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Herzlich willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nummer 378
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vom 17. April 2024
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und im Berliner Lagestudio begrüßen euch Ulf Buermeyer, das bin ich,
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Jurist aus Berlin und-
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Philip Banse, Journalist. Ganz herzlich willkommen auch von
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meiner Seite. Wir haben heute wieder ein volles Pad, viele Themen, viel
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vorbereitet. Deswegen nur ganz kurze
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Hausmitteilung vorweg. Hatten wir letztes Mal schon
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angedeutet. Es gibt da diesen deutschen Podcastpreis
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und da werden halt Podcasts gekürt in verschiedenen Disziplinen.
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Und es gibt eben auch eine Disziplin, journalistischer Podcast,
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glaube ich, heißt es und speziell das Publikumsvoting,
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also wo ihr abstimmen könnt, welchen Podcast ihr besonders
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toll und preiswürdig findet. Wir haben da mal einen
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Link für euch.
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Wir haben einen Vorschlag, welcher Podcast möglicherweise eure
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Stimme verdient haben könnte. Unter lage.link/preis. Lage.link/preis.
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Die Lage im Nahen Osten hat sich
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weiter zugespitzt. Da schauen natürlich jetzt alle
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gebannt nach Israel und vor allen Dingen auf den Iran,
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denn der Krieg dort
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droht sich auszubreiten.
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Vielleicht aber auch nicht. Vieles ist unklar.
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Deswegen analysieren wir mal die Lage, wie sie sich jetzt gerade
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darstellt im Nahen Osten, im Konflikt zwischen Iran und
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Israel.
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Ja, was ist passiert? Wir müssen zunächst zurückblicken
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zum 1. April. Da wurden zwei hohe
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iranische Militärführer
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und noch ein paar Mitarbeitende von ihnen getötet.
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Und zwar, und das macht die Sache so juicy, im Gebäude der iranischen
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Botschaft in Damaskus, also in Syrien.
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Dieses Gebäude wurde von einer Rakete zerstört.
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Es ist ein bisschen umstritten, ob Botschaft selber oder Nebengebäude,
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aber jedenfalls in diesen diplomatischen Komplex ist eine
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Rakete reingeflogen. Da stand natürlich kein Name drauf,
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kein Absender, aber höchstwahrscheinlich und auch nicht
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dementiert, wurde dieses
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Projektil von Israel abgefeuert.
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Und das, muss man sagen, wenn es denn so war und alle
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gehen davon aus, dass es so war, ist ein klarer Bruch des Völkerrechts.
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Israel hat mit Waffengewalt
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auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates zugeschlagen.
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Botschaftsgebiet ist Hoheitsgebiet.
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Und das ist ein klarer Verstoß gegen
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das Gewaltverbot. Außerdem sind natürlich
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diplomatische Vertretungen noch mal gesondert geschützt, ist auch klar.
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Also das ist ziemlich unstrittig, wenn es Israel war, alle gehen davon
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aus, dass Israel war, war dieser
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Angriff mit den Raketen auf diese beiden Generäle ein klarer Verstoß
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gegen das Völkerrecht.
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Und in der Nacht zum Sonntag nun hat der Iran auf
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diesen Angriff mutmaßlich Israels
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geantwortet, nämlich in dem er rund 300 Drohnen,
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Raketen, Marschflugkörper
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vom Iran, selbst vom eigenen Staatsgebiet aus, auf Israel
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abgefeuert hat. Wobei man sagen muss 90 %,
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mehr als 90 %.
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Weit über, fast 99, glaube ich eigentlich.
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Auf jeden Fall sehr viele dieser Projektile wurden abgefangen.
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Israel selbst hat das geschafft mit dem sogenannten Iron Dome.
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Also so ein Raketenabwehrschutzschild.
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Gibt auch noch andere Abwehrschutzschilde, die da zum
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Einsatz gekommen sind. Aber das ist schon erstaunlich, was
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die abgewehrt haben.
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Das muss man schon sagen. Wirklich Respekt. Was natürlich wiederum auch
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ein gewisses gutes Gefühl geben dürfte den Menschen in Israel, dass
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sie einfach so gut verteidigt sind. Wobei es natürlich trotzdem Stress
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ist, wenn es die ganze Nacht rummst am Himmel.
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Rummst am Himmel und vor allen Dingen auch nach diesem 7.
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Oktober, wo ja natürlich dieses "Wir sind geschützt und wir sind
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sicher durch unser Militär" dieses Bewusstsein extrem Schaden
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genommen hat. Und jetzt zu sehen okay, da kommen 300 Drohnen,
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Raketen, Marschflugkörper und wir und unsere Freunde können
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de facto 99 % davon abschießen.
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Das ist schon auch noch mal eine neue Perspektive.
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Wir und unsere Freunde ist ja in diesem Fall tatsächlich wichtig.
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Denn wie gesagt, Israel hat mit eigenen Mitteln sehr viele
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Projektile abfangen können. Allerdings haben auch die
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Vereinigten Staaten und Großbritannien und
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interessanterweise auch Jordanien
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bei der Verteidigung Israels geholfen.
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Jordanien ist deswegen so speziell, weil es ja auch ein islamisches Land
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ist, das sich aber in diesem Krisenfall jetzt auf die Seite
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Israels gestellt hat und dazu
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beigetragen hat, dass, das muss man auch sagen, der Schaden in Israel
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tatsächlich minimal geblieben ist. Ein paar Schäden gab es an
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Luftwaffenstützpunkten und insbesondere gab es keine Toten.
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Es sind allerdings Kinder verletzt worden und ich habe irgendwo
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gelesen, 30 Menschen sind
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verletzt worden, durch Stolpern wahrscheinlich, auf dem Weg zu
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Luftschutzkellern. Natürlich muss man sagen, natürlich
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haben die Sirenen geheult, die Menschen sind in halbwegs sichere
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Unterkünfte geflüchtet und dabei
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gab es dann circa 30 Verletzte.
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Auch dieser Angriff durch den Iran ist illegal.
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Das sagt Matthias Goldmann vom Max-Planck-Institut in Heidelberg.
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Das Völkerrecht, sagt er, kennt keine Vergeltung,
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nur Selbstverteidigung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr.
