Podchaser Logo
Home
Cannabis-Legalisierung in Kraft, Wahlen in der Türkei (Beate Apelt, Friedrich Naumann Stiftung), Strukturen der Desinformation (Christian Stöcker, Professor für Digitale Kommunikation), Voice of Europe, RKI-Protokolle, Feedback zu Voigt-Interview

Cannabis-Legalisierung in Kraft, Wahlen in der Türkei (Beate Apelt, Friedrich Naumann Stiftung), Strukturen der Desinformation (Christian Stöcker, Professor für Digitale Kommunikation), Voice of Europe, RKI-Protokolle, Feedback zu Voigt-Interview

Released Thursday, 4th April 2024
Good episode? Give it some love!
Cannabis-Legalisierung in Kraft, Wahlen in der Türkei (Beate Apelt, Friedrich Naumann Stiftung), Strukturen der Desinformation (Christian Stöcker, Professor für Digitale Kommunikation), Voice of Europe, RKI-Protokolle, Feedback zu Voigt-Interview

Cannabis-Legalisierung in Kraft, Wahlen in der Türkei (Beate Apelt, Friedrich Naumann Stiftung), Strukturen der Desinformation (Christian Stöcker, Professor für Digitale Kommunikation), Voice of Europe, RKI-Protokolle, Feedback zu Voigt-Interview

Cannabis-Legalisierung in Kraft, Wahlen in der Türkei (Beate Apelt, Friedrich Naumann Stiftung), Strukturen der Desinformation (Christian Stöcker, Professor für Digitale Kommunikation), Voice of Europe, RKI-Protokolle, Feedback zu Voigt-Interview

Cannabis-Legalisierung in Kraft, Wahlen in der Türkei (Beate Apelt, Friedrich Naumann Stiftung), Strukturen der Desinformation (Christian Stöcker, Professor für Digitale Kommunikation), Voice of Europe, RKI-Protokolle, Feedback zu Voigt-Interview

Thursday, 4th April 2024
Good episode? Give it some love!
Rate Episode

Episode Transcript

Transcripts are displayed as originally observed. Some content, including advertisements may have changed.

Use Ctrl + F to search

0:00

Herzlich willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nummer 376

0:04

vom 4. April 2024

0:07

und in dieser Woche wieder an den Mikrofonen, Ulf Buermeyer, das bin

0:10

ich, Jurist aus Berlin und:

0:12

Philip Banse sitzt Ulf gegenüber im Berliner Lagezentrum.

0:15

Ich bin Journalist. Ganz herzlich willkommen auch von mir.

0:17

Bevor es losgeht, noch zweieinhalb

0:19

kurze Hausmitteilung. Die erste betrifft einen Dank.

0:23

Und zwar danken wir den mehr als

0:26

2500

0:28

Followerinnen und Followern auf

0:30

unserem Telegram Kanal.

0:31

Wir haben uns total gefreut, dass dieser Kanal so durch die Decke

0:33

gegangen ist am Anfang. Zum Vergleich, die Tagesschau,

0:37

die Tagesschau hat auch nur 8000 Followers auf Telegram.

0:40

Das stehen wir mit unseren zweieinhalbtausend Followers echt ziemlich gut da.

0:43

Das hat richtig, richtig Spaß gemacht, das zu beobachten und auch

0:46

so die Interaktion. Wir haben ja so zwei, drei Sachen gepostet in den letzten Wochen und

0:50

da gab es ganz viele Herzen und

0:52

Daumen hoch und so, das hat richtig Spaß gemacht.

0:54

Vielen Dank! Vielen Dank für euer Engagement. Wenn ihr diesen Kanal

0:58

abonnieren wollt, dann könnt ihr das tun unter lage.link/telegram.

1:04

Mit einem M.

1:04

Der Sinn und Zweck ist in erster Linie, ihr kriegt halt als

1:07

allererste mit, wenn eine neue Folge raus ist. Und netter Nebeneffekt

1:11

man kann die super teilen, deswegen machen wir das auch, damit ihr

1:14

gleich sozusagen ein Sharable Item

1:17

in einer App habt, wo man das super an Freunde und Verwandte auch

1:20

weiterleiten kann.

1:21

Ja, also der Auslöser war zum Beispiel, dass mir ein Freund erzählt

1:23

hat, der hat so ein Häuschen in Brandenburg in so einem kleinen Dorf

1:26

und da gibt es ein Dorfchat und da könnt ihr euch vorstellen, was da so

1:29

abgeht im Dorfchat. Und er sagte, wenn ich da jetzt

1:32

einfach mal die Lage reinteilen könnte, den Leuten im Dorfchat, dann

1:35

muss ich denen das nicht erklären. Ich teil denen die Lage und sage,

1:38

Leute, hört da mal rein. Es gibt da noch ein bisschen eine andere Perspektive auf die Welt.

1:41

Das ist unser Gedanke. Mit diesem Telegram Kanal wollen wir

1:44

rein in die Chatgruppen, wo es vielleicht nicht mehr immer so 150

1:48

prozentig demokratisch zur Sache geht.

1:49

Natürlich, das hatten wir ja schon mal angedeutet, wollen wir das Ganze

1:52

auch auf WhatsApp machen, weil ich glaube, das ist schon noch die

1:55

weiter verbreitetere App.

1:57

Das ist nur bei WhatsApp, deswegen haben wir das nicht gleich gemacht,

2:00

technisch nicht ganz so einfach wie bei Telegram.

2:03

Man braucht bei WhatsApp eine

2:05

Businessregistrierung, die haben wir natürlich beantragt, aber

2:09

bisher nichts gehört. Deswegen WhatsApp

2:13

if you are listening.

2:15

Ja, vielleicht hört uns ja auch jemand, der bei WhatsApp am

2:18

richtigen Knopf sitzt.

2:19

Also, schickt eine Mail an [email protected] oder guckt

2:22

mal in euer System: Businessregistrierung.

2:25

Da sind wir da drin und warten auf eine Antwort und

2:28

würden uns freuen, wenn auch wir da irgendwie Zugang bekämen.

2:33

Das wäre doch schön. Ja, vielleicht hat uns ja die KI gekillt oder so. Wer weiß.

2:36

Dann könnten wir diesen selben Service auch auf WhatsApp anbieten.

2:40

Aber rein ins Programm würd ich sagen. Wir haben einiges

2:42

vorbereitet.

2:43

In der heutigen Lage gibt es einen Blog zum Thema Cannabis ist

2:46

tatsächlich teillegalisiert in Stichworten. Was bedeutet das denn

2:49

jetzt ganz konkret?

2:50

Außerdem die RKI Files

2:53

und warum die Probleme nicht da liegen, wo viele denken.

2:56

Wahlen in der Türkei schauen wir uns an. Da gab es überraschende

2:59

Ergebnisse. Die Erdoğan Partei hat die Wahlen tatsächlich verloren

3:03

und wir fragen uns mit einer Expertin, ob die türkische

3:05

Demokratie noch zu retten ist.

3:07

Außerdem natürlich unser Interview mit Mario Vogt, euer Feedback,

3:11

unsere Nachlese.

3:12

Und schließlich schauen wir genauer hin, wie funktioniert eigentlich

3:15

Desinformation in freien Gesellschaften?

3:17

Auch dazu ein Interview mit einem Experten.

3:20

Und wir schauen natürlich auf den Skandal rund um die russische

3:23

Manipulationsplattform Voice of Europe.

3:27

Unser erstes Thema heute ist die Teillegalisierung

3:32

von Cannabis in Deutschland. Hatten wir natürlich ausführlich

3:35

hier schon mal besprochen, was da genau geregelt wird.

3:38

Damals war das aber noch nicht beschlossen.

3:41

Noch nicht law of the Land. Nun ist es Law of the Land und

3:45

deswegen haben wir gedacht, müssen wir das hier noch einmal kurz

3:47

aufnehmen und das allen auch wirklich sagen, die es vielleicht

3:50

noch nicht mitbekommen haben.

3:52

Weil es nämlich da auch immer wieder Verwirrung gibt. Sogar Polizeigewerkschafter haben da

3:56

dem ZDF Käse erzählt die Tage. Deswegen haben wir uns gedacht, ein

3:59

kleines Update, einfach noch mal

4:01

den Fakten quasi ein bisschen Oberwasser zu geben.

4:04

Wie sagt, Philip hat es gesagt, kein Vermittlungsausschuss ist in Kraft

4:06

getreten. Und das bedeutet in Kurzform, man kann 25

4:10

Gramm in der Tasche haben, als Privatperson auf der Straße.

4:13

Man kann 50 Gramm zu Hause lagern

4:15

und daheim auf dem Balkon dürfen auch bis zu drei Pflanzen blühen

4:19

und gedeihen. Und dann wird es ab dem 1.

4:22

Juli allerdings erst auch die Growclubs geben, die Social

4:25

Cannabis, ne, Cannabis Social Clubs.

4:27

Gehen wir jetzt nicht nochmal im Detail drauf ein, hatten wir ein ausführliches

4:29

Interview. Aber natürlich passt

4:31

diese Legalisierung jetzt auch nicht allen ins Programm.

4:33

Nein, Bayern vor allen Dingen will

4:36

das hart kontrollieren, wobei

4:38

niemand so richtig genau weiß, wie das gehen soll.

4:41

Man könnte natürlich auch einfach mal durchatmen.

4:44

Aber durchatmen ist bei der CSU

4:46

nicht so einfach. Wir haben das ja auch schon mal skizziert,

4:49

wie sie das hart auslegen

4:51

können, indem sie zum Beispiel diese Cannabis Social Clubs

4:55

nicht genehmigen, wo das irgendwie möglich ist, sie nicht zu

4:58

genehmigen.

4:59

Zum Beispiel gab es jetzt schon die ersten Schlagzeilen.

5:01

Ich glaube, in Augsburg war es, da wollte sich ein Cannabis Social Club

5:03

gründen. Daraufhin hat die Kommune

5:06

einfach ein paar Häuser weiter einen Spielplatz eingerichtet und damit

5:09

liegt dieser Growclub jetzt in so einer Verbotszone.

5:11

Ja, aber das sind zum Beispiel so die interessanten

5:14

sozialen Wechselwirkungen von neuen Regelungen, dass da einfach

5:18

auf einmal Dynamiken zutage treten, von denen niemand vorher

5:22

vorhersehen konnte oder es vorhergesehen hat, dass das

5:25

passiert. Wenn das natürlich die Nebenwirkung sein sollte, dass

5:28

jetzt alle Städte Kindergärten eröffnen und Spielplätze einrichten

5:31

und Schulen eröffnen, links und rechts, um die Kiffer aus der Stadt

5:34

zu drängen. Dann ist die Bilanz nicht

5:37

nur negativ, möchte ich mal sagen.

5:39

Abgesehen davon, dass das natürlich um so ein Cannabis Social Club zu

5:42

vertreiben, totaler Quatsch ist, weil um diesen Club ja selbst ein

5:45

Kiffverbot gilt. Das heißt, der Club selber hat diese

5:47

Konsumverbotszone genauso wie ein Spielplatz. Da war die Kommune, die

5:51

das eingerichtet hat, offensichtlich schlecht informiert.

5:53

Aber Philip, die Verwirrung um diese Abstandsregeln, die hat eben nicht

5:57

nur diese Kommune so ein bisschen in die Irre geleitet, sondern da

6:00

gibt es ja auch eine ganze Menge Menschen in diesem Land, die sich

6:02

jetzt gerade fragen, was bedeuten denn diese Abstandsflächen rund um

6:06

Spielplätze, Kitas und Schulen und eben um Cannabis Social Clubs genau?

6:09

Da gibt es ja so Karten, die zeigen ganze Innenstädte in Rot,

6:13

beispielsweise die Bubatz Karte.

6:15

Ist das wirklich hilfreich?

6:17

Ja, das weiß ich nicht so genau. Also viele Karten scheinen mir da

6:19

einfach ein Kreis zu ziehen mit dem Radius von 100

6:22

Metern um eben Schulen, Kitas,

6:24

Spielplätze und solche Sachen. Aber das ist nicht das, was das

6:27

Gesetz will. Auch einige Polizisten tappen da

6:30

übrigens im Dunkeln.

6:31

Alexander Poitz ist laut

6:33

ZDF Polizeibeamter aus Brandenburg

6:36

und außerdem stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft

6:39

der Polizei, kurz GdP. Und er sagte im Interview mit ZDF

6:43

heute Zitat: "mindestens 100 Meter und außer

6:47

Sichtweite für den Konsum und 200 Meter für Anbauvereinigung".

6:51

Das ist aber, wenn man in das Gesetz schaut, aus zwei Gründen

6:55

nicht richtig. Also zum einen gelten für

6:58

Anbauvereinigungen dieselben Regeln,

7:00

also 100 Meter grundsätzlich wie

7:02

für die anderen Orte, also Spielplätze, Kitas, Schulen.

7:06

Da gibt es keine Differenzierung mehr. Vor allem aber sind die 100

7:09

Meter nicht und außer Sichtweite.

7:11

Wie im Gespräch mit uns Janosch Dahmen, erklärte.

7:14

Er ist gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im Deutschen

7:17

Bundestag.

7:18

Viele dieser Karten, die zurzeit im Internet kursieren, korrelieren

7:21

ehrlicherweise nicht wirklich mit dem Gesetzestext und dem, was da

7:25

drin geregelt wurde. Und zwar ist es dort so

7:27

niedergeschrieben, dass Sichtweite

7:30

das Kriterium ist, nach dem entschieden werden soll, wie weit

7:33

Abstand gehalten werden muss. Wenn also eine Polizistin oder ein

7:36

Polizist jemanden kontrolliert, dann

7:38

schauen sie, wie weit ist die Kita oder die Schule weg? Kann ich die

7:41

sehen oder nicht? Und wenn die nicht zu sehen ist,

7:44

dann darf da geraucht werden, wenn ich sie sehen kann, entsprechend

7:47

nicht. Zusätzlich schreibt das Gesetz fest, dass maximal

7:50

100 Meter eingehalten werden, also eine Obergrenze.

7:53

Wer weiter als 100 Meter entfernt ist, der darf dann da auf jeden Fall

7:56

rauchen. Insofern ist es tatsächlich so, dass die Karten

8:01

nicht so richtig den Ist Zustand beschreiben, weil sie in der Regel

8:04

einen Radius von 100 Metern um die Einrichtung legen und damit die

8:07

Städte viel mehr rot färben, als sie sich tatsächlich in der Praxis

8:10

darstellen dürften.

8:12

100 Meter ist die maximale Entfernung. So weit-

8:15

Wo das verboten ist.

8:15

Wo das verboten ist.

8:18

Wenn die Schule aber nicht in Sichtweite ist und man ist um die

8:20

Ecke und Luftlinie 50 Meter, kann man trotzdem kiffen,

8:24

wenn die Kita oder die Schule nicht in Sichtweite ist.

8:26

Wenn zum Beispiel eine Häuserecke dazwischen liegt oder so, wenn eine

8:29

Häuserzeile dazwischen liegt, irgendwas, wenn auch nur eine Hecke

8:31

dazwischen ist, dann ist die Schule eben nicht mehr zu sehen.

8:34

Das ist die entscheidende Frage. Und insofern ja, wie gesagt.

8:37

Das hat-

8:37

Hochkompliziert ist es nicht.

8:38

Eigentlich ist es nicht so kompliziert. Es hat sich offensichtlich noch

8:40

nicht mal zur Polizei in Brandenburg so richtig rumgesprochen.

8:44

Der Test ist immer: da, wo ihr steht guckt, seht ihr die Kita?

8:47

Seht ihr die Schule? Seht ihr den Spielplatz? Oder seid ihr 100

8:50

Meter entfernt? Eins von beiden reicht, damit es safe ist.

8:53

Und ich würde mal sagen, das ist mal ein Gesetz, was eine Veränderung

8:57

mit sich bringt. Das hat die Ampel durchgesetzt. Da kann man jetzt

9:00

drüber streiten oder nicht. Man kann das gut finden oder nicht,

9:03

aber das ist ein Gesetz, an dem man die Ampel messen kann, für die man

9:06

sie wählen kann oder abwählen kann. Aber sie haben ein Projekt

9:10

umgesetzt, was sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben,

9:13

und das haben sie jetzt zu weiten Teilen umgesetzt.

9:16

Und das ist in meinen Augen

9:18

eine gute Liberalisierung unserer Gesellschaft. Sie hätte noch

9:20

weitergehen können in meinen Augen. Aber das ist, finde ich, ein

9:24

wichtiger Schritt nach vorne. Daran kann man die Politik messen

9:27

und das, finde ich, ist an sich

9:29

erst mal schon ein großes Verdienst.

9:31

Würde ich genauso sehen. Ich würde nur sagen, wir brauchen

9:34

natürlich auch noch die Abgabe

9:36

an Gelegenheitskonsumierende. Also was natürlich ein Problem ist,

9:39

ist das nach wie vor zwei Themengebiete für den Schwarzmarkt

9:43

offen sind. Das eine sind Menschen unter 18, die werden nach wie vor

9:46

leider zum Dealer geschickt und zum anderen Menschen, die eben weder

9:49

Pflanzen zu Hause haben noch in einem Cannabis Social Club sind.

9:52

Die haben nach wie vor keine legale Erwerbsmöglichkeit.

9:55

Aber, und das muss man ja immer dazu sagen, da soll es ja ein zweites

9:58

Gesetz geben, das eben auch quasi Coffeeshops in Deutschland

10:01

ermöglicht. Und da muss man sagen, damit der Schwarzmarkt wirklich,

10:04

wirklich ein Ende findet, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass

10:07

dieser zweite Schritt jetzt nicht versandet.

10:10

Jetzt droht ja schon wieder so ein bisschen der nächste Bundestagswahlkampf.

10:13

In anderthalb Jahren wird gewählt. Geht schon so langsam los, bei

10:16

anderen Themen sieht man schon, wie es da auch in der Ampel starke

10:19

Absetzbewegungen gibt. Also da würde ich jetzt wirklich

10:21

sagen, liebe Ampel, jetzt nicht auf halber Strecke stehen bleiben.

10:24

Aber unterm Strich glaube ich, ist es ein gutes Projekt und das wird ja

10:27

auch wissenschaftlich evaluiert. Und da werden wir sicherlich auch

10:30

dranbleiben.

10:31

Zu unserem nächsten Thema. Wir schauen in die Türkei, denn

10:35

da haben in dieser Woche Wahlen stattgefunden. Die Türkei ist ja

10:38

ein sehr bedeutendes und zugleich auch ein stückweit schillerndes

10:41

Land. Sie ist auf der einen Seite NATO Mitglied, hat

10:44

auf der anderen Seite aber auch immer noch gute Beziehungen nach

10:46

Moskau, hat eine vermittelnde Rolle

10:49

im Ukrainekrieg gespielt, kontrolliert aus geografischen

10:52

Gründen den Zugang zum Schwarzen

10:54

Meer, einfach weil der durch eine

10:56

türkische Meerenge führt. Und zugleich aber will die Türkei

11:00

in die EU. Das wiederum ist alles andere als ein Selbstläufer, denn

11:04

sie wird seit 20 Jahren regiert von

11:06

Recep Tayyip Erdoğan. Einem, das kann man so sagen, einem

11:10

Autokraten.

11:10

Ja, das haben wir ja auch schon öfter thematisiert.

11:12

Journalisten, Journalistinnen werden in der Türkei eingesperrt.

11:16

Richter, Richterinnen, die Erdoğan unlieb sind, wurden

11:20

entlassen und progressive Menschen vor allen Dingen fürchten und

11:23

wirklich um die Reste der Demokratie in der Türkei.

