.
53:55
Sie werden angeblich genauso wie europäische Bauern oder
53:59
politisch aufsteigende Antiglobalisierungsparteien
54:02
unfair ohne Unterlass
54:04
verleumdet als Putinisten.
54:06
Und zwar von wem verleumdet? Von den zunehmend unpopulären
54:10
globalen Eliten. Außerdem werden sie diskreditiert
54:12
von den Lakaien der lügenden
54:14
Mainstreampresse und von Soros finanzierten NGOs.
54:18
Das schreiben sie quasi als Reaktion.
54:19
Genau. Das ist also ein Twitter
54:22
Post hier vom 1. April. Habe ich gerade mal so
54:25
auszugsweise zitiert. Ich glaube, das muss man jetzt nicht
54:27
als Aprilscherz sehen, sondern das ist die mehr oder weniger offizielle
54:31
Position von Voice of Europe zu dieser Berichterstattung und zu der
54:34
Sperrung. Und da finde ich, ist doch
54:36
unüberhörbar, dass da da ganz typischen Talking Points aus Moskau
54:39
kommen. Soros finanzierte NGOs,
54:42
Globalisten also als Codewort
54:44
für Antisemitismus usw usw.
54:46
Da ist natürlich die Frage, wer hat denn dieses Geld bekommen?
54:49
Das muss man sagen, ist bisher weitgehend unklar, zumindest was die
54:52
Namen angeht. Abgeordnete aus sechs Ländern, das
54:55
wird sicherlich noch rauszufinden sein. Ein Name, der ist
54:59
aber gefallen mit recht konkreten Beschuldigungen.
55:02
Und der ist Petr Bystron. Das ist ein Mensch, der sitzt
55:06
für die AfD im Bundestag
55:08
und ist eben hinter Maximilian
55:10
Krah die Nummer zwei auf der Liste der AfD für die
55:14
Europawahl. Und diese Zeitung, von dir auch
55:16
schon angesprochen, Deník N, die berichtet nun, dass der tschechische
55:20
Geheimdienst ein Audiomitschnitt
55:23
besitzt, die
55:25
eine Bestechung des AfD Politikers Petr Bystron durch
55:29
prorussische Akteure
55:31
beweisen soll. Er soll also ein Audio geben,
55:34
wo er bestochen wird.
55:36
Nun muss man natürlich sehen, der tschechische Geheimdienst will das
55:38
Audio jedenfalls bisher nicht veröffentlichen.
55:41
Deswegen ist das so ein ganz kleines bisschen wackelig.
55:43
Die AfD Bundesspitze fordert natürlich jetzt Aufklärung von ihrem
55:47
Abgeordneten Bystron, was ist da dran? Der Abgeordnete selber
55:51
spricht von unbewiesenen Anschuldigungen und Behauptungen, er
55:54
habe sich nichts vorzuwerfen.
55:56
Und den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte er Zitat
55:59
"Ich habe kein Geld angenommen, um prorussische Positionen zu
56:03
vertreten". Kann man natürlich nur sagen, geiles Dementi.
56:06
Also wer die Lage schon länger hört, der erkennt auch hier wieder ein
56:08
sogenanntes überspezifisches Dementi. Es geht ja nicht nur darum,
56:12
dass er kein Geld angenommen haben soll, genau um etwas ganz Bestimmtes
56:16
zu tun oder nicht zu tun, sondern er sollte natürlich überhaupt gar kein
56:19
Geld von russischen Mittelsmännern annehmen. Nach dem
56:22
Abgeordnetengesetz ist das nämlich nur in ganz engen Grenzen zulässig,
56:25
überhaupt Geld anzunehmen. Wahrscheinlich hätte er es
56:28
mindestens melden müssen an die Präsidentschaft des Deutschen
56:32
Bundestages, wenn es nicht ganz illegal war, dieses Geld anzunehmen.
56:35
Er dementiert ja auch nicht, Geld angenommen zu haben. Er dementiert
56:38
ja nur, Geld angenommen zu haben,
56:40
um prorussische Positionen zu vertreten.
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Das ist das Wesen dieses überspezifischen Dementis.
56:45
Das klingt erst mal wie, der Typ hat nie Geld angenommen.
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Was er aber sagt, ist, ich habe kein Geld angenommen, um
56:51
prorussische Positionen zu vertreten. Das lässt zumindest
56:55
offen, dass er Geld angenommen
56:57
hat für irgendwas anderes.
56:59
Der Witz ist natürlich bei solcher Form der politischen Korruption,
57:02
dass man auch gar nicht explizit damit eine Erwartung verbinden muss.
57:05
Wenn ich irgendwie 100.000 € aus Moskau bekomme, dann weiß ich schon
57:08
ganz von alleine, das kriege ich natürlich nicht einfach, weil Putin
57:11
so ein netter Mensch ist, sondern das kriege ich natürlich genau
57:13
deswegen, weil von mir bestimmte Dinge erwartet werden.
57:15
Das ist ja gerade das Wesen von Korruption.
57:18
Richtig. Voice of Europe wurde jetzt enttarnt, würde ich mal sagen,
57:21
führend vom tschechischen Geheimdienst, aber eben in Zusammenarbeit mit anderen
57:24
europäischen Geheimdiensten. Und ich fand einen Begriff ganz
57:27
interessant, den Transparency International, also diese
57:31
NGO, ins Feld geführt hat, die sich halt für mehr
57:34
Transparenz einsetzt. Die nennt so was strategische
57:38
Korruption und Transparency schreibt, dass sie darunter
57:42
verstehen den Einsatz korrumpierender Mittel durch einen
57:45
Staat, um direkt oder indirekt die politische Willensbildung in
57:49
einem anderen Staat zum eigenen
57:51
Vorteil zu beeinflussen.
57:53
Und sie beschreiben das eben als eine sehr langfristige strategische
57:58
Einflussnahme, die eben Teil
58:00
dieser hybriden Kriegsführung
58:02
ist, die halt von Krieg,
58:04
heißen Krieg mit Waffen reicht über
58:06
Cyberattacken, Hacks im Bundestag bis zu,
58:10
wir bestechen jetzt mal eure Abgeordneten, damit die eben
58:14
unser Lied singen und im Zweifel dann auch in unserem Sinne
58:17
abstimmen. Und Transparency fordert
58:19
jetzt eben, im Kampf gegen strategische Korruption sehen
58:23
wir dringenden strukturellen Handlungsbedarf.
58:26
Zu diesem Zweck fordern wir die Einsetzung einer Enquetekommission
58:29
des Bundestages, die den illegitimen
58:31
Einfluss von autokratischen Staaten
58:34
aufarbeitet. Wir müssen die Schlupflöcher identifizieren,
58:37
die von autokratischen Staaten ausgenutzt werden, um zügig
58:40
Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
58:43
Denn die aktuellen Vorwürfe reihen sich in eine lange Liste
58:47
strategischer Korruption ein, die
58:49
von der Aserbaidschan Affäre bis
58:51
Katar geht. Das heißt, Aserbaidschan, das
58:54
ist auch mehrfach bewiesen und nachgewiesen, hat Abgeordnete,
58:58
deutsche Abgeordnete, Abgeordneter im Europaparlament bezahlt,
59:02
um eben im Sinne Aserbaidschans
59:04
abzustimmen und sich zu äußern. Ähnlich war das mit Katar
59:08
im Europäischen Parlament. Da ist jetzt die Frage, was sind
59:12
die Schlupflöcher? Was soll man machen? Wie ist das einzuräumen?
59:14
Und das ist, das ist eben die zentrale Frage, deswegen auch die
59:16
Forderung nach einer Enquetekommission, einfach weil das ein weites Feld
59:19
ist. Aber jedenfalls macht das immer wieder deutlich, ist es einfach
59:22
wahnsinnig wichtig, dass man bei allen Menschen, die politisch
59:25
Verantwortung tragen, wirklich weiß,
59:27
von wem nehmen die Geld an und wofür? Deswegen sind zum Beispiel
59:30
auch so Drehtürgeschäfte höchst problematisch.
59:33
Wenn Menschen kurz nach dem Ausscheiden aus einem wichtigen Amt
59:35
mit einem Mal bei irgendwelchen Unternehmen tätig werden oder sich
59:38
selbstständig machen mit einer Beratungsbude, wie das jetzt Andreas
59:40
Scheuer zum Beispiel gemacht hat, der ehemalige Bundesverkehrsminister.
59:44
Das ist einfach ein Riesenproblem, wenn man nicht so richtig weiß,
59:47
wessen Lied singen die Leute einfach. Und ich finde das auch so
59:50
spannend, wenn man das noch mal zusammennimmt mit dem Interview mit
59:53
Professor Stöcker, das wir eben geführt haben.
