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Drei! Zwo! Eins!
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Zündung! Wow.
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Was ihr hier hört und gehört habt, das ist die Liveübertragung
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der Sprengung der Rahmedetalbrücke, einer Autobahnbrücke bei
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Lüdenscheid.
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Und damit ganz herzlich willkommen zur Lage der Nation Nummer
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363, unserer
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Sonderfolge Teil eins zum Thema Krise der Infrastruktur
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in Deutschland.
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Mein Name ist Philip Banse, ich bin
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Journalist und mir gegenüber, im Berliner Lagezentrum sitzt...
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Ulf Buermeyer, Jurist aus Berlin. Herzlich willkommen!
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Ja, Brückensprengung im Livestream.
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So viel Aufmerksamkeit hat die Infrastruktur in Deutschland
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leider lange, lange nicht bekommen.
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Was das Thema Infrastruktur angeht,
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stellen wir ja immer mehr fest, dass die Dinge in die Jahre gekommen
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sind. An allen Ecken und Enden wird
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deutlich, was gerade nicht mehr funktioniert.
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Das ist schon massiv und
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man hat in der Vergangenheit aufgrund der Finanzsituation der
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Stadt auch an vielen Stellen nur das Notdürftigste gemacht.
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Das muss man auch sehen und irgendwann reicht das Notdürftigste
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dann nicht mehr aus und dann muss man richtig drangehen.
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Und das kommt jetzt langsam.
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Das war Apostolos Tsalastras, er ist Kämmerer in der Stadt Oberhausen
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im Ruhrgebiet. Also so eine Art Finanzminister dieser
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Kommune.
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Und er legt den Finger in die Wunde.
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Man hat sich jahrzehntelang in Deutschland nicht so wirklich
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um Infrastruktur gekümmert,
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und deswegen ist sie jedenfalls teilweise in einem bedenklichen
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Zustand. Nun ist das nicht das schillerndste Thema.
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Damit gewinnt man so unmittelbar keine Wahlen.
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Aber ist natürlich sehr, sehr wichtig. Beispielsweise schrieb
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kürzlich der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums
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für Wirtschaft und Klimaschutz:.
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"Erhebliche Teile der Infrastrukturen, der großen
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Transportnetze, Straße,
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Wasser, Bahn sind überaltert, vor allem Brücken,
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Tunnel, Schleusen und
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Wehre", schreibt der Wissenschaftliche Beirat, wo über
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40 Ökonomen und Ökonominnen
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aus Deutschland sich zusammengesetzt
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haben, um eben dieses Kapitel mal
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zu beleuchten. Und sie sagen: Erhebliche Teile
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der Infrastruktur in Deutschland sind überaltert.
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Beispielsweise ist fast jede zweite
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Straßenbrücke in den Kommunen in keinem
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guten Zustand, sodass dringend
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saniert werden muss. Und der dramatische
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Zustand unserer Straßen, Brücken
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und Schienen usw hat eben auch Folgen für den Umbau
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Deutschlands zu einer CO2 freien
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Wirtschaft, sagte uns im Juli
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2023 in unserem großen Interview
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der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck.
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Die Windkraftanlagen, die Kabel rollen, die Transformatoren werden
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teilweise nicht transportiert. Es ist alles genehmigt, kann alles
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gebaut werden. Aber die Genehmigungen für die
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Autobahn Transporte sind unter anderem wegen der maroden Brücken
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oder der kaputten Straßen stapeln sich. Das ist jetzt wirklich ein
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massives Problem. Man kann zur Autobahn stehen wie man
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will, kaputte Autobahnen
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sind schlecht. Das nützt der Volkswirtschaft gar
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nichts, wenn wir die Windkraftanlagen nicht transportieren können.
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Also die sollen fix und gerne heile gemacht werden.
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Kein Grüner hat was dagegen, wenn
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Brücken befahrbar sind. Die müssen schnell befahrbar sein.
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Straßen sind aber nicht die einzige Baustelle. Dazu kommen Behörden,
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Schulgebäude, Schleusen.
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Die sind oft nicht mehr aus dem letzten, sondern aus dem vorletzten
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Jahrhundert, zum Teil.
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Aus Kaisers Zeiten, muss man sich mal überlegen.
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Netzinfrastruktur der Deutschen
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Bahn braucht eine Generalsanierung
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für fast 90 Milliarden €.
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Einfach weil wir in den letzten
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Jahren und Jahrzehnten zu wenig investiert haben.
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Obwohl der Staat sich viele, viele Jahre lang das Geld angesichts der
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sehr niedrigen Zinsen fast umsonst
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hätte leihen können, um es in die Infrastruktur zu investieren, im
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Bestreben, Euro Schulden zu minimieren.
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Schuldenbremse oder gar die berühmt berüchtigte schwarze Null.
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Stattdessen haben wir über die letzten Jahrzehnte enorme
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Infrastrukturschulden angehäuft.
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Das ist ein Begriff, den wir auch gelernt haben bei der Recherche
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zu unserem Lagebuch. Es gibt eben nicht nur Euroschulden,
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wo der Staat tatsächlich Kredite aufnimmt. Nein, man kann auch
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Infrastrukturschulden anhäufen,
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wenn man sich um seine Straßen, Brücken, Gebäude, was alles so da
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ist, nicht kümmert. Wenn die also einen
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Investitionsreparaturrückstau anhäufen, dann hat man im Prinzip
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Schulden gemacht bei seiner Infrastruktur.
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Und jetzt geht es eben nicht nur darum, diese alten Schulden
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abzubauen, also diese kaputte Infrastruktur aus früheren Zeiten zu
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renovieren und zu sanieren, sondern
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wir müssen auch massiv in neue Infrastruktur investieren,
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um unsere Gesellschaft, unsere
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Wirtschaft umzubauen zu
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einer klimaneutralen Gesellschaft.
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Das soll ja 2045 abgeschlossen sein. Da sollen wir quasi als
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Gesellschaft fast kein CO2 mehr produzieren.
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Und dazu brauchen wir eben neue Infrastrukturen, mehr Stromnetze,
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mehr Windräder, Ladestationen,
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neue Industrieanlagen, Wasserstoffnetze und und
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und.
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Aber wie sollen wir das angehen?
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Woher kommt das Geld?
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Wo jetzt auch gerade vor ein paar Wochen noch der Klima und
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Transformationsfonds geplatzt
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ist? Diese 60 Milliarden,
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die früher mal Coronamittel waren, die dann in diesen Fonds, den
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sogenannten KTF umgebucht worden waren, das hat das Bundesverfassungsgericht
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verboten. Das heißt, dieses Geld fehlt nun.
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Und wie soll da wo das Geld herkommen, wenn viele Kommunen heute
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schon mehr oder weniger pleite sind?
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Welche Strukturen brauchen
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wir dafür? Und das ist einfach ein sehr, sehr komplexes Problem.
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Wird auch oft verdrängt. Also genau das Richtige für die Lage
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der Nation.
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Das ist der Stoff, aus dem echte Lagen sind und deswegen eine
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Sonderfolge. Genau genommen sind es zwei Sonderfolgen. Ist natürlich
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wieder so lang geworden ist, dass wir dachten, also das können wir
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euch jetzt nicht ins Ohr schieben in einem Stück, das müssen wir ein
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bisschen aufteilen. Also deshalb zwei Sonderfolgen zum
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Thema Infrastruktur in Deutschland.
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Wie können wir das Geld auftreiben und was sollten wir ändern?
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Da fragt sich natürlich zunächst mal Was ist denn die Infrastruktur?
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Der Duden sagt dazu:.
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"Infrastruktur ist der notwendige wirtschaftliche und organisatorische
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Unterbau für die Versorgung und Nutzung eines bestimmten
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Gebiets.".
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Also Einrichtungen, die wir alle brauchen, damit unser Leben
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funktioniert: Behörden, Schulen, Bahnhöfe, Stromnetze,
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Wasserleitungen, Glasfaserleitungen,
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technische und soziale Infrastruktur und natürlich auch
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Straßen und Schienen.
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Der Witz dabei ist: Die Gemeinschaft, der Staat
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oder häufig staatliche oder halbstaatliche Firmen baut diese
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Infrastruktur, manchmal auch Privatunternehmen, aber immer
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mit dem Hintergedanken, dass alle sie nutzen können.
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Aber nicht alle nutzen sie wirklich.
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Manche nutzen sie total viel, manche
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nutzen sie aber auch gar nicht. Aber ohne diese Infrastruktur
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würde unsere Gesellschaft glaube ich, schlicht und weg kollabieren.
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Das Problem haben wir schon skizziert: In Deutschland wird
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seit vielen Jahren deutlich zu
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wenig in die öffentliche Infrastruktur investiert.
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Das ist die Bilanz des oben schon erwähnten wissenschaftlichen Beirats
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des Wirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2020 in einem
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ausführlichen Gutachten dazu. Also seit Jahren fließt zu wenig
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Geld in diese Infrastruktur.
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Und das sieht auch Dr. Katja Rietzler so.
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Sie ist Ökonomin bei der gewerkschaftsnahen Hans
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Böckler Stiftung.
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Wir haben lange zu wenig investiert,
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wir haben zeitweise etwas aufgeholt, und das ist bei weitem
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noch nicht genug.
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Wenn wir hier also nicht die Kehrtwende schaffen und ausreichend
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in die Infrastruktur investieren,
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dann bedroht das ziemlich
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viel: die wirtschaftliche Leistung und Wettbewerbsfähigkeit
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Deutschlands, die Lebensqualität
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der Menschen, das Funktionieren
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des Staates im Alltag und
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damit eben auch letztlich muss man so sagen potenziell die
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Demokratie, weil die Leute natürlich anfangen zu zweifeln, wenn
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Infrastruktur nicht mehr funktioniert.
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Das ist so, das ist, finde ich, eine ganz wichtige Erkenntnis, die wir
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auch gewonnen haben, als wir dieses Thema bearbeitet haben.
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Infrastruktur, insbesondere auch Infrastruktur in den Gemeinden,
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in den Städten. Das ist so quasi der Bereich, wo
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der Staat den Menschen unmittelbar
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begegnet. Also keine Ahnung: Mit dem Bund in
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Gestalt der Bundeswehr zum Beispiel kommt man ja normalerweise relativ
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wenig in Kontakt, aber man sieht jeden Tag, ob Straßen
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in Ordnung sind, wie so ein Schulgebäude aussieht, ob es eine
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Kita gibt. Das ist das, was die Menschen jeden
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Tag sehen. Und deswegen ist
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der Zustand der Infrastruktur so wichtig für das Gefühl:
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unser Staat funktioniert, ja oder nein.
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Deswegen regen sich die Leute auch so über die Bahn auf, weil das eine
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Infrastruktur ist, wenn die läuft, ist alles super. Aber wenn sie nicht
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funktioniert, dann nervt das natürlich maximal im Alltag.
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Aber bei mir kommen dann tatsächlich auch immer so Systemzweifel auf, wo
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ich denke, das kann doch nicht sein, dass wir das als Staat nicht
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hinkriegen. Also kommen wir mal zu den Fakten:
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Wie ist es denn eigentlich um den Zustand der Infrastruktur bestellt
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und was ist der Infrastruktur Bedarf?
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Wir behaupten hier, dass Infrastruktur zerfällt und das deckt
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sich ja auch mit der Alltagserfahrung. Aber wir wollten es natürlich für
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eine solche Sonderfolge genauer wissen. Wir wollten wissen: Ist das
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wirklich so und vor allem lässt sich das messen?