11:26

Erdoğan ist Mitgründer der AKP, einer islamisch konservativen

11:30

Partei und er wurde eben letztes Jahr als Präsident

11:34

wiedergewählt. Nun fanden in der Türkei

11:37

aber Kommunalwahlen statt.

11:39

Da wurden also Bürgermeister, Bürgermeisterinnen und Stadtparlamente

11:42

neu gewählt. Und da ist was passiert, womit

11:46

eigentlich kaum jemand gerechnet hatte.

11:48

Genau, die AKP, also die Erdoğan

11:50

Partei, wurde nämlich erstmals seit ihrer Gründung 2002

11:54

nur zweitstärkste Kraft bei diesen Kommunalwahlen, gewann also nur 24

11:58

der 81 Bürgermeister:innenämter

12:01

in der Türkei und kam landesweit

12:03

auch nur auf 35,5 %

12:05

der Stimmen. Wahlsieger hingegen

12:07

ist die oppositionelle CHP,

12:09

eine Mitte Linkspartei.

12:11

Richtig, die erhielten so plus minus 37 % der Stimmen, haben landesweit

12:15

35 Bürgermeisterposten

12:17

erobert. Vor allen Dingen, das ist das Wichtige, haben sie ihre Posten

12:20

in Istanbul und Ankara verteidigen können. Und dort werden eben

12:23

traditionell neue, auch nationale

12:26

Führungsfiguren für die Türkei

12:28

geboren. Wie wir das jetzt alles zu deuten haben, das wollen wir mal

12:31

besprechen mit einer Expertin

12:33

vor Ort, nämlich Beate Apelt.

12:36

Sie ist Leiterin des Projekts,

12:38

wie das so heißt bei der FDP nahen

12:40

Friedrich-Naumann-Stiftung in der Türkei.

12:43

Also sie ist sozusagen Büroleiterin

12:46

der Naumann Stiftung in der Türkei. Herzlich willkommen in der Lage der

12:48

Nation. Frau Apelt.

12:49

Hallo, herzlichen Dank für die Einladung.

12:51

Ja, Frau Apelt, wir haben ja gerade schon zwei Stichworte genannt,

12:55

welche Parteien es so gibt in der Türkei. Was sind denn aus Ihrer

12:58

Sicht die wesentlichen Parteien,

13:00

die wesentlichen politischen Kräfte in der Türkei und wofür stehen die?

13:04

Na, die wichtigsten haben sie schon genannt. Das ist natürlich die AKP,

13:07

die hier seit 2002 die größte Partei, jetzt

13:11

eben nicht mehr die größte Partei offensichtlich, ist.

13:13

Und die wichtigste Oppositionspartei ist die Republikanische Volkspartei,

13:17

die von Atatürk gegründet wurde, die CHP, die auch am

13:20

stärksten ist und jetzt der große Gewinner ist. Aber es gibt natürlich

13:23

kleinere Parteien. Also zum einen möchte ich da die DEM

13:26

nennen. Das ist eine prokurdische,

13:28

ziemlich links ausgerichtete Partei.

13:31

Viele werden sie kennen unter dem Namen HDP.

13:33

Firmiert jetzt aber unter dem Namen DEM.

13:35

Die hat jetzt nicht gut abgeschnitten, hat 5,7 %

13:39

nur erlangt, aber vertritt eben ein bestimmtes Segment vor allem der

13:42

kurdischen Bevölkerung. Wichtig bei dieser Wahl war jetzt

13:45

auch eine Partei, die relativ

13:48

neu ist, glaube 2018 gegründet, aber bisher relativ

13:51

unbedeutend war. Die neue Wohlfahrtspartei.

13:54

Die ist ganz islamistisch ausgerichtet, also ziemlich radikal,

13:58

hat auch sehr einseitige

14:00

Agenda in der Hinsicht und die hat jetzt über 6 % erlangt.

14:04

Das war eine der vielen Überraschungen dieser Wahl.

14:07

Wir haben es am Anfang skizziert, bevor wir jetzt sozusagen en detail

14:10

noch mal in die Ergebnisse und die

14:13

Analyse der Wahl eintreten, dass in der Türkei ja Journalisten,

14:16

Journalistinnen verfolgt, eingesperrt werden. Richter,

14:19

Richterinnen wurden abgesetzt

14:21

und sobald man auch nur einen Hauch Verständnis für die Belange der

14:23

Kurden und Kurdinnen äußert, läuft man Gefahr, in den Knast zu wandern.

14:26

Vielleicht bevor wir über die Wahl konkret reden.

14:28

In welchem politischen Klima hat das alles stattgefunden?

14:32

Was ist das politische Klima der

14:34

Demokratie in der Türkei unter Erdoğan?

14:36

Also die Türkei ist kein freies Land mehr. Das ist ganz klar.

14:39

Viele demokratische Spielregeln

14:41

sind quasi ausgehebelt.

14:44

Der Präsident hat sich Zugriff

14:46

verschafft auf eigentlich

14:48

alle Teile des Staates,

14:50

also insbesondere der Justiz.

14:53

Er hat durch seine Verfassungsreform

14:56

im Jahr 2017 vom Volk abstimmen lassen, dass die

15:00

Türkei kein parlamentarisches System mehr hat, sondern ein präsidentielles

15:03

System. Also es ist ganz, ganz viel Macht in seiner Hand und

15:07

das einzige, was quasi wirklich noch einigermaßen gut

15:11

funktioniert als demokratisches

15:13

Element, sind die Wahlen. Also Wahlen bedeuten hier wirklich

15:16

was, die Leute gehen hin. Die Wahlbeteiligung ist erstaunlich

15:19

hoch und es gibt natürlich hier und da

15:23

Unregelmäßigkeiten. Aber Wahlfälschungen in großen Stil,

15:26

wie wir das in Russland oder Belarus sehen, gibt es hier nicht.

15:30

Wir haben ja oben das Ergebnis grob skizziert. Es waren natürlich auf

15:34

den ersten Blick nur Kommunalwahlen, auf der anderen Seite aber

15:38

angesichts des mangelnden demokratischen Klimas in der Türkei,

15:41

angesichts der mangelnden demokratischen Freiheiten für viele doch

15:44

überraschend, dass eine Oppositionspartei, also eine Partei,

15:48

die eben nicht mit Erdoğan verbrüdert ist, überhaupt so viele

15:51

Stimmen bekommen kann. Was waren denn aus Ihrer Sicht die

15:54

wichtigsten Ergebnisse?

15:56

Also erst mal möchte ich sagen, auch hier waren alle überrascht.

15:59

Auch die hiesigen seriösen Umfrageinstitute haben das nicht

16:02

vorhergesehen, sondern es gab die Erwartung, dass eher einige

16:06

der bisher oppositionsregierten Städte an die AKP übergehen würden.

16:10

Also um Ankara und Izmir hat man sich da nicht so viel Sorgen

16:13

gemacht, aber einige andere schon. Und auch in Istanbul

16:16

sah es nach einem sehr knappen Kopf an Kopf Rennen aus zwischen

16:21

Ekrem İmamoğlu, dem amtierenden Bürgermeister, und seinem AKP Herausforderer

16:25

Murat Kurum. Was wir dann jetzt aber gesehen

16:28

haben, ist, dass die CHP

16:30

quasi überall dazugewonnen hat, dass

16:32

sie viele Städte neu

16:34

gewonnen hat, große und auch kleine Städte. Und zwar nicht nur in ihren

16:38

angestammten Hochburgen, also die allergrößten Metropolen und die

16:42

Ägäis, sondern wirklich auch nach Anatolien rein und auch in kleinere

16:45

Städte rein, wo wirklich die Leute konservativ sind.

16:47

Also das war sehr überraschend. Und eine andere Sache habe ich

16:51

vorhin schon angesprochen, dass diese neue Wohlfahrtspartei, diese

16:54

islamistische Partei, erstaunliche

16:56

6,1 % bekommen hat.

16:58

Ich glaube, was wir hier sehen, ist eine Protestwahl der Leute,

17:01

die eigentlich AKP Anhänger sind

17:03

und die da eine Alternative

17:05

gesucht haben. Und ja, wir werden sicher

17:09

über die Gründe auch noch sprechen.

17:10

Genau, vielleicht kann man da mal, vielleicht kann man da mal einhaken. Was sind denn jetzt so die

17:14

inhaltlichen Gründe, die die Leute

17:17

haben, die Opposition wählen lassen?

17:20

Das sind ja Kommunalwahlen, da geht es ja auch um städtische Belange

17:22

wahrscheinlich, lokale Belange. Was waren die Gründe?

17:25

Also die ganzen Zahlen der einzelnen

17:27

Distrikte sind noch nicht so richtig analytisch aufgearbeitet, das ich

17:31

jetzt richtig valide was dazu sagen kann. Aber es gibt natürlich

17:34

Vermutungen, woran es gelegen hat. Also erst mal muss man wissen, es

17:37

ist nicht so, dass jetzt massenweise Wähler von der AKP zur CHP

17:41

rübergegangen sind. Die Türkei ist ein unglaublich

17:44

polarisiertes Land und dass man dieses Lager wechselt

17:47

vom konservativ religiösen

17:49

ins säkulare Lager irgendwie wechselt, das ist gar nicht so

17:53

wahrscheinlich. Man sieht eher, dass viele, viele

17:56

AKP Wähler einfach zu Hause geblieben sind.

17:58

Die Wahlbeteiligung war nur 78 %,

18:01

die war letztes Jahr 84 %, bei den letzten Lokalwahlen sogar 88 %.

18:06

Oder sich eben für eine Alternative im eigenen Lager, im konservativen

18:11

und religiösen Lager entschieden haben.

18:13

Und die Inhalte, die mögen teilweise

18:17

eine Rolle gespielt haben in den Städten, aber ganz

18:20

viel ist das hier, glaube ich, auch ein Abstrafen der Regierungspolitik

18:24

im wirtschaftlichen Bereich gewesen. Den Türkinnen und Türken geht es

18:28

nicht gut. Wir haben hier eine riesen

18:30

Inflationskrise seit zwei Jahren und jetzt ist gerade die Inflation

18:34

wieder etwas angestiegen auf fast 70 %.

18:36

Das sind aber nur die offiziellen Zahlen.

18:38

Unabhängige Institute sprechen von dreistelligen Zahlen und

18:42

den Leuten geht es wirklich nicht gut, speziell den Rentnern.

18:44

Die Renten sind inzwischen weit unter dem Mindestlohn, sie sind

18:48

unter der Armutsgrenze. Und die Leute haben schon erwartet,

18:51

dass Erdoğan noch mal ein Wahlgeschenk austeilt und die Renten

18:54

erhöht. Das ist nicht passiert.

18:56

Er hat ja seit letztem Jahr einen ziemlich vernünftigen

18:59

Finanz- und Wirtschaftsminister eingesetzt, der versucht, das Land

19:03

wirtschaftlich wieder aufs richtige Gleis zu setzen, sage ich mal, und

19:07

es geht nicht gut zusammen mit dem Austeilen von großen Geldgeschenken,

19:10

die nicht finanziert sind. Von daher denke ich, die Wahl ist

19:13

gar nicht so einen Zuspruch zur CHP gewesen, sondern

19:17

eher ein Protest gegen die AKP.

19:19

Das führt zur Frage, wie es mit Erdoğan weitergeht.

19:21

Der hat sich ja im Wahlkampf sehr präsent gezeigt, hat jetzt aber die

19:24

Niederlage für viele überraschend, doch eindeutig und ohne großes

19:28

Winden eingeräumt und war ungewohnt

19:30

selbstkritisch. So habe ich das zumindest empfunden.

19:32

Und Anfang März hatte ich gelesen, Anfang März soll er gesagt haben,

19:36

dass diese Kommunalwahlen für ihn

19:38

das Finale sein würden.

19:40

Jetzt sind ja Präsidentschaftswahlen gerade letztes Jahr gewesen, die

19:43

nächsten sind 2028,

19:45

also tritt er da nicht mehr an? War es das jetzt für Erdoğan?

19:49

Das kann ich zum heutigen Zeitpunkt nicht vorhersagen.

19:52

Also die türkische Verfassung sagt, er darf nicht noch mal antreten.

19:55

Bei den nächsten Wahlen 2028

19:58

müsste er ein Nachfolger

20:00

aufbauen. Aber wenn er antreten wollte,

20:04

hätte er die Mittel, denke

20:06

ich, das möglich zu machen. Also sowas ist hier auch schon in

20:09

der Diskussion, nicht von seiner Seite. Aber es gibt andere, die da

20:12

Stichwortgeber sind, man könnte die Verfassung ändern, so

20:16

er noch ein weiteres Mal antreten kann. Man könnte vorgezogene

20:19

Neuwahlen ausrufen,

20:21

auch dann könnte er noch mal antreten.

20:23

Also das würde ich nicht völlig ausschließen. Das hängt vielleicht

20:27

auch von seiner Kraft ab, ob er sich eine weitere Legislaturperiode

20:30

zutraut, Regierungsperiode.

20:33

Also das schließt man hier nicht aus.

20:35

Aber auf der anderen Seite sehen wir natürlich jetzt eine neue Figur, die

20:39

Potenzial hat für eine Präsidentschaftskandidatur, nämlich

20:42

Ekrem İmamoğlu hier in Istanbul,

20:44

von dem man vorher schon gesagt hat, wenn er die Wahl jetzt verliert,

20:47

wird er weg vom Fenster sein. Aber wenn er sie gewinnt, dann wird

20:50

er der nächste Präsidentschaftskandidat der CHP.

20:53

Ja, denn der hat ja jetzt den dritten Sieg gegen die AKP

20:56

eingefahren als Bürgermeister von Istanbul, also einer der ganz

21:00

großen türkischen Metropolen.

21:02

Und zugleich gilt er jedenfalls

21:04

Beobachtern in Deutschland häufig als Hoffnungsträger der progressiven

21:07

Kräfte in der Türkei. Auf der anderen Seite läuft

21:10

gegen ihn ein Gerichtsverfahren, wo natürlich jetzt viele sagen, na, das

21:14

sei im Wesentlichen politisch motiviert, das sei ein Versuch, ihn

21:17

auszuschalten, weil da möglicherweise nämlich eine

21:19

Haftstrafe und auch ein Betätigungsverbot bei rauskommen

21:23

könnten. Und wenn man sich das mal so überlegt, der vielleicht

21:26

aussichtsreichste Oppositionskandidat

21:28

wird vor Gericht gezerrt, kann man sich ja schon die Frage

21:31

stellen, hat die Demokratie in der Türkei überhaupt noch eine Chance,

21:34

wenn gleich versucht wird, die Menschen auszuschalten?

21:36

So in Putin's Style?

21:38

Na ja, da ist er kein Einzelfall. Es gibt ja auch etliche andere,

21:41

besonders unter den kurdischen Politikerinnen und Politikern, die

21:44

mit Verfahren, also von politischer Aktivität ferngehalten werden.

21:49

İmamoğlu hat sogar drei Verfahren in irgendeiner Form laufen.

21:51

In einem ist er bereits verurteilt zu zwei Jahren, sieben Monaten und

21:54

ein paar Tagen Gefängnis. Die wird er nicht absitzen müssen.

21:57

Das Urteil ist jetzt noch in zwei höheren Instanzen.

22:00

Wenn das irgendwann endgültig in Kraft tritt, wird er tatsächlich ein

22:03

Politikverbot bekommen. Die Gefängnisstrafe sehe ich nicht

22:07

kommen. Aber es gibt zwei weitere,

22:09

auch politisch motivierte Untersuchungen gegen ihn.

22:13

Das heißt, dieses Mittel oder diese Karte, die man dann ziehen kann,

22:16

wenn es kritisch wird, die wird schon vorbereitet.

22:18

Allerdings ist in der Türkei

22:20

immer auch mit Überraschungen zu rechnen. Und das muss

22:24

nicht heißen, dass man ihn auf Dauer von der Politik fernhalten kann.

22:27

Auch Erdoğan ist damals nach seiner Bürgermeisterzeit in Istanbul

22:32

in einem politischen Verfahren ins Gefängnis gesteckt worden und danach

22:35

umso stärker in die Politik

22:37

zurückgekehrt und dann Ministerpräsident geworden.

22:39

Nun hat sich ja die Ampelkoalition eine menschenrechtsgeleitete

22:42

Außenpolitik auf die Fahnen geschrieben. Gerade die

22:45

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat dem sogar noch das

22:48

Attribut feministisch hinzugefügt. Also eine feministische Außenpolitik

22:52

soll es sein. Da stellt sich natürlich die Frage,

22:54

wenn man sich diese Situation in der Türkei anschaut, was würden Sie denn

22:57

denken, wie sollte sich die Außenpolitik gegenüber

23:01

Erdoğan zurzeit positionieren?

23:05

Das ist eine knifflige Frage, weil man kann natürlich ganz auf die,

23:09

auf die Werte, auf die Menschenrechte setzen und dann muss

23:12

man im Prinzip Sanktionen verhängen.

23:15

Aber das ist nicht so einfach. Wir sind mit der Türkei in

23:18

vielfältiger Weise ganz eng verbunden. Es gibt unglaublich enge,

23:21

wichtige Wirtschaftsbeziehungen, die für beide Länder sehr

23:25

gewichtig sind. Die Türkei ist ein wichtiges NATO

23:28

Mitglied mit der zweitgrößten Armee in der NATO.

23:31

Aber nichtsdestotrotz liegt sie zwischen der EU und dem

23:34

unruhigen Nahen und Mittleren Osten.

23:37

Also das ist kein Partner, den man

23:39

einfach abschreiben kann, sondern man muss sich da engagieren

23:43

und irgendwie pragmatisch Politik

23:45

machen. Aber was natürlich in der

23:48

Außenpolitik gut wäre, wenn man sozusagen die Hebel,

23:51

die man hat, auch einsetzt, um etwas hier für die Verbesserung

23:55

der Menschenrechtssituation zu erreichen, auch für einzelne Leute,

23:58

die im Gefängnis sitzen. Und so was funktioniert am

24:02

besten meiner Ansicht nach hinter verschlossenen Türen auch

24:05

vielleicht, dass man wirtschaftliche Entscheidungen mal mit solchen

24:08

Dingen verknüpft, aber bitte nicht auf Twitter oder sehr

24:11

öffentlich, weil das ist etwas,

24:13

was also gegenteilig ausschlägt

24:15

eher wenn dann der Präsident hier sein Gesicht verliert.

24:19

Letzte Frage vielleicht auch noch daran anknüpfend.

24:21

Es gibt ja immer noch die Idee

24:23

bei vielen, dass die Türkei der EU beitreten sollte.

24:27

Was ist da der Stand? Die Perspektive?

24:29

Also offiziell ist die Türkei immer noch Beitrittskandidat.

24:33

Es gibt da zwei Schulen, sozusagen. Die einen sagen ja, man

24:36

sollte jetzt sich mal ehrlich machen und es jetzt mal beenden, weil das

24:39

hat realistisch keine Aussicht auf Erfolg.

24:42

Und die anderen sagen, es ist aber gut, wenn wir diese Instrumente

24:46

noch haben, also wenn die Türkei institutionell noch eingebunden ist.

24:49

Es gibt auf dieser Ebene des

24:51

EU Beitritts Zusammenarbeit. Es gibt auch Gelder aus der EU

24:55

für bestimmte Infrastrukturmodernisierung in der

24:58

Türkei usw. Die Türkei akzeptiert dadurch auch

25:02

EU Unterstützung für zivilgesellschaftliche

25:04

Organisationen und es wäre zum Nachteil der

25:08

Türkei es aufzugeben. Wichtig finde ich ehrlich gesagt

25:11

auch, über die Hälfte der Menschen

25:13

in der Türkei würden gerne Mitglied

25:15

in der EU werden und würden sich entsetzlich hängen gelassen

25:19

fühlen, wenn man diese Tür wirklich zuschlägt.