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Iran verletze das Gewaltverbot, auch wenn das durch den illegalen
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israelischen Angriff auf die diplomatische Vertretung provoziert
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sein sollte. Das ist also die Einschätzung
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von Matthias Goldmann vom MPI in Heidelberg.
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Also kein Recht auf Rache steht
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eigentlich dahinter.
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Das gilt im Grunde für beide Seiten auch bei dem israelischen Angriff
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auf die oder mutmaßlich israelischen Angriff auf die Botschaft in
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Damaskus kann man natürlich sagen, dass es für den gute Gründe gab,
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einfach weil der Iran quasi so Terror Mastermind
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in der ganzen Region ist, weil der Iran offiziell die Vernichtung
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Israels plant. Also es gibt gute Gründe dafür, aber
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das macht den Angriff nicht legal.
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Und zumal muss man auch sagen, diese Generäle, die da getötet wurden,
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die sind natürlich Stellvertreter, die organisieren diesen Krieg
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des Irans über Proxy Kräfte in Syrien und anderen Staaten und
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Libanon. Die versorgen die mit Waffen, mit
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Geld und so, also das waren ganz zentrale Figuren in diesem
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Schattenkrieg des Irans gegen Israel. Aber was wollte jetzt also
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der Iran mit diesem Gegenschlag? Na ja, er wollte halt antworten.
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Er wollte diesen Angriff
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auf seine Botschaft nicht einfach so stehen lassen.
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Die Tötung der hochrangigen Generäle. Zerstörung der Botschaft.
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Das musste irgendwie vergolten
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werden. Gleichzeitig wollte der Iran aber ganz
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offensichtlich auch nicht zu viel Ärger machen.
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Zum Beispiel hat der Iran sich ganz bewusst nur Militärbasen als Ziele
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ausgesucht, also gerade nicht zivile Ziele in Haifa zum Beispiel
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oder in Tel Aviv oder in Jerusalem. Und dieser Angriff wurde
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stundenlang im Voraus angekündigt,
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so dass tatsächlich sowohl Israel als auch verbündete Kräfte in
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die Lage versetzt wurden, sich darauf entsprechend vorzubereiten.
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Aber das ist und bleibt der erste direkter Angriff des
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Irans auf Israel seit der Machtübernahme der
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Ayatollahs 1979 im Iran hat der Iran sich offiziell auf die
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Fahnen geschrieben, wir wollen Israel von der Weltkarte tilgen, wir
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wollen Israel vernichten. Aber dieser proklamierte
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Vernichtungskrieg, der blieb eben immer indirekt.
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Also Iran hat finanziert und mit Waffen unterstützt Truppen in
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Syrien, Gaza, Libanon, Irak,
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Jemen. Und so weiter und so fort.
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Die waren aber immer bemüht, einen direkten Konflikt mit Israel
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und dann damit mittelbar auch mit den USA zu vermeiden.
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Auch weil sie wahrscheinlich
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demnächst die Atombombe haben
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und dieses Projekt nicht durch einen eskalierenden
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Konflikt mit Israel und USA gefährden wollten.
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Würde ich mal annehmen.
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Stellen wir uns vor, sie überschreiten so weit die rote
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Linie, dass Israel und oder die USA irgendwann entscheiden,
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jetzt reicht's uns, jetzt wollen wir Regimechange im Iran, wie auch immer
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das dann aussieht. Ob dann Marschflugkörper abgefeuert werden,
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ob es dann tatsächlich eine Invasion gibt, was auch immer.
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Wenn das passieren sollte, dann würde das Mullahregime ja quasi
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wenige Meter vor dem Ziel der Atombombe noch weggeputscht oder
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gestürzt. So, das wollen sie natürlich vermeiden.
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Und deswegen zum Beispiel haben sie auch direkt nach diesem Angriff
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eine etwas skurrile Botschaft
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veröffentlicht, wo sie nämlich sagen so sinngemäß, habe ich jetzt nicht
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wörtlich drauf. Wir haben uns jetzt gerächt und
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jetzt ist auch gut. Jetzt schlag mal bitte nicht zurück.
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Von uns aus ist die Sache jetzt erledigt.
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Wir haben einen Kuchen mitgebracht. Habt ihr Interesse?
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Israel hat momentan kein verstärktes Interesse an so einem Kuchen.
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Die Frage ist, steht immer noch so ein bisschen im Raum, was wollte
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Israel mit diesem sehr riskanten Angriff auf die
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iranische Botschaft in Syrien, auf diese Generäle?
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War das nicht zu riskant in so einem
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sowieso schon aufgeheizten Klima? Und Analysten
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machen so ein bisschen die Rechnung auf. Na ja, Israel könnte mit
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diesem Angriff versucht haben, den Iran zu provozieren und damit
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die Lücke, die Zwistigkeiten
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mit den USA zu beseitigen, die es ja um den Gazakrieg gegeben hat,
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wo die USA extrem Druck machen auf Israel. Jetzt beende diesen
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Krieg im Gaza oder dreht ihn auf jeden Fall deutlich zurück oder
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greift auf keinen Fall Rafah an, aber wenn der Iran sich entscheiden
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sollte, Israel anzugreifen,
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dann, das war die Kalkulation, oder könnte die Kalkulation hinter diesem
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Angriff gewesen sein, dann wäre die USA gezwungen, sich
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wieder eng an die Seite Israels zu stellen. Und letztlich ist ja auch
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das genau passiert.
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Also diese Einschätzung hat zum Beispiel Tomas Avenarius geäußert,
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Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Er schreibt: "Nach den nach wie vor
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geltenden Spielregeln des Nahen Ostens musste Irans
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Revolutionsführer Ali Chamenei zurückschlagen und das vermeintliche
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Gleichgewicht des Schreckens wiederherstellen.
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Das war erwartbar, aber erhöht das Risiko eines regionalen Kriegs
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um das Vielfache. Und genau das war von Israels
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Regierung wahrscheinlich so beabsichtigt.
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Benjamin Netanjahu steht unter gewaltigem Druck.
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Im Gazakrieg hat seine Armee die Hamas auch im sechsten Monat nicht
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besiegt. Gut die Hälfte
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der von den Terroristen am 7. Oktober entführten Geiseln vegetiert
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in Tunneln im Gazastreifen. Auf den Straßen Israels rufen
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Demonstranten nach einer neuen Führung. Was käme da gelegener,
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als das Feuer auf die Islamische Republik zu lenken?