59:55
Es ist eben nicht ganz unwahrscheinlich, dass ausländische
59:59
Staaten ebenso wie bestimmte
1:00:01
ausländische Unternehmer oder Unternehmen ganz gezielt versuchen,
1:00:05
die politische Landschaft auch in Deutschland oder in der Europäischen
1:00:08
Union zu beeinflussen und das unter anderem auch tun,
1:00:11
indem sie letztlich Fake News verbreiten. Das sind im Grunde so
1:00:14
zwei verschiedene Strategien,
1:00:16
die man anwenden kann, um die öffentliche Meinung zu manipulieren.
1:00:20
Das eine ist, man kauft sich Abgeordnete, das andere ist, man
1:00:23
träufelt den Leuten irgendeinen Quatsch in die Gehirne.
1:00:26
Und wie gesagt, ich finde, das schließt auch den Bogen zu unserem
1:00:28
Interview mit Mario Voigt in der vergangenen Woche. Das wollen wir
1:00:31
gleich noch ausführlich aufarbeiten. Aber da war ja auch einfach, das
1:00:34
haben wir auch an Reaktionen aus dem Publikum gemerkt, da waren ja auch
1:00:38
ganz viele steile Thesen drin, um es mal sehr vorsichtig zu
1:00:40
bezeichnen. Und wo kommen die her? Na ja, die haben die, das denken
1:00:44
eben bestimmte Leute. Und wo kommt das her?
1:00:46
Na ja, das haben sie eben unter anderem daher, dass es russisch
1:00:50
gesteuerte Propaganda natürlich auch in Deutschland gibt.
1:00:52
Ein weiteres Thema. Damit kommen wir zum nächsten Thema.
1:00:55
Ein weiteres Thema, was auch in diesen Komplex gehört, aber
1:00:58
auf eine ganz andere Art und
1:01:00
ganz überraschende Art, finde ich auch, ist diese Debatte um
1:01:04
die sogenannten RKI Protokolle. Also worum geht es?
1:01:08
Es gibt ja gerade eine aktuelle Debatte darüber oder Diskussion,
1:01:11
soll diese Coronazeit
1:01:13
und der Umgang der Politik und der Wissenschaft und vor allen Dingen
1:01:16
des RKIs, also des Robert Koch Instituts, mit dieser Pandemie,
1:01:19
das Wirken in dieser Pandemie soll das irgendwie noch mal aufgearbeitet
1:01:22
werden? Und in diese Debatte
1:01:24
rein fiel jetzt die Veröffentlichung
1:01:27
der Protokolle des Krisenstabs des Robert
1:01:31
Koch Instituts aus der Anfangszeit
1:01:33
der Coronapandemie. Nicht komplett. Ich glaube, die
1:01:36
Protokolle Ende April 21, aber
1:01:38
ist so die Anfangszeit. Diese Protokolle, die sind
1:01:42
jetzt zum Teil geschwärzt, erheblich geschwärzt, veröffentlicht worden.
1:01:46
Krisenstab des RKI war einfach
1:01:48
das zentrale Gremium zur wissenschaftlichen Beratung der
1:01:51
Politik in dieser Pandemiezeit.
1:01:54
Und zwar wurden diese Protokolle
1:01:56
offengelegt auf Grundlage einer
1:01:58
Anfrage nach dem sogenannten Informationsfreiheitsgesetz.
1:02:01
Die hat allerdings das Robert Koch Institut nicht freiwillig
1:02:04
rausgerückt, sondern hat sich da verklagen lassen.
1:02:07
Schon problematisch, sagen wir mal, und zwar von dem Onlinemedium
1:02:10
Multipolar. Der Spiegel schreibt dazu, das sei
1:02:13
Zitat, das Medium eines rechten Verschwörungstheoretikers.
1:02:16
Wie auch immer, jedenfalls liegen jetzt also diese Protokolle
1:02:19
öffentlich vor. Und man muss ganz ehrlich sagen,
1:02:22
Phillip, inhaltlich enthalten sie eigentlich wenig Neues, was diese
1:02:26
große Aufregung rechtfertigen würde.
1:02:28
Ja, also ich würde sagen-
1:02:29
Es gibt ein paar Fehler.
1:02:31
Gibt so ein paar Sachen, die man inhaltlich schon, die schon, sagen wir mal,
1:02:34
interessant sind. Also da ist zum einen natürlich der
1:02:37
Umgang des RKI und des Krisenstabs
1:02:39
mit dieser Frage, sollen die Leute
1:02:41
Masken tragen? Sollen wir den Leuten das Tragen von Masken empfehlen und
1:02:45
wenn ja, von welchen? Da muss man einfach sagen, da hat
1:02:48
das RKI, das haben wir damals in der Lage auch gesagt, mindestens
1:02:52
missverständlich kommuniziert.
1:02:54
Da war die Kommunikation
1:02:56
auch geleitet
1:02:58
von der politisch verschuldeten Knappheit von
1:03:02
Masken.
1:03:03
Also da findet sich in den Protokollen nämlich die
1:03:05
Formulierung, spätestens
1:03:07
wenn Masken wieder besser verfügbar
1:03:09
sind, sollte das Tragen stärker propagiert werden.
1:03:13
Und da muss man sagen, das war ein ganz großer Fehler des Robert Koch
1:03:16
Instituts. Denn, dass Masken
1:03:19
wissenschaftlich sinnvoll sind, dass sie also die Übertragung des
1:03:23
Coronavirus jedenfalls erschweren, das war längst
1:03:26
wissenschaftlich klar. Das Robert Koch Institut hat das
1:03:29
aber nicht so deutlich gesagt. Und zwar, weil sie eben gesagt
1:03:32
haben, na ja, Masken sind knapp und.-
1:03:34
Die brauchen wir für Ärzte, Pfleger usw.
1:03:37
Die brauchen wir für irgendwas anderes. Genau. Und da muss man einfach sagen, das ist falsch.
1:03:39
Das haben wir übrigens auch damals schon in der Lage kritisiert.
1:03:42
Das ist deswegen keine Neuigkeit.
1:03:44
Die Politik, ja, die Politik, keine Ahnung, die Bund
1:03:48
Länder Konferenz oder das Bundeskabinett, die können und
1:03:51
müssen abwägen. Die müssen verschiedene Aspekte
1:03:54
einbeziehen, eben nicht nur die wissenschaftliche Evidenz.
1:03:56
Aber die Wissenschaft, und das ist die Rolle des Robert Koch Instituts,
1:03:59
die Wissenschaft darf aber nicht verschiedene pragmatische Erwägungen
1:04:03
anstellen, sondern sie muss rein wissenschaftlich informieren.
1:04:05
Es wäre also Rolle des Robert Koch Instituts gewesen zu sagen, Masken
1:04:09
schützen. Punkt. Je besser die Maske, desto besser.
1:04:12
Und das hätten sie auch ohne Punkt und Komma und ohne aber so
1:04:15
kommunizieren müssen. Und dann wäre es eine politische
1:04:17
Entscheidung gewesen, zu sagen, wir priorisieren aber die Verteilung
1:04:21
der Masken folgendermaßen. Aber den Leuten zu sagen, hm,
1:04:23
Wirksamkeit von Masken wissen wir auch nicht. Das war eine ziemlich
1:04:26
bescheuerte Idee, die übrigens bis heute noch nachwirkt.
1:04:29
Denn bis heute ist es ja so, dass in Deutschland das Maske tragen
1:04:32
extrem, sagen wir mal, politisiert ist. Und es gibt eben
1:04:35
Maskenskeptiker:innen und es gibt Leute, die engagiert Maske tragen
1:04:38
und so und da hat das RKI uns allen, wenn man ehrlich ist, ein Ei ins
1:04:42
Nest gelegt. Aber wie gesagt, keine News. Das wussten wir damals schon.
1:04:43
Richtig, genau das wurde jetzt noch mal beschädigt. Ist noch mal ganz
1:04:46
interessant. So würde ich es mal nennen. Aber jetzt kein neuer
1:04:48
Skandal. Was es aber vor allen Dingen nicht
1:04:51
gibt in diesen Protokollen, sind Belege für einen politischen
1:04:54
Einfluss auf die Hochstufung
1:04:57
des Risikos durch die Pandemie
1:04:59
durch das Virus, die dann
1:05:01
zum ersten Lockdown geführt hat. Das ist ja so der Spin
1:05:05
und und die Geschichte, die Multipolar quasi in diesem Artikel
1:05:08
erzählt hat, aus diesen Protokollen
1:05:10
würde hervorgehen, dass diese
1:05:12
Einstufung des Risikos hochgesetzt
1:05:15
wurde, woraufhin dann
1:05:17
die Politik den Lockdown verengt hat. Und zwar diese Hochstufung sei
1:05:20
passiert durch Einfluss
1:05:22
der Politik.
1:05:23
Und da muss man sagen, das haben die einfach erfunden.
1:05:25
In den Protokollen, in den Protokollen steht halt drin, das
1:05:28
sollte verkündet werden, erst nachdem eine Person, wer
1:05:32
war geschwärzt, diese Information,
1:05:34
diese Hochstufung freigibt.
1:05:35
Dieses Signal gibt.
1:05:37
Und das hat Multipolarität einfach frei erfunden, das sei eine
1:05:40
politische Person von außen gewesen.