25:22

Aber realistisch ist das natürlich

25:25

in den nächsten Jahren überhaupt nicht.

25:26

Ja, ganz herzlichen Dank. Das war im Gespräch mit der Lage

25:28

Nation Beate Apel. Sie leitet das Projekt, also das

25:32

Büro der FDP nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in der

25:35

Türkei. Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.

25:37

Auf Wiedersehen!

25:38

Wir haben ne kleine Korrektur anzubringen. Und zwar hatten wir im

25:41

Zusammenhang mit dem neuen Organspenderegister,

25:45

das es jetzt online gibt, gesagt,

25:47

ja, da muss man sich mit dem Personalausweis und der

25:51

eID Funktion einwählen.

25:53

Das stimmt auch, aber in dem Zusammenhang hatten wir gesagt, dass

25:55

das für unter

25:57

16-jährige de facto noch nicht funktioniert, weil die angeblich

26:00

keinen Personalausweis haben.

26:01

Das stimmt halt nicht. Das war so, als Philip und ich

26:04

unseren ersten Perso beantragt haben damals.

26:06

Irgendwie, da war das die ganz große Neuigkeit. Ich bin jetzt 16, ich

26:09

kriege jetzt einen Perso. Das ist heute anders.

26:12

Heute können Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit schon ab der

26:15

Geburt einen Personalausweis beantragen.

26:18

Findet sich auf den Seiten des Innenministeriums.

26:20

Für Kinder unter 16 Jahren muss die Beantragung dann allerdings durch

26:23

die Sorgeberechtigten erfolgen und das Kind muss bei der Beantragung

26:27

persönlich anwesend sein. Also auf Deutsch, man muss mit dem

26:30

Baby zum Amt, aber dann kann man auch einen Personalausweis

26:33

für Menschen unter 16 beantragen.

26:35

Und das ist halt umso ärgerlicher dieser Fehler, weil ich das

26:37

natürlich vor sechs

26:39

Wochen durchexerziert habe mit meinem Sohn. Wir waren dann schön

26:42

beim Bürgeramt, haben Reisepass

26:44

und Personalausweis beantragt

26:46

und dann ist das so geil in Berlin,

26:48

was sie wollen Reisepass und Perso? Das ist doch Quatsch.

26:52

Tja, ich weiß schon.

26:56

Aber nein, das machen wir nicht. Wir hätten aber gerne.

27:00

Aber ist teuer. Ich sage ja, aber

27:03

manchmal vergisst man das eine. Und ich hätt einfach gern beide.

27:06

Ja, das ist doch Quatsch. Und? Ja, aber ich hätte gern beides.

27:09

Ich hätte gerne einen Reisepass. Und ich hätte gern Perso.

27:12

Können wir das bitte so machen? So. Ja.

27:14

Also, ich hätte es wissen sollen. Ich und meine Frau, wir haben einen

27:17

kleinen Familienausflug gemacht, weil es in Berlin natürlich auch immer so geil ist. Du kriegst

27:19

natürlich keinen Termin.

27:20

War das nicht diese Reise nach Spandau?

27:21

War die Reise nach Spandau. Da hast du die 115 angerufen, weil du

27:24

natürlich kein Termin klicken konntest und 115 sagt ja, ja, wir

27:27

haben ja ein Termin übermorgen 7:35 oder

27:31

irgend so eine Zeit war das. Wir sind um 5:30 aufgestanden, haben

27:34

diese Weltreise nach Spandau raus gemacht mit dem Lütten natürlich.

27:37

In dem Perso steht jetzt eine Größe drin. Der ist heute schon

27:41

nicht mehr so groß.

27:43

Wie? Da stehen irgendwie 60 Zentimeter?

27:43

66 Zentimeter steht dann da drin. Da ist dann halt ein Foto.

27:46

An dem Tag schon habe ich den auf dem Foto schon nicht mehr wiedererkannt.

27:51

Anyway. Aber Kinder nach der Geburt. Er hat jetzt beides.

27:53

Kinder ab der Geburt, Perso und Reisepass.

27:56

Zu unserem nächsten Thema. Man denkt ja immer in der

28:00

Demokratie, da gibt es so einen öffentlichen Raum, so ein

28:02

Diskursraum und da herrscht

28:04

ein fairer Kampf um die besten Ideen. Da wird mit vollem Einsatz

28:08

um die Wahrheit gerungen. Es wird sich ein faires Gefecht

28:11

um die besten Ideen geliefert.

28:13

Der Marktplatz der Ideen. Das Town Hall Meeting.

28:17

Da geht es um die Wahrheit, denkt man immer so, ist so eine Art

28:19

demokratisches Ideal. Aber Philip, wenn man ganz ehrlich

28:22

ist, muss man sagen. Das stimmt halt nicht.

28:24

Das stimmt nicht. Die öffentliche Debatte wird von sehr vielen

28:27

Interessen beeinflusst. Das ist nicht immer illegitim.

28:31

Es gibt auch Lobbygruppen, die natürlich Interessen formulieren,

28:34

was völlig legitim ist.

28:36

Weil das dann transparent ist.

28:37

Das ist ein wichtiger Faktor. Es soll natürlich transparent sein

28:39

und nachvollziehbar sein, wie solche Interessen finanziert

28:43

werden, wie sie vorgetragen werden. Also das ist natürlich auch Teil

28:47

einer freiheitlichen Gesellschaft, dass eben wirklich auch alle Teile

28:49

der Gesellschaft an dieser Debatte

28:51

mitwirken können. Es hat aber in letzter Zeit

28:54

vermehrt Einflüsse auf diese Debatte in Deutschland und

28:58

der Welt gegeben, die

29:00

a) nicht transparent sind und b) antiwissenschaftlich

29:04

und antidemokratisch sind.

29:06

Weil ein demokratischer Diskurs eben darauf angewiesen ist, dass die

29:09

Menschen, die da mitdiskutieren, jedenfalls im Grundsatz bei der

29:12

Wahrheit bleiben und nicht mit Fake News um sich werfen.

29:14

Und selbst Spitzenpolitiker:innen sind nicht völlig frei davon.

29:17

Sie unterliegen dem Einfluss von Desinformation.

29:20

Ein Beispiel dafür war unser Interview in der vergangenen Woche

29:23

mit Mario Voigt, dem CDU Spitzenkandidaten zur Landtagswahl

29:26

2024 in Thüringen.

29:28

So sagte uns Mario Voigt im Interview.

29:31

Herr Habeck feiert sich gerade dafür, dass er 30 % Förderung

29:35

für quasi das Gebäudeenergiegesetz

29:37

offengelegt hat. Nur in meinem Thüringer ländlichen

29:40

Raum, wenn die das machen müssen, dann kostet die die Investition

29:43

100.000 € mit Wärmepumpe.

29:45

Das stimmt ja nicht.

29:46

Doch, natürlich.

29:46

Ich war gerade, dieses das stimmt einfach nicht.

29:48

Nein. Die Wärmepumpe alleine kostet nur 15.000 €.

29:51

Aber es geht ja darum, Sie müssen Ihre komplette Heizung...

29:54

Ne, das stimmt nicht.

29:55

Was Voigt da sagt, ist ja nicht völliger Quatsch.

29:57

Natürlich gibt es alte

29:59

Häuser, die man besser sanieren sollte und dann kostet das auch

30:03

schnell 100.000 €. Aber wenn die Leute keine

30:06

Wärmepumpe wollen in diesen Häusern,

30:09

dann kaufen sie sich halt keine. Niemand zwingt sie dazu,

30:12

ihre Heizung auszutauschen. Sie können weiter mit Gas heizen,

30:16

auf die nächsten Jahre und Habecks Förderprogramme ignorieren.

30:20

Das ist die erste Irreführung. Niemand muss seine Heizung

30:24

tauschen, auch wenn das durch solche

30:26

Äußerung insinuiert wird. Nebenbei wäre es aber trotzdem

30:29

natürlich ganz cool, solche Häuser zu sanieren, weil auch wenn sie

30:32

mit Gas heizen, wird das nämlich demnächst richtig teuer, weil Gas

30:35

richtig teuer wird und jede eingesparte Kilowattstunde

30:38

bares Geld spart. Aber das nur nebenbei. Die zweite Irreführung ist,

30:42

Erzählung wie diese: "Habecks Wärmepumpe kostet euch schnell

30:45

100.000 €", die führen

30:48

viele in die Irre und die verschleiern, dass Wärmepumpen

30:51

in sehr sehr sehr vielen, auch

30:53

alten Gebäuden, alten Häusern ohne Probleme

30:57

betrieben werden können, günstiger

30:59

sind und nebenbei natürlich noch besser fürs Klima.

31:02

Das haben diverse Studien ergeben und das ist schlicht

31:06

Stand der Wissenschaft.

31:07

Aber trotzdem führen wir eine Nebelkerzendebatte

31:11

nach der nächsten. Weitere Beispiele neben der

31:13

Wärmepumpe: heizen mit Wasserstoff.

31:16

Auch nicht realistisch. EFuels für Autos, allenfalls

31:19

für Oldtimer irgendwie relevant. Trotzdem wird darüber diskutiert.

31:22

Und da haben wir uns einfach gefragt, warum führen wir diese

31:26

wissenschaftlich kaum nachvollziehbaren Quatschdebatten?

31:29

Warum glauben so viele Menschen an

31:31

Ideen, die naturwissenschaftlich

31:33

betrachtet ganz wenig Sinn machen?

31:34

Ja, nicht nur, aber eben vor allen Dingen auch in dieser Klimafrage.

31:39

Und dazu hat ein Buch geschrieben Professor Dr. Christian Stöcker.

31:42

Das Buch heißt "Männer, die die Welt verbrennen". Christian Stöcker hat

31:46

Psychologie studiert, promoviert

31:48

in kognitiver Psychologie, war dann viele Jahre Journalist,

31:51

unter anderem eben ab 2005 rund elf Jahre beim Spiegel

31:56

im Ressort Netzwelt, das er fünf Jahre lang geleitet hat,

32:00

von 2011 bis 2016.

32:02

Heute ist er Professor für digitale

32:04

Kommunikation an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in

32:07

Hamburg. Er kennt also die Perspektive aus der

32:11

Medien-, aus der Journalistensicht

32:13

und eben auch aus der wissenschaftlichen Sicht. Wie gesagt, hat jetzt ein Buch

32:16

geschrieben "Männer, die die Welt verbrennen". Ganz herzlich

32:19

willkommen in der Lage, Professor Christian Stöcker.

32:21

Vielen Dank für die Einladung.

32:22

Ja, Herr Stöcker, warum wird denn in Deutschland überhaupt noch

32:24

kontrovers darüber diskutiert, ob eine Wärmepumpe Sinn macht?

32:29

Ja, das ist

32:31

eine Frage, bei der, wenn man sie ehrlich beantwortet, man

32:34

immer in der Gefahr ist, dass man gleich das Gefühl vermittelt, das

32:38

Reich der Verschwörungstheorie zu betreten. Also so bitter muss man es

32:40

leider sagen. Es wurde insbesondere im letzten

32:43

Jahr in Deutschland unfassbar viel

32:46

Desinformation über Wärmepumpen verbreitet.

32:48

Es gibt klare Belege

32:50

aus Großbritannien beispielsweise für also auch konzertierte, von

32:54

gut finanzierten PR Agenturen

32:56

gesteuerte Kampagnen, um entsprechende Zweifel

33:00

an der Sinnhaftigkeit von Wärmepumpen zu säen.

33:03

In Deutschland haben wir sowas so klar belegt nicht.

33:06

Aber wir haben jede Menge von völlig absurden und grotesken Aussagen

33:09

von Politikern, eigentlich ausschließlich männlichen, fast

33:12

ausschließlich bis auf Sahra Wagenknecht, zum Thema Wärmepumpen

33:15

in Talkshows und an anderen Stellen,

33:17

wo man sehr deutlich sieht, dass da einfach absichtlich

33:20

Falschinformation gestreut

33:22

wurde und gleichzeitig unheimlich viel Blödsinn erzählt wurde, auch

33:26

über alternative Möglichkeiten. So was wie

33:29

Wasserstoffheizungen. Wir werden in Deutschland niemals

33:31

irgendwo ernsthaft mit Wasserstoff heizen. Aber Jens Spahn

33:35

beispielsweise saß letztes Jahr in einer Talkshow und hat behauptet,

33:37

mit der Photovoltaik auf dem Dach machen wir Wasserstoff im Keller und

33:40

den verbrennen wir dann in der Gasheizung.

33:42

Das wird definitiv nicht passieren. Zum Glück, wäre nämlich auch sehr

33:45

gefährlich. Aber es wurde

33:47

wirklich konzertiert,

33:49

unter anderem von Politikern

33:51

bestimmter Parteien, aber auch von bestimmten Zeitungen aus dem

33:54

Springer Verlag insbesondere,

33:56

diese Technologie absichtlich

33:59

und mit viel Falschinformation

34:01

schlechtgeredet, das muss man leider sagen.

34:02

Das gilt ja nicht nur für die Wärmepumpen. Da gibt es ja auch viele andere Sachen eFuels für Autos

34:06

und solche Sachen. Auch der öffentliche Personennahverkehr,

34:09

da gibt es ja ganz viele Debatten, die wissenschaftlich kaum zu halten

34:12

sind. Die Frage ist, woher kommt das? Informieren sich die

34:16

Leute nicht, wissen sie es nicht besser?

34:18

Also wenn man sich jetzt mal nur die Politik anschaut, ist es eine

34:21

Mischung. Also es gibt Leute, die sind da zweifellos im Auftrag

34:24

irgendwelcher bestimmten Branchen unterwegs.

34:27

Also Beispiel die deutsche

34:29

Gasbranche, die ziemlich groß ist und verzweigt und komplex,

34:33

weil sie besteht zum Teil aus regionalen Energieversorgern usw,

34:37

Stadtwerke, denen Gasnetze gehören und so.

34:39

Die verfügen über gewaltige Assets.

34:41

Also das deutsche Gasnetz ist sicher mehrere 100 Milliarden Euro

34:46

wert und diese

34:48

gewaltigen Assets werden sich in den nächsten 20 Jahren zwangsläufig in

34:51

sogenannte stranded Assets verwandeln, also in

34:53

Investitionsgüter, die nichts mehr wert sind, weil man nicht mehr mit

34:56

Gas heizt, weil wir das einfach nicht mehr machen können.

34:58

Weil es gibt eine Klimakrise und wir müssen aufhören, CO2 zu produzieren.

35:02

Das heißt, da gibt es eine große, verzweigte, komplexe Branche mit

35:05

einer komplexen, verzweigten Lobby.

35:07

Also beim Gas zum Beispiel gibt es da eine Lobbyorganisation namens

35:09

Zukunft Gas, der bis wenige Wochen vor Beginn des Angriffs auf

35:13

die Ukraine auch noch Gazprom angehört hat, also der russische

35:16

Gaskonzern, der in Deutschland kräftig Lobbyarbeit gemacht hat für,

35:20

Zukunft Gas sagt ja eigentlich alles. Also das Gas hat eben keine

35:22

Zukunft. Aber es gibt Leute, die da sehr intensiv dran arbeiten, dafür

35:25

zu sorgen, dass es so ist. Vor dem Hintergrund ist übrigens

35:28

auch diese Wärmepumpedebatte zu sehen. Also in dem Moment, in dem

35:30

ich eben dafür sorge, dass sich jetzt jemand noch eine Gasheizung

35:33

einbaut, was leider letztes Jahr sehr erfolgreich funktioniert hat,

35:36

erzeuge ich eben einen Absatzmarkt,

35:38

der erst mal viele Jahre weiterbestehen wird.

35:40

Und nur darum geht es. Also erst mal, es gibt viele

35:44

Marktbeteiligte, die ein großes Interesse daran haben, weiter ihre

35:47

Produkte zu verkaufen und zwar

35:49

ohne Rücksicht auf Verluste. Es gibt Politikerinnen und

35:52

Politiker, die denen gerne einen Gefallen tun, aus welchen Gründen

35:55

auch immer. Ich will da jetzt nicht in Spekulationen eintreten.

35:58

Es gibt Medienhäuser wie Springer, die zu im Fall von

36:02

Springer 35 % KKR

36:04

gehören, einem der größten Private Equity Investoren

36:08

in fossile Brennstoffe des Planeten,

36:10

Zusätzlich ein kanadischer Pensionsfonds ist da auch noch mit

36:12

drin bei Springer, der auch hohe Anteile an fossilen Brennstoffen

36:16

hält. Und Mathias Döpfner selbst, der mal in seinen bekannten SMS an

36:20

Julian Reichelt geschrieben hat, ich bin sehr für den Klimawandel.

36:23

Warmzeiten waren immer Zeiten, in denen die Menschheit besonders

36:25

erfolgreich war. Also es gibt Medienhäuser,

36:29

Politiker, aber vor allem im Hintergrund eben Lobbyorganisationen

36:32

und Interessen, die ganz intensiv

36:34

daran arbeiten, diese bizarre Parallelrealität, in der fossile

36:38

Brennstoffe besser sind als Wärmepumpen zu erzeugen.

36:40

Eine Nachfrage noch zu dieser Springer KKR Geschichte.

36:43

Springer, größter Verlag in Europa,

36:45

KKR, haben sie geschildert.

36:47

35 % Anteil, große, viele Investments in fossile

36:50

Energien. Da würde Springer jetzt entgegnen, na, das mag ja sein, aber

36:53

die haben ja keinen Einfluss auf unsere Redaktion.

36:55

Na ja, also wie das Verhältnis von Verlag und Redaktion in

36:59

Medienhäusern normalerweise sein sollte in Deutschland, ist ja

37:01

gekennzeichnet durch den Begriff Brandmauer. Den gibt es nicht nur in

37:03

Bezug auf die AfD, sondern auch in Bezug auf die Brandmauer zwischen

37:06

Verlag und Redaktion. Und wie das bei Springer praktisch

37:09

gehandhabt wird, wissen wir spätestens seit diesen SMS von

37:11

Mathias Döpfner. Please stärke die FDP.

37:15

Also in dem Moment, in dem der Chef des Verlags und der Verlagsgruppe

37:19

dem Chefredakteur der Flaggschiff Zeitung explizite inhaltliche

37:23

Ansagen macht, und zwar sehr konkrete tagespolitische Ansagen,

37:26

würde ich sagen, kann man ja schon davon ausgehen, dass Einflussnahme

37:29

stattfindet auf eine ganz andere Art und Weise, als man sich das in einem

37:32

regulären journalistischen Betrieb eigentlich wünschen würde.

37:35

Nachweisen, dass KKR irgendwelche

37:38

konkreten Ansagen bei Springer macht, kann man natürlich nicht,

37:40

aber man kann schon sagen, dass Springer eine Hauspolitik hat.

37:43

Also der Herausgeber der Welt,

37:46

Stefan Aust, der ehemalige Spiegel Chefredakteur, der schon seit

37:50

über 20 Jahren in Deutschland gegen Windkraft agitiert,

37:54

das ist jemand, der letztes Jahr noch gesagt hat, er zweifelt, ob

37:57

der Mensch für die Klimakrise verantwortlich ist.