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In den Augen der westlichen Politik ohnehin der Erzbösewicht
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des Nahen Ostens.
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Jetzt ist die Frage, wie reagiert also Israel?
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Und das hängt natürlich sehr von Israel ab.
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Werden sie also einen Vergeltungsschlag ausüben?
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Wenn ja, wie sieht der aus?
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Würde der dann die Spirale der Gewalt weiterführen, wäre das
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vielleicht so ein Schlag, der zehnmal so groß ist wie der vom
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Iran, um klar zu machen in dieser Vergeltungslogik, also das war's
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jetzt von uns aus. Kommt bloß nicht auf die Idee, noch
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mal zurückzuschlagen.
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Oder, muss man ganz ehrlich sagen, setzen sich in Israel die Kräfte
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durch, die die These vertreten, Moment mal, die sind auf dem Weg zur
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Atommacht? Wenn die so was wie vor ein paar
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Tagen jetzt mit Atomwaffen durchgeführt hätten, dann reicht
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eine einzige Rakete, die wir nicht abfangen und wir haben ein echtes
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Problem. Mit anderen Worten, man kann sich
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sehr gut ein Narrativ vorstellen, warum ich sage jetzt mal die Falken
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die Meinung vertreten, das ist unsere letzte Chance, das
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Atomprogramm des Iran in die Steinzeit zu bomben.
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Richtig. Und diesmal auch mit einer Legitimation.
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Sie haben das ja schon öfter versucht. So-
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Mit so chirugischen Schlägen.
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Mmit so chirurgischen Schlägen nicht richtig offiziell, Aber alle wissen,
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dass es sie Israelis waren, mit Angriffen auf Atomfabriken und
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Anreicherungsanlagen und so im Iran. Das könnten sie jetzt mehr
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oder weniger offiziell vom Völkerrecht sanktioniert tun,
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würde ich mal denken.
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Also völkerrechtlich glaube ich die Lage schon schwierig deswegen
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war diese Erklärung des Iran zwar skurril, aber vielleicht gar nicht
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so dumm. Wenn der Iran jetzt wirklich sagt, das war's jetzt aus
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unserer Sicht, aus unserer Sicht herrscht jetzt wieder Frieden, dann
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kann man insbesondere nach einem gewissen Zeitablauf
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natürlich schon die Frage stellen, ob es sich tatsächlich, wie Herr
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Matthias Goldmann völlig richtig dargestellt hat, noch um die Abwehr
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einer gegenwärtigen Gefahr handelt.
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Wenn man jetzt tatsächlich zum Beispiel Atomanlagen im Iran
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ausbombt.
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Gut, aber die öffentliche Rechtfertigbarkeit, so möchte ich es
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mal nennen, die wäre schon besonders stark gegeben in
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diesem Kontext. Netanjahu, der steht also
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unter einem enormen Druck. Tomas Avenarius hat das skizziert
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mit Protesten. Neuwahlen sind gefordert.
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Er hat seine rechtsradikalen Minister, die eben so einen
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Gegenschlag verlangen, an den sich, wie sie sagen, Generationen noch
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erinnern sollen. Dann die USA, die da gegenhalten und sagen, jetzt
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haltet euch mal zurück, ihr habt wirklich alles erreicht.
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Maximaler Gewinn in dieser, in dieser Sache. Ihr habt diese
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Generäle getötet. Der Iran steht als schwach
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da und ihr könntet euch auch
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Sympathien, verlorengegangene Sympathien zurückerobern, wenn
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ihr jetzt still haltet. Man muss sagen, ist offen. Man weiß
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es nicht was passiert. Zur Stunde. Wir nehmen jetzt hier am
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Mittwoch, 17. April, 12:12, das auf.
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Ja, eine interessante Option für den Nahen Osten wäre natürlich auch,
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dass man versucht, diesen Konflikt rauszuholen aus dieser Bipolarität
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Israel gegen Iran, Iran mit Proxies, Israel mit Unterstützung
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insbesondere westlicher Kräfte. Eine interessante Option wäre
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nämlich eine langfristige Absicherung der Region.
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Statt einem kurzfristigen Pingpong
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von Abschreckung und Vergeltungsschlägen.
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Nämlich sagen wir mal durch so einen
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Ausbau und vielleicht auch durch eine Institutionalisierung
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der jetzt gerade aktuell gezeigten Militärkooperation.
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Richtig, da ist die Argumentation so, na ja, es gibt ja schon so ein
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zartes Pflänzchen, was sich nennt Middle East Air Defense und da gibt
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es schon so eine zarte Zusammenarbeit zwischen Israel und
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auch einigen arabischen Staaten wie Jordanien zum Beispiel.
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Und da geht die Argumentation, jetzt auch in Israel vertreten, vor allen
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Dingen von Benny Gantz, dem Oppositionsführer, der jetzt aber in
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diesem Kriegskabinett mit sitzt, und dem Verteidigungsminister Joaw
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Galant, die geht so, na komm, lass uns dieses Pflänzchen doch
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jetzt züchten, lass uns das doch größer machen. Wir haben doch jetzt
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bei der Abwehr dieser iranischen Raketen und der Drohnen gesehen,
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dass es da doch durchaus einige Staaten gibt, die uns wohlgesonnen
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sind. Sollen wir nicht diese Kooperation verstärken?
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Ist das nicht für Iran die viel
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größere Gefahr, dass jetzt auch arabische Staaten Israel
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sich zu einer Art Middle East
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NATO zusammenschließen gegen den Iran?
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Ist das nicht für den Iran die viel größere Gefahr?
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Und bringt das nicht viel mehr Sicherheit für Israel als
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jetzt ein Gegenschlag auf eine Atomanlage?
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Ja, also ich sage mal, das hat natürlich alles auch aus
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israelischer Perspektive Vor und Nachteile. Auf der einen Seite würde
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dann quasi die Front noch mal gestärkt gegen den Iran,
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denn dem Iran würde noch deutlicher
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gemacht, mit wem er sich da so anlegt, wenn er tatsächlich weitere
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Militärschläge planen sollte oder wenn er seine Proxies weiter in die
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Schlacht schickt. Auf der anderen Seite hat das aus
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israelischer Perspektive natürlich auch den Nachteil einer doch
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noch intensiveren Einbindung
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in ich sage mal internationale Struktur. Man müsste dann vermutlich
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schon damit rechnen, dass einem gerade die Amerikaner, aber
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vielleicht in Zukunft auch die Briten etwas mehr reinreden,
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wie man denn seine eigene Militäroperationen plane.