1:05:42
Das Robert Koch Institut sagt aber, das stimmt überhaupt nicht.
1:05:45
Das war eine Person aus der RKI Leitung, mit der das erst noch quasi
1:05:48
abgestimmt werden musste, die das, die grünes Licht geben musste, aber
1:05:52
gerade keine politische Entscheidung.
1:05:53
Und hinterher kam auch noch in so erklärenden, in so einem erklärenden
1:05:57
PDF des RKI raus, dass an dieser Sitzung, in der diese Hochstufung
1:06:00
stattfand, gar kein Politiker teilgenommen hat. Da saßen also nur
1:06:04
Wissenschaftler, Wissenschaftlerinnen aus diesem
1:06:06
RKI Umfeld drin.
1:06:08
Also die zentrale Botschaft dieses Multipolar Textes war eine freie
1:06:11
Erfindung. Die haben halt einfach diese geschwärzte Stelle zum Anlass
1:06:14
genommen für die Erfindung, das war wohl politische Einflussnahme,
1:06:17
während es in Wirklichkeit ein völlig normaler Vorgang war, dass
1:06:20
man nämlich erst im RKI, das noch mit bestimmten Menschen abstimmen
1:06:23
muss.
1:06:23
Was die Protokolle viel mehr zeigen, finde ich, ich habe sie jetzt nicht
1:06:26
alle gelesen, aber Leute, die sie gelesen haben und so
1:06:30
ein kursorisches Überfliegen dieser Protokolle, das
1:06:33
führt zu der Erkenntnis, dass es zwischen diesen Wissenschaftlern
1:06:37
und Wissenschaftlerinnen und zwischen diesen Leuten vom RKI
1:06:39
lebhafte Diskussionen gegeben
1:06:41
hat. Da kam wirklich alles auf den Tisch, da wurden Unsicherheiten
1:06:45
formuliert, das ging hin und her und ja, es gab Fehleinschätzungen,
1:06:49
natürlich. Aber eben auch, weil
1:06:51
sich das Wissen einfach jeden Tag geändert hat. Die mussten halt unter
1:06:55
sehr hohem Druck mit sehr hohen Ungewissheiten hantieren.
1:06:58
Und natürlich kam es dabei auch zu
1:07:00
Fehleinschätzungen. Aber was aus diesen Protokollen
1:07:03
nicht hervorgeht, ist, dass das RKI auf Druck der Politik
1:07:07
irgendwelche Dinge gesagt hat
1:07:09
oder nicht gesagt hat.
1:07:10
Und deswegen muss man einfach sagen, wenn man das, wenn man das mal ein
1:07:13
bisschen nüchtern liest und ohne eine bestimmte Brille, dann muss
1:07:16
man, glaube ich, sagen, es gibt hier einfach keinen Skandal.
1:07:19
Wie gesagt, es gibt diese, diese ungeschickte Kommunikation bei den
1:07:22
Masken. Haben wir damals schon in der Lage kritisiert, ist also keine
1:07:25
Neuigkeit. Und ansonsten muss man sagen, ist das ein komplett
1:07:28
erfundener Skandal aus der
1:07:30
rechten Ecke bzw. von Fans von Verschwörungsmythen.
1:07:33
Aber muss man glaube ich sagen, das hat
1:07:37
in den Medien doch überraschend viel Widerhall gefunden dafür, dass das
1:07:40
eigentlich keine Nachrichten sind. Da hätte man sich wirklich
1:07:42
gewünscht, dass das so ein bisschen entspannter aufgearbeitet
1:07:45
worden wäre oder wenn überhaupt berichtet worden wäre mit einer mit
1:07:48
einer klaren Einordnung, Phillip, aber-
1:07:50
Das ist aber auch schon passiert. Also ich finde Zeit und Spiegel und
1:07:53
so, die haben dann schon lange Artikel darüber geschrieben, was
1:07:56
steht in diesen RKI Files eigentlich drin? Süddeutsche
1:07:58
auch.
1:07:59
Das ist natürlich gut, aber ich habe zum Beispiel auch von, auch eine
1:08:02
ostdeutsche Regionalzeitung gelesen,
1:08:04
die hat da schlicht und ergreifend eins zu eins abgebildet, was
1:08:07
Multipolar so alles ins Netz gestellt hat.
1:08:08
Das ist sicherlich richtig. Aber, und da kommen wir so ein
1:08:11
bisschen zu unserem Kritikpunkt, das liegt natürlich auch
1:08:15
daran, wie das RKI und das
1:08:18
Bundesgesundheitsministerium
1:08:20
mit dieser Veröffentlichung der Protokolle umgegangen ist.
1:08:24
Und da finde ich-
1:08:25
Da kann man eine Menge lernen noch.
1:08:27
Das ist jetzt kein Skandal, aber das ist doch wirklich kritikwürdig.
1:08:30
Und da können, glaube ich, auch Ministerien und Behörden einfach
1:08:33
eine Menge lernen und deswegen haben wir uns gedacht, machen wir das noch
1:08:36
mal ein bisschen größer auf. Ich finde ehrlich gesagt, die
1:08:38
ungeschickte Behandlung dieses Themas geht schon mit dem ersten
1:08:41
Antrag aus dem Mai 2021 los, sagt jedenfalls
1:08:45
Multipolar. Da wollen sie nämlich den ersten Antrag nach dem
1:08:48
Informationsfreiheitsgesetz gestellt haben. Und da denke ich, hätte das
1:08:52
RKI schon wissen können, wahrscheinlich müssen wir die
1:08:55
Protokolle rausgeben, jedenfalls mit Namen geschwärzt.
1:08:58
Um Persönlichkeitsrechte zu schützen, kann man
1:09:00
Mitarbeitendennamen zwar schwärzen, aber im Grundsatz muss man die
1:09:03
Sachen rausgeben. Wahrscheinlich hätten sie sogar gut
1:09:06
daran getan, noch nicht mal sich da
1:09:08
verklagen zu lassen. Meine Herren, rückt doch diese
1:09:10
Protokolle raus, denn Geheimniskrämerei an dieser Stelle
1:09:14
führt doch nur wieder zu irgendwelchen Verschwörungsmythen.
1:09:16
Zumal nichts Brisantes
1:09:19
drinsteht!
1:09:20
Ne, man hätte sie einfach rausgeben können.
1:09:21
Stattdessen lassen sie sich halt von Multipolar verklagen.
1:09:24
Das ist halt der übliche Weg. Wir geben es nicht raus. Multipolar sagt, aber ihr müsst.
1:09:27
Dann gibt es halt ein Verfahren bla bla bla.
1:09:29
Machen wir auch. Haben wir auch gerade eine Klage vor dem
1:09:31
Verwaltungsgericht laufen, wo es auch um Unterlagen gibt, die eine
1:09:34
Behörde einfach nicht rausrückt.
1:09:35
Das ist leider Standard bei diesen IFG Anfragen, also Anfragen nach
1:09:39
Informationsfreiheitsgesetz. Multipolar sagt, erste Anfrage
1:09:42
Mai 2021.
1:09:44
Im April 2023-
1:09:47
Zwei Jahre später.
1:09:48
Rückt das RKI also diese
1:09:50
Dokumente raus.
1:09:51
Nach einer gerichtlichen Entscheidung.
1:09:53
Nach einer gerichtliche Entscheidung, stark geschwärzt.
1:09:55
Dazu 1000 Seiten,
1:09:58
1000 Seiten, Erläuterungen
1:10:00
zu diesen Schwärzungen. Also wird immer begründet, warum ist
1:10:02
das geschwärzt, warum ist das geschwärzt, warum ist das geschwärzt?
1:10:05
Gegen diese Schwärzungen hat Multipolar auch geklagt.
1:10:08
Der nächste Gerichtstermin dazu soll im Mai diesen Jahres sein.
1:10:14
Also, Multipolar bekommt die Dokumente. Die geschwärzten im April
1:10:17
2023. Ein Jahr später, ein Jahr später, am
1:10:19
18.03.2024, erscheint dann der Artikel, der
1:10:25
erste Artikel in Multipolar mit dieser These "Politik
1:10:29
gibt Signal an RKI,
1:10:31
um dann politisch den Lockdown zu ermöglichen", haben wir gesagt, ist
1:10:34
Quatsch. Das ist am 18.03
1:10:37
These des ersten Artikels in Multipolar.
1:10:38
Elf Monate nachdem das RKI
1:10:40
die Dokumente an Multipolar übergeben hat.
1:10:43
Also fast ein Jahr und zwei Tage später, also am 20.03, zwei Tage
1:10:47
nach diesem ersten Artikel stellt Multipolar dann diese ganzen
1:10:50
Dokumente ins Netz. Bei aller Kritik an Multipolar, das
1:10:53
machen auch nicht alle Medien, die ein IFG Verfahren
1:10:57
gewinnen und in den Besitz von brisanten Dokumenten kommen.
1:11:01
Das passiert also am 20.03.