38:00

Der bekannteste deutsche Klimaskeptikerjournalist

38:04

Deutschlands wurde von Springer angeheuert, nachdem sonst niemand

38:07

mehr mit ihm zusammenarbeiten wollte. Also Springer kultiviert

38:10

aktiv dieses einerseits

38:12

klimaskeptische und andererseits

38:14

transformationsskeptische Narrativ

38:17

sowohl personell als auch inhaltlich. Und ich meine, die

38:20

Gesamtkombination ist schon relativ

38:23

klar. Es gibt da offensichtlich ein Klima in diesem Haus, pun not

38:25

intended, das dafür sorgt, dass man auf diese Art

38:29

und Weise über diese Themen berichtet.

38:31

Nun gut, das ist jetzt Springer. Ich meine, die haben in Deutschland

38:33

eine große Medienmacht, aber die sind ja jetzt auch nicht das einzige

38:36

Medienhaus. Und man würde ja eigentlich denken, dass

38:38

Journalistinnen und Journalisten bemüht sein müssten, die Menschen

38:42

halbwegs wissenschaftlich präzise

38:44

zu informieren. Warum finden sich in der deutschen

38:47

Medienlandschaft auch jenseits von Springer so viele falsche oder

38:50

jedenfalls irreführende Informationen zum Thema Wärmepumpen

38:53

zum Beispiel oder auch zu anderen klimarelevanten technischen Fragen?

38:56

Also das sind 2 bis

38:58

3 Themen. Also einmal ist es so, dass glaube ich der deutsche

39:01

Journalismus insgesamt das Thema Klimakrise lange Zeit

39:05

nicht vollständig verschlafen, aber doch völlig falsch eingeschätzt hat.

39:09

Also es gibt da diesen berühmten Satz von Thomas Bellut, ehemals

39:12

Intendant des ZDF, der sagt, das Klima ist ein Thema und danach kommt

39:15

das nächste Thema. Das ist falsch.

39:18

Also nach dem Klima, wenn das Thema

39:20

Klima nicht ordentlich behandelt wird, kommt gar kein Thema mehr,

39:22

sondern der Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation.

39:24

Und sicher, also da gibt es sozusagen institutionelle Trägheit.

39:27

Es gibt Leute, die jetzt wirklich

39:30

ungern sich eingestehen wollen, dass sie 20 Jahre lang in die falsche

39:33

Richtung geguckt haben. Das sind alles Dinge, die dabei eine

39:35

Rolle spielen. Es gibt strukturelle

39:37

Probleme. Also es gibt eben in den öffentlich rechtlichen

39:41

keine zentrale Klimaredaktion

39:43

oder so was. Also die wirkmächtigste

39:46

Klimaberichterstattung im öffentlich Rechtlichen, um jetzt mal nur in

39:48

diese Richtung zu gucken Fernsehen, machen die Leute, die den

39:50

Wetterbericht machen, also Leute wie Sven Plöger und Karsten Schwanke und

39:53

Özden Terli usw. Die sprechen im Wetterbericht über

39:56

die Klimakrise und das ist sehr ehrenhaft. Aber das ist wirklich

39:59

eigentlich der falsche Ort, sondern

40:01

es ist eben ein Querschnittsthema. Also es gibt institutionelle

40:05

Schwierigkeiten, glaube ich, und Trägheit und auch kognitive

40:07

Dissonanz, die man überwinden muss, weil man eben die ganze Zeit zu

40:10

wenig über etwas gesprochen hat, über das man hätte mehr sprechen

40:13

müssen. Das andere ist aber ich glaube, wir

40:15

sind als Gesellschaften auch immer

40:17

noch nicht richtig auf Ballhöhe, was das Ausmaß

40:21

und die Verteilung und die Vernetzung von fossiler

40:25

Desinformation über die letzten 40 Jahre angeht.

40:28

Also in den USA gibt es immer noch eine sehr große

40:31

Zahl von Leuten, die nicht glauben, dass es eine

40:35

menschengemachte Klimakrise gibt. In den meisten Ländern der Welt ist

40:38

das mittlerweile anders. In den USA ist es noch sehr ausgeprägt, weil die USA auch das

40:41

Mutterland der organisierten Klimawandelleugnung sind.

40:44

Da gibt es also Milliardäre und Konzerne wie Exxon, die

40:48

wirklich hunderte von Millionen Dollar mindestens investiert haben,

40:52

um um da Desinformation zu verbreiten.

40:55

Mittlerweile ist diese Struktur

40:57

immer noch da. Also die besteht aus Think Tanks

41:01

und Stiftungen und

41:03

irgendwelchen vermeintlichen Expertinnen und Experten und

41:07

Lobbyismusorganisationen ohne Ende. In den USA bezahlte sogenannte

41:11

Grassrootorganisationen, die in Wirklichkeit der verlängerter Arm

41:14

von Charles Koch sind, dem größten

41:17

privaten Ölmilliardär

41:19

des Landes usw. All diese Strukturen sind noch da.

41:23

Die meisten davon machen jetzt keine Klimawandelleugnung mehr.

41:27

Aber sie machen jetzt halt was anderes, nämlich sie verbreiten

41:30

Desinformation im Kontext

41:33

der notwendigen Gegenmaßnahmen

41:35

und sie diskreditieren einzelne

41:37

Formen von Energieerzeugung. Also zum Beispiel gibt es in

41:40

Deutschland, glaube ich, wahnsinnig viele Leute, die nicht glauben, dass

41:42

Elektroautos besser fürs Klima sind als Verbrenner. Es ist aber

41:45

glasklar, dass das so ist.

41:47

Es ist ein großer Erfolg, von dieser weitverzweigten Lobbystruktur dafür

41:51

gesorgt zu haben, dass

41:53

an ganz vielen Stellen Zweifel besteht über die Richtigkeit der

41:56

notwendigen Maßnahmen.

41:57

Diese Strukturen reichen ja rein bis in den Deutschen Bundestag.

42:00

Es gibt ja immer wieder einzelne Figuren, die gab es in der Großen

42:02

Koalition schon im Bundeswirtschaftsministerium, und

42:04

die gibt es aber auch jetzt noch im Bundestag, in den

42:08

Regierungsfraktionen. Einzelne Figuren, die dieses

42:11

Gedankengut und diese Industrieinteressen und diese

42:15

Zweifel an den Gegenmaßnahmen in die

42:18

parlamentarische Debatte reintragen. Wer ist das in Deutschland?

42:22

Also derjenige, der das Wärmepumpengesetz, das

42:25

Gebäudeenergiegesetz im Prinzip mehr oder weniger im Alleingang entkernt

42:29

hat, ist Frank Schäffler von der FDP.

42:31

Also die Geschichte geht so. Ein Referentenentwurf wird

42:34

durchgestochen an die Bildzeitung von wem auch immer, mit einem

42:37

bestimmten Spin, der nichts

42:39

mit dem zu tun hat, was in dem Gesetzentwurf tatsächlich drinsteht.

42:42

Da stand nicht drin, wir kommen und reißen dir die Heizung aus dem

42:44

Keller. Aber das war die Geschichte, die erzählt wurde.

42:46

Dann einigt sich die Koalition auf eine veränderte Version dieses

42:50

Gesetzes, die schon deutlich abgeschwächt ist.

42:52

Koalitionsausschuss einigt sich.

42:54

Lindner sagt, wir haben jetzt eine nicht planwirtschaftliche Lösung

42:56

gefunden. Dann gibt es eine FDP Parteitag, und

43:00

dort versammelt Frank Schäffler 30 Rebellen um sich und stürzt auch

43:04

diese neue Version des Gesetzes. Und es wird am Ende eine

43:07

noch weiter entkernte Version

43:09

verabschiedet, über die sich dann in Deutschland eine einzige Gruppe

43:13

richtig freut, nämlich die

43:15

Gaslobby. Und zwar öffentlich.

43:17

Und zu Frank Schäffler muss man jetzt wissen. Frank Schäffler ist

43:19

ein hardcore Libertärer,

43:21

auch wenn er selber das immer wieder bestreitet, der ein

43:24

privates Institut namens Prometheus

43:27

Institut betreibt, das wiederum

43:29

zum Atlasnetzwerk gehört. Und das Atlasnetzwerk ist

43:32

ein seit den Achtzigern bestehendes Netzwerk von libertären

43:36

Thinktanks weltweit,

43:38

gegründet in Großbritannien. In Australien, haben die Atlas

43:41

Mitglieder jetzt mitgewirkt dabei, das The Voice Referendum

43:45

zu drehen, in dem den Aborigines

43:47

mehr Mitspracherecht eingeräumt werden sollte bei Entscheidungen,

43:49

die sie betreffen, weil es ja auch um Öl und Gas und vor allem Kohle

43:52

geht in Australien. Also das Atlasnetzwerk ist ein Teil

43:56

dieser Einflussstruktur, würde ich sagen. In dem steckt sehr viel Geld

43:59

von Charles Koch drin und auch sehr viel Geld von Exxon und anderen,

44:03

mit der versucht wird, weltweit bestimmte Narrative

44:07

in den Markt zu drängen. Ein konkretes Beispiel ist, Frank

44:10

Schäffler ist einer von denen, die immer die Protestierenden der

44:13

letzten Generation als Terroristen bezeichnet hat.

44:16

Obwohl also sich irgendwo festzukleben wirklich kein Terrorismus ist.

44:20

Und dieses Narrativ

44:22

Klimaprotest ist Terrorismus,

44:24

das betreiben Angehörige des Atlas Netzwerks schon seit den

44:28

späten 70er Jahren. Das ging los in Südamerika.

44:31

Man findet es in verschiedenen Weltregionen. Also diese, diese

44:34

Geschichte, die da erzählt wird, ist eine Geschichte, die sozusagen in

44:37

diesen Strukturen entwickelt worden ist und schon sehr lange erzählt

44:40

wird. Und dazu muss man sagen, Frank Schäffler hat letzten Sommer noch

44:42

der Zeit gesagt in einem Gespräch, er zweifelt nicht daran, dass sich

44:45

das Klima ändert. Aber welchen Anteil der Mensch daran

44:48

hat, das ist noch mal eine andere Frage. Es gibt eine starke

44:51

Verknüpfung zwischen so libertären Ideen und Klimawandelleugnung,

44:55

weil in dem Moment, in dem ich sage, der Markt regelt alles, muss ich

44:58

immer noch sagen, aber wenn der Markt es nicht regelt, weil es

45:01

nämlich negative Externalitäten gibt, also schwere Schäden, die

45:04

angerichtet werden durch ein Geschäftsmodell, dann muss das

45:07

irgendwie durch Regulation, Regulierung ausgeglichen werden.

45:11

Das ist aber beim Klimawandel natürlich nicht passiert und beim

45:14

CO2. Also muss man behaupten, CO2 richtet

45:17

gar keinen Schaden an und Frank Schäffler, ein sehr einflussreicher

45:20

Politiker innerhalb der FDP, tut das immer noch. Das sind die Leute, die

45:23

in Deutschland Energiepolitik maßgeblich mit beeinflussen leider.

45:27

Wenn man jetzt auf diese Strukturen der Desinformation schaut, die Sie

45:30

ja am Beispiel dieser Klimadebatten analysiert haben.

45:33

Menschen mit viel Geld, Menschen, die viel Geld verdienen mit dem

45:36

Verbrennen von fossilen Energieträgern, die finanzieren

45:40

Institute. Das setzt sich dann wiederum fort in

45:42

der Politik und in bestimmten Medienhäusern.

45:44

Wenn man also sich diese Strukturen der Desinformation anschaut,

45:48

sehen Sie ähnlich geplanten,

45:50

Unsinn möchte ich das mal nennen, also bezahlten Quatsch in

45:53

den Köpfen. Sehen Sie das auch in anderen

45:55

Diskursen in Deutschland?

45:57

Ja, in jedem Fall. Also das ist ja das, was ich

45:59

tatsächlich an der HAW Hamburg in mehreren Forschungsprojekten

46:02

tatsächlich mache. Da gucken wir uns Desinformation im Allgemeinen,

46:05

digitale Desinformation an

46:08

und der wichtigste Akteur aus

46:10

deutscher Sicht im Augenblick ist zweifellos Russland.

46:12

Da gibt es jede Menge Fälle, auch diverse, sehr aktuelle und durchaus

46:16

bedrückende Fälle, also sowohl was Zahlungen an die AfD angeht, als

46:20

auch andere. Und da muss man wiederum

46:23

sagen, da gibt es natürlich eine starke Verknüpfung, denn Russland

46:25

ist ein Land, das maßgeblich von Öl und Gas abhängt oder

46:29

fast ausschließlich von Öl und Gas abhängt. Also der Reichtum von

46:32

Wladimir Putin und seinem

46:34

inneren Kreis aus kleptokratischen

46:36

Ex KGB Leuten, die sind alle Milliardäre, weil sie

46:40

sich rechtzeitig Zugriff auf diese

46:42

fossilen Assets des Landes gesichert haben.

46:46

Und mit diesen Assets

46:48

wird nicht nur Klimadesinformation

46:50

finanziert, aber auch, sondern natürlich auch so was wie eine

46:54

kräftige Förderung des Themas

46:56

Coronaskepsis oder Impfgegnerschaft.

46:59

Natürlich werden von Russland aus

47:01

Rechtsradikale und zum Teil auch linksradikale, aber primär

47:05

rechtsradikale Parteien in ganz Europa nachweislich

47:08

gefördert. Lustigerweise, Matteo Salvini von der Lega in Italien,

47:13

der Rechtsaußen, da gibt es

47:15

nachweislich eine, da gibt es eine Aufzeichnung von einem Gespräch, wo

47:18

er als Gesandter eines russischen Oligarchen sich mit mehreren

47:21

Legavertretern trifft und von der neuen rechten Allianz in Europa

47:24

schwärmt? Und da wird ein Deal eingefädelt, in

47:27

dem an Matteo Salvinis Lega 50 Millionen Euro fließen

47:31

sollen, und zwar über einen getürkten Öldeal.

47:36

Also das wurde, Russland macht

47:38

ganz viele von diesen Geschäften

47:40

irgendwie auch über

47:42

Öl. Da fließt alles zusammen

47:44

und ich glaube, im Endeffekt ist es so, wenn Sie sich einen

47:47

beliebigen Querdenker suchen und den

47:49

fragen, wie es denn mit der Klimakrise ist, werden Sie

47:52

wahrscheinlich erstaunliche und weniger erstaunliche Antworten

47:55

hören. Weil dieses Desinformationskonglomerat,

47:58

das da entstanden ist und von Russland kräftig gefördert worden

48:02

ist, enthält immer auch

48:04

Klimaskepsis. Denn es geht ja darum, da das

48:07

eigene Geschäftsmodell zu sichern. Aber gleichzeitig geht es auch

48:10

darum, westliche Staaten und Europa

48:12

so weit wie möglich zu destabilisieren. Und da ist im

48:14

Zweifelsfall jedes Narrativ recht. Im Moment ist das Narrativ,

48:17

Deutschland steht am Abgrund und

48:19

wir haben bald Blackout usw. Eben das sind so Dinge, die den

48:23

Leuten Angst machen. Die werden von Russland nach Kräften

48:26

gefördert und die werden natürlich auch von so Parteien wie der AfD,

48:29

die Russland sehr nahestehen, munter gepusht.

48:33

Vielen Dank! Das war im Gespräch mit der Lage. Christian Stöcker ist

48:35

Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg

48:38

und hat jetzt ein Buch geschrieben. Das nennt sich "Männer, die die

48:41

Welt verbrennen". Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit.

48:43

Danke Ihnen.

48:45

Ja, ich habe es ja gerade gehört. Das ist ja bei Professor Stöcker

48:48

schon angeklungen. Auch Russland versucht,

48:50

den öffentlichen Diskurs in Deutschland massiv zu beeinflussen.

48:54

Versucht zu beeinflussen, wie reden

48:56

wir wann über was? Was sind eigentlich die Themen, die

48:59

in Deutschland auf Interesse stoßen? Vor allem bezieht sich diese

49:03

Desinformation hier auf Themen wie Klimawandel, Corona.

49:06

Muss man davon ausgehen, dass also ganz viel Coronaimpfskepsis

49:10

zum Beispiel von Russland beeinflusst war, weil je mehr

49:13

Menschen in Deutschland krank werden, umso besser für Russland.

49:15

Aber natürlich geht es Russland auch darum, die Meinung in Deutschland

49:20

zum Ukrainekrieg, zum Überfall Russlands auf die Ukraine und

49:23

zu unserer Demokratie allgemein

49:25

zu beeinflussen.

49:26

Und besonders brisant ist das natürlich jetzt alles, weil im Juni

49:30

das Europäische Parlament neu

49:32

gewählt wird und eben

49:35

europaweit Kräfte auf dem Vormarsch

49:37

sind, die Russland

49:39

durchaus freundlich und Sympathie geschwängert

49:42

gegenüberstehen.

49:43

Und das ist auch wiederum kein Zufall, denn die haben da einfach

49:46

ihre ganz eigenen Interessen.

49:48

Das jüngste Beispiel für

49:50

diese Versuche, hier für Unruhe zu sorgen und Fake News zu

49:54

verbreiten, war, muss man sagen, das in Anführungsstrichen

49:58

Nachrichtenportal Voice of Europe, also die

50:02

Domain voiceofeurope.com ist offline, da ist nichts zu finden.

50:05

Bei Twitter sind sie noch da, mit 180 über 180.000

50:09

Followern.

50:10

Also X jetzt inzwischen.

50:11

X, genau. Also auf den ersten Blick

50:14

war Voice of Europe ein

50:17

populistisches,

50:19

rechts tendenziöses

50:22

Medienmagazin vielleicht kann man sagen.

50:25

Da sind also diverse Artikel

50:27

erschienen in 16 Sprachen, Sitz war in Prag und

50:31

da dominierten schon so polarisierende Themen, möchte ich es

50:34

mal nennen Migration, Bauernproteste, solche Sachen.

50:38

Es gab auch sehr viele Interviews mit vor allen Dingen rechtsextremen

50:42

und rechtspopulistischen Politikern,

50:44

also AfD Leute zum Beispiel wie

50:46

Maximilian Krah. Erster Platz auf der Liste für

50:50

die Europawahl der AfD. Wurde da, glaube ich, zweimal

50:52

interviewt. Aber dann gab es eben auch

50:56

so merkwürdige Übersetzungsfehler.

50:58

Also Jan Böhmermann wurde als Moderatorin

51:02

bezeichnet, glaube ich, und so. Also es gab so ein paar Sachen, wo

51:04

man beim Lesen so dachte, so-

51:06

Das ist jetzt kein deutscher Muttersprachler gewesen.

51:08

Wie ist das jetzt so? Und dann fanden sich, sagt der

51:10

Spiegel, im Quellcode auch noch kyrillische Buchstaben.

51:14

Ups.

51:14

Und es stellte sich dann jetzt halt raus, Voice of Europe ist

51:18

ein russisches Propaganda-

51:20

und Korruptionsunternehmen.

51:23

Die tschechische Regierung sagt, diese Seite wurde finanziert

51:26

von Putins Freund Wiktor Medwedtschuk.

51:29

Und zwar wurde das verdeckt finanziert und deswegen ist

51:33

diese Seite auch jetzt von der tschechischen Regierung auf eine

51:35

Sanktionsliste gesetzt worden. Deswegen ist das Ding jetzt auch

51:38

wahrscheinlich offline. Wer ist Viktor Medwedtschuk?

51:42

Er ist ein prorussischer Oligarch ukrainischer

51:46

Herkunft. Der gilt als enger Freund

51:48

des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Und auch Maximilian

51:52

Krah, also der AfD Politiker Nummer eins auf der Liste für die

51:55

Europawahl, hat enge Verbindung zu Medwedtschuk

52:01

gehalten, schreibt der Spiegel. Krah hat auch oft

52:03

Russland besucht, hat sich auch mit Medwedtschuk fotografieren lassen.