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Wäre der Staat eine AG, also eine Aktiengesellschaft, dann wäre die
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Sache relativ einfach. Da steht nämlich die komplette
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Hardware, die komplette Infrastruktur einfach schlicht und
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ergreifend in der Bilanz. Alle Gebäude, alle Autos, alle
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Computer finden sich da als sogenannte Aktiva und werden
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eben jedes Jahr etwas weniger
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wert. Und dann nennt man das eine Abschreibung, weil man eben diesen
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Wert aus der Bilanz dann rausnehmen kann. So kann man den
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Verfall dieses sogenannten Anlagevermögens in der Bilanz
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einfach nachlesen und supergut messen.
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Ja, also Beispiel: Wir haben eine
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AG, die baut eine Werkshalle,
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eine Fabrikationshalle, die hat mal irgendwann 1 Million gekostet.
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Die steht dann vielleicht im ersten Jahr mit einer Million in der
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Bilanz. Und jedes Jahr,
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während diese Halle verschleißt, wird die in dieser in dieser Bilanz
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abgeschrieben. Das heißt, dann steht die, eie viel Prozent
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Abschreibung ist egal, aber dann steht die vielleicht nach einem Jahr
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nur noch mit 950.000 in der Bilanz,
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nach ein paar Jahren nur noch mit 900.000. Und das heißt, man kann in
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der Bilanz so richtig nachschauen, wie diese Halle immer weniger wert
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wird. Und das ist in gewisser Hinsicht einfach auch ehrlich.
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Man kann sich über die Prozente der Abschreibung streiten, ob die zu
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hoch oder zu niedrig sind. Da hängen natürlich auch viele
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steuerliche Ergebnisse dran. Aber jedenfalls im Grundsatz ist es
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total sinnvoll zu sagen, dieses Anlagevermögen wird immer weniger
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wert und der Staat macht es nicht. Für den Staat gibt es
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einfach keine vergleichbare Rechnung.
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Nein, es gibt in Deutschland, das ist der erste Kritikpunkt, keine
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genaue Übersicht über den Wert
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der öffentlichen Infrastruktur, also
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wie man das so nennt, den Wert des öffentlichen Kapitalstocks.
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Spricht: Was ist das eigentlich alles wert, was Deutschland
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besitzt? Brücken, Schulen, Verwaltungsgebäude, Schwimmbäder.
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Und so weiter und so fort. Da gibt es leider keinen genauen
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Überblick und somit haben wir auch keinen genauen Überblick über den
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Zustand dessen, was dem Staat
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an Infrastruktur gehört.
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Denn es fehlen einfach in vielen Bereichen, nicht in allen, aber in
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vielen Bereichen kontinuierliche
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und vor allen Dingen vergleichbare Berichte.
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Und weil es keine Bilanzierung der öffentlichen Infrastruktur gibt,
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ist auch umstritten, wie sie sich
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ganz genau entwickelt. Nimmt der Wert dessen, was
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der Staat besitzt, nun ab oder nimmt er zu?
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Investiert der Staat wirklich ausreichend?
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Ganz vieles beruht ehrlich gesagt
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auf Schätzungen.
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Dennoch lässt sich in den letzten Jahrzehnten eine klare Tendenz
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ausmachen, sagt die Ökonomin Katja Rietzler, die wir eben schon hatten.
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Die ist Referatsleitung für Steuer- und Finanzpolitik am Institut für
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Makroökonomie und Konjunkturforschung.
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Der Trend, sagt sie, der geht eindeutig in eine Richtung.
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Und zwar nehme der Wert ab.
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Wir hatten ja eine sehr starke
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Investitionstätigkeit in den 90er
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Jahren. Da gab es ja auch Nachholbedarf durch die
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Wiedervereinigung. Ende der 90er Jahre
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kam das dann doch so langsam
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an allen Fronten allmählich zum Erliegen.
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Zwischendurch ist dann kurzfristig wieder etwas mehr geschehen.
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Auch ganz besonders auf der kommunalen Ebene.
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Aber seit 2020 sehen wir schon wieder einen
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leichten Abwärtstrend bei den öffentlichen Investitionen.
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Und da muss man halt sagen, das ist sowohl Bau
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als auch bei den Ausrüstungen
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und auch bei den sonstigen
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Investitionen, was im Wesentlichen so Forschung und Entwicklung auf der
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Staatsebene ist. Und wenn man da noch mal guckt,
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welche Gebietskörperschaften da eigentlich dahinterstehen, dann
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sieht man, dass die Kommunen doch recht tapfer weiter
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investieren, aber eben eigentlich da so nicht richtig von
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der Stelle kommen. Während wir ganz zuletzt jetzt auch
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beim Bund einen sehr starken
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realen Rückgang gesehen haben.
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Dass die öffentlichen Investitionen seit den 90er Jahren zurückgegangen
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sind, ist zwar nicht unmittelbar ein Beleg dafür, dass
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sie generell zu niedrig sind. Es könnte ja auch sein, dass in den
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Jahren zuvor wahnsinnig
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viel investiert wurde und deswegen in den 90er Jahren gar nicht so viel
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investiert werden musste, um den Wert zu erhalten.
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Oder auch heute vielleicht gar nicht so viel investiert werden muss.
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Deswegen betrachtete der eben schon zitierte Beirat des
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Wirtschaftsministeriums auch die Qualität der vorhandenen
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Infrastruktur. Also nicht nur Was geht rein, sondern was kommt
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hinten raus? Wie sieht es denn konkret aus bei der Infrastruktur,
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die wir schon haben? Sind die Einrichtungen, sind die
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Straßen, Sind die Brücken noch leistungsfähig, sofern jedenfalls
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die Daten dafür vorlagen? Und dabei ist herausgekommen:
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"Es ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einer
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Verschlechterung des Zustands der Infrastruktur gekommen.".
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Ja, im internationalen
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Vergleich stehen wir noch relativ gut da.
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Aber der Zustand, das muss man so sagen, der Zustand der Infrastruktur
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in Deutschland hat sich verschlechtert. Das krasseste
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Beispiel, ich habe es oben schon gesagt, ist wahrscheinlich die
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Deutsche Bahn. Immerhin, muss man sagen, kann man
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hier die Misere mittlerweile klar
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beziffern, denn es gibt mittlerweile
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den sogenannten Netzzustandsbericht der DB AG Netz und
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der lässt ehrlich gesagt keine Fragen offen.
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Kurzgefasst heißt es da: Es steht eine Generalsanierung an,
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kosten knapp 90
14:26
Milliarden €.
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Und das sind heutige Zahlen. Bis das dann wirklich gebaut ist,
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sind sicher 100 Milliarden. Mit anderen Worten: Fast das gesamte
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Netz der Deutschen Bahn ist
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so marode, dass dringend was passieren muss, mit Ausnahme einiger
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weniger Neubaustrecken. Und das muss man sich ja auch immer
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anschauen vor dem Hintergrund
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der politischen Großwetterlage. Die Ampel will möglichst viel
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Verkehr auf die Schiene verlegen,
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jedenfalls offiziell. Man kann bei den Ampel Parteien
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glaube ich, unterschiedliche Neigung dazu erkennen, aber jedenfalls im
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Grundsatz ist das die Linie. Die Leistung im Personenverkehr soll
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offiziell bis 2030 verdoppelt
15:02
werden und immerhin 1/4 aller Güter sollen bis dahin per
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Bahn transportiert werden. Bisher klappt das überhaupt nicht.
15:10
Diese Verkehrswende kommt nicht vom Fleck. Der Verkehr auf der Straße
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hingegen nimmt weiter zu.
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Also der Güterverkehr vor allen Dingen auch.
15:17
Genau. Und woran liegt das? Na ganz klar, Die Bahn ist das
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Rückgrat der Verkehrswende. Und dieses Rückgrat ist kaum und
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brüchig. Die Bahn ist ein Sanierungsfall.
15:26
Sanierungsfall, dieses Wort haben wir uns jetzt nicht ausgedacht,
15:29
sondern das stammt aus einem sehr lesenswerten Bericht des
15:32
Bundesrechnungshofs aus dem März
15:34
2023. Und da steht: "Die
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Eisenbahninfrastruktur ist in vielen Bereichen überaltert, vor allem
15:40
Gleise, Oberleitungen und Weichen."
15:42
Ja, hier wurde jetzt zuletzt
15:44
einiges auf den Weg gebracht. Es gibt diese Infrastrukturgesellschaft
15:47
InfraGO, haben wir auch drüber berichtet. Da soll es Gleissanierungen
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auf 40 Hauptstrecken geben, in den nächsten sechs Jahren bis 2030.
15:56
Da sollen 12,5 Milliarden
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zusätzliches Eigenkapital in die DB AG rein fließen.
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Insgesamt sollen 40 Milliarden € investiert werden.
16:05
Aber eben auch 12,5
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Milliarden € davon sollen
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stammen aus dem Klima- und Transformationsfonds, der ja nun
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wirklich mehr als zur Hälfte entleert wurde durch das Urteil des
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Bundesverfassungsgerichts Ende des Jahres.
16:19
Das heißt also völlig unklar, wie es da um die Finanzierung steht.
16:24
Aber die Probleme bei der Bahn, über die ja viel gesprochen wird,
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lenken den Blick oft weg von den zahlreichen Versäumnissen
16:31
an anderer Stelle. Denn auch an anderer Stelle bröckelt
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und bröselt die Infrastruktur
16:37
und die Zahlen bei Brücken, öffentlichen Gebäuden, Wohnungen,
16:40
digitale Infrastruktur und und und
16:42
stellen die immerhin 90 Milliarden
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schweren Infrastrukturschulden bei der Bahn locker in den Schatten.
16:48
Das ist klar. Aber wir haben uns immer die Frage
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gestellt: Von wie viel Geld reden wir denn?
16:52
Ja, und da stellt sich raus die Investitionsbedarfe,
16:57
wie das so heißt, also Investitionen
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an mehreren Ecken und Enden sind gar nicht so leicht zu ermitteln.
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Es gibt verschiedene Studien und verschiedene Schätzungen, die
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jeweils ein bisschen andere Ergebnisse zutage bringen und
17:09
die, weil sie eben auch zum Teil unterschiedlich rechnen.
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Eine viel beachtete Zahl steht seit 2019
17:16
im Raum und das sind 457
17:18
Milliarden €, die
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gesamtstaatliche also vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen
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investiert werden müssen. Gut 450 Milliarden €,
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das stammt aus einer gemeinsamen Studie vom arbeitgebernahen
17:31
Institut der deutschen Wirtschaft und dem Institut für Makroökonomie
17:34
und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans Böckler
17:37
Stiftung. Deswegen hat das so viel Beachtung gefunden, weil da eben so
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zwei Denkschulen auch zusammengearbeitet haben.
17:42
Und an dieser Studie zur Abschätzung
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des Investitionsbedarf 2019 hat
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mitgearbeitet Katja Rietzler vom
17:49
IMK.
17:50
Wir haben 2019 zusammen mit dem IW Köln eine sehr viel
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beachtete Studie gemacht, in der wir festgestellt haben, dass man
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in etwa in zehn Jahren knapp 460
18:00
Milliarden an zusätzlichen
18:03
Investitionen brauchen würde.
18:05
Mittlerweile, muss man sagen, sind diese Zahlen schon wieder etwas
18:08
überholt. Also das war natürlich auch der Stand 2019, auch in
18:12
Preisen von 2019.
18:14
Wir haben grob das versucht
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zu aktualisieren und kamen dann halt in so eine Größenordnung irgendwo
18:21
zwischen 600 und 800 Milliarden
18:23
für zehn Jahre, aus heutiger Sicht.
18:25
Also 600 bis 800 Milliarden über die nächsten zehn
18:29
Jahre, das heißt 60, 80,
18:31
90 Milliarden €
18:34
jedes Jahr...
18:35
Über zehn Jahre!