1:11:03
Sieben Tage später, sieben Tage nach der ersten
1:11:06
Veröffentlichung, gibt es dann beim RKI eine dünne
1:11:10
Stellungnahme, so nach dem Motto,
1:11:12
ja, müssen wir ja machen. Die Schwärzung, das schauen wir uns
1:11:14
irgendwie noch mal an. Und sie sagen halt auch, dieser
1:11:17
Mitarbeiter, der da angeblich das Signal
1:11:21
gegeben hat zur Hochstufung des Risikos, das war jemand
1:11:25
vom RKI.
1:11:26
Und eben nicht die Politik.
1:11:27
Nicht die Politik. So, das ist das was das, was mehr oder weniger da
1:11:29
drinsteht und sagt in so einer zweiten Stellungnahme jaja, die
1:11:32
Schwärzung, das schauen wir uns noch mal an. Also du hast es
1:11:35
gesagt. Zwischen Übergabe der Dokumente an Multipolar
1:11:39
und der Publikation
1:11:41
verging ein Jahr. Dann braucht das RKI noch mal
1:11:45
fast eine Woche, um darauf zu reagieren. Und da muss man sagen,
1:11:48
das-
1:11:49
Das kann nicht sein.
1:11:50
Das kann einfach nicht sein. In dieser ganzen Zeit nach
1:11:54
der Veröffentlichung ging natürlich alles mögliche steil.
1:11:57
Du hast es eben schon gesagt. Multipolar hat eine These.
1:11:59
Andere Zeitungen übernehmen das, ohne zu recherchieren, ohne in diese
1:12:02
Dokumente zu gucken. Auf Social Media geht es natürlich
1:12:05
ab ohne Ende. Da werden Sätze aus dem Zusammenhang
1:12:09
gerissen. Da gibt es natürlich den Satz, wo drin steht, möglicherweise
1:12:12
sind die Schäden des Lockdowns größer als die der Pandemie.
1:12:16
Was die Leute aber nicht schreiben, ist, da ging es um Afrika.
1:12:19
Weißte, da wurde darüber diskutiert, welche Folgen haben die, hat der
1:12:22
Lockdown in Afrika? Völlig anderer Kontext, völlig
1:12:25
andere Daten, völlig andere Gesellschaften.
1:12:27
Wurde aus dem Zusammenhang gerissen und so getan, als hätte das RKI
1:12:31
darüber diskutiert, ob der Lockdown hier einen größeren Schaden
1:12:33
anrichtet als die Pandemie.
1:12:36
Und da muss man sagen, das hätten das RKI und auch das
1:12:39
Bundesgesundheitsministerium völlig
1:12:41
anders machen müssen.
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Das muss man sagen. Sie hätten schlicht und ergreifend die
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Dokumente selber ins Netz stellen müssen.
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Wenn sie es, wenn sie die schon rausrücken, hätten sie sie am selben
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Tag selber ins Netz stellen müssen, mit vielleicht noch ein paar
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erläuternden Hinweisen. Dann wäre jedenfalls diese Story
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schon mal kaputt gewesen. Und zumindest hätten sie wissen
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müssen, was Leute aus der verschwörungsideologischen Ecke und
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bestimmte Medien aus diesen Protokollen machen werden.
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Sie hätten also Erklärungen liefern müssen. Sie hätten es einordnen
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müssen. Und sie hätten natürlich auch einfach wach sein müssen.
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Wann erscheint da was und hätten dann darauf reagieren müssen.
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Also ich muss ganz ehrlich sagen, dieser ganze Skandal, der
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ja auch schon wieder den Ruf des RKI, sagen wir mal jedenfalls, zu
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beschmutzen droht, dieser ganze Skandal, der hätte überhaupt nicht
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sein müssen.
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Ja, und der Gesundheitsjournalist
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Martin Rücker wies im Übermedien
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Podcast auch darauf hin, so viel Vorlauf, das
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wünschen sich die allermeisten. Ein Jahr vorher zu wissen, da wird
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irgendwas kommen, das wünschen sich die allermeisten.
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Und deswegen beurteilt er diese Kommunikationspolitik des RKI
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und des Bundesgesundheitsministeriums auch sehr kritisch.
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Wie gesagt O-Ton aus dem Übermedien Podcast "Holger ruft an", und das
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klingt so:
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Das ist auch das, was mich wirklich extrem ratlos zurücklässt.
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Hier gab es wirklich ein kommunikatives Totalversagen,
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nicht nur beim RKI, sondern ich würde auch sagen beim
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Bundesgesundheitsministerium. Man musste ja unabhängig vom
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Antragsteller davon ausgehen, wenn diese Dokumente öffentlich werden,
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wird es Menschen geben, die
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sie für ihre Deutungen
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nutzen. Egal wer das ist,
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die die gibt es auf jeden Fall. Und deshalb ist es doch wichtig,
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dass man Erklärungen dazu gibt, dass man Kontext dazu liefert.
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Und das ist versäumt worden. Das hätte das Robert Koch Institut
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selbst aktiv machen können. Die hätten einfach auf ihrer Website
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diese Dokumente einstellen können, den Kontext dazu liefern.
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Das wäre, glaube ich, eine sehr gute Sache gewesen.
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Also wenn man wirklich auf dieses Narrativ noch einzahlen
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möchte, dass hier das RKI oder das Ministerium
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die Politik etwas verheimlichen möchte, dann macht man es genau so.
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Also es war wirklich ein PR GAU,
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der eine demokratiepolitische
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Auswirkung hat, einen großen Schaden aus meiner Sicht angerichtet hat und
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eine Chance vor allem vertan hat, Vertrauen wieder zurückzugewinnen.
1:14:54
Und ich finde, so wird auch ein Schuh draus zu dem Thema, was wir
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oben besprochen haben Ja, es gibt diverse Akteure, sei es getrieben
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von kommerziellen Interessen, Fossilindustrie, es gibt politische
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Akteure, sei es Russland, die unsere Kommunikation in
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eine bestimmte Richtung lenken wollen, die halt die Debatte
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vergiften mit Falschnachrichten
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und Interessen gesteuerten Informationen.
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Aber es gibt eben auch die andere Seite.
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Die demokratische, die institutionelle, die politische
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Seite, die für so was
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sich besser aufstellen muss.
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Wenn du weißt, dass du in so einem Ökosystem nun mal lebst,
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dann musst du dich als Ministerium und als Behörde anders
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aufstellen. Dann kannst du nicht einfach so viel schwärzen.
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Du kannst nicht so lange warten,
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bis du da irgendwas als Reaktion dünn ins Netz
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stellst, sondern du musst aktiv vorgehen. Natürlich wird das
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trotzdem nicht alle davon abhalten, irgendwie ein Bullshit aus diesen
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Dokumenten zu ziehen, aber du wirst
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ein Teil davon verhindern.
1:15:56
Und bei einem gutwilligen Teil,
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der einfach nur keine Zeit
1:16:01
hat, sich zu informieren, vielleicht dafür sorgen, dass diese ganzen
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Falschmeldungen nicht so tief einsickern.
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Was du jedenfalls verhindern kannst durch eine solche Einordnung, ist,
1:16:10
dass seriöse Medien die Falschmeldungen wiederholen.
1:16:14
Denn wenn auf, denn natürlich wird jeder seriöse Journalist sofort
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gucken okay, was sagt das RKI dazu, was sagt das BMG dazu?
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Und wenn dann da eine plausible Einordnung steht, dann weiß man,
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okay, hat halt wieder so ein rechtes Verschwörungsblättchen irgendwas ins
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Netz gestellt. Ist kein Thema, müssen wir nicht
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drüber reden. Und wenn überhaupt, kann man es debunken.
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Kann man, wenn man, wenn überhaupt kann man gleich quasi in der
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Überschrift richtigstellen, kein Skandal beim RKI und muss nicht
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ergebnisoffen am Ende das diskutieren.
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Ja, und stell dir mal vor, du wärst noch aktiver. Du hättest einfach
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von vornherein gesagt, hier übrigens Pressemitteilung, wir stellen-
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Wir stellen jetzt in Netz.
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2021, wir haben hier die Dokumente, die Protokolle aufbereitet.
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Wir stellen das hier ins Netz. Kann jeder durchsuchen.
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Transparenz.
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Ein paar Sachen haben wir geschwärzt. Hier sind die Erläuterungen dazu.
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Riesen PR Erfolg.
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Die Story wär ne ganz andere Nummer gewesen.
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Wär ein riesen PR Erfolg des RKI
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und so muss man sagen, schwimmen sie jetzt einfach der Welle hinterher.
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Total. Und die Frage ist natürlich trotzdem, soll diese Zeit
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aufgearbeitet werden? Sollen wir da noch mal
1:17:13
reingehen und gucken, was ist da passiert? Wer hat da was gemacht?
1:17:16
Wo wurden Fehler gemacht? Was hätte man besser machen können?
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Und ich würde sagen
1:17:21
ja, das sollten wir tun. Die Frage ist, in welcher Form?