52:07

Krah selber will kein Geld bekommen haben.

52:10

Also der hat Interviews, zwei Interviews für die Seite gegeben,

52:13

will aber selber kein Geld von Medwedtschuk bekommen haben,

52:17

sagt er. Auch keine geldwerten

52:19

Gegenleistungen will er angenommen haben, schreibt der Spiegel.

52:22

Aber die tschechische Regierung hat weiter herausgefunden, dass diese

52:25

Seite Voice of Europe eben nicht nur Propagandatexte in 16 Sprachen

52:29

veröffentlicht hat, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen,

52:31

nein. Über diese Seite soll auch Geld

52:34

geflossen sein an zahlreiche Abgeordnete in der Europäischen

52:38

Union, damit sie eben Russlands Lied

52:40

singen. Unter anderem nennt die tschechische Tageszeitung Deník N da

52:44

Abgeordnete aus sechs Ländern, unter anderem auch aus Deutschland.

52:47

Und zwar sind das Abgeordnete

52:50

der AfD.

52:51

Richtig. Der Spiegel schreibt, das Geld an diese Abgeordneten aus

52:54

diesen sechs Ländern soll entweder bei persönlichen Treffen in Prag bar

52:57

übergeben worden sein oder eben per Kryptowährung/Bitcoin transferiert

53:02

worden sein. Insgesamt, schreibt der Spiegel,

53:05

seien da mehrere 100.000 €

53:08

überwiesen worden, zumindest stünde das in Rede.

53:11

Also, ein russischer Oligarch, Putinfreund

53:15

finanziert, so ein in Anführungsstrichen

53:18

Medienunternehmen, das erst mal

53:21

rechtsextreme Artikel und Informationen in Anführungsstrichen

53:24

verbreitet. Und soll

53:27

darüber auch Abgeordnete aus sechs

53:29

Ländern Geld übermittelt

53:31

haben, damit die Russlands Lied singen.

53:33

Also vielleicht noch mal um, damit man sich so ein bisschen vorstellen

53:35

kann, wofür die stehen. Also wie gesagt, die Website ist ja

53:37

inzwischen offline. Sie haben aber sich auf X,

53:41

also dieser inzwischen ja auch

53:43

immer skurrileren Seite von

53:45

Elon Mask dazu geäußert. Und sie reden da im Grunde genauso

53:49

wie Donald Trump. Da werden sie also, ist jetzt ein

53:52

englischer Text. Ich übersetze das mal so auszugsweise.

53:55

Sie werden angeblich genauso wie europäische Bauern oder

53:59

politisch aufsteigende Antiglobalisierungsparteien

54:02

unfair ohne Unterlass

54:04

verleumdet als Putinisten.

54:06

Und zwar von wem verleumdet? Von den zunehmend unpopulären

54:10

globalen Eliten. Außerdem werden sie diskreditiert

54:12

von den Lakaien der lügenden

54:14

Mainstreampresse und von Soros finanzierten NGOs.

54:18

Das schreiben sie quasi als Reaktion.

54:19

Genau. Das ist also ein Twitter

54:22

Post hier vom 1. April. Habe ich gerade mal so

54:25

auszugsweise zitiert. Ich glaube, das muss man jetzt nicht

54:27

als Aprilscherz sehen, sondern das ist die mehr oder weniger offizielle

54:31

Position von Voice of Europe zu dieser Berichterstattung und zu der

54:34

Sperrung. Und da finde ich, ist doch

54:36

unüberhörbar, dass da da ganz typischen Talking Points aus Moskau

54:39

kommen. Soros finanzierte NGOs,

54:42

Globalisten also als Codewort

54:44

für Antisemitismus usw usw.

54:46

Da ist natürlich die Frage, wer hat denn dieses Geld bekommen?

54:49

Das muss man sagen, ist bisher weitgehend unklar, zumindest was die

54:52

Namen angeht. Abgeordnete aus sechs Ländern, das

54:55

wird sicherlich noch rauszufinden sein. Ein Name, der ist

54:59

aber gefallen mit recht konkreten Beschuldigungen.

55:02

Und der ist Petr Bystron. Das ist ein Mensch, der sitzt

55:06

für die AfD im Bundestag

55:08

und ist eben hinter Maximilian

55:10

Krah die Nummer zwei auf der Liste der AfD für die

55:14

Europawahl. Und diese Zeitung, von dir auch

55:16

schon angesprochen, Deník N, die berichtet nun, dass der tschechische

55:20

Geheimdienst ein Audiomitschnitt

55:23

besitzt, die

55:25

eine Bestechung des AfD Politikers Petr Bystron durch

55:29

prorussische Akteure

55:31

beweisen soll. Er soll also ein Audio geben,

55:34

wo er bestochen wird.

55:36

Nun muss man natürlich sehen, der tschechische Geheimdienst will das

55:38

Audio jedenfalls bisher nicht veröffentlichen.

55:41

Deswegen ist das so ein ganz kleines bisschen wackelig.

55:43

Die AfD Bundesspitze fordert natürlich jetzt Aufklärung von ihrem

55:47

Abgeordneten Bystron, was ist da dran? Der Abgeordnete selber

55:51

spricht von unbewiesenen Anschuldigungen und Behauptungen, er

55:54

habe sich nichts vorzuwerfen.

55:56

Und den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte er Zitat

55:59

"Ich habe kein Geld angenommen, um prorussische Positionen zu

56:03

vertreten". Kann man natürlich nur sagen, geiles Dementi.

56:06

Also wer die Lage schon länger hört, der erkennt auch hier wieder ein

56:08

sogenanntes überspezifisches Dementi. Es geht ja nicht nur darum,

56:12

dass er kein Geld angenommen haben soll, genau um etwas ganz Bestimmtes

56:16

zu tun oder nicht zu tun, sondern er sollte natürlich überhaupt gar kein

56:19

Geld von russischen Mittelsmännern annehmen. Nach dem

56:22

Abgeordnetengesetz ist das nämlich nur in ganz engen Grenzen zulässig,

56:25

überhaupt Geld anzunehmen. Wahrscheinlich hätte er es

56:28

mindestens melden müssen an die Präsidentschaft des Deutschen

56:32

Bundestages, wenn es nicht ganz illegal war, dieses Geld anzunehmen.

56:35

Er dementiert ja auch nicht, Geld angenommen zu haben. Er dementiert

56:38

ja nur, Geld angenommen zu haben,

56:40

um prorussische Positionen zu vertreten.

56:42

Das ist das Wesen dieses überspezifischen Dementis.

56:45

Das klingt erst mal wie, der Typ hat nie Geld angenommen.

56:48

Was er aber sagt, ist, ich habe kein Geld angenommen, um

56:51

prorussische Positionen zu vertreten. Das lässt zumindest

56:55

offen, dass er Geld angenommen

56:57

hat für irgendwas anderes.

56:59

Der Witz ist natürlich bei solcher Form der politischen Korruption,

57:02

dass man auch gar nicht explizit damit eine Erwartung verbinden muss.

57:05

Wenn ich irgendwie 100.000 € aus Moskau bekomme, dann weiß ich schon

57:08

ganz von alleine, das kriege ich natürlich nicht einfach, weil Putin

57:11

so ein netter Mensch ist, sondern das kriege ich natürlich genau

57:13

deswegen, weil von mir bestimmte Dinge erwartet werden.

57:15

Das ist ja gerade das Wesen von Korruption.

57:18

Richtig. Voice of Europe wurde jetzt enttarnt, würde ich mal sagen,

57:21

führend vom tschechischen Geheimdienst, aber eben in Zusammenarbeit mit anderen

57:24

europäischen Geheimdiensten. Und ich fand einen Begriff ganz

57:27

interessant, den Transparency International, also diese

57:31

NGO, ins Feld geführt hat, die sich halt für mehr

57:34

Transparenz einsetzt. Die nennt so was strategische

57:38

Korruption und Transparency schreibt, dass sie darunter

57:42

verstehen den Einsatz korrumpierender Mittel durch einen

57:45

Staat, um direkt oder indirekt die politische Willensbildung in

57:49

einem anderen Staat zum eigenen

57:51

Vorteil zu beeinflussen.

57:53

Und sie beschreiben das eben als eine sehr langfristige strategische

57:58

Einflussnahme, die eben Teil

58:00

dieser hybriden Kriegsführung

58:02

ist, die halt von Krieg,

58:04

heißen Krieg mit Waffen reicht über

58:06

Cyberattacken, Hacks im Bundestag bis zu,

58:10

wir bestechen jetzt mal eure Abgeordneten, damit die eben

58:14

unser Lied singen und im Zweifel dann auch in unserem Sinne

58:17

abstimmen. Und Transparency fordert

58:19

jetzt eben, im Kampf gegen strategische Korruption sehen

58:23

wir dringenden strukturellen Handlungsbedarf.

58:26

Zu diesem Zweck fordern wir die Einsetzung einer Enquetekommission

58:29

des Bundestages, die den illegitimen

58:31

Einfluss von autokratischen Staaten

58:34

aufarbeitet. Wir müssen die Schlupflöcher identifizieren,

58:37

die von autokratischen Staaten ausgenutzt werden, um zügig

58:40

Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

58:43

Denn die aktuellen Vorwürfe reihen sich in eine lange Liste

58:47

strategischer Korruption ein, die

58:49

von der Aserbaidschan Affäre bis

58:51

Katar geht. Das heißt, Aserbaidschan, das

58:54

ist auch mehrfach bewiesen und nachgewiesen, hat Abgeordnete,

58:58

deutsche Abgeordnete, Abgeordneter im Europaparlament bezahlt,

59:02

um eben im Sinne Aserbaidschans

59:04

abzustimmen und sich zu äußern. Ähnlich war das mit Katar

59:08

im Europäischen Parlament. Da ist jetzt die Frage, was sind

59:12

die Schlupflöcher? Was soll man machen? Wie ist das einzuräumen?

59:14

Und das ist, das ist eben die zentrale Frage, deswegen auch die

59:16

Forderung nach einer Enquetekommission, einfach weil das ein weites Feld

59:19

ist. Aber jedenfalls macht das immer wieder deutlich, ist es einfach

59:22

wahnsinnig wichtig, dass man bei allen Menschen, die politisch

59:25

Verantwortung tragen, wirklich weiß,

59:27

von wem nehmen die Geld an und wofür? Deswegen sind zum Beispiel

59:30

auch so Drehtürgeschäfte höchst problematisch.

59:33

Wenn Menschen kurz nach dem Ausscheiden aus einem wichtigen Amt

59:35

mit einem Mal bei irgendwelchen Unternehmen tätig werden oder sich

59:38

selbstständig machen mit einer Beratungsbude, wie das jetzt Andreas

59:40

Scheuer zum Beispiel gemacht hat, der ehemalige Bundesverkehrsminister.

59:44

Das ist einfach ein Riesenproblem, wenn man nicht so richtig weiß,

59:47

wessen Lied singen die Leute einfach. Und ich finde das auch so

59:50

spannend, wenn man das noch mal zusammennimmt mit dem Interview mit

59:53

Professor Stöcker, das wir eben geführt haben.

59:55

Es ist eben nicht ganz unwahrscheinlich, dass ausländische

59:59

Staaten ebenso wie bestimmte

1:00:01

ausländische Unternehmer oder Unternehmen ganz gezielt versuchen,

1:00:05

die politische Landschaft auch in Deutschland oder in der Europäischen

1:00:08

Union zu beeinflussen und das unter anderem auch tun,

1:00:11

indem sie letztlich Fake News verbreiten. Das sind im Grunde so

1:00:14

zwei verschiedene Strategien,

1:00:16

die man anwenden kann, um die öffentliche Meinung zu manipulieren.

1:00:20

Das eine ist, man kauft sich Abgeordnete, das andere ist, man

1:00:23

träufelt den Leuten irgendeinen Quatsch in die Gehirne.

1:00:26

Und wie gesagt, ich finde, das schließt auch den Bogen zu unserem

1:00:28

Interview mit Mario Voigt in der vergangenen Woche. Das wollen wir

1:00:31

gleich noch ausführlich aufarbeiten. Aber da war ja auch einfach, das

1:00:34

haben wir auch an Reaktionen aus dem Publikum gemerkt, da waren ja auch

1:00:38

ganz viele steile Thesen drin, um es mal sehr vorsichtig zu

1:00:40

bezeichnen. Und wo kommen die her? Na ja, die haben die, das denken

1:00:44

eben bestimmte Leute. Und wo kommt das her?

1:00:46

Na ja, das haben sie eben unter anderem daher, dass es russisch

1:00:50

gesteuerte Propaganda natürlich auch in Deutschland gibt.

1:00:52

Ein weiteres Thema. Damit kommen wir zum nächsten Thema.

1:00:55

Ein weiteres Thema, was auch in diesen Komplex gehört, aber

1:00:58

auf eine ganz andere Art und

1:01:00

ganz überraschende Art, finde ich auch, ist diese Debatte um

1:01:04

die sogenannten RKI Protokolle. Also worum geht es?

1:01:08

Es gibt ja gerade eine aktuelle Debatte darüber oder Diskussion,

1:01:11

soll diese Coronazeit

1:01:13

und der Umgang der Politik und der Wissenschaft und vor allen Dingen

1:01:16

des RKIs, also des Robert Koch Instituts, mit dieser Pandemie,

1:01:19

das Wirken in dieser Pandemie soll das irgendwie noch mal aufgearbeitet

1:01:22

werden? Und in diese Debatte

1:01:24

rein fiel jetzt die Veröffentlichung

1:01:27

der Protokolle des Krisenstabs des Robert

1:01:31

Koch Instituts aus der Anfangszeit

1:01:33

der Coronapandemie. Nicht komplett. Ich glaube, die

1:01:36

Protokolle Ende April 21, aber

1:01:38

ist so die Anfangszeit. Diese Protokolle, die sind

1:01:42

jetzt zum Teil geschwärzt, erheblich geschwärzt, veröffentlicht worden.

1:01:46

Krisenstab des RKI war einfach

1:01:48

das zentrale Gremium zur wissenschaftlichen Beratung der

1:01:51

Politik in dieser Pandemiezeit.

1:01:54

Und zwar wurden diese Protokolle

1:01:56

offengelegt auf Grundlage einer

1:01:58

Anfrage nach dem sogenannten Informationsfreiheitsgesetz.

1:02:01

Die hat allerdings das Robert Koch Institut nicht freiwillig

1:02:04

rausgerückt, sondern hat sich da verklagen lassen.

1:02:07

Schon problematisch, sagen wir mal, und zwar von dem Onlinemedium

1:02:10

Multipolar. Der Spiegel schreibt dazu, das sei

1:02:13

Zitat, das Medium eines rechten Verschwörungstheoretikers.

1:02:16

Wie auch immer, jedenfalls liegen jetzt also diese Protokolle

1:02:19

öffentlich vor. Und man muss ganz ehrlich sagen,

1:02:22

Phillip, inhaltlich enthalten sie eigentlich wenig Neues, was diese

1:02:26

große Aufregung rechtfertigen würde.

1:02:28

Ja, also ich würde sagen-

1:02:29

Es gibt ein paar Fehler.

1:02:31

Gibt so ein paar Sachen, die man inhaltlich schon, die schon, sagen wir mal,

1:02:34

interessant sind. Also da ist zum einen natürlich der

1:02:37

Umgang des RKI und des Krisenstabs

1:02:39

mit dieser Frage, sollen die Leute

1:02:41

Masken tragen? Sollen wir den Leuten das Tragen von Masken empfehlen und

1:02:45

wenn ja, von welchen? Da muss man einfach sagen, da hat

1:02:48

das RKI, das haben wir damals in der Lage auch gesagt, mindestens

1:02:52

missverständlich kommuniziert.

1:02:54

Da war die Kommunikation

1:02:56

auch geleitet

1:02:58

von der politisch verschuldeten Knappheit von

1:03:02

Masken.

1:03:03

Also da findet sich in den Protokollen nämlich die

1:03:05

Formulierung, spätestens

1:03:07

wenn Masken wieder besser verfügbar

1:03:09

sind, sollte das Tragen stärker propagiert werden.

1:03:13

Und da muss man sagen, das war ein ganz großer Fehler des Robert Koch

1:03:16

Instituts. Denn, dass Masken

1:03:19

wissenschaftlich sinnvoll sind, dass sie also die Übertragung des

1:03:23

Coronavirus jedenfalls erschweren, das war längst

1:03:26

wissenschaftlich klar. Das Robert Koch Institut hat das

1:03:29

aber nicht so deutlich gesagt. Und zwar, weil sie eben gesagt

1:03:32

haben, na ja, Masken sind knapp und.-

1:03:34

Die brauchen wir für Ärzte, Pfleger usw.

1:03:37

Die brauchen wir für irgendwas anderes. Genau. Und da muss man einfach sagen, das ist falsch.

1:03:39

Das haben wir übrigens auch damals schon in der Lage kritisiert.

1:03:42

Das ist deswegen keine Neuigkeit.

1:03:44

Die Politik, ja, die Politik, keine Ahnung, die Bund

1:03:48

Länder Konferenz oder das Bundeskabinett, die können und

1:03:51

müssen abwägen. Die müssen verschiedene Aspekte

1:03:54

einbeziehen, eben nicht nur die wissenschaftliche Evidenz.

1:03:56

Aber die Wissenschaft, und das ist die Rolle des Robert Koch Instituts,

1:03:59

die Wissenschaft darf aber nicht verschiedene pragmatische Erwägungen

1:04:03

anstellen, sondern sie muss rein wissenschaftlich informieren.

1:04:05

Es wäre also Rolle des Robert Koch Instituts gewesen zu sagen, Masken

1:04:09

schützen. Punkt. Je besser die Maske, desto besser.

1:04:12

Und das hätten sie auch ohne Punkt und Komma und ohne aber so

1:04:15

kommunizieren müssen. Und dann wäre es eine politische

1:04:17

Entscheidung gewesen, zu sagen, wir priorisieren aber die Verteilung

1:04:21

der Masken folgendermaßen. Aber den Leuten zu sagen, hm,

1:04:23

Wirksamkeit von Masken wissen wir auch nicht. Das war eine ziemlich

1:04:26

bescheuerte Idee, die übrigens bis heute noch nachwirkt.

1:04:29

Denn bis heute ist es ja so, dass in Deutschland das Maske tragen

1:04:32

extrem, sagen wir mal, politisiert ist. Und es gibt eben

1:04:35

Maskenskeptiker:innen und es gibt Leute, die engagiert Maske tragen

1:04:38

und so und da hat das RKI uns allen, wenn man ehrlich ist, ein Ei ins

1:04:42

Nest gelegt. Aber wie gesagt, keine News. Das wussten wir damals schon.

1:04:43

Richtig, genau das wurde jetzt noch mal beschädigt. Ist noch mal ganz

1:04:46

interessant. So würde ich es mal nennen. Aber jetzt kein neuer

1:04:48

Skandal. Was es aber vor allen Dingen nicht

1:04:51

gibt in diesen Protokollen, sind Belege für einen politischen

1:04:54

Einfluss auf die Hochstufung

1:04:57

des Risikos durch die Pandemie

1:04:59

durch das Virus, die dann

1:05:01

zum ersten Lockdown geführt hat. Das ist ja so der Spin

1:05:05

und und die Geschichte, die Multipolar quasi in diesem Artikel

1:05:08

erzählt hat, aus diesen Protokollen

1:05:10

würde hervorgehen, dass diese

1:05:12

Einstufung des Risikos hochgesetzt

1:05:15

wurde, woraufhin dann

1:05:17

die Politik den Lockdown verengt hat. Und zwar diese Hochstufung sei

1:05:20

passiert durch Einfluss

1:05:22

der Politik.