18:37
Über zehn Jahre. Kontinuierlich ist so die Größenordnung, von dem
18:40
wir jetzt mal ausgehen müssen, dass investiert werden müsste,
18:44
um...
18:45
Nur den bisherigen Stand der Infrastruktur wieder fit zu machen
18:48
und soweit die Infrastruktur schon nicht mehr zu retten ist, weil sie
18:51
zu lange nicht repariert wurde, sie zu ersetzen. Also Stichwort
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Rahmedetalbrücke, die Brücke, die ganz am Anfang gesprengt wurde.
18:58
Warum ist die gesprengt worden? Nicht etwa, weil die einfach nur das
19:00
Ende ihrer Lebenszeit erreicht hätte, sondern weil sie so lange
19:04
nicht vernünftig saniert wurde, dass sie irgendwann quasi unrettbar
19:08
zerfallen war.
19:08
Und nun neu gebaut werden muss. Also das sind diese 60, 80
19:12
Milliarden pro Jahr über die nächsten zehn Jahre, von denen
19:15
Katja Rietzler hier spricht.
19:18
Und jetzt sind das ja, wie sie sagt, die gesamtstaatlichen
19:22
Investitionen, also Investitionen, die Bund, Länder und Kommunen
19:26
aufbringen müssen. Über den Bund reden wir sehr viel,
19:29
über die Kommunen reden wir relativ wenig.
19:32
Genau. Und die Kommunen sind so ein bisschen das Sorgenkind auch
19:36
der Infrastrukturinvestitionen, weil die Finanzlage der Kommunen in
19:39
Deutschland extrem unterschiedlich
19:42
ist. Aber weil leider zur Wahrheit auch dazugehört, dass es in
19:45
Deutschland viele, viele bettelarme
19:47
Kommunen gibt. Und diese bettelarmen Kommunen
19:49
können beim besten Willen warum werden wir gleich erklären, nicht
19:53
das für die Infrastruktur investieren, was eigentlich
19:55
erforderlich wäre. Deswegen schauen wir uns jetzt noch
19:58
mal die Kommunen ein bisschen genauer an, denn das ist, glaube
20:00
ich, auch aus der Perspektive der Menschen, aus der Perspektive der
20:03
Demokratie ganz wichtig. Wir haben es eben schon angedeutet:
20:06
In den Kommunen erleben die Menschen den Staat ganz
20:09
unmittelbar.
20:10
Ja, denn da leben ja die Menschen,
20:12
das haben wir am Anfang gesagt, Da gibt es direkten Kontakt, vor allen
20:15
Dingen auch zu dieser Infrastruktur. Und da haben wir aktuell
20:19
einen Investitionsrückstand von
20:22
gut 160. Milliarden Euro.
20:24
Das ist also Teil dieser ungefähr
20:26
600 bis 800 Milliarden €. Gut 160 davon
20:30
fallen halt in die Kommunen.
20:32
Und diese Zahl stammt aus dem KfW
20:34
Kommunalpanel. Das wird erhoben, also im Auftrag
20:38
der KfW, also der Kreditanstalt für Wiederaufbau, so einer staatlichen
20:41
Bank gemeinsam mit dem Deutschen
20:43
Institut für Urbanistik.
20:45
Und da werden halt Kommunen
20:47
nach ihrem wahrgenommenen Investitionsrückstand
20:51
gefragt. Also was müsstet ihr sozusagen
20:54
investieren um auf einen guten Stand zu kommen? Und da fallen halt diese
20:57
166 Milliarden € raus.
20:59
Und das ist nur das, was man bezahlen müsste, um zu erhalten,
21:04
was schon da ist, also um das zu bezahlen, was in den Kommunen in
21:07
den letzten Jahren und Jahrzehnten längst hätte gemacht werden müssen.
21:11
Wir reden hier also noch nicht von neuen Schwimmbädern und Sporthallen
21:15
und wir reden auch nicht von Windkraftanlagen, sondern wir reden
21:18
nur von Instandhaltung und Reparatur.
21:20
Das sind 166 Milliarden,
21:22
die nötig sind, damit nicht Sporthallen und Schwimmbäder in
21:25
Bälde geschlossen werden müssen, die es längst gibt, weil sie nicht
21:28
vernünftig in Schuss gehalten wurden.
21:30
Das Deutsche Institut für Urbanistik hat dieses Jahr noch mal gesondert
21:33
in einer Studie erhoben, wie viel die Kommunen bis 2030
21:37
investieren müssten, um nachhaltige Verkehrsinfrastruktur
21:41
zu schaffen, also 166 Milliarden, um das zu erhalten, was da ist.
21:44
Aber nachhaltige Verkehrsinfrastruktur, das wären
21:47
noch mal dazu 372
21:49
Milliarden €.
21:50
Das wäre also das, was erforderlich ist für die Hardware der
21:53
Verkehrswende. Das bedeutet auf Deutsch Straßenbahnnetze
21:56
in größeren Städten. Weil das einfach so das effizienteste Verkehrsmittel ist im
22:00
öffentlichen Personennahverkehr. Aber auch Buslinien einrichten,
22:04
Buswartehäuschen einrichten, Schienenwege bauen.
22:08
Straßen umbauen.
22:09
Genau, also mehr Platz für Fahrräder.
22:11
Also alles das, was passieren müsste, damit wir ein bisschen
22:14
weniger abhängig vom Auto werden. 372 Milliarden €.
22:18
Warum ist die Zahl nun höher als die 166?
22:20
Naja, es gibt eben eine andere aufwendige Erhebungsmethode
22:24
um die projizierten Bedarfe zu errechnen. Es geht auch über einen
22:27
längeren Zeithorizont und vor allen Dingen geht es halt um
22:31
Rückstand und Umbau. Also bei der Verkehrswende müssen
22:34
also bei der Verkehrswende modernisieren.
22:36
Aber wir müssen halt auch umbauen. Da kommt also nicht nur Erhaltung
22:39
einer Brücke, sondern die müssen wir halt auch umbauen, um
22:41
Fahrradstreifen zum Beispiel einzurichten.
22:43
Also ihr seht schon, diese Zahlen sind alle, wie soll ich sagen, mit
22:46
so ein bisschen Vorsicht zu genießen, weil diese Zahlen immer
22:48
sehr davon abhängig sind, was man sich gerade anschaut.
22:50
Aber ich denke, ob nun 166
22:52
Milliarden für Aufholen des Rückstand, 372 für Rückstand
22:56
plus neu Investition im Verkehr im Verkehrsbereich.
23:00
Was ihr jedenfalls seht ist, da sind unfassbare Summen aufgelaufen,
23:03
die längst hätten investiert werden müssen, die aber nicht investiert
23:06
wurden. Und da haben wir uns natürlich gefragt: Wenn das doch alles so
23:09
offensichtlich ist und wenn das auch niemand so richtig bestreitet, ja,
23:12
das ist jetzt überhaupt kein parteipolitisches Thema.
23:14
Da kommen jetzt nicht Christian Lindner und sagt Quatsch, Infrastruktur muss man nicht, muss
23:18
man nicht in Schuss halten oder so! Da fragt man sich natürlich schon:
23:21
Warum haben Regierungen aller Couleur in den letzten Jahren zu
23:25
wenig investiert? Und dafür gibt es einen ganzen
23:27
Strauß an Erklärungen.
23:29
Zum einen gibt es fehlende Anreize, also der politische Prozess bei
23:33
uns in der Demokratie begünstigt
23:35
in der Tendenz eher Konsumausgaben, das ist Nummer eins.
23:37
Dann zweitens natürlich
23:40
leere Kassen. Bei sehr vielen Kommunen, zumindest
23:43
in der Vergangenheit waren es sehr viel, ist ein bisschen weniger geworden,
23:45
aber bei vielen Kommunen fehlt einfach das Geld.
23:48
Dann gibt es natürlich auch fehlende Kapazitäten und Expertise in den
23:51
Kommunalverwaltungen, um solche Infrastrukturprojekte aufs
23:55
Gleis zu setzen. Dann sind natürlich auch Planungs-
23:57
und Genehmigungsverfahren oft sehr langwierig und bürokratisch.
24:01
Und natürlich vielleicht auch hier die Schuldenbremse.
24:04
Das ist so der Strauß, an Ursachen.
24:06
Die jedenfalls in Betracht kommen und ernsthaft diskutiert werden.
24:09
Und wie valide die sind, wie
24:11
großen Anteil sie jetzt haben an
24:14
dem Entstehen der Infrastruktur, Schulden, dem gehen wir jetzt
24:17
mal nach. Und wir fangen mal an mit der Frage der politischen
24:20
Anreize. Warum haben Politiker:innen
24:22
aus allen Parteien seit Jahrzehnten
24:25
viel zu wenig Geld in Hardware investiert?
24:27
Grundsätzlich hat Infrastruktur
24:29
ein Handicap im politischen Prozess, würde ich mal sagen.
24:32
Es dauert einfach sehr lange, sie aufzubauen. Dafür hält sie auch
24:35
lange. Ja. Investitionen, die wir heute
24:38
tätigen, entfalten aber erst
24:41
in Jahren, vielleicht Jahrzehnten ihre Wirkung.
24:44
Und das gilt leider eben
24:46
auch für die eingesparten Investitionen. Also selbst wenn
24:48
jetzt die Brücken nicht erneuert und nicht repariert und die Schulen
24:51
nicht baut, dann merkt man das unter Umständen eben erst in vielen
24:55
Jahren. Das heißt, man kommt lange
24:57
damit durch, nicht
24:59
zu investieren.
25:00
Ja, das ist ein bisschen so wie mit den Vorsorgeuntersuchungen beim
25:04
Doktor. Man kann das mal verschieben, Man muss da nicht
25:06
unbedingt hin wie beim Zahnarzt. Er muss da jetzt nicht in dieser
25:09
Woche genau hin, kann schon mal ein bisschen verschieben.
25:11
Aber wenn man das zu lange verschiebt, dann hat man halt
25:13
einfach irgendwann fetten Karies.
25:16
Und genauso genauso ist das eben auch mit den Investitionen.
25:20
Das Problem ist bloß: Wahlen funktionieren anders.
25:23
In Wahlen bewerten wir die Leistung von Politikerinnen und Politiker
25:26
nämlich alle 4 bis 5 Jahre.
25:28
Und dabei schaut kaum jemand
25:30
bei seiner Wahlentscheidung auf langfristige Investitionen.
25:33
Sagt jedenfalls Gerd Landsberg, der
25:36
ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und
25:38
Gemeindebundes. Der kommunale Spitzenverband
25:41
in Deutschland, der die Interessen der Kommunen vertritt.
25:43
Politikerinnen und Politiker denken, das kann ich schon auch irgendwie
25:46
verstehen, in erster Linie ja in Wahlperioden.
25:49
Stehe ich hinterher gut da? Und das erlebe ich auch auf der
25:52
kommunalen Ebene. Wenn Sie sich entscheiden: Also ich
25:55
mache jetzt die Innenstadt schöner und ich mache den Bahnhof neu und
25:58
ich schaffe mehr Grün und mehr blau in der Innenstadt.
26:02
Wenn das nicht fertig ist bis zum Ende ihrer Wahlzeit,
26:06
dann wird gesagt: Der hat ja gar nichts geschafft, der hat ja gar
26:08
nichts gemacht, den wählen wir ab. Und das ist natürlich ein Problem,
26:11
auch den Leuten zu kommunizieren.
26:14
Wir packen das an, wir wollen es schaffen, aber es sind kleine
26:17
Schritte, und das müsst ihr akzeptieren.