1:17:24
Aber das war so ein historisches Ereignis mit so
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viel Verwerfung und so einer speziellen Situation, in der sich
1:17:32
auch Politik, Behörden,
1:17:34
Medien, Wissenschaft
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wiedergefunden hat, dass wir, glaube
1:17:39
ich, das machen sollten, um rauszufinden, was ist gut gelaufen?
1:17:42
Wo sind Fehler passiert? Um wirklich sicher zu gehen und die
1:17:46
bestmöglichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir diese Fehler
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beim nächsten Mal zumindest so
1:17:52
nicht wiederholen.
1:17:52
Ja, aber ich finde, das eine ganz entscheidende ist, welche
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Überschrift man einer solchen Aufarbeitung gibt.
1:17:57
Denn man darf ja nicht übersehen, dass die ganze Skepsis an den
1:18:00
Coronamaßnahmen maßgeblich
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getrieben war natürlich von dem russischen Versuch der
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Delegitimation demokratisch
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gewählter Regierung. Also die Coronaskepsis war
1:18:10
ja jedenfalls von positiven
1:18:12
Ausnahmen abgesehen, jetzt nicht irgendwie so eine ruhige, abwägende
1:18:17
Kritik. Ist das wirklich noch verhältnismäßig? Sondern da war ja
1:18:19
die Rede von Coronadiktatur. Und ich glaube, deswegen ist es ganz
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wichtig, dass man jetzt bei der Aufarbeitung eben nicht diesen
1:18:25
Leuten in die Falle tappt, die die Aufarbeitung ja nur deswegen
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fordern, weil sie das Narrativ
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weiterhin am Leben erhalten wollen, es sei alles ein riesengroßer
1:18:33
demokratiefeindlicher Skandal gewesen, sondern wenn man das
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aufarbeitet, dann nicht wegen eines angeblichen Versagens, denn es
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gibt keinen Skandal bei den Coronamaßnahmen im Großen und
1:18:42
Ganzen, sondern ich glaube eher, wir brauchen tatsächlich eine
1:18:45
Aufarbeitung nach dem Motto Lessons learned.
1:18:48
Damit wir die nächste Pandemie hoffentlich noch besser managen
1:18:51
können. Aber im Großen und Ganzen, gerade auch im internationalen
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Vergleich, ist Deutschland sehr gut durch die Pandemie gekommen.
1:18:55
Von Detailproblemen sagen wir mal abgesehen. Deswegen, finde ich,
1:18:58
die Überschrift dieser Aufarbeitung sollte eben tatsächlich eher nicht
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lauten Aufarbeitung. Denn aufarbeiten kann man nur
1:19:04
Skandale oder Katastrophen. Sondern man sollte, sondern sollte
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eher quasi überlegen, was können wir lernen aus der Pandemie?
1:19:11
Richtig. Und da ist natürlich die Frage, viele rufen natürlich jetzt
1:19:13
nach einer Enquetekommission des Bundestags. Also das ist also eine
1:19:17
Kommission, die in diesem Parteienspektrum angesiedelt ist.
1:19:20
Da ist natürlich die Gefahr relativ groß, dass das passiert, was du eben
1:19:24
skizziert hast. Martin Rücker, finde ich, hat in dem Podcast einen
1:19:27
Vorschlag gemacht, über den man zumindest mal nachdenken kann.
1:19:30
Kann man diese Aufarbeitung nicht in einen Bürgerrat übertragen?
1:19:34
Also das plant glaube ich die Bundesregierung eh so einen zweiten
1:19:37
Bürgerrat einzurichten. Also das ist dann so, dass halt
1:19:39
Bürger Bürgerinnen in diesen Rat gelost werden.
1:19:43
Dann können die halt Wissenschaftler Wissenschaftlerinnen vorladen und
1:19:46
die Erfahrungen, die wir da bisher mit gemacht haben, die hat
1:19:48
eigentlich gezeigt, dass da auch sehr kontroverse Themen
1:19:52
wie zum Beispiel Klimawandel, Klimaschutz doch erstaunlich
1:19:56
ruhig und sachlich aufgearbeitet
1:19:58
werden können. Und da finde ich die Idee gut,
1:20:02
diese Aufarbeitung doch in so einen Bürgerrat zu legen.
1:20:05
Viele von euch haben in der vergangenen Woche unser Interview
1:20:08
mit Mario Vogt gehört, dem
1:20:10
Fraktionsvorsitzenden und Spitzenkandidaten der CDU in
1:20:13
Thüringen. Da wird ja im September diesen
1:20:15
Jahres ein neuer Landtag gewählt und die AfD könnte
1:20:19
dort die stärkste Kraft werden. Deswegen fragen sich viele Menschen.
1:20:23
Ist Thüringen quasi das Bundesland,
1:20:25
das als erstes kippen könnte?
1:20:27
Deswegen unser Interview mit Mario Vogt. Und ich muss sagen, Philip,
1:20:30
das war schon echt eine
1:20:32
harte Erfahrung. Auch journalistisch, glaube ich, hat
1:20:34
uns das ganz gut ans Limit gebracht.
1:20:36
Ja, also das fand ich interessant. Ich fand es gut, dass wir es gemacht
1:20:39
haben. Ich fand es wertvoll. Ich habe was gelernt.
1:20:41
Wir haben was gelernt. Ich glaube, die Leute haben was gelernt. Aber natürlich gab es
1:20:45
Kritik. Und deswegen vielleicht vorweg noch mal so ein bisschen auch
1:20:48
ein Einblick, wie wir da so rangehen. Also natürlich haben wir
1:20:52
die Fragen vorher nicht geschickt, sondern wir haben gesagt, wir würden
1:20:54
gerne mit Ihnen ein Interview machen, weil da sind ja so Wahlen und
1:20:57
uns interessiert der Umgang mit der AfD und da stehen sie ja ganz vorne.
1:21:00
Das war so ein bisschen das, was wir gesagt haben. Und dann hat sich halt
1:21:03
Voigt da hingesetzt und wir haben los gemacht und wir haben auch
1:21:05
nichts rausgeschnitten, sondern wir haben irgendwie kosmetische Schnitte
1:21:08
gemacht. Aber im Prinzip war das so abgelaufen, wie ihr das
1:21:12
dann gehört habt.
1:21:13
Das machen wir immer so.
1:21:14
Das machen wir immer. Ich sage es nur jetzt noch mal und dann ist natürlich aber jetzt auch,
1:21:17
habe ich hinterher beim Schneiden auch gedacht, hätte man da und
1:21:20
da reingehen müssen, hätten wir da und da noch mal nachfragen sollen.
1:21:23
Und da gibt es halt immer bei so Interviews diese Abwägung.
1:21:26
Gehst du wirklich bei jeder
1:21:28
Kleinigkeit, die dir irgendwie komisch vorkommt, rein und fragst
1:21:31
nach, dann kann man das natürlich machen.
1:21:34
Der Preis, den man dafür zahlt, ist
1:21:36
unter Umständen ein sehr abgehacktes
1:21:39
und ruppiges Interview,
1:21:41
das dann potenziell auch eben sehr monothematisch
1:21:45
wird, weil man sehr viel Zeit
1:21:48
auf ein Thema im Zweifel verwendet.
1:21:50
Das war ja jetzt schon so, haben es einige Leute so wahrgenommen.
1:21:53
Ich denke auch, also dieses Interview war deswegen so schwierig,
1:21:56
weil unser Interviewpartner einfach wahnsinnig viele Unwahrheiten
1:21:59
eingeführt hat oder Halbwahrheiten. Das ist man so von demokratischen
1:22:02
Parteien in dem Maß nicht gewöhnt. War jedenfalls für uns, wenn man
1:22:05
ehrlich ist, glaube ich auch jetzt das Extremste. Natürlich haben wir
1:22:08
auch schon Menschen interviewt, die Dinge sehr anders sehen als wir.
1:22:12
Naja, man denke an unser Interview mit dem Bundesfinanzminister.
1:22:14
Aber der Bundesfinanzminister hat sich schon ganz anders, finde ich,
1:22:18
sagen wir mal jedenfalls noch auf faktischem Terrain bewegt, als das
1:22:21
jetzt der Fall war. Insofern war das für uns eine große Herausforderung,
1:22:24
was lässt man laufen, was stellt man klar?
1:22:26
Wo geht man rein? Und wir hatten so das Gefühl, wir
1:22:29
haben das bei den ganz zentralen Falschinformationen gemacht.
1:22:33
Aber man kann das irgendwie auch nicht immer. Aber wir haben
1:22:35
natürlich auch das Feedback aus unserem Publikum gehört und
1:22:39
gelesen. Also es gibt schon einige Leute, die finden, es ist viel zu
1:22:41
viel an Desinformation stehen geblieben. Andere Leute fanden,
1:22:45
er hatte nicht genügend Raum. Wobei das jetzt wenige Stimmen
1:22:47
waren, aber es gab einzelne Stimmen, die fanden, wir hätten ihm mehr Raum
1:22:50
lassen müssen, hätten ihn quasi reden lassen müssen.