1:05:23

Und da muss man sagen, das haben die einfach erfunden.

1:05:25

In den Protokollen, in den Protokollen steht halt drin, das

1:05:28

sollte verkündet werden, erst nachdem eine Person, wer

1:05:32

war geschwärzt, diese Information,

1:05:34

diese Hochstufung freigibt.

1:05:35

Dieses Signal gibt.

1:05:37

Und das hat Multipolarität einfach frei erfunden, das sei eine

1:05:40

politische Person von außen gewesen.

1:05:42

Das Robert Koch Institut sagt aber, das stimmt überhaupt nicht.

1:05:45

Das war eine Person aus der RKI Leitung, mit der das erst noch quasi

1:05:48

abgestimmt werden musste, die das, die grünes Licht geben musste, aber

1:05:52

gerade keine politische Entscheidung.

1:05:53

Und hinterher kam auch noch in so erklärenden, in so einem erklärenden

1:05:57

PDF des RKI raus, dass an dieser Sitzung, in der diese Hochstufung

1:06:00

stattfand, gar kein Politiker teilgenommen hat. Da saßen also nur

1:06:04

Wissenschaftler, Wissenschaftlerinnen aus diesem

1:06:06

RKI Umfeld drin.

1:06:08

Also die zentrale Botschaft dieses Multipolar Textes war eine freie

1:06:11

Erfindung. Die haben halt einfach diese geschwärzte Stelle zum Anlass

1:06:14

genommen für die Erfindung, das war wohl politische Einflussnahme,

1:06:17

während es in Wirklichkeit ein völlig normaler Vorgang war, dass

1:06:20

man nämlich erst im RKI, das noch mit bestimmten Menschen abstimmen

1:06:23

muss.

1:06:23

Was die Protokolle viel mehr zeigen, finde ich, ich habe sie jetzt nicht

1:06:26

alle gelesen, aber Leute, die sie gelesen haben und so

1:06:30

ein kursorisches Überfliegen dieser Protokolle, das

1:06:33

führt zu der Erkenntnis, dass es zwischen diesen Wissenschaftlern

1:06:37

und Wissenschaftlerinnen und zwischen diesen Leuten vom RKI

1:06:39

lebhafte Diskussionen gegeben

1:06:41

hat. Da kam wirklich alles auf den Tisch, da wurden Unsicherheiten

1:06:45

formuliert, das ging hin und her und ja, es gab Fehleinschätzungen,

1:06:49

natürlich. Aber eben auch, weil

1:06:51

sich das Wissen einfach jeden Tag geändert hat. Die mussten halt unter

1:06:55

sehr hohem Druck mit sehr hohen Ungewissheiten hantieren.

1:06:58

Und natürlich kam es dabei auch zu

1:07:00

Fehleinschätzungen. Aber was aus diesen Protokollen

1:07:03

nicht hervorgeht, ist, dass das RKI auf Druck der Politik

1:07:07

irgendwelche Dinge gesagt hat

1:07:09

oder nicht gesagt hat.

1:07:10

Und deswegen muss man einfach sagen, wenn man das, wenn man das mal ein

1:07:13

bisschen nüchtern liest und ohne eine bestimmte Brille, dann muss

1:07:16

man, glaube ich, sagen, es gibt hier einfach keinen Skandal.

1:07:19

Wie gesagt, es gibt diese, diese ungeschickte Kommunikation bei den

1:07:22

Masken. Haben wir damals schon in der Lage kritisiert, ist also keine

1:07:25

Neuigkeit. Und ansonsten muss man sagen, ist das ein komplett

1:07:28

erfundener Skandal aus der

1:07:30

rechten Ecke bzw. von Fans von Verschwörungsmythen.

1:07:33

Aber muss man glaube ich sagen, das hat

1:07:37

in den Medien doch überraschend viel Widerhall gefunden dafür, dass das

1:07:40

eigentlich keine Nachrichten sind. Da hätte man sich wirklich

1:07:42

gewünscht, dass das so ein bisschen entspannter aufgearbeitet

1:07:45

worden wäre oder wenn überhaupt berichtet worden wäre mit einer mit

1:07:48

einer klaren Einordnung, Phillip, aber-

1:07:50

Das ist aber auch schon passiert. Also ich finde Zeit und Spiegel und

1:07:53

so, die haben dann schon lange Artikel darüber geschrieben, was

1:07:56

steht in diesen RKI Files eigentlich drin? Süddeutsche

1:07:58

auch.

1:07:59

Das ist natürlich gut, aber ich habe zum Beispiel auch von, auch eine

1:08:02

ostdeutsche Regionalzeitung gelesen,

1:08:04

die hat da schlicht und ergreifend eins zu eins abgebildet, was

1:08:07

Multipolar so alles ins Netz gestellt hat.

1:08:08

Das ist sicherlich richtig. Aber, und da kommen wir so ein

1:08:11

bisschen zu unserem Kritikpunkt, das liegt natürlich auch

1:08:15

daran, wie das RKI und das

1:08:18

Bundesgesundheitsministerium

1:08:20

mit dieser Veröffentlichung der Protokolle umgegangen ist.

1:08:24

Und da finde ich-

1:08:25

Da kann man eine Menge lernen noch.

1:08:27

Das ist jetzt kein Skandal, aber das ist doch wirklich kritikwürdig.

1:08:30

Und da können, glaube ich, auch Ministerien und Behörden einfach

1:08:33

eine Menge lernen und deswegen haben wir uns gedacht, machen wir das noch

1:08:36

mal ein bisschen größer auf. Ich finde ehrlich gesagt, die

1:08:38

ungeschickte Behandlung dieses Themas geht schon mit dem ersten

1:08:41

Antrag aus dem Mai 2021 los, sagt jedenfalls

1:08:45

Multipolar. Da wollen sie nämlich den ersten Antrag nach dem

1:08:48

Informationsfreiheitsgesetz gestellt haben. Und da denke ich, hätte das

1:08:52

RKI schon wissen können, wahrscheinlich müssen wir die

1:08:55

Protokolle rausgeben, jedenfalls mit Namen geschwärzt.

1:08:58

Um Persönlichkeitsrechte zu schützen, kann man

1:09:00

Mitarbeitendennamen zwar schwärzen, aber im Grundsatz muss man die

1:09:03

Sachen rausgeben. Wahrscheinlich hätten sie sogar gut

1:09:06

daran getan, noch nicht mal sich da

1:09:08

verklagen zu lassen. Meine Herren, rückt doch diese

1:09:10

Protokolle raus, denn Geheimniskrämerei an dieser Stelle

1:09:14

führt doch nur wieder zu irgendwelchen Verschwörungsmythen.

1:09:16

Zumal nichts Brisantes

1:09:19

drinsteht!

1:09:20

Ne, man hätte sie einfach rausgeben können.

1:09:21

Stattdessen lassen sie sich halt von Multipolar verklagen.

1:09:24

Das ist halt der übliche Weg. Wir geben es nicht raus. Multipolar sagt, aber ihr müsst.

1:09:27

Dann gibt es halt ein Verfahren bla bla bla.

1:09:29

Machen wir auch. Haben wir auch gerade eine Klage vor dem

1:09:31

Verwaltungsgericht laufen, wo es auch um Unterlagen gibt, die eine

1:09:34

Behörde einfach nicht rausrückt.

1:09:35

Das ist leider Standard bei diesen IFG Anfragen, also Anfragen nach

1:09:39

Informationsfreiheitsgesetz. Multipolar sagt, erste Anfrage

1:09:42

Mai 2021.

1:09:44

Im April 2023-

1:09:47

Zwei Jahre später.

1:09:48

Rückt das RKI also diese

1:09:50

Dokumente raus.

1:09:51

Nach einer gerichtlichen Entscheidung.

1:09:53

Nach einer gerichtliche Entscheidung, stark geschwärzt.

1:09:55

Dazu 1000 Seiten,

1:09:58

1000 Seiten, Erläuterungen

1:10:00

zu diesen Schwärzungen. Also wird immer begründet, warum ist

1:10:02

das geschwärzt, warum ist das geschwärzt, warum ist das geschwärzt?

1:10:05

Gegen diese Schwärzungen hat Multipolar auch geklagt.

1:10:08

Der nächste Gerichtstermin dazu soll im Mai diesen Jahres sein.

1:10:14

Also, Multipolar bekommt die Dokumente. Die geschwärzten im April

1:10:17

2023. Ein Jahr später, ein Jahr später, am

1:10:19

18.03.2024, erscheint dann der Artikel, der

1:10:25

erste Artikel in Multipolar mit dieser These "Politik

1:10:29

gibt Signal an RKI,

1:10:31

um dann politisch den Lockdown zu ermöglichen", haben wir gesagt, ist

1:10:34

Quatsch. Das ist am 18.03

1:10:37

These des ersten Artikels in Multipolar.

1:10:38

Elf Monate nachdem das RKI

1:10:40

die Dokumente an Multipolar übergeben hat.

1:10:43

Also fast ein Jahr und zwei Tage später, also am 20.03, zwei Tage

1:10:47

nach diesem ersten Artikel stellt Multipolar dann diese ganzen

1:10:50

Dokumente ins Netz. Bei aller Kritik an Multipolar, das

1:10:53

machen auch nicht alle Medien, die ein IFG Verfahren

1:10:57

gewinnen und in den Besitz von brisanten Dokumenten kommen.

1:11:01

Das passiert also am 20.03.

1:11:03

Sieben Tage später, sieben Tage nach der ersten

1:11:06

Veröffentlichung, gibt es dann beim RKI eine dünne

1:11:10

Stellungnahme, so nach dem Motto,

1:11:12

ja, müssen wir ja machen. Die Schwärzung, das schauen wir uns

1:11:14

irgendwie noch mal an. Und sie sagen halt auch, dieser

1:11:17

Mitarbeiter, der da angeblich das Signal

1:11:21

gegeben hat zur Hochstufung des Risikos, das war jemand

1:11:25

vom RKI.

1:11:26

Und eben nicht die Politik.

1:11:27

Nicht die Politik. So, das ist das was das, was mehr oder weniger da

1:11:29

drinsteht und sagt in so einer zweiten Stellungnahme jaja, die

1:11:32

Schwärzung, das schauen wir uns noch mal an. Also du hast es

1:11:35

gesagt. Zwischen Übergabe der Dokumente an Multipolar

1:11:39

und der Publikation

1:11:41

verging ein Jahr. Dann braucht das RKI noch mal

1:11:45

fast eine Woche, um darauf zu reagieren. Und da muss man sagen,

1:11:48

das-

1:11:49

Das kann nicht sein.

1:11:50

Das kann einfach nicht sein. In dieser ganzen Zeit nach

1:11:54

der Veröffentlichung ging natürlich alles mögliche steil.

1:11:57

Du hast es eben schon gesagt. Multipolar hat eine These.

1:11:59

Andere Zeitungen übernehmen das, ohne zu recherchieren, ohne in diese

1:12:02

Dokumente zu gucken. Auf Social Media geht es natürlich

1:12:05

ab ohne Ende. Da werden Sätze aus dem Zusammenhang

1:12:09

gerissen. Da gibt es natürlich den Satz, wo drin steht, möglicherweise

1:12:12

sind die Schäden des Lockdowns größer als die der Pandemie.

1:12:16

Was die Leute aber nicht schreiben, ist, da ging es um Afrika.

1:12:19

Weißte, da wurde darüber diskutiert, welche Folgen haben die, hat der

1:12:22

Lockdown in Afrika? Völlig anderer Kontext, völlig

1:12:25

andere Daten, völlig andere Gesellschaften.

1:12:27

Wurde aus dem Zusammenhang gerissen und so getan, als hätte das RKI

1:12:31

darüber diskutiert, ob der Lockdown hier einen größeren Schaden

1:12:33

anrichtet als die Pandemie.

1:12:36

Und da muss man sagen, das hätten das RKI und auch das

1:12:39

Bundesgesundheitsministerium völlig

1:12:41

anders machen müssen.

1:12:42

Das muss man sagen. Sie hätten schlicht und ergreifend die

1:12:44

Dokumente selber ins Netz stellen müssen.

1:12:47

Wenn sie es, wenn sie die schon rausrücken, hätten sie sie am selben

1:12:49

Tag selber ins Netz stellen müssen, mit vielleicht noch ein paar

1:12:52

erläuternden Hinweisen. Dann wäre jedenfalls diese Story

1:12:55

schon mal kaputt gewesen. Und zumindest hätten sie wissen

1:12:58

müssen, was Leute aus der verschwörungsideologischen Ecke und

1:13:01

bestimmte Medien aus diesen Protokollen machen werden.

1:13:04

Sie hätten also Erklärungen liefern müssen. Sie hätten es einordnen

1:13:07

müssen. Und sie hätten natürlich auch einfach wach sein müssen.

1:13:11

Wann erscheint da was und hätten dann darauf reagieren müssen.

1:13:13

Also ich muss ganz ehrlich sagen, dieser ganze Skandal, der

1:13:17

ja auch schon wieder den Ruf des RKI, sagen wir mal jedenfalls, zu

1:13:20

beschmutzen droht, dieser ganze Skandal, der hätte überhaupt nicht

1:13:23

sein müssen.

1:13:23

Ja, und der Gesundheitsjournalist

1:13:25

Martin Rücker wies im Übermedien

1:13:28

Podcast auch darauf hin, so viel Vorlauf, das

1:13:32

wünschen sich die allermeisten. Ein Jahr vorher zu wissen, da wird

1:13:36

irgendwas kommen, das wünschen sich die allermeisten.

1:13:39

Und deswegen beurteilt er diese Kommunikationspolitik des RKI

1:13:43

und des Bundesgesundheitsministeriums auch sehr kritisch.

1:13:46

Wie gesagt O-Ton aus dem Übermedien Podcast "Holger ruft an", und das

1:13:49

klingt so:

1:13:51

Das ist auch das, was mich wirklich extrem ratlos zurücklässt.

1:13:54

Hier gab es wirklich ein kommunikatives Totalversagen,

1:13:59

nicht nur beim RKI, sondern ich würde auch sagen beim

1:14:01

Bundesgesundheitsministerium. Man musste ja unabhängig vom

1:14:04

Antragsteller davon ausgehen, wenn diese Dokumente öffentlich werden,

1:14:08

wird es Menschen geben, die

1:14:10

sie für ihre Deutungen

1:14:13

nutzen. Egal wer das ist,

1:14:15

die die gibt es auf jeden Fall. Und deshalb ist es doch wichtig,

1:14:18

dass man Erklärungen dazu gibt, dass man Kontext dazu liefert.

1:14:21

Und das ist versäumt worden. Das hätte das Robert Koch Institut

1:14:24

selbst aktiv machen können. Die hätten einfach auf ihrer Website

1:14:26

diese Dokumente einstellen können, den Kontext dazu liefern.

1:14:29

Das wäre, glaube ich, eine sehr gute Sache gewesen.

1:14:32

Also wenn man wirklich auf dieses Narrativ noch einzahlen

1:14:35

möchte, dass hier das RKI oder das Ministerium

1:14:39

die Politik etwas verheimlichen möchte, dann macht man es genau so.

1:14:43

Also es war wirklich ein PR GAU,

1:14:45

der eine demokratiepolitische

1:14:47

Auswirkung hat, einen großen Schaden aus meiner Sicht angerichtet hat und

1:14:51

eine Chance vor allem vertan hat, Vertrauen wieder zurückzugewinnen.

1:14:54

Und ich finde, so wird auch ein Schuh draus zu dem Thema, was wir

1:14:57

oben besprochen haben Ja, es gibt diverse Akteure, sei es getrieben

1:15:01

von kommerziellen Interessen, Fossilindustrie, es gibt politische

1:15:05

Akteure, sei es Russland, die unsere Kommunikation in

1:15:08

eine bestimmte Richtung lenken wollen, die halt die Debatte

1:15:12

vergiften mit Falschnachrichten

1:15:14

und Interessen gesteuerten Informationen.

1:15:17

Aber es gibt eben auch die andere Seite.

1:15:20

Die demokratische, die institutionelle, die politische

1:15:23

Seite, die für so was

1:15:25

sich besser aufstellen muss.

1:15:28

Wenn du weißt, dass du in so einem Ökosystem nun mal lebst,

1:15:32

dann musst du dich als Ministerium und als Behörde anders

1:15:36

aufstellen. Dann kannst du nicht einfach so viel schwärzen.

1:15:38

Du kannst nicht so lange warten,

1:15:41

bis du da irgendwas als Reaktion dünn ins Netz

1:15:44

stellst, sondern du musst aktiv vorgehen. Natürlich wird das

1:15:47

trotzdem nicht alle davon abhalten, irgendwie ein Bullshit aus diesen

1:15:51

Dokumenten zu ziehen, aber du wirst

1:15:53

ein Teil davon verhindern.

1:15:56

Und bei einem gutwilligen Teil,

1:15:59

der einfach nur keine Zeit

1:16:01

hat, sich zu informieren, vielleicht dafür sorgen, dass diese ganzen

1:16:05

Falschmeldungen nicht so tief einsickern.

1:16:07

Was du jedenfalls verhindern kannst durch eine solche Einordnung, ist,

1:16:10

dass seriöse Medien die Falschmeldungen wiederholen.

1:16:14

Denn wenn auf, denn natürlich wird jeder seriöse Journalist sofort

1:16:17

gucken okay, was sagt das RKI dazu, was sagt das BMG dazu?

1:16:20

Und wenn dann da eine plausible Einordnung steht, dann weiß man,

1:16:23

okay, hat halt wieder so ein rechtes Verschwörungsblättchen irgendwas ins

1:16:27

Netz gestellt. Ist kein Thema, müssen wir nicht

1:16:29

drüber reden. Und wenn überhaupt, kann man es debunken.

1:16:31

Kann man, wenn man, wenn überhaupt kann man gleich quasi in der

1:16:34

Überschrift richtigstellen, kein Skandal beim RKI und muss nicht

1:16:37

ergebnisoffen am Ende das diskutieren.

1:16:39

Ja, und stell dir mal vor, du wärst noch aktiver. Du hättest einfach

1:16:42

von vornherein gesagt, hier übrigens Pressemitteilung, wir stellen-

1:16:47

Wir stellen jetzt in Netz.

1:16:49

2021, wir haben hier die Dokumente, die Protokolle aufbereitet.

1:16:52

Wir stellen das hier ins Netz. Kann jeder durchsuchen.

1:16:54

Transparenz.

1:16:54

Ein paar Sachen haben wir geschwärzt. Hier sind die Erläuterungen dazu.

1:16:57

Riesen PR Erfolg.

1:16:59

Die Story wär ne ganz andere Nummer gewesen.

1:17:01

Wär ein riesen PR Erfolg des RKI

1:17:03

und so muss man sagen, schwimmen sie jetzt einfach der Welle hinterher.

1:17:05

Total. Und die Frage ist natürlich trotzdem, soll diese Zeit

1:17:09

aufgearbeitet werden? Sollen wir da noch mal

1:17:13

reingehen und gucken, was ist da passiert? Wer hat da was gemacht?

1:17:16

Wo wurden Fehler gemacht? Was hätte man besser machen können?

1:17:19

Und ich würde sagen

1:17:21

ja, das sollten wir tun. Die Frage ist, in welcher Form?

1:17:24

Aber das war so ein historisches Ereignis mit so

1:17:28

viel Verwerfung und so einer speziellen Situation, in der sich

1:17:32

auch Politik, Behörden,

1:17:34

Medien, Wissenschaft

1:17:36

wiedergefunden hat, dass wir, glaube

1:17:39

ich, das machen sollten, um rauszufinden, was ist gut gelaufen?