26:19
Dass die Anreize, Geld für öffentliche Infrastruktur
26:21
auszugeben, so niedrig sind, liegt aber auch daran, wie sich der
26:25
Wert und der Nutzen öffentlicher
26:27
Infrastruktur bemisst. So gemeinschaftlich, möchte ich mal
26:31
sagen. Also das eine ist ja die Gemeinschaft bezahlt, die Kosten
26:35
sind ziemlich schnell klar.
26:37
Aber wie messen wir als Gesellschaft den Nutzen?
26:41
Denn manche nutzen
26:43
eine vielleicht frisch gebaute neue Brücke nie, andere nutzen sie
26:47
mehrmals täglich. Aber normalerweise bezahlt niemand
26:50
direkt für die Nutzung. Und wir sind es aber sehr gewöhnt,
26:54
dass im Regelfall sich der Nutzen von etwas dadurch
26:58
bemisst, welchen Preis wir dafür zahlen müssen.
27:01
Wir sind total daran gewöhnt, über den Preis auszudrücken, wie sehr wir
27:04
etwas wertschätzen. Und genau das passiert natürlich
27:07
bei öffentlicher Infrastruktur nicht. Und dann ist die Frage Wenn
27:10
die Nutzenden eben nicht direkt bezahlen, wie messen wir denn dann
27:13
den Wert öffentlicher Infrastruktur?
27:15
Und das passiert, wie oben schon erwähnt, eben durch Wahlen.
27:18
Diese Bewertung ist aber extrem ungenau.
27:22
Es finden also alle vier fünf Jahren Wahlen statt. Man macht sein Kreuz.
27:25
Aber dieses Kreuz für einen Politiker oder eine Politikerin, das
27:29
sagt halt nicht spezifisch: Toll, dass du diese Brücke saniert hast,
27:33
sondern es sagt so allgemein
27:35
ja Kita Straßen, so, insgesamt
27:37
finde ich dein Gesicht gut. Und daraus ist wahnsinnig schwer
27:40
abzuleiten, ja, wie viel wert war es denn jetzt,
27:43
diese Brücke zu sanieren durch dieses eine Kreuz?
27:45
Das verschwimmt einfach und das
27:47
übermittelt sich in Wahlen nur sehr, sehr, sehr diffus.
27:51
Wie, welchen Wert messen die Leute denn jetzt dieser Brücken
27:54
Sanierung bei?
27:55
Tja, und so fehlt für politisch
27:57
aktive Menschen häufig der Anreiz
28:00
für Infrastrukturinvestitionen
28:02
politisch zu kämpfen. Das ist einfach etwas, was
28:05
natürlich total wichtig ist für die Menschen, was aber in dieser
28:08
Mechanik des Politikbetriebs häufig unter die Räder kommt, das
28:12
ist so ein Aspekt. Aber ich glaube, Philip, wenn man
28:15
sich ehrlich macht, ist doch die finanzielle Situation der
28:18
Kommunen der ganz zentrale Aspekt.
28:21
Denn die Kommunen sind in unserer Gesellschaft
28:25
jedenfalls für die wahrgenommene, alltägliche, wichtige Infrastruktur
28:29
die zentralen Player. Die Kommunen nämlich entscheiden
28:32
darüber, ob eine Schule gebaut wird, ob ein Schwimmbad saniert
28:36
wird, ob eine Straße repariert wird. Richtig. Und sehr viel Infrastruktur
28:40
planen und bezahlen denn auch die Kommunen.
28:44
Das sagt Henrik Scheller vom Deutschen Institut für Urbanistik.
28:48
Die Infrastruktur ist eben auch
28:50
in den Kommunen verortet, zu großen Teilen.
28:53
Wichtige Infrastrukturen, vor allen Dingen auch, die die Bürgerinnen und
28:57
Bürger wahrnehmen die Straßen,
28:59
die Brücken, Kitas, Schulen,
29:01
Verwaltungsgebäude. Überall begegnet den Bürgerinnen und
29:04
Bürgern in der Kommune
29:06
der Staat über seine Infrastrukturen.
29:08
Und deswegen schauen wir auch in dieser Folge mal ein bisschen näher
29:12
und genauer hin auf die Rolle der
29:14
Kommunen. Wenn es nämlich dort läuft,
29:17
dann nehmen die Leute das positiv wahr, den Staat.
29:21
Wenn es aber schlecht läuft, dann
29:23
untergräbt das eben auch sehr schnell den Glauben an den Staat und
29:26
das Vertrauen in die Funktionsweise
29:29
letztlich auch der Demokratie.
29:30
Und die Bedeutung der Kommunen lässt sich auch in Zahlen ausdrücken.
29:34
Kommunen stemmen den relativ
29:36
größten Anteil der öffentlichen Investitionen neben Bund und
29:39
Ländern, nämlich 39 %.
29:42
Das heißt, die anderen 60 % teilen sich auf Bund und Länder auf.
29:45
Schaut man mal auf die öffentlichen Bauinvestitionen, so sind
29:49
es sogar rund 60 %, also
29:51
für Straßen, Brücken und Schulgebäude.
29:53
Die durch die Kommunen bezahlt 60 %. Denn die Kommunen sind für
29:57
eine ganze Menge zuständig: Schulen, Kitas, über 700.000
30:01
Kilometer an kommunalen Straßen.
30:04
Sie sind zuständig für die Trinkwasser- und Abwasserversorgung, für Energie- und Abfallwirtschaft,
30:08
für Sportstätten, Kulturstätten,
30:10
Sportplätze und solche Sachen, Brand- und Katastrophenschutz.
30:14
Außerdem sind kommunale Investitionen natürlich mega zentral
30:18
auch für die Wende zur Nachhaltigkeit.
30:21
All das verantworten die Kommunen.
30:23
Und das sind wichtige Infrastrukturen für den Alltag
30:26
der Leute und eben auch wichtige
30:29
Standortfaktoren für Unternehmen.
30:31
Ob sie sich entscheiden, ob sie in der Kommune A einen
30:35
neuen Sitz für Unternehmen einrichten oder in der Kommune
30:38
B und ob und in welcher Form
30:41
hier jeweils investiert wird, hängt ganz wesentlich an der Kassenlage
30:45
der Kommunen. Denn in ganz vielen Kommunen
30:48
fehlt einfach das Geld für die nötigen Investitionen, schreibt
30:52
auch der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums in
30:55
seinem Gutachten.
30:56
Und dementsprechend groß war auch
30:58
der Rückgang öffentlicher Investitionen in der Vergangenheit,
31:02
vor allem bei den Kommunen.
31:04
Da sei dieser Rückgang der Investitionen besonders stark
31:07
gewesen. Und die Folgen sind dramatisch, sagt Gerd Landsberg.
31:11
Der, würde ich mal sagen, Cheflobbyist der deutschen Städte
31:14
und Gemeinden.
31:15
Also die kommunale Infrastruktur ist insgesamt in einem sehr schlechten
31:18
Zustand. Nach der letzten Umfrage liegen
31:21
wir bei einem Investitionsrückstand
31:23
von 166 Milliarden.
31:26
Diese Zahl stammt aus dem aktuellen Kommunal Panel von 2023.
31:31
Und addiert man diese mitgeteilten Investitions Rückstände, kommt
31:35
man auf die genannten 166 Milliarden. Und besonders hoch
31:38
sind nach diesem Kommunalpanel
31:40
die Rückstände bei Schulen, Straßen
31:43
und Verwaltungsgebäuden, sagt
31:45
Herr Landsberg.
31:46
Allein bei Schulen sind es 47,4
31:48
Milliarden. Das beobachten wir seit Jahren.
31:51
Es wird nicht besser, es wird schlechter.
31:54
Wir reden ja alle sehr viel über Bildung. Aber viele Schulen, sage
31:57
ich immer, sind eher Baracken als Kathedralen der Bildung.
32:00
Das führt zu großer Unzufriedenheit vor Ort. Die Schule ist schlecht,
32:04
die Kita ist auch nicht im besonders guten Zustand, die Straßen nicht,
32:08
es gibt Umleitungen, es gibt Schlaglöcher.
32:10
Und eine richtige Lösung ist jedenfalls zurzeit nicht
32:14
in Sicht.
32:15
Aber zum Bild gehört eben auch dazu,
32:17
dass die finanzielle Situation der Kommunen in Deutschland regional
32:21
sehr unterschiedlich ist. Das hat ein Paper noch
32:25
mal herausgearbeitet vom Institut der deutschen Wirtschaft aus dem
32:27
Jahr 2020. Danach geht es den
32:31
Kommunen in Süddeutschland
32:33
überdurchschnittlich gut. Die haben so gut wie keine
32:36
Kassenkredite, also Kassenkredite, so der Dispo, letztlich der, der
32:40
der Gemeinde. Die haben die besten Steuereinnahmen, die haben auch die
32:44
höchsten Investitionen,
32:46
was wiederum begünstigt wird dadurch, dass sie die niedrigsten
32:49
Sozialausgaben haben, also in Süddeutschland.
32:51
Kommunen in Ost und West liegen eher im Mittelfeld.
32:55
Besonders arg ist die Situation der Kommunen ganz weit im
32:59
Westen. Die haben die höchsten
33:01
Schulden, die höchsten Sozialausgaben und deswegen auch die
33:04
niedrigsten Investitionen. Und das betrifft insbesondere das
33:08
Ruhrgebiet, also die Region Deutschlands, wo viele Jahrzehnte
33:12
Kohle- und Stahlwirtschaft ganz wesentlich zur Wirtschaftskraft
33:16
beigetragen haben. Und diese Wirtschaftszweige
33:19
sind vor allem in den 70er und 80er Jahren weitgehend abgebaut
33:23
worden, und die Region hat sich davon heute...
33:26
Offensichtlich noch nicht hundertprozentig erholt.
33:29
Also es gibtl, natürlich hat sich da viel getan, aber der Unterschied
33:33
zwischen den Ländern, der liegt vor allen Dingen, das sagen auch alle an
33:36
den unterschiedlichen Strukturen, die dort vorherrschen.
33:39
Und das hat viel mit Zufall zu tun. Das kann man jetzt nicht den
33:42
einzelnen Bundesländern anlasten oder ihnen gutschreiben.
33:45
Natürlich machen die auch ihre Politik, aber viele Gründe für
33:48
diese regionalen Unterschiede liegen
33:50
eben in unterschiedlichen Strukturen. Und das ist eben in NRW
33:54
eine völlig andere Struktur als in Bayern. Und daher kommen halt
33:57
diese Unterschiede. Da gehen wir auch gleich noch mal näher drauf
34:00
ein.
34:00
Aber das ist halt fatal.
34:02
Das ist halt fatal, wenn man so extrem hohe Sozialausgaben hat,
34:05
weil sich das wiederum unmittelbar
34:08
auswirkt auf die Investitionstätigkeit.
34:10
Das schreibt das Institut der Deutschen Wirtschaft ebenfalls in
34:13
der bereits zitierten Analyse aus dem Jahr 2020.
34:16
Und diese regionalen Unterschiede, die zeigen sich eben besonders
34:20
auch bei der Investitionstätigkeit,
34:23
also beim Geldausgeben für Infrastruktur, möchte ich es mal
34:26
nennen. Das sieht man zum Beispiel
34:28
an den Bauinvestitionen pro Kopf, pro Einwohner, pro
34:32
Einwohnerin. Und die lagen zum Beispiel zwischen
34:35
2011 und 2021,
34:37
also im Zeitraum von zehn Jahren in Bayern bei 428 €
34:42
pro Kopf, in NRW bei 156 € pro Kopf.
34:46
Also weniger als die Hälfte, hat NRW pro Kopf für Investitionen
34:50
für Bauinvestitionen ausgegeben
34:53
als Bayern in der Zeit. Und das ist ein signifikanter
34:56
Unterschied. Und der sammelt sich natürlich auch an, also wenn man
34:58
langfristig pro Kopf mehr als das Doppelte investiert, dann ist
35:02
die Infrastruktur natürlich in völlig anderem Zustand.