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Mitunter neigt Israel ja schon zu sehr harten Schlägen.
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Schauen wir auf den Konflikt im Gazastreifen. Schauen wir auch auf
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die sehr scharfe internationale Kritik an Israel.
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Auf der anderen Seite aus einer menschenrechtlichen Perspektive,
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glaube ich, hätte das tatsächlich den Vorteil einer besseren
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Einbindung. Denn in Israel muss man einfach sehen, sitzen radikale
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Kräfte mit am Kabinettstisch. Manche von denen bezeichnen sich
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selbst wohlgemerkt als Faschisten,
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also keine Fremdbezeichnung, sondern sagen das quasi mit Stolz.
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Jedenfalls werden einige Minister von Beobachtern im Westen
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auch als Rechtsextremisten angesehen. Und wenn
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dieses teilweise doch loose Cannon
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Kabinett jetzt besser eingebunden würde in so eine etwas formellere
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Allianz, glaube ich, dann birgt
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das auch Perspektiven für ein, sagen wir mal besonnenes Vorgehen.
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Wir haben noch ein Update zu unserer Berichterstattung über das Urteil
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des Bundesverfassungsgerichts von letzter Woche, das die
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Rechte leiblicher Väter
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gestärkt hat und da substanzielle
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Änderungen in der deutschen Gesetzgebung angemahnt
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hat. Und bei dem, was wir erzählt haben, ging es natürlich
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auch darum, na, welche
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Rechte haben denn leibliche
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Väter heute schon.
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Und zwar ohne rechtlicher Vater zu sein. Das war ja die Konfliktlage in
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diesem Fall und wir haben das nicht ausdrücklich erwähnt und ich denke,
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das lohnt sich aber, das nachzutragen. Sie sind nicht komplett rechtlos
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gestellt, sondern Paragraph 16 86 des Bürgerlichen Gesetzbuches
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gibt ihnen auch heute schon jedenfalls gewisse Rechte.
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Die Voraussetzung ist immer, dass sie ein ernsthaftes Interesse am
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Kind gezeigt haben. Dann haben sie zum einen unter
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bestimmten Voraussetzungen auch
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die Möglichkeit, ein Umgangsrecht zu bekommen, aber eben nur, wenn es dem
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Kindeswohl dient. Und da hatten wir ursprünglich einen
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Fehler in der Folge, wo wir gesagt haben, das kann die Mutter
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entscheiden. Das war nicht korrekt, deshalb haben wir das ganz früh
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schon rausgeschnitten. Aber ein paar Leute hatten die alte
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Folge schon runtergeladen. Deswegen wollen wir das an dieser
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Stelle ausdrücklich noch nachtragen. Und außerdem kann ein solcher
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leiblicher Vater auch Auskünfte von den rechtlichen Eltern, also zum
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Beispiel der Mutter und ihrem neuen Partner, verlangen.
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Das Problem dabei ist nur, dass diese Rechte des leiblichen Vaters
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in der Praxis natürlich
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im Konfliktfall schwer durchzusetzen sind.
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Im Zweifel muss man klagen. Dann hat der leibliche Vater mit der
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leiblichen Mutter ein Kind. Die beiden trennen sich, die Mutter
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hat einen neuen Partner. Der wird dann vielleicht auch
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rechtlicher Vater. Und der leibliche Vater hat dann
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zwar noch Anrechte, die du oben skizziert hast, auf Umgang,
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bestimmte Auskünfte, aber wenn die Mutter ihm die freiwillig
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nicht gibt, was ja durchaus vorkommen soll, dann muss der Vater
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eben vor Gericht ziehen.
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Und das ist natürlich kein Spaß. Und das würde natürlich alles
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einfacher, wenn der biologische Vater auch rechtlicher Vater ist,
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denn dann hat die Mutter einfach ein größeres Interesse, sich zu einigen.
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Das ist ja im Grunde die Situation, wenn zum Beispiel ein Ehepaar
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sich trennt, die gemeinsame Kinder haben, dann sind ja beide
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Elternteile auch rechtliche Eltern.
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Ich will das jetzt nicht beschönigen. Natürlich gibt es Scheidungskriege
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ohne Ende. Das ist jetzt auch nicht alles quasi Candyland und
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und Ponyhof. Aber jedenfalls ist dann auf beiden
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Seiten grundsätzlich ein Interesse da. Ich kenne das aber auch bei
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unverheirateten Eltern in meinem Freundeskreis, die sich getrennt
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haben. Das ist nicht immer leicht, wenn
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beide Eltern sind nach so einer Trennung. Aber es gibt dann einfach
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ein grundsätzliches beidseitiges Interesse zu einem gedeihlichen
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Zusammenleben oder jedenfalls dazu,
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irgendwie eine Lösung zu finden. Und ich würde mal denken, der neue,
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der neue soziale Vater, also der neue Partner der Mutter, der braucht
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so eine rechtliche Position eigentlich nicht, weil er sich ja
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hoffentlich mit der Mutter auch so einig wird. Also insofern glaube
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ich, macht das schon Sinn, was das Bundesverfassungsgericht da
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entschieden hat. Dass diese bisherigen Rechtspositionen, also
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nur Umgangsrecht, vielleicht unter bestimmten Voraussetzungen ein
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Auskunftsrecht, das die der Rolle des biologischen Vaters nicht
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gerecht werden.
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Und dann hatten wir in dem Kapitel auch, ich will mal sagen, den
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Eindruck erweckt, als würde das Bundesministerium der Justiz
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gar nicht so wahnsinnig viel
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in Sachen Kindschaftsrecht unternehmen, als käme
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da nix. Und da müssen wir uns korrigieren lassen vom BMJ
18:07
selber. Wir haben uns gefreut, die haben uns angemailt und hören
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offensichtlich auch die Lage. Zumindest ein Mitarbeiter.
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Der weist uns darauf hin, dass
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das Ministerium der Justiz bereits
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Eckpunkte vorgelegt hat zur Reform des Kindschaftsrechts.