1:17:42

Wo sind Fehler passiert? Um wirklich sicher zu gehen und die

1:17:46

bestmöglichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir diese Fehler

1:17:49

beim nächsten Mal zumindest so

1:17:52

nicht wiederholen.

1:17:52

Ja, aber ich finde, das eine ganz entscheidende ist, welche

1:17:55

Überschrift man einer solchen Aufarbeitung gibt.

1:17:57

Denn man darf ja nicht übersehen, dass die ganze Skepsis an den

1:18:00

Coronamaßnahmen maßgeblich

1:18:02

getrieben war natürlich von dem russischen Versuch der

1:18:05

Delegitimation demokratisch

1:18:07

gewählter Regierung. Also die Coronaskepsis war

1:18:10

ja jedenfalls von positiven

1:18:12

Ausnahmen abgesehen, jetzt nicht irgendwie so eine ruhige, abwägende

1:18:17

Kritik. Ist das wirklich noch verhältnismäßig? Sondern da war ja

1:18:19

die Rede von Coronadiktatur. Und ich glaube, deswegen ist es ganz

1:18:22

wichtig, dass man jetzt bei der Aufarbeitung eben nicht diesen

1:18:25

Leuten in die Falle tappt, die die Aufarbeitung ja nur deswegen

1:18:28

fordern, weil sie das Narrativ

1:18:30

weiterhin am Leben erhalten wollen, es sei alles ein riesengroßer

1:18:33

demokratiefeindlicher Skandal gewesen, sondern wenn man das

1:18:36

aufarbeitet, dann nicht wegen eines angeblichen Versagens, denn es

1:18:39

gibt keinen Skandal bei den Coronamaßnahmen im Großen und

1:18:42

Ganzen, sondern ich glaube eher, wir brauchen tatsächlich eine

1:18:45

Aufarbeitung nach dem Motto Lessons learned.

1:18:48

Damit wir die nächste Pandemie hoffentlich noch besser managen

1:18:51

können. Aber im Großen und Ganzen, gerade auch im internationalen

1:18:53

Vergleich, ist Deutschland sehr gut durch die Pandemie gekommen.

1:18:55

Von Detailproblemen sagen wir mal abgesehen. Deswegen, finde ich,

1:18:58

die Überschrift dieser Aufarbeitung sollte eben tatsächlich eher nicht

1:19:02

lauten Aufarbeitung. Denn aufarbeiten kann man nur

1:19:04

Skandale oder Katastrophen. Sondern man sollte, sondern sollte

1:19:07

eher quasi überlegen, was können wir lernen aus der Pandemie?

1:19:11

Richtig. Und da ist natürlich die Frage, viele rufen natürlich jetzt

1:19:13

nach einer Enquetekommission des Bundestags. Also das ist also eine

1:19:17

Kommission, die in diesem Parteienspektrum angesiedelt ist.

1:19:20

Da ist natürlich die Gefahr relativ groß, dass das passiert, was du eben

1:19:24

skizziert hast. Martin Rücker, finde ich, hat in dem Podcast einen

1:19:27

Vorschlag gemacht, über den man zumindest mal nachdenken kann.

1:19:30

Kann man diese Aufarbeitung nicht in einen Bürgerrat übertragen?

1:19:34

Also das plant glaube ich die Bundesregierung eh so einen zweiten

1:19:37

Bürgerrat einzurichten. Also das ist dann so, dass halt

1:19:39

Bürger Bürgerinnen in diesen Rat gelost werden.

1:19:43

Dann können die halt Wissenschaftler Wissenschaftlerinnen vorladen und

1:19:46

die Erfahrungen, die wir da bisher mit gemacht haben, die hat

1:19:48

eigentlich gezeigt, dass da auch sehr kontroverse Themen

1:19:52

wie zum Beispiel Klimawandel, Klimaschutz doch erstaunlich

1:19:56

ruhig und sachlich aufgearbeitet

1:19:58

werden können. Und da finde ich die Idee gut,

1:20:02

diese Aufarbeitung doch in so einen Bürgerrat zu legen.

1:20:05

Viele von euch haben in der vergangenen Woche unser Interview

1:20:08

mit Mario Vogt gehört, dem

1:20:10

Fraktionsvorsitzenden und Spitzenkandidaten der CDU in

1:20:13

Thüringen. Da wird ja im September diesen

1:20:15

Jahres ein neuer Landtag gewählt und die AfD könnte

1:20:19

dort die stärkste Kraft werden. Deswegen fragen sich viele Menschen.

1:20:23

Ist Thüringen quasi das Bundesland,

1:20:25

das als erstes kippen könnte?

1:20:27

Deswegen unser Interview mit Mario Vogt. Und ich muss sagen, Philip,

1:20:30

das war schon echt eine

1:20:32

harte Erfahrung. Auch journalistisch, glaube ich, hat

1:20:34

uns das ganz gut ans Limit gebracht.

1:20:36

Ja, also das fand ich interessant. Ich fand es gut, dass wir es gemacht

1:20:39

haben. Ich fand es wertvoll. Ich habe was gelernt.

1:20:41

Wir haben was gelernt. Ich glaube, die Leute haben was gelernt. Aber natürlich gab es

1:20:45

Kritik. Und deswegen vielleicht vorweg noch mal so ein bisschen auch

1:20:48

ein Einblick, wie wir da so rangehen. Also natürlich haben wir

1:20:52

die Fragen vorher nicht geschickt, sondern wir haben gesagt, wir würden

1:20:54

gerne mit Ihnen ein Interview machen, weil da sind ja so Wahlen und

1:20:57

uns interessiert der Umgang mit der AfD und da stehen sie ja ganz vorne.

1:21:00

Das war so ein bisschen das, was wir gesagt haben. Und dann hat sich halt

1:21:03

Voigt da hingesetzt und wir haben los gemacht und wir haben auch

1:21:05

nichts rausgeschnitten, sondern wir haben irgendwie kosmetische Schnitte

1:21:08

gemacht. Aber im Prinzip war das so abgelaufen, wie ihr das

1:21:12

dann gehört habt.

1:21:13

Das machen wir immer so.

1:21:14

Das machen wir immer. Ich sage es nur jetzt noch mal und dann ist natürlich aber jetzt auch,

1:21:17

habe ich hinterher beim Schneiden auch gedacht, hätte man da und

1:21:20

da reingehen müssen, hätten wir da und da noch mal nachfragen sollen.

1:21:23

Und da gibt es halt immer bei so Interviews diese Abwägung.

1:21:26

Gehst du wirklich bei jeder

1:21:28

Kleinigkeit, die dir irgendwie komisch vorkommt, rein und fragst

1:21:31

nach, dann kann man das natürlich machen.

1:21:34

Der Preis, den man dafür zahlt, ist

1:21:36

unter Umständen ein sehr abgehacktes

1:21:39

und ruppiges Interview,

1:21:41

das dann potenziell auch eben sehr monothematisch

1:21:45

wird, weil man sehr viel Zeit

1:21:48

auf ein Thema im Zweifel verwendet.

1:21:50

Das war ja jetzt schon so, haben es einige Leute so wahrgenommen.

1:21:53

Ich denke auch, also dieses Interview war deswegen so schwierig,

1:21:56

weil unser Interviewpartner einfach wahnsinnig viele Unwahrheiten

1:21:59

eingeführt hat oder Halbwahrheiten. Das ist man so von demokratischen

1:22:02

Parteien in dem Maß nicht gewöhnt. War jedenfalls für uns, wenn man

1:22:05

ehrlich ist, glaube ich auch jetzt das Extremste. Natürlich haben wir

1:22:08

auch schon Menschen interviewt, die Dinge sehr anders sehen als wir.

1:22:12

Naja, man denke an unser Interview mit dem Bundesfinanzminister.

1:22:14

Aber der Bundesfinanzminister hat sich schon ganz anders, finde ich,

1:22:18

sagen wir mal jedenfalls noch auf faktischem Terrain bewegt, als das

1:22:21

jetzt der Fall war. Insofern war das für uns eine große Herausforderung,

1:22:24

was lässt man laufen, was stellt man klar?

1:22:26

Wo geht man rein? Und wir hatten so das Gefühl, wir

1:22:29

haben das bei den ganz zentralen Falschinformationen gemacht.

1:22:33

Aber man kann das irgendwie auch nicht immer. Aber wir haben

1:22:35

natürlich auch das Feedback aus unserem Publikum gehört und

1:22:39

gelesen. Also es gibt schon einige Leute, die finden, es ist viel zu

1:22:41

viel an Desinformation stehen geblieben. Andere Leute fanden,

1:22:45

er hatte nicht genügend Raum. Wobei das jetzt wenige Stimmen

1:22:47

waren, aber es gab einzelne Stimmen, die fanden, wir hätten ihm mehr Raum

1:22:50

lassen müssen, hätten ihn quasi reden lassen müssen.

1:22:52

Wobei ich da finde, irgendwo ist auch mal eine Grenze.

1:22:55

Also das muss ja auch irgendwie noch der Wahrheit verhaftet bleiben.

1:22:58

Ja, genau. Auf der anderen Seite will man natürlich schon erfahren

1:23:02

wie tickt er, was denkt er, was sagt er,

1:23:05

wenn man ihn mal reden lässt? Was sind so seine Inhalte?

1:23:09

Das sind halt einfach Optimierungsfragen.

1:23:12

Was will man erfahren? Und natürlich gibt es, finde

1:23:15

ich, immer Kritik. Aber ich muss sagen, ich bin so im

1:23:18

Großen und Ganzen,

1:23:20

finde ich, haben wir es okay gemacht.

1:23:22

Die Reaktionen waren ja auch weit überwiegend sehr positiv.

1:23:24

Ich würde sagen, es war jetzt keine eins, aber eine zwei

1:23:28

würde ich uns für die Interviewführung irgendwie intern

1:23:31

schon geben.

1:23:31

Also ich finde, ich finde ehrlich gesagt, wir hätten uns vor allem ein

1:23:34

bisschen mehr Zeit noch lassen können. Wir hatten eine Stunde vereinbart, aber es stellte sich

1:23:37

hinterher raus, wir hätten mehr Zeit. Wir hatten, das war, das war, das,

1:23:40

wir hatten, wir hatten eigentlich mehr Zeit und wir sollten vielleicht

1:23:43

in Zukunft sagen, wir fragen eher 90 Minuten an.

1:23:46

Na, also insbesondere wenn man das Gefühl hat, das könnten viele Themen

1:23:50

werden oder es könnte sehr kontrovers werden, dann ist man

1:23:52

bei einer Stunde im Zweifel nicht bereit, genug reinzugehen.

1:23:56

Das wäre so meine Selbstkritik.

1:23:57

Ich ärgere mich auch deswegen ein bisschen, weil da warst du nicht im Raum, aber

1:24:00

der Mitarbeiter. Ich habe ihn dann so gefragt, wie

1:24:02

lange haben wir denn? Und er so, ich sage, eine Stunde haben wir

1:24:05

eingeplant. Also er hat so ein bisschen signalisiert, na, wenn es jetzt

1:24:08

01:15:00 wird, ist auch okay.

1:24:10

Und deswegen habe ich mich so ein bisschen geärgert, dass ich nicht

1:24:12

einfach gesagt hab, komm, wir machen es jetzt so lange, bis die irgendwann mal auf die uhr gucken und sagen,

1:24:16

müssen weg. Gut, aber das vielleicht so ein bisschen zum Hintergrund.

1:24:18

Also bevor wir jetzt auf die Sachen eingehen, wo wir hätten reingehen

1:24:21

müssen, gibt es ein Thema, wo ich gerne reingegangen

1:24:25

wäre, was mir einfach inhaltlich aufgefallen ist und es ist auch

1:24:29

schon bei den anderen Interviews mit Unionsleuten mir aufgefallen,

1:24:32

aber hier ganz besonders. Man kann sagen, ja, die Ampel hat

1:24:36

viele Sachen schlecht kommuniziert.

1:24:39

Ja, die Leute sind frustriert.

1:24:41

Aber was ich mich immer frage und was ich auch hier vermisst habe, ist

1:24:45

diese Sache, ja, da sind Leute unzufrieden und da

1:24:48

laufen Sachen auch nicht optimal.

1:24:52

Aber wir als Deutschland und auch nicht zuletzt unter der Großen

1:24:56

Koalition der CDU haben uns zu bestimmten Sachen völkerrechtlich

1:25:00

verbindlich verpflichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat

1:25:03

bestimmte Sachen wie zum Beispiel

1:25:05

ernsthaften Klimaschutz verbindlich

1:25:08

vorgegeben. Und wenn euch diese Maßnahmen,

1:25:11

die die Ampel da jetzt macht, um an dieses Ziel zu kommen, denn nicht

1:25:15

passen und die Leute

1:25:17

genervt sind, dann reicht es nicht zu sagen, die

1:25:20

Leute sind genervt und wir sind dagegen, weil die Leute sind

1:25:23

genervt, sondern dann erwarte

1:25:26

ich andere Gegenmaßnahmen. Ich erwarte ein durchdachtes

1:25:30

Rezept. Ja, wenn wir das so nicht machen wollen wie die Ampel,

1:25:33

dann machen wir es so, wie wir es wollen. Und das

1:25:37

ist nicht da. Dieses Konzept und dieser Wille,

1:25:40

den Wandel zu moderieren

1:25:42

und den Leuten zu erklären. Die Union und speziell Voigt

1:25:46

bleibt dabei stehen, die Leute sind genervt, die wollen das angeblich

1:25:49

alles nicht. Okay, und dann?

1:25:52

Wir müssen aber trotzdem, unsere Gesellschaft wandelt sich und wir

1:25:54

haben bestimmte Ziele. Wie kommen wir denn da hin, wenn wir

1:25:57

nur den Leuten aufs Maul gucken, die sagen, Wärmepumpe ist doof, ich

1:26:01

will mein Auto behalten und ich will auch irgendwie so heizen mit Gas,

1:26:04

dann kommen wir da einfach nicht hin. Und die Union oder Voigt

1:26:07

in dem Speziellen hat keine Antwort

1:26:09

darauf, wie wir diesen Wandel

1:26:11

hinkriegen, außer

1:26:13

ja, es bleibt alles so wie es ist.

1:26:15

Aber Philip, das ist doch die Definition von Populismus.

1:26:17

Man nimmt quasi die angebliche Bevölkerungsmeinung als

1:26:21

absoluten Maßstab seiner Politik

1:26:23

und sagt halt einfach, ja, die Leute wollen das nicht, also geht das

1:26:26

nicht. Das ist doch die Definition von Populismus. Man redet den Leuten

1:26:30

nach dem Mund und lässt den Karren weiter schön in den Dreck

1:26:34

rollen.

1:26:34

So wie das ja 16 Jahre unter Merkel passiert ist.

1:26:37

Also das wär mir jetzt aber zum Beispiel zu hart. Also 16 Jahre

1:26:39

Merkel waren jetzt nicht nur eine Vollkatastrophe. Sie hat immerhin die Abschaffung der

1:26:42

Atomkraft eingetütet. Sie hat die Aussetzung der

1:26:45

Wehrpflicht.

1:26:45

Aber bei vielen Sachen ist nichts passiert.

1:26:47

Es ist bei vielen Sachen nicht genug passiert. Die Bundeswehr ist ja auch

1:26:50

unter Merkel vor die Wand gefahren. In Deutschland sind die Brücken und

1:26:53

vor allem die Bahnlinien verrottet. Die Schulen sind verrottet,

1:26:56

Digitalisierung ist verschlafen worden und der Klimaschutz wurde

1:26:58

aktiv ausgebremst. Also 16 Jahre Merkel waren jetzt ja

1:27:01

wahrlich keine Erfolgsgeschichte auf ganzer Linie und viele Probleme,

1:27:05

vor denen unser Land heute steht, sind einfach Probleme aus der

1:27:08

Merkelzeit. Die in der Merkelzeit geschaffen

1:27:10

worden sind oder jedenfalls nicht gelöst worden sind. Das betrifft

1:27:13

nicht CDU, CSU alleine, die waren ja schließlich immer in Koalitionen

1:27:16

verantwortlich. Aber es ist eben vieles an Aufgaben liegengeblieben

1:27:20

oder auch vieles an Problemen überhaupt erst verursacht worden.

1:27:23

Tja, und da muss ich ganz ehrlich sagen, bin ich auch von Mario Voigt

1:27:26

sehr enttäuscht. Ich meine, er bezeichnet sich ja selber als

1:27:28

Wissenschaftler, er ist Politikwissenschaftler, Hochschullehrer. Wieso er einfach

1:27:32

überhaupt gar keine Lösungen präsentiert, sondern wirklich nur

1:27:34

auf die Ampel schimpft. Also das muss ich ganz ehrlich

1:27:37

sagen, wäre mir persönlich zu wenig.

1:27:39

Aber es ist natürlich vor allem

1:27:42

ein ganz schlechtes Signal.

1:27:44

Die AfD hat sowieso keine Lösung. Und die CDU in Thüringen jedenfalls

1:27:48

sagt, die Lösung jedenfalls dann

1:27:50

nicht, wenn die Leute das nicht wollen. Und was dabei auch völlig

1:27:53

aus dem Blick gerät, sind zum einen die Sachzwänge. Das hatten wir schon

1:27:56

und zum anderen, dass natürlich auch die Bevölkerungsmeinung

1:28:00

durchaus politisch gestaltbar ist. Das ist ja so ein Thema, das wir in

1:28:03

der Lage ständig haben. Und ich habe das Gefühl, das wird

1:28:05

immer, immer größer dieses Problem. Weil Olaf Scholz zum

1:28:09

Beispiel ja genau dasselbe Problem hat. Olaf Scholz und Mario Voigt ich

1:28:11

weiß nicht, wie viel Gemeinsamkeiten die haben. Aber eine haben sie ganz

1:28:14

sicher. Beide trauen sich nicht,

1:28:16

richtige Politik zu vertreten,

1:28:18

von der sie heute noch nicht sagen können, dafür gibt es eine

1:28:22

Mehrheit in der Bevölkerung. Beide weigern sich konsequent

1:28:25

zu sagen, das halte ich jetzt für richtig und dafür gehe ich auf die

1:28:29

Marktplätze, und da werbe ich für eine Mehrheit.

1:28:31

Ich hatte immer so das Gefühl, was Voigt will, ist die Weiterführung

1:28:35

dieses Modus aus der aus der GroKo.

1:28:38

Ja, die Leute wollen was nicht, Da soll sich nicht zu viel ändern.

1:28:41

Wir wollen die Leute nicht verstören.

1:28:43

Gleichzeitig gibt es aber Verpflichtungen, dass sich etwas

1:28:46

ändern muss. Und ich habe bei Voigt, speziell

1:28:49

jetzt bei dieser Frage Klimawandel/CO2 Reduktion

1:28:52

nichts gehört, wie man das unter einen Hut bringt, wie

1:28:55

man mit den Leuten redet und

1:28:57

so mit ihnen redet, dass wir eine Politik machen können, die uns

1:29:00

diesen Zielen näher bringt, weil diese Argumentation, ja CO2 Preis,

1:29:03

das ist halt nur die halbe Wahrheit. Wenn die Leute dann doppelt so viel

1:29:06

für ihr Benzin und fürs Heizen zahlen sollen, stellt sich Voigt

1:29:09

nicht hin und sagt, das muss jetzt aber sein.

1:29:11

Und das große Problem ist ja eben, dass die Menschen sogar besser

1:29:14

dastünden, wenn man ihnen nicht die ganze Zeit erzählen würde,

1:29:16

Wärmepumpen sind zu teuer.