35:04
Und dann haben die Menschen natürlich auch das Gefühl, hier ist
35:07
heile Welt. Und in Nordrhein läuft es eben genau andersherum.
35:10
Warum die Unterschiede so groß sind,
35:13
dazu kommen wir gleich. Klar ist aber Vor allem In
35:16
finanzschwachen Kommunen ist die Investitionstätigkeit schon lange zu
35:19
gering. Das ist also nicht irgendwie Jux und Dollerei oder eine falsche
35:22
politische. Die haben einfach das Geld nicht.
35:25
Und viele von diesen finanzschwachen Kommunen liegen in Rheinland Pfalz,
35:29
im Saarland und in Nordrhein Westfalen.
35:32
Zum Beispiel die Stadt
35:34
Oberhausen. Das ist eine der Städte
35:36
mit den allerhöchsten Schulden in Nordrhein Westfalen.
35:39
Mein Name ist Apostolos Tsalastras. Ich bin der Stadtkämmerer
35:43
der Stadt Oberhausen und gleichzeitig auch dort der
35:45
Kulturdezernent. Und ja, meine Aufgabe
35:49
ist, die Finanzen der Stadt in Ordnung zu halten.
35:51
Und das ist gar nicht so einfach. Werden wir sehen, wo, wie und
35:56
ob es vielleicht muss. Ja, ich muss ja irgendwie Europa
35:58
zusammenhalten. Und Rhein und Also Oberhausen wird vielleicht
36:02
nicht jeder oder jede kennen. So 210.000 Einwohner liegt
36:05
im Ruhrgebiet. Wie viele Städte im Ruhrgebiet
36:08
ist es nach wie vor? Wir haben es gesagt, geprägt vom
36:12
Strukturwandel der 70er bis 90er Jahre. Also raus aus
36:16
Kohleabbau, Stahlproduktion
36:19
hin zu anderen
36:21
Industrien, die damals halt dann billiger waren und
36:25
Kohle also teurer wurde. Und heute ist es halt der Strukturwandel hin zu
36:28
Klimaneutralität. Ja, aber ich finde, du machst das
36:30
schon deutlich. Niemand weiß bis heute, wohin eigentlich.
36:33
Also eigentlich ist das große Problem des Ruhrgebiets von seit
36:37
1970 bis heute niemand
36:39
weiß, was anstelle von Kohle
36:41
und Stahl passieren soll. Natürlich gibt es also zahllose
36:44
Leuchtturmprojekte, aber es ist jetzt auch keine völlige Wüste.
36:46
Es herrscht nicht 100 % Arbeitslosigkeit. Natürlich hat das
36:49
Ruhrgebiet sehr unterschiedlich
36:52
diesen Strukturwandel bewältigt. Aber so einem Masterplan weiß
36:55
man, was man tun kann, um
36:57
diese beiden früher mal dominierenden Wirtschaftszweige zu
37:01
ersetzen. In einen Masterplan gibt es eben einfach nicht.
37:04
Und das hat bis heute dramatische
37:06
Folgen für die Kassenlage.
37:08
So erzählt es uns der Kämmerer von Oberhausen.
37:10
Bei uns sind fast sämtliche Industrien, die wir hatten,
37:14
von Kohle und Stahl
37:17
nicht mehr vorhanden. Die Stadt hat verschiedenste
37:20
Anläufe genommen, auch sehr erfolgreiche, den Strukturwandel
37:24
zu gestalten, so dass wir da eigentlich auf einem sehr guten
37:27
Weg sind. Und trotzdem fehlt nach wie vor die Steuerkraft,
37:31
um die Aufgaben, die Kommunen haben, auch vollumfänglich erfüllen zu
37:35
können.
37:35
Also Steuerkraft heißt schlicht Es fehlt Geld, vielleicht auch ein
37:38
bisschen. Wir haben so wenig Geld und können deshalb unsere Politik
37:41
wenig steuern, haben wenig Einfluss auf das Schicksal unserer Kommune.
37:45
Sicherlich. Aber es läuft darauf hinaus. Kommunen, viele Kommunen,
37:48
unter anderem Oberhausen, haben schlicht zu wenig Geld.
37:50
Und die große Frage ist natürlich Wo kommt denn das Geld für Kommunen
37:54
eigentlich her? Kommunen wie Oberhausen bekommen ihr
37:57
Geld zunächst im ersten Schritt vor allem aus der Gewerbesteuer.
38:01
Also wenn örtliche Unternehmen Gewinne machen, dann zahlen sie die
38:03
Gewerbesteuer und aus der Einkommensteuer.
38:07
Also wenn ihre Bewohner Bewohnerinnen arbeiten und Steuern
38:11
zahlen, zahlen müssen, dann kriegt ein Teil davon auch die Kommunen.
38:15
Und wenn da dann was schiefgeht
38:17
bei den Unternehmen oder eben bei den Einkommen der Menschen, die dort
38:20
wohnen, dann rutschen Kommunen
38:22
schnell in die Schulden. Und das kann man wiederum
38:25
mustergültig in Oberhausen bewundern.
38:28
In Oberhausen stand mal ein großes Stahlwerk, das wurde dann
38:31
geschlossen. Heute steht da ein Einkaufszentrum.
38:35
Allein auf diesem riesigen
38:37
Gelände sind 30.000 Arbeitsplätze
38:39
weggefallen über die Jahre. Das ist ein riesen
38:43
soziales Problem. Sie haben also eine Menge
38:45
Arbeitslosigkeit, die Sie da produzieren.
38:48
Sie haben hohe Sozialleistungen,
38:50
die sie dadurch tragen müssen. Das kann ein Haushalt allein schon
38:53
nicht tragen. Und parallel dazu
38:55
haben sie gleichzeitig natürlich extreme Steuerverluste,
38:59
weil sie keine Gewerbesteuer mehr bekommen für die Unternehmen,
39:02
die bisher da waren und eigentlich
39:04
auch kräftige Steuerzahler waren, weil es ja riesige Unternehmen
39:07
waren. Die sind dann alle weg. Das heißt, Sie haben von zwei
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Seiten einmal von der Einnahmeseite wie auch von der Ausgabenseite
39:14
großen Druck auf den Haushalt und den können sie über die Jahre
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gar nicht ausgleichen. Und so sammeln sich natürlich auch
39:21
entsprechend Defizite an und führt zu der Gesamtverschuldung, die wir
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auch aufgebaut haben.
39:24
Also Oberhausen sind also einerseits
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die Einnahmen weggebrochen, das ist allerdings nur die eine Hälfte
39:30
der Finanzprobleme.
39:32
Hinzu kommen natürlich auch zusätzliche Aufgaben, die Bund und
39:35
Länder beschließen, die wir umsetzen müssen, die sehr viel Geld kosten
39:38
und die wir auch nicht erstattet bekommen oder nicht vollumfänglich
39:41
erstattet bekommen. All das sind Auswirkungen, die
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über die Jahre so eine Stadt
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ja sozusagen an den Rand der Handlungsfähigkeit treiben.
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Das ist einfach so.
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Also das Problem vieler Kommunen, vor allem im Westen, aber nicht nur
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da, ist so ein Teufelskreis,
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der damit losgetreten
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wird. Betriebe haben Probleme, entlassen Leute. Bewohner,
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Bewohnerinnen brauchen Hilfe, sprich Sozialleistung.
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Die müssen die Kommunen bezahlen.
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Die Kommune muss Schulden machen
40:10
und hat dann eben kein Geld mehr, um
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teure Infrastruktur zu bezahlen.
40:14
Und das macht sie dann wiederum als
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Standort für neue Unternehmen weniger attraktiv.
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Und so gibt es eben eine Abwärtsspirale.
40:21
In Bayern und Baden Württemberg. Hingegen ist es oft umgekehrt, sagt
40:25
das Institut der deutschen Wirtschaft in seiner Studie aus dem
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Jahr 2020. Hier herrscht eher eine gute
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Thermik, also quasi so eine Art Auftrieb.
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Regionen, schreiben sie, Regionen mit einer hohen Steuerkraft und
40:37
geringen Sozialausgaben weisen
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eine geringe Verschuldung und hohe Investitionen auf.
40:43
Mit diesen Investitionen kann
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langfristig die Standortattraktivität und somit die
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Steuerkraft weiter erhöht werden,
40:50
wodurch wiederum die Investitionen
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weiter ansteigen können. Und so weiter.
40:55
Dies könnte somit eine Aufwärtsspirale in Gang setzen,
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sprich gute Thermik.
41:00
Aber kommen Kommunen in eine
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Abwärtsspirale, so kommen sie da von alleine fast
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nicht mehr wieder raus. Mit der Folge, dass immer weniger
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in Infrastruktur investiert
41:11
wird. Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums stellt
41:14
fest: Die Kommunen, die besonders
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wenig investieren, sind zugleich
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die Kommunen mit besonders hohen Sozialausgaben, die außerdem
41:23
noch besonders verschuldet sind. Die Wissenschaftlerinnen und
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Wissenschaftler schreiben:.
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"Es ergibt sich das Bild, dass Kommunen, die relativ hohe
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Sozialleistungen zu tätigen haben, diese zum einen durch
41:35
Kreditaufnahme, zum anderen
41:37
durch eine geringere Investitionstätigkeit finanzieren.
41:41
Erst seit wenigen Jahren hat zum Beispiel die Stadt Oberhausen wieder
41:44
eine Investitionsquote von über
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100 %. Das klingt ja erst mal mega.
41:49
100 %, denkt man, alles
41:51
läuft bei denen. Das heißt aber nur, dass sie genug
41:54
investieren, dass die Sachen nicht an Wert verlieren.
41:57
Das ist eigentlich das absolute
41:59
Minimum. Denn neue Infrastruktur
42:02
schaffen sie jedenfalls rechnerisch überhaupt nicht.
42:05
In den Jahren davor hatten wir Investitionsquote von 40 bis
42:08
50 %. Das heißt, wir hatten einen Substanzverlust von 50 %
42:12
jedes Jahr. Und das baut natürlich einen riesen
42:15
Investitionsstau auf. Beziffern kann ich dir nicht, aber
42:18
der ist immens. Das merken wir jetzt gerade bei
42:20
Schulen. Ich muss eine neue Schule bauen. Das sind 100 Millionen €, die die
42:24
Schule kosten wird. Wir müssen erweitern an
42:27
verschiedenen, an vielen Schulen und gleichzeitig parallel die alten
42:31
Gebäude instand setzen. Das ist schon eine
42:33
Riesenherausforderung. Allein das Thema Schule.
42:36
Ich finde das ein ganz gutes Beispiel, weil es eben deutlich mal
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woher diese Schulden kommen. Jetzt sind sie vielleicht gerade
42:40
wieder da, dass sie das so erhalten können. Aber das ändert nichts
42:43
daran, dass in den letzten Jahren zu wenig investiert haben, die
42:46
Substanz an Wert verloren hat, verfallen ist und jetzt immer noch
42:51
so ist. Und natürlich gibt es in Oberhausen
42:53
nicht nur Schulen, sondern noch viel mehr Infrastruktur, die Geld
42:56
bräuchte. Theater zum Beispiel.
42:58
Da ist lange aus Geldmangel immer nur notdürftig geflickt worden.
43:02
Aber das reicht halt auf Dauer nicht, schildert der Kämmerer von
43:06
Oberhausen.
43:07
Am Ende des Weges hat die Feuerwehr und der Brandschutzbeauftragte
43:10
gesagt, das geht nicht mehr. Ihr müsst das Theater schließen, wenn ihr jetzt nicht da investiert.