1:22:52
Wobei ich da finde, irgendwo ist auch mal eine Grenze.
1:22:55
Also das muss ja auch irgendwie noch der Wahrheit verhaftet bleiben.
1:22:58
Ja, genau. Auf der anderen Seite will man natürlich schon erfahren
1:23:02
wie tickt er, was denkt er, was sagt er,
1:23:05
wenn man ihn mal reden lässt? Was sind so seine Inhalte?
1:23:09
Das sind halt einfach Optimierungsfragen.
1:23:12
Was will man erfahren? Und natürlich gibt es, finde
1:23:15
ich, immer Kritik. Aber ich muss sagen, ich bin so im
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Großen und Ganzen,
1:23:20
finde ich, haben wir es okay gemacht.
1:23:22
Die Reaktionen waren ja auch weit überwiegend sehr positiv.
1:23:24
Ich würde sagen, es war jetzt keine eins, aber eine zwei
1:23:28
würde ich uns für die Interviewführung irgendwie intern
1:23:31
schon geben.
1:23:31
Also ich finde, ich finde ehrlich gesagt, wir hätten uns vor allem ein
1:23:34
bisschen mehr Zeit noch lassen können. Wir hatten eine Stunde vereinbart, aber es stellte sich
1:23:37
hinterher raus, wir hätten mehr Zeit. Wir hatten, das war, das war, das,
1:23:40
wir hatten, wir hatten eigentlich mehr Zeit und wir sollten vielleicht
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in Zukunft sagen, wir fragen eher 90 Minuten an.
1:23:46
Na, also insbesondere wenn man das Gefühl hat, das könnten viele Themen
1:23:50
werden oder es könnte sehr kontrovers werden, dann ist man
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bei einer Stunde im Zweifel nicht bereit, genug reinzugehen.
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Das wäre so meine Selbstkritik.
1:23:57
Ich ärgere mich auch deswegen ein bisschen, weil da warst du nicht im Raum, aber
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der Mitarbeiter. Ich habe ihn dann so gefragt, wie
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lange haben wir denn? Und er so, ich sage, eine Stunde haben wir
1:24:05
eingeplant. Also er hat so ein bisschen signalisiert, na, wenn es jetzt
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01:15:00 wird, ist auch okay.
1:24:10
Und deswegen habe ich mich so ein bisschen geärgert, dass ich nicht
1:24:12
einfach gesagt hab, komm, wir machen es jetzt so lange, bis die irgendwann mal auf die uhr gucken und sagen,
1:24:16
müssen weg. Gut, aber das vielleicht so ein bisschen zum Hintergrund.
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Also bevor wir jetzt auf die Sachen eingehen, wo wir hätten reingehen
1:24:21
müssen, gibt es ein Thema, wo ich gerne reingegangen
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wäre, was mir einfach inhaltlich aufgefallen ist und es ist auch
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schon bei den anderen Interviews mit Unionsleuten mir aufgefallen,
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aber hier ganz besonders. Man kann sagen, ja, die Ampel hat
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viele Sachen schlecht kommuniziert.
1:24:39
Ja, die Leute sind frustriert.
1:24:41
Aber was ich mich immer frage und was ich auch hier vermisst habe, ist
1:24:45
diese Sache, ja, da sind Leute unzufrieden und da
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laufen Sachen auch nicht optimal.
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Aber wir als Deutschland und auch nicht zuletzt unter der Großen
1:24:56
Koalition der CDU haben uns zu bestimmten Sachen völkerrechtlich
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verbindlich verpflichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat
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bestimmte Sachen wie zum Beispiel
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ernsthaften Klimaschutz verbindlich
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vorgegeben. Und wenn euch diese Maßnahmen,
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die die Ampel da jetzt macht, um an dieses Ziel zu kommen, denn nicht
1:25:15
passen und die Leute
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genervt sind, dann reicht es nicht zu sagen, die
1:25:20
Leute sind genervt und wir sind dagegen, weil die Leute sind
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genervt, sondern dann erwarte
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ich andere Gegenmaßnahmen. Ich erwarte ein durchdachtes
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Rezept. Ja, wenn wir das so nicht machen wollen wie die Ampel,
1:25:33
dann machen wir es so, wie wir es wollen. Und das
1:25:37
ist nicht da. Dieses Konzept und dieser Wille,
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den Wandel zu moderieren
1:25:42
und den Leuten zu erklären. Die Union und speziell Voigt
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bleibt dabei stehen, die Leute sind genervt, die wollen das angeblich
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alles nicht. Okay, und dann?
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Wir müssen aber trotzdem, unsere Gesellschaft wandelt sich und wir
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haben bestimmte Ziele. Wie kommen wir denn da hin, wenn wir
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nur den Leuten aufs Maul gucken, die sagen, Wärmepumpe ist doof, ich
1:26:01
will mein Auto behalten und ich will auch irgendwie so heizen mit Gas,
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dann kommen wir da einfach nicht hin. Und die Union oder Voigt
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in dem Speziellen hat keine Antwort
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darauf, wie wir diesen Wandel
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hinkriegen, außer
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ja, es bleibt alles so wie es ist.
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Aber Philip, das ist doch die Definition von Populismus.
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Man nimmt quasi die angebliche Bevölkerungsmeinung als
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absoluten Maßstab seiner Politik
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und sagt halt einfach, ja, die Leute wollen das nicht, also geht das
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nicht. Das ist doch die Definition von Populismus. Man redet den Leuten
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nach dem Mund und lässt den Karren weiter schön in den Dreck
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rollen.
1:26:34
So wie das ja 16 Jahre unter Merkel passiert ist.
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Also das wär mir jetzt aber zum Beispiel zu hart. Also 16 Jahre
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Merkel waren jetzt nicht nur eine Vollkatastrophe. Sie hat immerhin die Abschaffung der
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Atomkraft eingetütet. Sie hat die Aussetzung der
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Wehrpflicht.
1:26:45
Aber bei vielen Sachen ist nichts passiert.
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Es ist bei vielen Sachen nicht genug passiert. Die Bundeswehr ist ja auch
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unter Merkel vor die Wand gefahren. In Deutschland sind die Brücken und
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vor allem die Bahnlinien verrottet. Die Schulen sind verrottet,
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Digitalisierung ist verschlafen worden und der Klimaschutz wurde
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aktiv ausgebremst. Also 16 Jahre Merkel waren jetzt ja
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wahrlich keine Erfolgsgeschichte auf ganzer Linie und viele Probleme,
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vor denen unser Land heute steht, sind einfach Probleme aus der
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Merkelzeit. Die in der Merkelzeit geschaffen
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worden sind oder jedenfalls nicht gelöst worden sind. Das betrifft
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nicht CDU, CSU alleine, die waren ja schließlich immer in Koalitionen
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verantwortlich. Aber es ist eben vieles an Aufgaben liegengeblieben
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oder auch vieles an Problemen überhaupt erst verursacht worden.
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Tja, und da muss ich ganz ehrlich sagen, bin ich auch von Mario Voigt
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sehr enttäuscht. Ich meine, er bezeichnet sich ja selber als
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Wissenschaftler, er ist Politikwissenschaftler, Hochschullehrer. Wieso er einfach
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überhaupt gar keine Lösungen präsentiert, sondern wirklich nur
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auf die Ampel schimpft. Also das muss ich ganz ehrlich
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sagen, wäre mir persönlich zu wenig.
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Aber es ist natürlich vor allem
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ein ganz schlechtes Signal.
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Die AfD hat sowieso keine Lösung. Und die CDU in Thüringen jedenfalls
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sagt, die Lösung jedenfalls dann
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nicht, wenn die Leute das nicht wollen. Und was dabei auch völlig
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aus dem Blick gerät, sind zum einen die Sachzwänge. Das hatten wir schon
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und zum anderen, dass natürlich auch die Bevölkerungsmeinung
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durchaus politisch gestaltbar ist. Das ist ja so ein Thema, das wir in
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der Lage ständig haben. Und ich habe das Gefühl, das wird
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immer, immer größer dieses Problem. Weil Olaf Scholz zum
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Beispiel ja genau dasselbe Problem hat. Olaf Scholz und Mario Voigt ich
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weiß nicht, wie viel Gemeinsamkeiten die haben. Aber eine haben sie ganz
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sicher. Beide trauen sich nicht,
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richtige Politik zu vertreten,
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von der sie heute noch nicht sagen können, dafür gibt es eine
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Mehrheit in der Bevölkerung. Beide weigern sich konsequent
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zu sagen, das halte ich jetzt für richtig und dafür gehe ich auf die
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Marktplätze, und da werbe ich für eine Mehrheit.
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Ich hatte immer so das Gefühl, was Voigt will, ist die Weiterführung
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dieses Modus aus der aus der GroKo.
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Ja, die Leute wollen was nicht, Da soll sich nicht zu viel ändern.
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Wir wollen die Leute nicht verstören.