18:20
Da muss man sagen, ja, Eckpunkte in dieser ganzen
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Hierarchie oder in der Biografie
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eines Gesetzes sind Eckpunkte sowas
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wie die Geburtsstunde, würde ich mal sagen. Das ist ein Brainstorming.
18:31
Was könnten wir denn mal machen, wenn wir denn ein Gesetz
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schreiben wollen würden? Was könnte denn da drinstehen?
18:38
Und das ist eben insbesondere noch kein Gesetzentwurf, noch nicht mal
18:41
einen Referentinnen- oder Referentenentwurf.
18:44
Und deswegen hatten wir in der letzten Folge auch nicht darauf
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hingewiesen, weil wir so ein bisschen den Eindruck hatten, so wahnsinnig viel Dynamik ist da nicht
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drin. Aber der Mitarbeiter, der uns geschrieben hat, hat natürlich
18:53
völlig recht. Das sollte man schon erwähnen.
18:55
Und wir haben die Eckpunkte jetzt auch verlinkt. Wer sich dafür
18:58
interessiert, kann es also mal nachlesen.
19:00
Außerdem haben wir zur Einordnung der Diskussion um
19:04
Väterrechte, biologische Väter, rechtliche Väter und Mütter
19:07
natürlich auch noch mal mit einer
19:10
Expertin gesprochen, nämlich mit Rechtsanwältin Lucy Chebout.
19:13
Sie ist Fachanwältin für Familienrecht in Berlin, vertritt
19:16
insbesondere viele queere Familien,
19:19
also beispielsweise Familien aus zwei Frauen und einem
19:23
Baby. Und sie beschreibt
19:25
die bisherigen rechtlichen Probleme der Menschen, die sie vertritt.
19:29
Das Problem ist bislang im geltenden Abstammungsrecht, dass es quasi
19:32
nur Regelungen für Mutter Vater Kind Familien vorsieht.
19:35
Das heißt ein Kind, das in eine Ehe
19:37
von einem Mann und einer Frau hineingeboren wird.
19:40
Das hat qua Geburt und qua Gesetz
19:42
zwei rechtliche Eltern die Mutter, die das Kind geboren hat, und den
19:45
Ehemann der Mutter und ein Kind, das in eine Ehe von zwei
19:48
Frauen beispielsweise hineingeboren wird, gilt als das Kind einer
19:52
alleinerziehenden Mutter und hat zur Ehefrau der Mutter überhaupt
19:55
gar keine rechtliche Beziehung. Die muss das Kind erst in einem
19:59
Adoptionsverfahren unter staatlicher Prüfung als Kind
20:03
annehmen. Und das Problem ist eben, dass hier
20:06
die zweite Elternstelle für dieses Kind frei bleibt, das Kind
20:10
also auch nur durch einen rechtlichen Elternteil abgesichert
20:12
ist. Gegen einen rechtlichen Elternteil nur Unterhaltsansprüche,
20:15
Versorgungsansprüche, ein Erbrecht,
20:18
ein Recht auf Namensführung, ein Recht auf Staatsangehörigkeit usw.
20:22
hat und eben die andere Person
20:24
überhaupt gar nicht existiert für das Kind, obwohl sie im Alltag des
20:28
Kindes und im Leben des Kindes von Anfang an die Elternverantwortung
20:32
auch übernimmt und ausübt. Aber diese ist eben nicht
20:35
abgesichert.
20:36
Wir haben sie dann auch gefragt, was sie vor diesem Hintergrund, quasi
20:39
dieser Problemlage ihrer Mandantinnen und Mandanten von den
20:42
Eckpunkten hält. Und die sieht sie im Grundsatz positiv.
20:45
Da gibt es nämlich insbesondere zwei
20:47
Regelungsansätze, die diese Situation queerer Familien
20:51
verbessern würden. Also zum einen
20:53
soll die Frau, die
20:55
mit der Mutter eines Kindes verheiratet ist, in Zukunft auch
20:58
automatisch zweite Mutter werden. Also genauso wie das heute für den
21:02
Ehemann der Mutter gilt, soll das auch für die Frau gelten.
21:04
Und zum zweiten soll es auch für weibliche Partnerinnen
21:08
einer Mutter einfacher werden, quasi die in Anführungsstrichen zweite
21:11
Mutterschaft anzuerkennen. Auch da soll ein einfacherer
21:14
rechtlicher Weg geschaffen werden, sodass diese Adoption in Zukunft
21:17
nicht mehr erforderlich ist.
21:18
Okay.
21:19
Aber das Problem ist halt, es sind eben nur Eckpunkte.
21:22
Es liegt immer noch kein Gesetzentwurf auf dem Tisch.
21:24
Und da sagt sie, das findet sie natürlich nicht gut, dass bisher
21:27
nichts passiert ist. Nach zwei Jahren Ampel nur Eckpunkte oder
21:30
zweieinhalb Jahren Ampel. Sie macht sie einfach so ein bisschen
21:32
Sorgen, ob das jetzt wirklich passiert.
21:34
Okay, das ist so die Frage. Es gibt zwei Elternteile und
21:38
wer kann diese Position der Eltern eigentlich besetzen?
21:42
Sie hat eben dieses Problem beschrieben, dass es bei,
21:45
wenn zwei Frauen ein Kind haben,
21:47
dass es aktuell eben wahnsinnig schwierig ist und dass die, die
21:50
nicht-Mutter sozusagen das Kind adoptieren muss mit allen
21:53
Hürden. Da gibt es jetzt Eckpunkte, das will das BMJ ändern, aber
21:57
besonders viel Dynamik ist da nicht drin. Und dann war natürlich im
22:00
Kontext dieses Urteils vom Bundesverfassungsgericht,
22:03
das die Rechte der leiblichen Väter gestärkt hat, diese Option
22:07
aufgeworfen worden, oder die drängt sich auf, der Gesetzgeber
22:11
muss da also was neu regeln. Und dann ist eine sehr,
22:15
wie sagt man sehr, sehr naheliegende Option, na, der Gesetzgeber könnte
22:18
doch regeln, dass ein Kind nicht nur zwei Elternteile hat,
22:22
sondern drei Elternteile.
22:24
Das macht das Bundesverfassungsgericht sehr stark, weist mehrfach in den
22:27
Leitsätzen der Entscheidung schon darauf hin, dass es diese Option ja
22:30
auch geben könnte. Man könnte fast sagen, es winkt so
22:33
ein bisschen mit dieser Option und sagt Lieber Gesetzgeber, mach mal!