43:13
Um überhaupt das Nötigste zu schaffen, muss Oberhausen ganz
43:17
hart priorisieren. Also entscheiden: Was ist
43:20
noch dringender als dringend und was ist einfach nur dringend und muss
43:23
deswegen leider auf die lange Bank geschoben werden, zum Beispiel
43:26
Investitionen in Schulen. Auch das Theater wird
43:29
jetzt endlich saniert, weil es sonst geschlossen werden müsste.
43:32
Aber um das zu schaffen, muss Oberhausen sehr viel Arbeit
43:36
in die Beantragung von Fördergeldern
43:38
stecken und außerdem diese Instandhaltung über einen langen
43:41
Zeitraum strecken. Und das wiederum hat seine ganz
43:44
eigenen Nachteile.
43:46
Wir können nicht wie andere Städte
43:48
jetzt hingehen und sagen: Wir machen jetzt in einem Rutsch das Theater
43:51
fertig, das können wir nicht. Das heißt, wir haben, was das Thema
43:54
Brandschutz angeht, einen Deal gemacht mit der Feuerwehr und den
43:58
Brandschutzbeauftragten, dass wir
44:00
sukzessive das Theater umbauen,
44:03
jetzt innerhalb von drei Jahren
44:05
versuchen, den Brandschutz umzusetzen.
44:08
Die Bühnentechnik, die nicht nur veraltet ist, sondern auch nicht
44:10
mehr funktioniert, umzusetzen, sodass wir die Sachen immer auf Zeit
44:14
strecken müssen, was sehr viel Aufwand bedeutet.
44:17
Auch Mehrkosten am Ende des Weges.
44:19
Weil wenn sie die Sachen immer unterbrechen müssen und dann wieder
44:22
neu anfangen, dann wird es natürlich teurer und das ist natürlich
44:26
sehr personalintensiv.
44:27
Also wenn du Deal mit dem Brandschutzbeauftragten machen
44:30
musst, um dein Theater zu sanieren über drei Jahre...
44:32
Dann ist es Code Red.
44:35
Aber priorisieren heißt ja auch Dinge verschieben,
44:39
gar nicht machen, weil einfach das Geld nicht reicht.
44:43
In Oberhausen sind das ausgerechnet
44:46
die Brücken. Der Bereich Verkehrsplanung hat beim
44:49
Kämmerer ganze sieben Brücken
44:51
als sanierungsbedürftig angemeldet.
44:54
Aber so einfach ist das nicht.
44:55
Die können wir gar nicht finanzieren im Augenblick. Das heißt, wir gehen
44:58
jetzt, jedes Jahr machen wir eine
45:00
Brücke statt die sieben, die unbedingt gemacht werden müssen.
45:03
Auf einmal können wir nicht.
45:06
Ich find das so geil, weil das so plastisch macht, wo da das Problem
45:10
ist. Wir haben nicht genug Geld.
45:12
Ja, dann machen wir das Theater über drei Jahre, machen so einen Deal.
45:17
Für sechs Brücken reicht das nicht, da kriegen wir nur eine hin.
45:21
Musst du dir mal überlegen, jedes Jahr nur eine Brücke. Mal ganz ehrlich, Philip: Das ist
45:23
ein Beispiel aus Deutschland.
45:26
Wir reden jetzt nicht von Subsahara Afrika, sondern wir reden von
45:29
Deutschland, dem viert reichsten Land der Welt. Je nach Statistik und
45:33
in dem ihr reichsten Land der Welt gibt es Städte wie Oberhausen.
45:36
Und es gibt ja hunderte dieser Art,
45:38
die haben nicht mal die Kohle, um längst existierende Brücken
45:42
in Schuss zu halten.
45:43
Es geht nicht um acht neue Brücken, es geht um die sieben, die es gibt.
45:46
Und die müssen halt saniert werden. Und das Erschreckende ist,
45:49
wir reden hier von Oberhausen, aber Oberhausen ist ja nur pars pro toto.
45:53
Oberhausen steht ja nicht alleine da. Laut einer aktuellen Studie
45:56
des Deutschen Instituts für Urbanistik ist fast jede
45:59
zweite Straßenbrücke im Verantwortungsbereich der Kommunen
46:03
in keinem guten Zustand.
46:05
Und warum die Kassen in Kommunen
46:07
wie zum Beispiel Oberhausen so leer sind, dass sie sich um ihre
46:10
Infrastruktur nicht vernünftig kümmern können, das liegt an der
46:14
Art und Weise, wie wir die Kommunen finanzieren.
46:18
Wie bereits erwähnt, gibt es sehr große regionale Unterschiede
46:20
zwischen den Kommunen. Im Süden gehts den Kommunen im
46:22
Schnitt deutlich besser als im Westen. Aber auch im Osten und
46:25
Norden gibt es reiche und arme Kommunen.
46:28
Es gibt Kommunen, die viel investieren, und es gibt eben
46:31
andere, die völlig überschuldet sind und wenig investieren, wie zum
46:35
Beispiel Oberhausen. Das Problem ist: Ob eine Kommune Geld
46:38
hat oder nicht, hat eben sehr viel mit Faktoren zu
46:42
tun, die diese Kommune selbst nicht beeinflussen
46:46
kann. Die Kommunen haben sehr wenig Möglichkeiten, an
46:50
ihrer eigenen Situation, vor allem an ihrer eigenen Finanzsituation,
46:54
etwas zu ändern.
46:55
Und das liegt daran, wie wir die Kommunen finanzieren.
46:59
Die Kommunen können ihre Kassenlage nur ganz bedingt beeinflussen
47:02
und so aus einer Schieflage wieder rauskommen, denn sie haben
47:06
kaum Kontrolle. Das war uns auch neu.
47:09
Sie haben kaum Kontrolle über ihre Einnahmen und ihre
47:13
Ausgaben.
47:14
Fangen wir mit den Einnahmen an. Man könnte ja meinen okay, Ausgaben
47:17
steigen, da muss man mehr Einnahmen generieren. Für die Kommunen ist
47:20
das aber nicht so einfach. Die bekommen ihr Geld
47:24
im Kern hauptsächlich aus zwei
47:26
Quellen. Das eine, musste ich auch lernen, ist der sogenannte
47:30
kommunale Finanzausgleich. Und ich dachte erst: Na gut, das ist
47:33
so ein Finanzausgleich, da zahlen die reichen Kommunen was an die
47:35
Armen und am Ende haben alle gleichviel. Das ist aber nicht so,
47:38
Im Kern läuft es letztlich darauf hinaus: Der kommunale
47:41
Finanzausgleich ist der Kanal,
47:44
über den die Bundesländer
47:46
ihren Kommunen Geld überweisen. Das ist also der Kanal, da fließt
47:50
Geld von den Ländern zu den Kommunen. Denn das muss man sagen,
47:54
die Länder sind für ihre Kommunen verantwortlich. Die Kommunen sind
47:57
eigentlich Kinder oder Konstrukte der Länder. Und deswegen sind die
48:00
Länder verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Kommunen
48:04
letztlich ausreichend Geld haben. Und für arme Kommunen wie Oberhausen
48:08
ist dieser kommunale Finanzausgleich, also Geld vom Land,
48:11
der wichtigste Geldtopf.
48:12
Und den wiederum können sie nicht selber beeinflussen.
48:15
Denn über das Geld entscheidet das Land und nicht die Kommune.
48:18
Und nicht viel besser ist das bei kommunalen Einnahmen direkt aus
48:21
Steuern. Die Kommunen bekommen Anteile an sogenannten
48:25
Gemeinschaftssteuern, also zum Beispiel Anteile an der Umsatzsteuer
48:29
und der Einkommensteuer. Wie viel Anteil entscheiden
48:32
aber nicht sie, sondern Bund und Länder. Da können also nicht die
48:35
Kommunen selbstständig am Knöpfchen drehen, sondern das entscheiden Bund
48:39
und Länder. Der Bund und die Länder sind aber auch chronisch klamm.
48:42
Und da ist der Anreiz groß,
48:44
einfach in die Kassen der Kommunen zu greifen und denen strukturell
48:48
zu wenig Geld zuzuweisen.
48:51
Selbst beeinflussen können die Kommunen nur die Gewerbesteuer
48:55
und die Grundsteuer. An diesen Steuern können sie selber
48:59
schrauben, indem sie diese sogenannten Hebesätze ändern,
49:02
also senken oder steigern.
49:05
Das Problem ist aber: Sowohl die Gewerbesteuer als auch die
49:08
Umsatzsteueranteile sind erfolgsorientiert, denn diese
49:12
Gewerbesteuereinnahmen hängen natürlich ab von der Zahl
49:16
und dem Erfolg der ansässigen Unternehmen.
49:18
Und der Ökonom Björn Kauder vom Institut der deutschen
49:22
Wirtschaft, kurz IW, erklärt
49:24
das am Beispiel der Gewerbesteuer,
49:26
also jener Steuer, die alle Gewerbetreibenden zahlen müssen,
49:30
abhängig von ihrem jeweiligen Gewinn.
49:32
Die Gewerbesteuer ist im Prinzip ein Relikt aus alten Tagen.
49:37
Das Problem ist ja, dass wirtschaftlich starke gemeinden
49:39
ihren Hebesatz senken können und so Unternehmen aus anderen Gemeinden
49:43
anlocken und noch stärker werden,
49:45
was ökonomisch aber keinen Sinn ergibt, weil die Einnahmen
49:48
schlussendlich nur das gewinnen, was die anderen verlieren.
49:51
In den schwachen Gemeinden geht spiegelbildlich die
49:53
Bemessungsgrundlage verloren, wenn die Unternehmen abwandern,
49:57
wodurch sie die Steuern erhöhen müssen und noch schwächer werden.
50:01
Im Ergebnis haben wir regionale Ungleichgewichte.
50:03
Das heißt, die Gewerbesteuer treibt
50:06
diese Spirale oder diese Spiralen
50:08
kräftig an, sowohl nach oben wie als nach unten. Reiche Kommunen werden
50:11
immer attraktiver. Arme Kommunen werden durch die
50:14
Gewerbesteuer in der Tendenz noch unattraktiver.
50:17
Und das ist so ziemlich eigentlich das Gegenteil von Ausgleich.
50:20
Und außerdem schwankt die Gewerbesteuer noch extrem mit der
50:23
Konjunktur. Stagniert die Wirtschaft, müssen die Kommunen zwar
50:26
mehr für Soziales zahlen, zum Beispiel mehr Wohngeld
50:30
oder mehr Arbeitslosengeld. Aber gleichzeitig bricht auch
50:34
ihre Gewerbesteuer ein. Das heißt, sie haben an beiden
50:36
Seiten bei den Ausgaben und bei den Einnahmen ein Problem.
50:40
Und auch bei diesen Ausgaben können die Kommunen nur bedingt mitreden.
50:44
Denn für was Kommunen Geld ausgeben
50:46
müssen, das bestimmt in der Regel
50:49
der Bund. Beispiel Sozialausgaben
50:52
generell steigen oder es gibt
50:54
einen neuen Anspruch auf einen ganztägigen Kitaplatz.
50:58
Ist natürlich sozialpolitisch eine sehr gute Idee.
51:00
Wenn wir zum Beispiel die Gleichberechtigung von Männern und
51:03
Frauen im Arbeitsleben fördern wollen, dann muss es eben eine
51:06
ganztägige Kita Betreuung geben. Aber wer darf den Spaß bezahlen?
51:09
Die Kommunen. Und dasselbe gilt für die Unterbringung von Geflüchteten.
51:13
Darüber haben wir der Lage schon oft gesprochen. Der Bund beteiligt
51:16
sich daran zwar, aber letzten Endes erledigen müssen
51:20
es die Kommunen. Das heißt, sie haben zumindest den Verwaltungsaufwand.