1:28:43
Gleichzeitig gibt es aber Verpflichtungen, dass sich etwas
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ändern muss. Und ich habe bei Voigt, speziell
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jetzt bei dieser Frage Klimawandel/CO2 Reduktion
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nichts gehört, wie man das unter einen Hut bringt, wie
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man mit den Leuten redet und
1:28:57
so mit ihnen redet, dass wir eine Politik machen können, die uns
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diesen Zielen näher bringt, weil diese Argumentation, ja CO2 Preis,
1:29:03
das ist halt nur die halbe Wahrheit. Wenn die Leute dann doppelt so viel
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für ihr Benzin und fürs Heizen zahlen sollen, stellt sich Voigt
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nicht hin und sagt, das muss jetzt aber sein.
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Und das große Problem ist ja eben, dass die Menschen sogar besser
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dastünden, wenn man ihnen nicht die ganze Zeit erzählen würde,
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Wärmepumpen sind zu teuer.
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Also das war so das eine. Das ist dieser Umgang mit Wandel bei
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der CDU. Der überzeugt mich einfach überhaupt
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nicht. Das Zweite war, was angesprochen wurde, war das Gendern,
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also dieses in Thüringen
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ja angestrebte, von der Union angestrebte Genderverbot in Schulen
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und Behörden. Was jetzt ja in Bayern seit dem
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1. April übrigens ja Gesetz ist.
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Bin ja sehr gespannt, wie das in der Praxis funktioniert.
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Aber das ist auch wieder so ein Ding, wo man sagt ja, Sprache ändert
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sich halt und wir brauchen einen Umgang damit.
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Und sicherlich diese ganzen
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Genderformulierungen und Formen, die wir da haben. Ich finde keine
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davon wirklich toll und schön, deswegen haben wir da in der Lage ja
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auch so einen total entspannten Ansatz. Manchmal wird gegendert mit
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diesem Binnen-Plopp quasi, manchmal sagen wir einfach beide
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Formen. Manchmal benutzen wir das sogenannte generische Femininum,
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also sagen eine weibliche Form, auch wenn alle gemeint sind.
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Wir sind da ja schon extrem undogmatisch beim Gendern.
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Aber ich finde es schon wichtig, dass man grundsätzlich eine Sprache
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verwendet, die alle Menschen
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irgendwie in den Blick nimmt, die in unserer Gesellschaft leben.
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Und dass jetzt die CDU, die ja immer sagt so also, oder die CSU im Falle
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von Bayern, die haben ja gesagt, also keine Verbotspartei, dass die
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jetzt ausgerechnet das Gendern verbietet, dass ja niemand jemals
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vorgeschrieben hat. Es ist ja nicht verpflichtend. Die können ja reden, wie sie wollen.
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Das muss ja keine Schule, keine Behörde muss ja so machen.
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Aber wenn sie es denn machen wollen, dann können sie es doch.
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Also das finde ich ehrlich gesagt ziemlich ein Bruch, auch so in der
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ideologischen Ausrichtung zu sagen, wir wollen eigentlich keine Verbote,
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wir wollen wollen die Menschen überzeugen und mitnehmen und dann
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aber zu sagen aber beim Gendern, da müssen wir dringend verbieten.
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Aber ich denke, das ist auch in dem Gespräch schon rausgekommen.
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Das war wahrscheinlich so die Stelle, wo auch Voigt argumentativ
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am schwächsten war.
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Vielleicht. Dann war natürlich das große Thema
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Migration. Dabei muss man sagen, da haben wir,
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glaube ich, wirklich viel zu viel Raum gelassen, auch für
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Desinformation. Also beispielsweise kam da von Mario
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Voigt ja der Vorwurf, die Linken wollten Zitat Grenzen öffnen
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und da muss man, glaube ich, fairerweise sagen, und da bin ich
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mir nicht sicher. Ich habe da widersprochen, aber ich weiß nicht, ob-
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Ja, doch.
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Also ich habe so ein bisschen, Ich habe, glaube ich jedenfalls habe ich
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das nicht, glaube ich, nicht begründen können, warum ich das
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für ein Zerrbild halte. Ich habe ja nur gesagt, ich bin sehr
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skeptisch, wenn es darum geht, ob man national wirklich was an
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Migration ändern kann. Wir hatten das Thema in der Lage auch schon öfter und da sagt
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er mir dann, die Linken wollten Grenzen öffnen und das ist deswegen
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ein Zerrbild, weil es darum gar nicht geht. Also offene Grenzen sind
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ja derzeit schon der Status quo. Wir haben ja keinen Zaun rund um
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Deutschland. Ja, es gibt hier und da
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teilweise Kontrollen, aber die sind nicht nur rechtlich heikel, sondern
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auch faktisch weitgehend unwirksam. Sagen ja sogar die Polizeigewerkschaften.
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Wenn wir jetzt hier Grenzkontrollen durchführen, macht das viele
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Überstunden und die Leute fahren 500 Meter weiter über die Grenze.
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Also die Tatsache ist doch, wer will, kommt irgendwann auch rein.
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Deswegen wäre die Frage ja, gibt es überhaupt sinnvolle
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nationale Maßnahmen oder wäre nicht die sinnvollste Maßnahme ein
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besserer Umgang mit den Menschen, die schon da sind, statt weiter
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zu versuchen Migration zu verhindern und da hatte ich so das Gefühl, da
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kam man mit Herrn Voigt nicht in eine ernsthafte Diskussion, weil er
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da, wie soll ich sagen, so ganz klar sagte, nein, wir müssen Migration
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steuern, egal ob das geht oder nicht, wir müssen das tun.
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Da führte er dann ja auch sehr schnell quasi Fragen der nationalen
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Souveränität an und dann kann man sogar mit dem Grundgesetz usw.
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usw. Hätte man überall reingehen müssen,
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haben mir viele Leute geschrieben. War rechtlich Quatsch, aber mich
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hat vor allem nicht überzeugt, dass da politisch kein Argument
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kam. Also wenn das denn wirklich so ist, wie wer sagt, dass man
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Migration national steuern muss, dann möchte ich natürlich auch wissen,
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wie denn? Also Grenzkontrollen an den
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Außengrenzen? Zäune bauen? Was soll man da machen?
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Ich glaube, diese Souveränität ist eine Nebelkerze.
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Ja, und das zweite, was ich aber wiederum ganz interessant fand, was
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damit natürlich aber auch kollidiert, ist, dass er sagt
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alle, die arbeiten wollen,
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sind willkommen. Das ging auch so durch.
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Und da muss man sagen, die Union hat Jahre jahrzehntelang
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mit dem Slogan Wirtschaftsflüchtlinge!
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Für Panik gesorgt. Leute, Flüchtlinge, maybe,
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also Leute, die Hunger leiden.
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Sogenannte wirklich Flüchtlinge.
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Bürgerkrieg und so, ja okay, da meinetwegen irgendwie werden da
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schon, aber auf gar keinen Fall sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge,
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also Leute, die hier nur herkommen, um zu arbeiten.
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Das war ganz lange Mantra der Union. Und wenn jetzt so jemand sagt wie
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Voigt na ja, alle sind willkommen, die hier arbeiten wollen, da finde
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ich es erst mal schon interessant. Die nächste Frage ist natürlich, was
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folgt daraus? Denken sie das konsequent durch?
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Machen sie auch wirklich alles, damit das leicht funktioniert?
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Ja, also man muss ja sehen. Man kann vielleicht nicht unbedingt
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erwarten, dass sie sagen, alle dürfen einreisen, die arbeiten
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wollen. Man würde aber doch zumindest erwarten das
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die, die schon da sind und heute ja tatsächlich teilweise alimentiert
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werden müssen mit Sozialleistungen,
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dass wenigstens die dann alle arbeiten dürfen. Das haben wir ihn
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ja auch ausdrücklich gefragt und da sagt dann aber wieder nein, arbeiten
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sollen nur diejenigen dürfen, die auch eine positive Bleibeperspektive
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haben. Und da muss man ganz ehrlich sagen, das ist aus meiner Sicht
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nicht logisch. Zum einen passt das nicht zu dem,
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die sind willkommen. Und zum anderen fragt man sich
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natürlich, wieso sollen denn nur die arbeiten dürfen, die auch bleiben
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können, wahrscheinlich bleiben können? Eigentlich wäre es doch
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total sinnvoll, um die öffentlichen Kassen zu entlasten.
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Aber nein, es geht natürlich an dieser Stelle im Kern darum,
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Integration zu verhindern. Das ist dieses alte Andreas Scheuer
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Diktum Nur der Fußball spielende,
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ministrierende Senegalese, den kriegt man nie mehr abgeschoben.
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So sinngemäß lautet das Argument. Und das merkt man dann bei ihm auch,
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wenn man ihn hart fragt, dürfen denn erstmal, haben wir ja mehrfach,
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sollen einfach alle arbeiten dürfen, die da sind?
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Nein, das ginge auch nicht, nur bei Bleibeperspektive.