22:36
Dieser Idee aus Karlsruhe hat allerdings Bundesjustizminister
22:40
Marco Buschmann direkt nach der Entscheidung gleich eine Absage
22:43
erteilt. Er sagt, es soll weiter im deutschen Familienrecht nur zwei
22:47
Elternstellen geben.
22:48
Ja.
22:49
Und ich finde das ganz, ganz interessant.
22:51
Wir dachten ja auch, dass das jedenfalls aus der Perspektive von
22:55
queeren Familien eigentlich
22:57
eine tolle Sache sein könnte, weil dann dieser Konflikt zwei Mütter und
23:00
Samenspender, weil der vielleicht dann nicht mehr so aufbrechen
23:03
dürfte. Wobei das Bundesverfassungsgericht ja die
23:06
Rechte von Samenspendern gar nicht so explizit gestärkt hat, sondern es
23:08
ging da ja vor allem um Männer, die auch eine Beziehung zu ihrem Kind
23:11
haben.
23:11
Richtig, Aber in meiner Vorstellung war das so okay, ein Kind
23:15
kann drei Elternteile haben, das muss doch in diesem Kontext queere
23:18
Familien mehr Möglichkeiten
23:21
bieten. Ja, und deswegen haben wir Lucy Chebout, die viele dieser
23:24
Familien vertritt, auch danach
23:27
gefragt, was hält sie denn eigentlich von dieser Idee?
23:30
Ein Kind kann auch drei Eltern haben.
23:32
Also grundsätzlich bin ich total dafür, über Möglichkeiten der
23:36
Mehrelternschaft nachzudenken. Und es kommt auch gerade aus der
23:39
Ecke von queeren Familien,
23:41
dass eben gefordert wird, das Abstammungsrecht viel
23:43
selbstbestimmter und an den Bedürfnissen und Vereinbarungen
23:47
der konkreten Familien orientiert auszugestalten, auch
23:51
Selbstbestimmung in familienrechtlichen Beziehungen zu
23:53
ermöglichen. Meine große Sorge ist aber vor allen
23:56
Dingen mit Blick auf die zwei
23:58
Mütter Familien, die bislang nicht rechtlich entstehen dürfen,
24:02
dass hier eine Mehrelternschaft quasi aufgezwungen wird, indem
24:06
etwa dem Samenspender eine automatische Beteiligung
24:10
an der elterlichen Verantwortung
24:12
eingeräumt wird, die von den Familien selbst überhaupt nicht
24:14
gewünscht ist.
24:15
Also im Grunde positiv.
24:18
Gutes, vielversprechendes Modell,
24:20
was vielen Familien
24:22
neue Optionen geben könnte. Aber in diesem speziellen Modell,
24:25
Familie aus zwei Müttern und einem Kind fürchtet sie, dass
24:29
der Samenspender, der ja eigentlich erst mal nur Samenspender ist, auf
24:32
diesem Weg auch tatsächlich Elternrechte bekommen könnte.
24:35
Das ist so ihre Befürchtung.
24:36
Das ist ihre Befürchtung und das ist natürlich auch, jedenfalls im
24:39
geltenden Recht, eine reale Gefahr. Muss man so deutlich sagen.
24:42
Also man versucht das dann natürlich auszuschließen, indem man also in
24:46
der Praxis jetzt versucht, einen
24:48
Samenspender zu suchen, bei dem völlig klar ist, dass der kein
24:51
Interesse hat. Also zum Beispiel, weil er ganz anderswo auf der
24:54
Welt lebt. Also ich habe das im Freundeskreis
24:56
tatsächlich auch mal erlebt. Da ging es dann um eine Person, die
24:59
tausende von Flugkilometern entfernt lebt, wo so ein bisschen die
25:02
Hoffnung war, der wird schon nicht Vater werden wollen im sozialen
25:05
Sinne. Und auch das Bundesjustizministerium hat diese
25:08
Konfliktlage durchaus erkannt. Also es soll auch da Möglichkeiten
25:12
geben, wie eben solche Samenspender, man nennt das dann
25:15
Becherspender, weil das eben nicht über ein Institut geht, über
25:19
eine Samenbank, sondern weil das tatsächlich ganz banal mit einem
25:21
Becher passiert, dass diese Becher Spender tatsächlich schon im Vorfeld
25:25
rechtliche Klarheit schaffen können, indem sie auf diese Elternverantwortung
25:28
verzichten.
25:28
Weil das ist ja bei den normalen Samenbanken der normale Fall.
25:31
Da ist das, genau, bei den Samenbanken ist das rechtlich schon
25:33
geklärt, aber eben bei diesen sogenannten Becherspendern nicht.
25:36
Also wo das so im informellen Kreis passiert, nicht über eine Samenbank
25:40
und Vertrag und unterschreiben und Geld und hier und da, sondern zwei
25:44
Frauen wollen Kind, da ist ein Mann, der hat Samen.
25:47
Der würde wohl.
25:47
Der würde wohl und hat sonst kein Interesse. Aber wenn ein Kind auf
25:51
der Welt ist und wenn zwei Frauen glücklich sind, voila.
25:54
Ja. Hier ist der Becher.
25:56
Das könnte deutlicher geregelt werden.
25:59
Überhaupt mal. Bislang versucht man da alles Mögliche, geht
26:02
man halt mal zum Notar und so, aber das ist eigentlich rechtlich nicht
26:06
wirklich bindend. Und deswegen hat das BMJ
26:08
das auch in den Eckpunkten schon drin. Also man muss schon sagen, diese Eckpunkte sind an einigen
26:12
Stellen finde ich aus meiner Sicht schon sehr progressiv.
26:15
Deswegen hat ja auch Rechtsanwältin Chebout nicht grundsätzlich Probleme
26:19
angemeldet, sondern vor allem so ein bisschen an der, wie soll ich
26:22
sagen, an der Entschlossenheit des Ministeriums gezweifelt.
26:25
Man kann ja die Ampel wirklich substanziell kritisieren.