1:29:18

Also das war so das eine. Das ist dieser Umgang mit Wandel bei

1:29:21

der CDU. Der überzeugt mich einfach überhaupt

1:29:24

nicht. Das Zweite war, was angesprochen wurde, war das Gendern,

1:29:27

also dieses in Thüringen

1:29:29

ja angestrebte, von der Union angestrebte Genderverbot in Schulen

1:29:33

und Behörden. Was jetzt ja in Bayern seit dem

1:29:35

1. April übrigens ja Gesetz ist.

1:29:37

Bin ja sehr gespannt, wie das in der Praxis funktioniert.

1:29:40

Aber das ist auch wieder so ein Ding, wo man sagt ja, Sprache ändert

1:29:44

sich halt und wir brauchen einen Umgang damit.

1:29:47

Und sicherlich diese ganzen

1:29:49

Genderformulierungen und Formen, die wir da haben. Ich finde keine

1:29:53

davon wirklich toll und schön, deswegen haben wir da in der Lage ja

1:29:56

auch so einen total entspannten Ansatz. Manchmal wird gegendert mit

1:29:59

diesem Binnen-Plopp quasi, manchmal sagen wir einfach beide

1:30:02

Formen. Manchmal benutzen wir das sogenannte generische Femininum,

1:30:05

also sagen eine weibliche Form, auch wenn alle gemeint sind.

1:30:08

Wir sind da ja schon extrem undogmatisch beim Gendern.

1:30:11

Aber ich finde es schon wichtig, dass man grundsätzlich eine Sprache

1:30:14

verwendet, die alle Menschen

1:30:17

irgendwie in den Blick nimmt, die in unserer Gesellschaft leben.

1:30:19

Und dass jetzt die CDU, die ja immer sagt so also, oder die CSU im Falle

1:30:23

von Bayern, die haben ja gesagt, also keine Verbotspartei, dass die

1:30:26

jetzt ausgerechnet das Gendern verbietet, dass ja niemand jemals

1:30:29

vorgeschrieben hat. Es ist ja nicht verpflichtend. Die können ja reden, wie sie wollen.

1:30:31

Das muss ja keine Schule, keine Behörde muss ja so machen.

1:30:34

Aber wenn sie es denn machen wollen, dann können sie es doch.

1:30:36

Also das finde ich ehrlich gesagt ziemlich ein Bruch, auch so in der

1:30:39

ideologischen Ausrichtung zu sagen, wir wollen eigentlich keine Verbote,

1:30:42

wir wollen wollen die Menschen überzeugen und mitnehmen und dann

1:30:45

aber zu sagen aber beim Gendern, da müssen wir dringend verbieten.

1:30:47

Aber ich denke, das ist auch in dem Gespräch schon rausgekommen.

1:30:50

Das war wahrscheinlich so die Stelle, wo auch Voigt argumentativ

1:30:52

am schwächsten war.

1:30:53

Vielleicht. Dann war natürlich das große Thema

1:30:56

Migration. Dabei muss man sagen, da haben wir,

1:30:59

glaube ich, wirklich viel zu viel Raum gelassen, auch für

1:31:01

Desinformation. Also beispielsweise kam da von Mario

1:31:04

Voigt ja der Vorwurf, die Linken wollten Zitat Grenzen öffnen

1:31:08

und da muss man, glaube ich, fairerweise sagen, und da bin ich

1:31:10

mir nicht sicher. Ich habe da widersprochen, aber ich weiß nicht, ob-

1:31:13

Ja, doch.

1:31:14

Also ich habe so ein bisschen, Ich habe, glaube ich jedenfalls habe ich

1:31:16

das nicht, glaube ich, nicht begründen können, warum ich das

1:31:19

für ein Zerrbild halte. Ich habe ja nur gesagt, ich bin sehr

1:31:22

skeptisch, wenn es darum geht, ob man national wirklich was an

1:31:25

Migration ändern kann. Wir hatten das Thema in der Lage auch schon öfter und da sagt

1:31:29

er mir dann, die Linken wollten Grenzen öffnen und das ist deswegen

1:31:32

ein Zerrbild, weil es darum gar nicht geht. Also offene Grenzen sind

1:31:35

ja derzeit schon der Status quo. Wir haben ja keinen Zaun rund um

1:31:38

Deutschland. Ja, es gibt hier und da

1:31:40

teilweise Kontrollen, aber die sind nicht nur rechtlich heikel, sondern

1:31:43

auch faktisch weitgehend unwirksam. Sagen ja sogar die Polizeigewerkschaften.

1:31:46

Wenn wir jetzt hier Grenzkontrollen durchführen, macht das viele

1:31:48

Überstunden und die Leute fahren 500 Meter weiter über die Grenze.

1:31:51

Also die Tatsache ist doch, wer will, kommt irgendwann auch rein.

1:31:54

Deswegen wäre die Frage ja, gibt es überhaupt sinnvolle

1:31:57

nationale Maßnahmen oder wäre nicht die sinnvollste Maßnahme ein

1:32:01

besserer Umgang mit den Menschen, die schon da sind, statt weiter

1:32:04

zu versuchen Migration zu verhindern und da hatte ich so das Gefühl, da

1:32:07

kam man mit Herrn Voigt nicht in eine ernsthafte Diskussion, weil er

1:32:11

da, wie soll ich sagen, so ganz klar sagte, nein, wir müssen Migration

1:32:14

steuern, egal ob das geht oder nicht, wir müssen das tun.

1:32:17

Da führte er dann ja auch sehr schnell quasi Fragen der nationalen

1:32:20

Souveränität an und dann kann man sogar mit dem Grundgesetz usw.

1:32:23

usw. Hätte man überall reingehen müssen,

1:32:25

haben mir viele Leute geschrieben. War rechtlich Quatsch, aber mich

1:32:29

hat vor allem nicht überzeugt, dass da politisch kein Argument

1:32:32

kam. Also wenn das denn wirklich so ist, wie wer sagt, dass man

1:32:35

Migration national steuern muss, dann möchte ich natürlich auch wissen,

1:32:38

wie denn? Also Grenzkontrollen an den

1:32:40

Außengrenzen? Zäune bauen? Was soll man da machen?

1:32:42

Ich glaube, diese Souveränität ist eine Nebelkerze.

1:32:44

Ja, und das zweite, was ich aber wiederum ganz interessant fand, was

1:32:48

damit natürlich aber auch kollidiert, ist, dass er sagt

1:32:50

alle, die arbeiten wollen,

1:32:53

sind willkommen. Das ging auch so durch.

1:32:55

Und da muss man sagen, die Union hat Jahre jahrzehntelang

1:33:00

mit dem Slogan Wirtschaftsflüchtlinge!

1:33:02

Für Panik gesorgt. Leute, Flüchtlinge, maybe,

1:33:05

also Leute, die Hunger leiden.

1:33:07

Sogenannte wirklich Flüchtlinge.

1:33:10

Bürgerkrieg und so, ja okay, da meinetwegen irgendwie werden da

1:33:13

schon, aber auf gar keinen Fall sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge,

1:33:16

also Leute, die hier nur herkommen, um zu arbeiten.

1:33:19

Das war ganz lange Mantra der Union. Und wenn jetzt so jemand sagt wie

1:33:23

Voigt na ja, alle sind willkommen, die hier arbeiten wollen, da finde

1:33:26

ich es erst mal schon interessant. Die nächste Frage ist natürlich, was

1:33:29

folgt daraus? Denken sie das konsequent durch?

1:33:32

Machen sie auch wirklich alles, damit das leicht funktioniert?

1:33:35

Ja, also man muss ja sehen. Man kann vielleicht nicht unbedingt

1:33:38

erwarten, dass sie sagen, alle dürfen einreisen, die arbeiten

1:33:41

wollen. Man würde aber doch zumindest erwarten das

1:33:45

die, die schon da sind und heute ja tatsächlich teilweise alimentiert

1:33:48

werden müssen mit Sozialleistungen,

1:33:50

dass wenigstens die dann alle arbeiten dürfen. Das haben wir ihn

1:33:52

ja auch ausdrücklich gefragt und da sagt dann aber wieder nein, arbeiten

1:33:55

sollen nur diejenigen dürfen, die auch eine positive Bleibeperspektive

1:33:58

haben. Und da muss man ganz ehrlich sagen, das ist aus meiner Sicht

1:34:01

nicht logisch. Zum einen passt das nicht zu dem,

1:34:04

die sind willkommen. Und zum anderen fragt man sich

1:34:06

natürlich, wieso sollen denn nur die arbeiten dürfen, die auch bleiben

1:34:09

können, wahrscheinlich bleiben können? Eigentlich wäre es doch

1:34:12

total sinnvoll, um die öffentlichen Kassen zu entlasten.

1:34:14

Aber nein, es geht natürlich an dieser Stelle im Kern darum,

1:34:17

Integration zu verhindern. Das ist dieses alte Andreas Scheuer

1:34:21

Diktum Nur der Fußball spielende,

1:34:23

ministrierende Senegalese, den kriegt man nie mehr abgeschoben.

1:34:25

So sinngemäß lautet das Argument. Und das merkt man dann bei ihm auch,

1:34:29

wenn man ihn hart fragt, dürfen denn erstmal, haben wir ja mehrfach,

1:34:31

sollen einfach alle arbeiten dürfen, die da sind?

1:34:34

Nein, das ginge auch nicht, nur bei Bleibeperspektive.

1:34:36

Genau. Weil sie dann nämlich wahrscheinlich eine Bleibeperspektive

1:34:38

hätten. Weil sie dann erst einmal arbeiten dürfen und

1:34:42

so.

1:34:43

Ja, muss man natürlich fair sein. Rechtlich ist es natürlich weiterhin schwierig. Der sogenannte Spurwechsel, also

1:34:46

dass Menschen, die zunächst mal als Geflüchtete gekommen sind, sich dann

1:34:49

aber gut integriert haben, dass die dann quasi nicht mehr qua

1:34:52

Fluchtgrund, sondern qua Integration bleiben dürfen, das ist

1:34:55

ja in Deutschland nach wie vor extrem schwierig.

1:34:58

So einfach ist das ja gar nicht. Aber das ist anscheinend die Sorge

1:35:01

der Union oder im konkreten Fall die Sorge von Herrn Voigt, wenn ich die

1:35:04

arbeiten lasse und die sich top integrieren, dann gibt es hinterher

1:35:07

am Ende eine Demo, wenn ich die abschieben will.

1:35:09

Der letzte Punkt, wo wir hätten reingehen müssen-

1:35:12

Das war, das ist, glaube ich, der journalistische Fehler.

1:35:14

Der schwerste Fehler.

1:35:15

Das würde ich auch sagen. Das ist ein richtiger Fehler. Und ich ärgere mich über den echt

1:35:19

achtmal, weil ich mir natürlich vorher Interviews

1:35:22

durchgelesen habe von Mario Voigt.

1:35:24

Und es gibt ein Thema, das kommt immer.

1:35:25

Also nahezu immer. Aber es zieht sich durch.

1:35:28

Und das ist diese Frage, ja, warum wollen Sie denn nicht mit den

1:35:30

Linken? Ja, mein Opa wurde

1:35:32

aus der DDR vertrieben, rausgeworfen.

1:35:35

Umgesiedelt.

1:35:35

Umgesiedelt.

1:35:37

Ich weiß nicht, ob er aus der DDR ausgewiesen wurde. Aber jedenfalls wurde er aus dem DDR Grenzgebiet

1:35:40

zwangsweise umgesiedelt.

1:35:42

Das ist ein Argument, was er immer

1:35:45

bringt, wenn es darum geht, warum wollen Sie denn nicht mit dem

1:35:47

linken? Und wenn du das liest, denkst du sofort natürlich,

1:35:51

Alter, willst du Bodo Ramelow,

1:35:53

den Ministerpräsidenten von Thüringen, den du eben

1:35:56

in dem Interview, sagen wir mal, ich will nicht sagen gelobt, ja,

1:36:00

aber doch als jemand gesagt, na gut, die Regierung, ich bin jetzt nicht

1:36:03

mit allem einverstanden, ich würde ein bisschen mit ihm über die Inhalte reden.

1:36:05

Aber er ist kein Stalinist.

1:36:07

Aber willst du denn wirklich mit den DDR Stalinisten aus

1:36:11

den 50er Jahren vergleichen?

1:36:14

Ja. Ganz ehrlich und da muss man auch

1:36:16

sagen, da ist er auch einfach so ein Tick

1:36:20

unehrlich. Also Mario Voigt schreibt auf seiner

1:36:23

Homepage nämlich, sein Großvater sei wegen seines christlichen Glaubens

1:36:26

umgesiedelt worden. Das können wir nicht prüfen.

1:36:29

Wir kennen den Großvater ja gar nicht. Aber laut Munzingers

1:36:33

Archiv so ein biographisches Portal und auch laut der Frankfurter

1:36:36

Allgemeinen Zeitung war der Großvater von Herrn Voigt DNVP

1:36:39

Mitglied. Deutschnationale Volkspartei.

1:36:42

Wie der Name schon sagt, es war eine nationalistische Partei der Weimarer

1:36:46

Republik, die dem Kaiser nachtrauerte.

1:36:48

Und die Programmatik enthielt interessante Elemente, nämlich

1:36:51

Nationalismus, Nationalliberalismus,

1:36:54

Antisemitismus, kaiserlich monarchistischen Konservatismus und

1:36:58

völkische Elemente, also ganz viel sympathische Dinge.

1:37:01

Und diese DNVP hatte ein zumindest

1:37:03

schwieriges Verhältnis zur Demokratie.

1:37:05

Das zeigte sich zum einen daran, dass sie eine Zusammenarbeit mit der

1:37:08

SPD verweigerte, sodass es dann irgendwann in den dreißiger Jahren

1:37:11

keine demokratische Mehrheit mehr gab. Und vor allem bildete die die

1:37:14

DNVP im Januar 1933

1:37:17

genau die Koalition, die Adolf Hitler zur Macht verhalf,

1:37:20

nämlich die Adolf Hitler dann zum Reichskanzler machte.

1:37:23

Also in dieser DNVP war Opa Voigt nach Munzinger und

1:37:27

FAZ Mitglied. Das entschuldigt natürlich keine

1:37:30

Vertreibung, keine Zwangsumsiedlung, dass das jetzt niemand in den falschen

1:37:32

Hals kriegt. Es bleibt Unrecht. Es macht aber irgendwo verständlich,

1:37:35

warum die Sowjets ihn für politisch unzuverlässig hielten, weil

1:37:38

jedenfalls seine Partei, er konkret wissen wir nicht, aber aber

1:37:41

jedenfalls seine Partei eine Partei der Steigbügelhalter der NSDAP

1:37:45

war.

1:37:45

Ja, das ist so der eine Aspekt, Aber den Aspekt, den ich halt noch

1:37:49

viel unredlicher und merkwürdiger halte, ist wirklich diese Nummer,

1:37:52

ich will nicht mit den Linken

1:37:55

2024 in Thüringen koalieren oder

1:37:58

zusammenarbeiten oder in irgendeiner

1:38:00

Form.

1:38:01

Weil die Sowjets und die SED

1:38:03

irgendwie meinen Opa vertrieben.

1:38:04

So, also das ist so eine Nummer. Da habe ich gedacht, also da haben

1:38:07

wir ähnlich tief geschlafen wie damals bei Strack.

1:38:10

Zimmermann als sie irgendwie die Sinnlosigkeit von Verboten

1:38:14

damit belegen wollte, dass es ja ein Rauchverbot gibt.

1:38:20

Also das Gegenteil wäre richtig.

1:38:22

Das Gegenteil wäre richtig gewesen. Also das Rauchverbot zeigt, dass

1:38:25

bestimmte Verbote gesellschaftlich total viel Sinn machen.

1:38:28

Da haben wir nicht eingehakt, da haben wir geschlafen. Und hier zu

1:38:30

sagen, ich mache nicht mit den Linken, weil mein Opa von Stalinisten aus der DDR geworfen

1:38:34

oder aus dem vom Staat Gebiet umgesiedelt wurde, gewaltsam.

1:38:38

Das ist kein überzeugendes Argument und finde ich rückt auch die Linken,

1:38:41

was man auch immer von Ihnen jetzt halten mag in Thüringen wirklich in

1:38:44

ein ungerechtfertigtes Licht.

1:38:46

Selbst Mario Voigt hat ja, wie gesagt, die Politik inhaltlich

1:38:48

kritisiert, aber jedenfalls keine grundsätzliche Kritik geübt daran,

1:38:52

dass die Linke in Thüringen natürlich eine demokratische Partei

1:38:54

ist. Was ich aber ganz spannend finde, ist eigentlich so eine

1:38:57

gewisse historische Perspektive. Die DNVP

1:39:00

hat eben, das habe ich eben schon kurz angedeutet, hat quasi die SPD

1:39:04

boykottiert in den dreißiger Jahren und damit letzten Endes genau die

1:39:07

demokratische Krise herbeigeführt,

1:39:09

die dann dazu führte, dass Hitler Reichskanzler wurde.

1:39:12

Und wenn jetzt tatsächlich Mario Voigt nach den Landtagswahlen in

1:39:15

Thüringen, wenn, gesetzt den Fall, wenn er dann tatsächlich nicht mit

1:39:18

der Linkspartei zusammenarbeiten sollte, sondern

1:39:22

mit der eher mit der AfD in irgendeiner Art und Weise, ob nun

1:39:25

durch Tolerieren oder wie auch immer zusammenarbeiten sollte, sodass am

1:39:28

Ende Höcke oder Voigt mit mit AfD Stimmen Ministerpräsident

1:39:31

wird. Das wäre im Grunde genau derselbe Fehler, den die Partei

1:39:35

seines Großvaters in den Dreißigern gemacht hat. Und ich finde das

1:39:38

deswegen so spannend, weil eben die FAZ berichtet, dass er der Meinung

1:39:41

ist, dass er von seinem Großvater politisch geprägt worden sei.

1:39:44

Ob das alles so stimmt? Man sagt in so einem Interview

1:39:46

vielleicht vieles, aber ich finde diese historische Perspektive

1:39:49

wichtig. Und man kann wirklich nur hoffen, dass Mario Voigt sich das zu

1:39:52

Herzen nimmt und sagt, verdammte Tat! Diesen Fehler, den

1:39:55

die DNVP in den Dreißigern gemacht hat. Bloß nicht mit den Linken,

1:39:58

lieber mit den Nazis. Diesen Fehler wird

1:40:01

er hoffentlich, man kann es wirklich nur hoffen, auf Knien sich wünschen,

1:40:04

wird er hoffentlich im September nicht wieder machen.

1:40:06

Und damit ist die Lage für diese Woche abschließend und ausführlich,

1:40:08

wie ihr das nicht anders kennt, analysiert und beurteilt.

1:40:11

Wir danken euch für euer Interesse

1:40:13

und wünschen euch noch eine schöne

1:40:15

Restwoche, ein schönes Wochenende und wenn ihr mögt, hören wir uns

1:40:18

nächste Woche wieder.

1:40:19

Und folgt unserem Telegram Kanal, wenn ihr Lust habt.

1:40:22

Lage.Link/Telegram mit einem M.

1:40:24

Schönes Wochenende!

1:40:25

Bis dahin. Tschüss.

Rate

Join Podchaser to...

  • Rate podcasts and episodes
  • Follow podcasts and creators
  • Create podcast and episode lists
  • & much more

Episode Tags

Do you host or manage this podcast?
Claim and edit this page to your liking.
,

Unlock more with Podchaser Pro

  • Audience Insights
  • Contact Information
  • Demographics
  • Charts
  • Sponsor History
  • and More!
Pro Features