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Genau. Weil sie dann nämlich wahrscheinlich eine Bleibeperspektive
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hätten. Weil sie dann erst einmal arbeiten dürfen und
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so.
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Ja, muss man natürlich fair sein. Rechtlich ist es natürlich weiterhin schwierig. Der sogenannte Spurwechsel, also
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dass Menschen, die zunächst mal als Geflüchtete gekommen sind, sich dann
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aber gut integriert haben, dass die dann quasi nicht mehr qua
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Fluchtgrund, sondern qua Integration bleiben dürfen, das ist
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ja in Deutschland nach wie vor extrem schwierig.
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So einfach ist das ja gar nicht. Aber das ist anscheinend die Sorge
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der Union oder im konkreten Fall die Sorge von Herrn Voigt, wenn ich die
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arbeiten lasse und die sich top integrieren, dann gibt es hinterher
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am Ende eine Demo, wenn ich die abschieben will.
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Der letzte Punkt, wo wir hätten reingehen müssen-
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Das war, das ist, glaube ich, der journalistische Fehler.
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Der schwerste Fehler.
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Das würde ich auch sagen. Das ist ein richtiger Fehler. Und ich ärgere mich über den echt
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achtmal, weil ich mir natürlich vorher Interviews
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durchgelesen habe von Mario Voigt.
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Und es gibt ein Thema, das kommt immer.
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Also nahezu immer. Aber es zieht sich durch.
1:35:28
Und das ist diese Frage, ja, warum wollen Sie denn nicht mit den
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Linken? Ja, mein Opa wurde
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aus der DDR vertrieben, rausgeworfen.
1:35:35
Umgesiedelt.
1:35:35
Umgesiedelt.
1:35:37
Ich weiß nicht, ob er aus der DDR ausgewiesen wurde. Aber jedenfalls wurde er aus dem DDR Grenzgebiet
1:35:40
zwangsweise umgesiedelt.
1:35:42
Das ist ein Argument, was er immer
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bringt, wenn es darum geht, warum wollen Sie denn nicht mit dem
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linken? Und wenn du das liest, denkst du sofort natürlich,
1:35:51
Alter, willst du Bodo Ramelow,
1:35:53
den Ministerpräsidenten von Thüringen, den du eben
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in dem Interview, sagen wir mal, ich will nicht sagen gelobt, ja,
1:36:00
aber doch als jemand gesagt, na gut, die Regierung, ich bin jetzt nicht
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mit allem einverstanden, ich würde ein bisschen mit ihm über die Inhalte reden.
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Aber er ist kein Stalinist.
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Aber willst du denn wirklich mit den DDR Stalinisten aus
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den 50er Jahren vergleichen?
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Ja. Ganz ehrlich und da muss man auch
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sagen, da ist er auch einfach so ein Tick
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unehrlich. Also Mario Voigt schreibt auf seiner
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Homepage nämlich, sein Großvater sei wegen seines christlichen Glaubens
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umgesiedelt worden. Das können wir nicht prüfen.
1:36:29
Wir kennen den Großvater ja gar nicht. Aber laut Munzingers
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Archiv so ein biographisches Portal und auch laut der Frankfurter
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Allgemeinen Zeitung war der Großvater von Herrn Voigt DNVP
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Mitglied. Deutschnationale Volkspartei.
1:36:42
Wie der Name schon sagt, es war eine nationalistische Partei der Weimarer
1:36:46
Republik, die dem Kaiser nachtrauerte.
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Und die Programmatik enthielt interessante Elemente, nämlich
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Nationalismus, Nationalliberalismus,
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Antisemitismus, kaiserlich monarchistischen Konservatismus und
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völkische Elemente, also ganz viel sympathische Dinge.
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Und diese DNVP hatte ein zumindest
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schwieriges Verhältnis zur Demokratie.
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Das zeigte sich zum einen daran, dass sie eine Zusammenarbeit mit der
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SPD verweigerte, sodass es dann irgendwann in den dreißiger Jahren
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keine demokratische Mehrheit mehr gab. Und vor allem bildete die die
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DNVP im Januar 1933
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genau die Koalition, die Adolf Hitler zur Macht verhalf,
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nämlich die Adolf Hitler dann zum Reichskanzler machte.
1:37:23
Also in dieser DNVP war Opa Voigt nach Munzinger und
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FAZ Mitglied. Das entschuldigt natürlich keine
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Vertreibung, keine Zwangsumsiedlung, dass das jetzt niemand in den falschen
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Hals kriegt. Es bleibt Unrecht. Es macht aber irgendwo verständlich,
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warum die Sowjets ihn für politisch unzuverlässig hielten, weil
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jedenfalls seine Partei, er konkret wissen wir nicht, aber aber
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jedenfalls seine Partei eine Partei der Steigbügelhalter der NSDAP
1:37:45
war.
1:37:45
Ja, das ist so der eine Aspekt, Aber den Aspekt, den ich halt noch
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viel unredlicher und merkwürdiger halte, ist wirklich diese Nummer,
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ich will nicht mit den Linken
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2024 in Thüringen koalieren oder
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zusammenarbeiten oder in irgendeiner
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Form.
1:38:01
Weil die Sowjets und die SED
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irgendwie meinen Opa vertrieben.
1:38:04
So, also das ist so eine Nummer. Da habe ich gedacht, also da haben
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wir ähnlich tief geschlafen wie damals bei Strack.
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Zimmermann als sie irgendwie die Sinnlosigkeit von Verboten
1:38:14
damit belegen wollte, dass es ja ein Rauchverbot gibt.
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Also das Gegenteil wäre richtig.
1:38:22
Das Gegenteil wäre richtig gewesen. Also das Rauchverbot zeigt, dass
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bestimmte Verbote gesellschaftlich total viel Sinn machen.
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Da haben wir nicht eingehakt, da haben wir geschlafen. Und hier zu
1:38:30
sagen, ich mache nicht mit den Linken, weil mein Opa von Stalinisten aus der DDR geworfen
1:38:34
oder aus dem vom Staat Gebiet umgesiedelt wurde, gewaltsam.
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Das ist kein überzeugendes Argument und finde ich rückt auch die Linken,
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was man auch immer von Ihnen jetzt halten mag in Thüringen wirklich in
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ein ungerechtfertigtes Licht.
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Selbst Mario Voigt hat ja, wie gesagt, die Politik inhaltlich
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kritisiert, aber jedenfalls keine grundsätzliche Kritik geübt daran,
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dass die Linke in Thüringen natürlich eine demokratische Partei
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ist. Was ich aber ganz spannend finde, ist eigentlich so eine
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gewisse historische Perspektive. Die DNVP
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hat eben, das habe ich eben schon kurz angedeutet, hat quasi die SPD
1:39:04
boykottiert in den dreißiger Jahren und damit letzten Endes genau die
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demokratische Krise herbeigeführt,
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die dann dazu führte, dass Hitler Reichskanzler wurde.
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Und wenn jetzt tatsächlich Mario Voigt nach den Landtagswahlen in
1:39:15
Thüringen, wenn, gesetzt den Fall, wenn er dann tatsächlich nicht mit
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der Linkspartei zusammenarbeiten sollte, sondern
1:39:22
mit der eher mit der AfD in irgendeiner Art und Weise, ob nun
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durch Tolerieren oder wie auch immer zusammenarbeiten sollte, sodass am
1:39:28
Ende Höcke oder Voigt mit mit AfD Stimmen Ministerpräsident
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wird. Das wäre im Grunde genau derselbe Fehler, den die Partei
1:39:35
seines Großvaters in den Dreißigern gemacht hat. Und ich finde das
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deswegen so spannend, weil eben die FAZ berichtet, dass er der Meinung
1:39:41
ist, dass er von seinem Großvater politisch geprägt worden sei.
1:39:44
Ob das alles so stimmt? Man sagt in so einem Interview
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vielleicht vieles, aber ich finde diese historische Perspektive
1:39:49
wichtig. Und man kann wirklich nur hoffen, dass Mario Voigt sich das zu
1:39:52
Herzen nimmt und sagt, verdammte Tat! Diesen Fehler, den
1:39:55
die DNVP in den Dreißigern gemacht hat. Bloß nicht mit den Linken,
1:39:58
lieber mit den Nazis. Diesen Fehler wird
1:40:01
er hoffentlich, man kann es wirklich nur hoffen, auf Knien sich wünschen,
1:40:04
wird er hoffentlich im September nicht wieder machen.
1:40:06
Und damit ist die Lage für diese Woche abschließend und ausführlich,
1:40:08
wie ihr das nicht anders kennt, analysiert und beurteilt.
1:40:11
Wir danken euch für euer Interesse
1:40:13
und wünschen euch noch eine schöne
1:40:15
Restwoche, ein schönes Wochenende und wenn ihr mögt, hören wir uns
1:40:18
nächste Woche wieder.
1:40:19
Und folgt unserem Telegram Kanal, wenn ihr Lust habt.
1:40:22
Lage.Link/Telegram mit einem M.
1:40:24
Schönes Wochenende!
1:40:25
Bis dahin. Tschüss.
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