26:28
Was man aber schon sagen muss, sie arbeiten doch
26:32
auch ihren Koalitionsvertrag
26:35
ab. Und da steht zum Beispiel auch drin, wir
26:39
wollen eine Kommission einberufen, die ergründen soll, ob die
26:43
Abtreibung in Deutschland
26:45
nicht anders geregelt werden
26:47
kann, zum Beispiel außerhalb des Strafgesetzbuchs.
26:50
Und danach hatten wir ja auch Marco Buschmann bei unserem Interview
26:52
gefragt, den Bundesjustizminister. Sag mal, was ist da eigentlich mit
26:55
deiner Kommission und da sagt er, ja, ja, die richten wir jetzt ein,
26:58
kann ich nichts zu sagen. Die wird dann irgendwann einen
27:00
Bericht vorlegen, dann reden wir weiter.
27:02
So, das ist dann also diese Woche passiert.
27:05
Die Kommission hat geliefert. Seit Montag liegt ihr Vorschlag,
27:08
ihre Analyse auf dem Tisch. Interessant ist auch,
27:12
wer da so mitgewirkt hat an dieser Kommission.
27:14
Oder auch nicht mitgewirkt hat.
27:16
Also fast nur Frauen, was ja beim Thema Abtreibung total Sinn
27:19
macht und auch keine Kirchenvertreterinnen.
27:22
Ja, und da herrscht ein bisschen Dissens hier in der Redaktion, ob
27:24
das eine gute oder schlechte Nachricht ist.
27:26
Jedenfalls war es so.
27:27
Jedenfalls war es so. Ich halte es ja für einen großen
27:29
Fortschritt, dass die Kirche raus ist, zumindest aus dieser
27:32
Kommission. Die hat, finde ich, das Recht, sich zu moralischen
27:35
Fragen zu äußern, weitgehend verspielt. A) durch die Verbrechen,
27:39
die unter ihrem Dach passieren und B) durch die schlechte Aufklärung.
27:42
Insofern finde ich es gut, dass die Kirche nicht mehr einfach ein
27:45
Abo auf solche Kommissionen hat.
27:47
Also ich sehe das, ich sehe das deswegen anders, weil natürlich
27:50
Straftaten und Verbrechen und schlechte Aufklärung in der Kirche
27:54
tatsächlich vorgekommen sind. Aber ich störe mich schon an dem Begriff "die Kirche".
27:57
Es gibt ja reihenweise Kirchen. In der katholischen Kirche ist das
28:00
in jedem Bistum anders gelaufen. Die evangelische Kirche ist auch
28:03
betroffen, aber weniger betroffen. Also ich finde das-
28:05
Aber alle sind betroffen.
28:06
Alle sind mehr oder weniger betroffen. Aber von der Aufklärung
28:09
sind, denke ich, die verschiedenen Einrichtungen sehr unterschiedlich
28:12
betroffen. Und ich finde, dass sie tatsächlich auf einem
28:15
Themengebiet sich,
28:17
sagen wir mal kritikwürdig verhalten haben, bedeutet ja nicht, dass sie
28:21
deswegen keine sinnvollen Positionen
28:23
mehr zu moralischen Fragen formulieren können.
28:25
Also das würde mir zu weit gehen,
28:27
auch wenn das, wenn ich damit natürlich nichts irgendwie
28:29
gesundbeten oder rechtfertigen will, was da schiefgelaufen ist.
28:32
Jedenfalls diese Kommission hat in der genannten Zusammensetzung sich
28:36
zusammengesetzt und getagt und überlegt und gemacht und
28:39
geschrieben und haben nun also einen Bericht vorgelegt,
28:43
der der Frage nachgeht, kann Abtreibung in Deutschland nicht
28:46
anders geregelt werden außerhalb des Strafgesetzbuches?
28:49
Und die These ist von diesem Bericht
28:52
Abtreibung sollte sogar außerhalb des Strafgesetzbuchs
28:56
in Deutschland geregelt werden.
28:57
Und vor allem, und das ist, glaube ich, die zentrale These, verlangen
29:00
sie eine weit gehende Liberalisierung der Rechtslage
29:03
rund um Abtreibung. Insbesondere in der Frühphase der
29:06
Schwangerschaft, so die Kommission, müsse sie sogar generell
29:10
legal werden.
29:11
Also die Lage heute, und deswegen ja auch diese Kommission, die Lage
29:14
heute ist eben ja auch ein Kompromiss.
29:18
Das ist ein überparteilicher Kompromiss aus den 90er Jahren, der
29:22
bis heute Gesetz ist. Der wiederum fußt auf einer
29:25
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
29:28
Und diese Entscheidung oder in dieser Entscheidung hatte das
29:30
Gericht dem Bundestag relativ
29:32
wenig Spielraum eingeräumt.
29:34
Das heißt, die Vorgaben des Verfassungsgerichts, sie waren da
29:37
sehr detailliert und dementsprechend hatte der Bundestag
29:41
da auch wenig Spielraum. Aber darauf fußt halt
29:44
die Rechtslage heute.
29:46
Genau. Und die Rechtslage ist jetzt wirklich nur in Stichworten.
29:48
Wir hatten es in der Lage ja schon ganz häufig. Abtreibung ist generell
29:51
strafbar nach Paragraf 218
29:53
des Strafgesetzbuches. Sie wird aber nicht bestraft.
29:57
Sie ist also rechtswidrig, aber
29:59
nicht tatbestandsmäßig. So dieser Knoten im Kopf.
30:03
Für die Jura Nerds, die uns zuhören
30:05
ist also rechtswidrig, aber nicht tatbestandsmäßig, wenn die
30:08
Schwangere bestimmte Voraussetzungen einhält. Sie muss sich beraten
30:11
lassen, mindestens drei Tage vor dem Abbruch von einer solchen
30:14
Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle.
30:16
Der Abbruch darf nur bis zur zwölften Woche nach der Befruchtung
30:19
vorgenommen werden. Und natürlich muss er durch einen Arzt oder eine
30:22
Ärztin vorgenommen werden.
30:24
Abtreibung bleibt aber auch in diesen Fällen rechtswidrig,
30:28
das heißt nur straffrei, aber
30:30
eben gesellschaftlich nicht okay,
30:32
sondern geächtet. Und ja, also ich verstehe,
30:36
dass dieser Kompromiss vielen,
30:38
vielen Frauen nicht passt.
30:40
Das kann ich total nachvollziehen. Im Kern aus drei Punkten.