51:22
Und sie argumentieren auch, dass nach wie vor ein Teil der Kosten bei
51:26
ihnen hängenbleibt.
51:27
Und im Groben ist die Praxis immer Der Bund
51:31
macht ein Gesetz, der Bundestag beschließt ein Gesetz, die
51:33
Bundesregierung beschließt ein Gesetz, die Kommunen müssen
51:37
es umsetzen und bezahlen.
51:39
Und der Bund erstattet aber
51:41
wenn überhaupt, nur ein Teil
51:43
der Kosten, die dieses von ihm
51:45
verabschiedete und gemachte Gesetz verursacht.
51:48
Und das ist eine zentrale Kritik, die auch Apostolos Tsalastras,
51:52
der Kämmerer von Oberhausen, teilt.
51:54
Wir kriegen Aufgaben von Bund und Land zugewiesen, die eine Regelung
51:57
haben in dem Moment, wo sie eingeführt werden.
51:59
Die Kostensteigerungen, die sich entwickeln. Veränderungen in der
52:02
Struktur haben oft zur Folge, dass die Kosten bei den Kommunen hängen
52:06
bleiben. Ob das jetzt das Thema Arbeitslosigkeit ist, ob das das
52:10
Thema Flüchtlinge ist, ob das
52:12
das Thema Offener Ganztag, das jetzt auf uns zukommt, ist, ob das das
52:16
Thema Kita. Wir sind verpflichtet, den
52:18
Gesetzesanspruch der Eltern
52:21
zu erfüllen, dass sie einen Kitaplatz bekommen.
52:24
Das kostet sehr viel Geld,
52:26
das zur Verfügung zu stellen. Es wird nicht auskömmlich
52:29
finanziert. Diese Mehrkosten bleiben bei den
52:32
Kommunen. Sie haben aber keine zusätzlichen Einnahmen, um das zu
52:34
finanzieren. All das sind so Beispiele, wo Bund
52:38
und Land die Kosten eigentlich tragen müssen, was sie nicht tun.
52:41
Oder wenn sie es tun, dann nur am Anfang. Und die Kostensteigerung
52:44
werden dann nicht mehr, nicht mehr übernommen, bleiben dann bei uns
52:46
hängen.
52:47
Bund und Länder verpflichten die Kommunen also zu neuen Aufgaben,
52:50
die oft viel Geld kosten, ohne
52:52
dass Bund und Länder aber wirklich von Anfang an die vollen Kosten
52:55
dafür tragen. Das kritisieren die Kommunen und
52:58
fordern: Wer eine Aufgabe
53:00
verteilt, der muss auch die Kosten dafür übernehmen.
53:03
Das einfache Prinzip: Wer bestellt,
53:05
der zahlt. Kennt man aus dem Restaurant.
53:08
Und das wollen die Kommunen eben auch im Bereich der
53:10
Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
53:14
Das nennt man auf schlau das
53:16
Konnexitätsprinzip.
53:17
Das kann man ja im Restaurant erst mal fallen lassen. Gilt ja auch das
53:20
Konnexitätsprinzip. Ich habe bestellt, muss ich auch
53:22
zahlen. Im Restaurant ist das eine Selbstverständlichkeit, in der
53:25
deutschen föderalen Finanzstruktur
53:28
keinesfalls. Konnexus kommt natürlich von
53:30
Verknüpfung, Verbindung. Und das heißt einfach:
53:33
Wer bestellt, muss zahlen. Dass dieses Konnexitätsprinzip
53:37
aber in der Regel ganz häufig nicht beachtet wird, das sei eine der
53:41
Hauptursachen für die schlechte Lage der Kommunen, sagt Hendrik Scheller
53:45
vom Deutschen Institut für Urbanistik.
53:47
Das ist die Forderung der Kommunen, dass die sagen,
53:51
das Konnexitätsprinzip muss hier
53:53
wieder eingehalten werden. Der Bund darf definitiv nicht solche
53:56
Aufgaben formulieren, wo er sich nicht dafür interessiert,
54:00
wie die Aufgabe finanziert wird.
54:02
Auch der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums
54:04
kritisiert die Praxis, nicht immer konsequent auch für eine
54:08
Gegenfinanzierung neuer kommunaler
54:10
Aufgaben zu sorgen. Hohe Pflichtausgaben führen dazu,
54:13
dass Kommunen Steuern erhöhen müssen, wofür sie kaum Spielraum
54:17
haben, was Gewerbebetriebe vertreibt
54:19
oder sparen müssen. Und wenn es ans Sparen geht, dann
54:22
gibt es eben oft nicht viel Spielraum. Sozialausgaben zum
54:25
Beispiel sind gesetzlich vorgegeben, Dann kann man nicht viel sparen.
54:28
Sparen kann man eigentlich nur bei,
54:30
ihr habt es euch gedacht Infrastrukturinvestitionen
54:33
und so kommen die Lücken
54:35
zustande.
54:36
Ja, höhere Sozialausgaben der Kommunen, die alle vom
54:40
Bund beschlossen wurden, muss man dazu sagen, führen auf der anderen
54:44
Seite eben dazu, dass zu
54:46
wenig in den Kommunen investiert wird. Das ist wissenschaftlich
54:50
untersucht und gut belegt,
54:52
sagt Björn Kauder vom Institut der deutschen Wirtschaft.
54:54
Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass Investitionen wenig
54:58
überraschend von hohen Steuereinnahmen begünstigt und durch
55:02
hohe Sozialausgaben beeinträchtigt werden.
55:04
Auch haben die hoch verschuldeten Kommunen natürlich eine viel höhere
55:07
Last der Sozialausgaben und natürlich auch niedriger
55:10
Steuereinnahmen und niedrigere Investitionen.
55:13
Wir haben mal für NRW berechnet, dass 1 € mehr Sozialausgaben
55:17
pro Kopf, die Investitionen
55:20
pro Kopf kurzfristig um 37 Cent
55:22
senken und langfristig sogar um etwa 1,50 €.
55:26
Das heißt, wir haben eine klare, ich sage mal substitute Beziehung
55:30
zwischen Sozialausgaben und Investitionen.
55:32
Substitute Beziehung. Das klingt wahnsinnig schlau.
55:35
Auf Deutsch bedeutet das Entweder
55:37
oder. Sozialausgaben verdrängen
55:40
also Investitionen, weil die Kommunen Sozialausgaben kaum senken
55:44
können, weil sie ja der Bund anordnet.
55:46
Wohl aber können Kommunen Investitionen in Infrastruktur
55:48
streichen, bis die Brücke irgendwann
55:51
gesperrt oder gar gesprengt werden muss.
55:53
Jetzt muss man aber sagen: Es ist ja nicht so, dass Bund und
55:57
Länder seit Jahren gar nichts machen, um den Kommunen
56:01
zu helfen und die Kommunen zu unterstützen. Sie haben natürlich
56:04
erkannt, dass die Finanzierung
56:07
der Kommunen nach der reinen Lehre
56:09
so nicht mehr funktioniert. Und so argumentiert der Bund,
56:13
vor allen Dingen das Bundesfinanzministerium
56:15
in einem Bericht vom März
56:17
2023: Die Schulden des Bundes wachsen, sagt
56:21
das Ministerium. Während die Schulden einiger
56:24
Länder und der Kommunen
56:26
zurückgehen, stagnieren und einige Kommunen sogar Plus
56:30
machen und einige Länder, hat der Bund früher das größte
56:34
Stück vom Steuerkuchen bekommen,
56:36
bekämen das größte Stück heute die Länder.
56:40
Also da hätte sich sozusagen der
56:42
Anteil der Steuereinnahmen verschoben.
56:44
Und das liege vor allem daran, sagt das Ministerium, dass der Bund den
56:48
Ländern immer mehr von der Umsatzsteuer abgebe, haben wir
56:51
gesagt. Die Kommunen kriegen Teil der Umsatzsteuer.
56:53
Und dieser Anteil, der sei
56:55
eben gewachsen. Und zwar gebe der Bund im letzten
56:59
Jahr gut 19 Milliarden €
57:01
pro Jahr aus der Umsatzsteuer an die Länder weiter, und für die nächsten
57:05
Jahre rechnet das BMF das Finanzministerium mit 12 bis
57:09
15 Milliarden pro Jahr allein aus der Umsatzsteuer.
57:12
Außerdem helfe der Bund,
57:14
Ländern und Kommunen an 1000
57:16
anderen Ecken. Bei den Kosten für die Unterbringung
57:19
von Geflüchteten haben wir gesagt, bei den Kosten für Wohnen und
57:21
Heizen, von Bürgergeldempfangenden. Der Bund helfe mit
57:26
Geldleistungsgesetzen, Finanzhilfen.
57:29
Es gibt 10 Milliarden € sogenannte
57:31
Regionalisierungsmittel für
57:33
den öffentlichen Personennahverkehr und auch für das 49 € Ticket.
57:37
Es gibt Krisenhilfen für Geflüchtete
57:39
und diverse andere Modellvorhaben.
57:41
Alles Kanäle, auf denen der Bund
57:44
den Kommunen Geld zukommen
57:46
lasse. Und das ist das Argument vom BMF vor allem für Aufgaben,
57:50
die eigentlich Kernaufgaben der Kommunen sind.
57:53
Der Bund argumentiert, die Transfers
57:55
vom Bund an, die Länder addierten sich für das Jahr 2023
57:59
allein für ausgewählte finanzielle Entlastung auf insgesamt 53
58:03
Milliarden €. Dazu kämen noch 38
58:06
Milliarden € in mehreren überjährigen Sondervermögen des
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Bundes, die unmittelbar den Ländern und Kommunen zugutekommen.
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Das ist die Argumentation des Bundes.
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Die Länder reichen einen Teil
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oder viele dieser Milliarden über den oben schon erwähnten kommunalen
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Finanzausgleich dann an die Kommunen
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weiter.
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Die Kommunen halten dann dagegen.
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Ja, dass das unsere Aufgaben sind, mag ja sein, aber die haben wir ja
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nicht quasi von Natur aus. Und die haben wir ja genau deswegen,
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weil der Bund uns diese Aufgaben übergeholfen hat.
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Das heißt also, dieser Zuschreibung, das sei ja schließlich quasi euer
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Problem, etwas flapsig formuliert halten die Kommunen entgegen: Das
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ist ja nur deswegen unser Problem, weil der Bund das so entschieden
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hat. Aber auch wenn man jetzt mal nur auf die Geldzahlungen schaue,
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und dann sei das, was der Bund da argumentiert, doch nur die halbe
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Wahrheit. Denn zum einen sei das eben immer noch viel zu wenig Geld,
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es reiche eben einfach nicht, auch wenn es eine ganze Menge Geld sei,
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wie man schon an den fehlenden Investitionen sehen könne.
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Und zum anderen werde ein großer Teil der Mittel ja auch nicht direkt
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gezahlt, sondern über
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bürokratische Förderprogramme,
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die ihre ganz eigenen Probleme hätten. Das kritisiert auch der
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Cheflobbyist für die Kommunen, Gerd Landsberg.
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Es gibt immer wieder irgendwelche Förderprogramme, die will ich nicht
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schlechtreden. Aber die sind teilweise so kompliziert, dass
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eine Kommune sagt: Also bevor ich damit anfange, dann lass ich das
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ganz.
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Oberhausen zum Beispiel bewirbt sich auf solche Förderprogramme, wann
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immer es geht, sagt der Stadtkämmerer von Oberhausen
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Tsalastras.
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Ich brauche für jeden Fahrradweg ein Förderprogramm.
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Wenn ich den nicht habe, kann ich den Fahrradweg nicht bauen.
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Und so ist es bei vielen Dingen, die den Klimawandel angehen.
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Wenn es Fördermittel gibt, dann nutzen wir die.
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Es wird immer gesagt, die Fördermittel werden nicht abgerufen.
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Das gilt zumindest nicht für Oberhausen. Also wir versuchen
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wirklich alles, was wir an Fördermitteln bekommen, auch
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umzusetzen, was auch sehr anstrengend ist.
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Besser wäre, wir würden einfach Geld bekommen, damit wir das machen.
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Das verzögert natürlich ganz, ganz viele Prozesse.
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Auch Hendrik Scheller vom Deutschen
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Institut für Urbanistik sagt, dass die existierenden Förderprogramme
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zu bürokratisch seien.
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Kommunen spiegeln uns, dass es inzwischen zu viele
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Förderprogramme gibt. Die Programmlandschaft mit
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weit über 1000 Förderprogrammen
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ist einfach zu unübersichtlich. Viele, vor allen Dingen kleinere und
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mittlere Kommunen, können das überhaupt nicht mehr im Blick
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behalten. Die haben gar nicht die Manpower mehr, um
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zu schauen, welches Förderprogramm passt denn jetzt nun womöglich
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in der einen oder anderen Weise auf meine geplanten
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Investitionsvorhaben? Wir müssen von diesem voller
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Dschungel tatsächlich wegkommen.
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Also kurze Zwischenbilanz: Die
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Kommunen haben zu wenig Geld.
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Das Geld wird schlecht verteilt.
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Sie haben zu wenig Einfluss
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auf ihre Einnahmen, zu wenig Einfluss auf ihre Ausgaben.
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Sie haben quasi wenig Möglichkeiten,
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an ihrer eigenen Situation was zu ändern.
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Und wenn dann der Bund Geld
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zur Verfügung stellt, dann eben allzu oft über komplexe
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bürokratische Förderprogramme, anstatt quasi für eine ausreichende
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finanzielle Grundausstattung zu sorgen. Das ist natürlich politisch
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wiederum erklärbar. Der Bund will natürlich über diese
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Förderprogramme letztlich auch hineinregieren in die Kommunen.
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Er will natürlich sich da ein Mitspracherecht sichern,
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wofür Kommunen Geld ausgeben.
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Und das Argument ist dann immer: Das ist ja Geld des Bundes.
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Aber die Kommunen würden da wiederum
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sagen Nein, das, dass das überhaupt
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Geld des Bundes ist, dass das Geld nicht in unseren Kassen von
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vornherein landet, ist einfach Ergebnis einer ungerechten
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Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
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Der Bund sollte einfach für eine vernünftige Grundausstattung sorgen.
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Dann könnte man massiv Bürokratie
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abbauen, Bürokratie abbauen in den Kommunen, die ja eben diese
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komplexen Förderanträge schreiben müssen, aber natürlich auch auf der
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anderen Seite, in den Bundesbehörden zum Beispiel, die dann das Geld für
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diese Förderprogramme bewilligen. Auch dort könnte man massiv
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Bürokratie abbauen. Das scheint uns jedenfalls ein
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sehr pragmatischer Weg zu sein für
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bessere finanzielle Grundausstattung. Und dann kann man sich diese Förder Bürokratie von
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1000 Förderprogrammen jedenfalls
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zu einem erheblichen Teil auch sparen.
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Ja, denn was die Kommunen als allerletztes brauchen, ist noch mehr
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Bürokratie für noch mehr Förderprogramme, denn die haben ja
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ohnehin schon zu wenig Leute,
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um selbst in vielen Fällen ihre Grundversorgung zu sichern,
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geschweige denn davon, irgendwelche Förderprogramme zu beantragen.
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Und auch das ist einer der Gründe für diesen Investitionsstau.
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Die Kommunen sagen, sie haben einfach nicht genug Personal.
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Und das hindert sie teilweise daran, sich schon für Förderprogramme zu
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bewerben. Aber es ist generell ein Problem,
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wenn es darum geht, Infrastrukturmaßnahmen umzusetzen.
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Auch das bestätigt der Wissenschaftliche Beirat des
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Wirtschaftsministeriums. Denn die Komplexität der Verfahren
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hat in den vergangenen Jahrzehnten drastisch zugenommen.
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Während vor allem in den frühen 2000ern im Zuge der
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Haushaltskonsolidierung, neoliberale
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Welle, Personal sogar abgebaut
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wurde. Und deswegen werden heute noch nicht mal alle Projekte
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umgesetzt, für die Geld da wäre,
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sagt wiederum Oberhausens Stadtkämmerer Tsalastras.
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Wenn ich mir unseren Investitionshaushalt angucke, dann setzen wir davon
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60 bis 70 % maximal um. Mehr schaffen wir gar nicht.
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Das liegt zum einen an fehlendem
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eigenen Personal. Wir haben natürlich auch Personal
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abgebaut in der Vergangenheit aufgrund der Finanzsituation, in der
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wir sind, sodass wir jetzt nicht über Massen
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an Personal verfügen, um
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wenn jetzt ein besonderer besondere Aufgaben auf uns zukommt, dass wir
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die sofort eins zu eins umsetzen können.
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Also man muss dazu sagen, wie groß der Einfluss dieses
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behaupteten Personalmangels
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auf die Investition ist, ist
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umstritten. Katja Ritzer zum Beispiel vom IMK
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Ökonomin, sagt, das mit den Personal Kapazitäten
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als Investitionshemmnis höre sie oft aus den Kommunen,
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zum Beispiel in dem schon erwähnten Kommunal Panel.
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Aber sie könne es an einer Studie,
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die das genauer ansieht, bisher
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nicht wirklich bestätigen.
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Aber das bedeutet eben nur es ist nicht empirisch nachweisbar.
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Und es ist vielleicht auch nicht in allen Kommunen im gleichen Maße
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ein Problem. Bei unseren Recherchen für unser
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Buch ist uns das Problem aber immer wieder begegnet.
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Ja, viel zu wenig Geld. Aber es scheitert eben auch am
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Personalmangel, und zwar letzten Endes aus zwei Gründen.
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Zum einen, weil das Beantragen von Fördergeldern personalintensiv ist,
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aber auch die Betreuung
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von Investitionsprojekten. Also das geht dann von der Planung
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bis zur Projektsteuerung. Das braucht ja alles Menschen,
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Ingenieurinnen zum Beispiel oder
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eben Projektmanager. Und da fehlt es in manchen
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Kommunen, jedenfalls an allen Ecken und Enden.
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Das letzte Problem, was wir so identifiziert haben, ist, dass,
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wenn die Kommunen investieren,
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sie häufig gezwungen sind,
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zum falschen Zeitpunkt
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zu investieren. Also Investitionen in Deutschland
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werden eben nicht nur alleine durch Personal und Geldmangel verursacht,
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sondern das vorhandene Geld wird eben oft auch zum
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falschen Zeitpunkt ausgegeben. Und das kommt so.
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Wenn kein Geld in der Kasse ist, wird nicht investiert, geht
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ja nicht mehr. In der Folge bauen die Kommunen
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auch Personal ab. Also Personal für Planung
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und Steuerung von Investitionen.
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Weil wird ja nicht gebraucht.
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In der Folge bauen dann natürlich auch Handwerksfirmen, Baufirmen zum
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Beispiel oder auch Architekturbüros
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Personal ab und sie lagern auch kein Material mehr ein,
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denn mit öffentlichen Investitionen ist ja gerade nicht zu rechnen.
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Dann bessert sich irgendwann die Haushaltslage wieder, zum
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Beispiel, weil die Konjunktur anspringt, die Gewerbesteuereinnahmen
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etwas steigen. Nun würde die Kommune gerne
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investieren, aber dann kann
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bei weitem nicht direkt alles gebaut
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werden, was man vorher vertagt hat. Denn es fehlen Personal,
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Baustoffe, Handwerker an allen Ecken und Enden, wurde ja abgebaut.
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Und dann ist das Problem: Wenn die Wirtschaft brummt, dann will
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natürlich auch nicht nur der Staat bauen, sondern auch alle anderen.
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Dann gibt es Investitionen von Privatleuten, dann gibt es
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Investitionen von Unternehmen. Kurz: Die Nachfrage
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nach Bauleistungen im weitesten Sinne ist riesig.
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Also sind Handwerker und Baumaterial
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knapp und teuer. Die Kosten sind hoch, wenn überhaupt
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gebaut werden kann. Die Kommunen bekommen also weniger
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für ihr Geld. Und das bedeutet, man quasi immer so mit dem
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Wirtschaftszyklus zu investieren. Das nennt man prozyklisches
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investieren. Und das will man eigentlich
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vermeiden.
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Besser wäre antizyklisches
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investieren. Also wenn die Wirtschaft kriselt, dann bekommen
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die Kommunen mehr für ihr Geld, wenn sie in dieser Zeit bauen.
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Es wäre aber auch gut für die Wirtschaft, weil sie natürlich
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viel gleichmäßiger ausgelastet
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wäre. Also nicht nur dann, wenn irgendwie alle bauen, auch die
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privaten, sondern wenn die Wirtschaft kriselt, dann machen es
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die Privaten vielleicht nicht. Aber es wäre cool, wenn die Kommunen
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und der Staat die öffentlichen Kassen dann investieren würden.
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Das würde vieles leichter machen, auch kontinuierlich Personal
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zu entwickeln. Und dafür muss aber Geld da sein, wenn
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die Wirtschaft schwächelt und alle anderen Kassen leer sind.
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Das ist der Casus Kaktus.
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Also braucht es neue Wege, um Investitionen in
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den Kommunen zu finanzieren.
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Das ist so unsere Zwischenanalyse.
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Die Einnahmen vieler Kommunen sind zu gering, die Einnahmen aller
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Kommunen schwanken enorm, die Kommunen haben kaum Einfluss auf
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ihre Einnahmen. Auch ist ein Großteil ihrer Ausgaben ihrem
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Einfluss entzogen. Das Geld geht eben weg für
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Sozialausgaben. Der politische Handlungsspielraum
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ist extrem begrenzt. Die Kommunen brauchen also eigene,
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besser sprudelnde Geldquellen.
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Und diese Geldquellen oder Finanzierungsinstrumente mal ganz
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allgemein formuliert, die sollten idealerweise auch ein antizyklisches
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Investieren ermöglichen. Also gerade dann Geld auszugeben,
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wenn die Wirtschaft schwächelt.
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Und woher dieses ganze Geld kommen kann,
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das gucken wir uns an im zweiten
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Teil unserer Sonderfolge Infrastruktur in Deutschland.
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Bröselnde Brücken und vielleicht auch ein paar Lösungen.
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Ich würde sagen, für den ersten Teil war's das.
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Genau. Wir danken ganz herzlich unserer Mitarbeiterin Maren
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Fußwinkel, die zu dieser Folge substanzielle Beiträge geleistet
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hat. Insbesondere hat sie fast alle
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der O-Töne organisiert, die ihr gehört habt. Hat das Interview zum
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Beispiel geführt mit dem Kämmerer Tsalastras und so und hat auch
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inhaltlich ganz viel beigesteuert. Ganz herzlichen Dank an Maren
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Fußwinkel an dieser Stelle. Euch wünschen wir ein paar
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gute letzte Tage 2023
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einen guten Rutsch, ein schönes Silvesterfest und schon mal alles
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Gute für 2024.
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Und dann hören wir uns, wenn ihr mögt, im neuen Jahr wieder mit
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dem zweiten Teil unserer Sonder Folge zum Zustand und zur
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Finanzierung der Infrastruktur in Deutschland. Danke für euer
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Interesse, Danke für ein ganz, ganz ganz ganz tolles Jahr
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2023.
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Macht es gut. Und bis bald. Tschüss.
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Und tschüss.
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