30:44
Ja, die hatten wir auch schon oft, deswegen auch hier nur in
30:46
Stichworten. Zum einen führe die weitere
30:49
Rechtswidrigkeit, wenn auch Straffreiheit von solchen
30:52
Schwangerschaftsabbrüchen zu einer Stigmatisierung.
30:54
Sie hat ja tatsächlich auch Kostenfolgen zum Beispiel, weil
30:57
Krankenkassen typischerweise die Kosten nicht übernehmen, außer bei
31:00
sehr jungen Frauen. Viele Frauen erleben die
31:03
Pflichtberatung als übergriffig,
31:05
frei nach dem Motto, ich weiß schon selbst, was für meinen Körper gut
31:08
ist. Es geht ja auch immerhin um meinen Körper. Und der dritte,
31:11
eher praktische Kritikpunkt, es gibt
31:13
einfach viel zu wenig Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen
31:17
und es gibt zu wenig Ärzte
31:19
und Ärztinnen, die dann auch tatsächlich Abbrüche vornehmen.
31:21
Mit anderen Worten, die vermeintliche Freiheit, die das
31:25
Gesetz heute einräume, die sei in der Praxis gar nicht
31:28
wirklich gewährleistet.
31:29
Klar ist aber auch auf der anderen Seite, wer in Deutschland abtreiben
31:33
möchte, der kann das eben auch tun, wenn auch mit Hürden.
31:37
Aber in aller Regel geht das. Die Rechtslage ist also
31:41
nicht perfekt. Aber, muss man auf der Habenseite sagen, immerhin
31:45
gibt es zumindest aktuell keine so extrem
31:48
polarisierende Debatte wie in anderen Ländern.
31:51
Wir hatten das ja auch in der Lage, glaube ich, 2020 irgendwann mal
31:54
dargestellt, wie die Debatte um Abtreibung das politische Klima
31:58
in den USA vergiftet hat, wie das Kristallisationspunkt
32:02
war für Spaltung links und rechts.
32:04
Das Thema hat den Republikanern massiv in die Hände gespült.
32:08
Und diese aufgeheizte Debatte hat unter anderem dazu geführt, dass
32:12
nun der Supreme Court vollgepackt
32:14
wurde mit erzkonservativen Richtern und Richterinnen.
32:17
Die werfen das Gesetz nun insgesamt
32:19
um Jahrzehnte zurück, unter anderem auch nicht nur bei
32:23
Abtreibungen, haben wir auch darüber gesprochen, sondern auch zum Beispiel im Klimaschutz.
32:26
Ja. Und das muss man sehen. Also dieser Kulturkampf um die Frage
32:30
Schwangerschaftsabbruch ja oder nein? Der ist also für progressive
32:33
Kräfte in den USA insgesamt eine Katastrophe. Sie haben jetzt nicht
32:36
nur das Recht auf Abtreibung verloren, das ja mal ein
32:39
verfassungsrechtliches Recht war in den USA, das jetzt eben nicht mehr
32:42
gilt, sondern sie verlieren auch an 1000 anderen Stellen.
32:45
Und einen solchen Kulturkampf kann ja in Deutschland eigentlich niemand
32:48
wollen. Und dementsprechend gespalten war die Ampel auch bei den
32:51
Koalitionsverhandlungen 2021.
32:54
Und was macht man, wenn man sich da nicht so richtig einigen kann?
32:57
Dann einigt man sich eben darauf, wenn man nicht mehr weiter weiß,
33:00
gründet man einen Arbeitskreis.
33:01
Und dieser Arbeitskreis, diese Kommission, die hat nun ihren
33:03
Bericht vorgestellt
33:05
und schlägt, wir haben es oben angedeutet, ziemlich weitreichende
33:09
Änderungen vor. Zum Beispiel für die Frühphase
33:12
der Schwangerschaft, sagt die Kommission, eine Verpflichtung zur
33:15
Fortsetzung der noch vergleichsweise
33:18
kurz bestehenden Schwangerschaft gegen den Willen der Frau erscheint
33:21
angesichts der gravierenden und lang andauernden Auswirkungen auf den
33:24
körperlichen und seelischen Zustand sowie die persönliche Lebensführung
33:28
und Zukunftsplanung der Frau unzumutbar.
33:31
Der Frau steht in dieser Schwangerschaftsphase ein Recht
33:35
auf Schwangerschaftsabbruch
33:37
zu, das ist deutlich.
33:40
Das ist sehr deutlich eine völlige Abkehr von der bisherigen
33:42
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
33:44
Für spätere Abbrüche, also zum Beispiel ab dem Zeitpunkt der
33:47
Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb
33:49
des Mutterleibes, soll im Prinzip im Großen und Ganzen alles bleiben wie
33:53
bisher. Und dann fordert die Kommission
33:55
drittens noch, dass Frauen den Abbruch auch tatsächlich zeitnah
33:58
barrierefrei in gut erreichbaren
34:00
Einrichtungen vornehmen lassen
34:02
können.
34:03
Ja, also sie sagen, Schwangerschaftsabbruch bis zur
34:06
zwölfte Woche muss
34:09
möglich sein. Die Frauen haben ein Recht darauf.
34:13
So sagen sie das jedenfalls aus einer verfassungsrechtlichen
34:15
Perspektive. Die Studie ist ist aber auch
34:17
ansonsten sehr lesenswert, weil wirklich sehr, sehr viele, auch
34:19
quasi tatsächliche Fragen rund
34:21
um Abtreibungen ausführlich analysiert werden, und so.
34:24
Also es ist schon sehr lesenswert. Soweit so gut.
34:27
Aber eine wichtige Frage
34:29
wird letztlich nicht so richtig beantwortet.
34:31
Und zwar ist es die, dass diese Frage Abtreibung strafbar,
34:35
ja oder nein, ja immer
34:37
zu einer Güterabwägung führt. Und die Kommission schreibt,
34:41
der Gesetzgeber muss auf
34:43
Seiten des Embryos, des Fötus, vor allem das Grundrecht auf Leben
34:48
aus Artikel zwei, Absatz zwei Satz eins des Grundgesetzes
34:51
beachten. Also hier ist das Grundrecht auf Leben beim Fötus.
34:54
Auf der anderen Seite aber eben auch
34:57
das allgemeine Persönlichkeitsrecht
34:59
der Schwangeren aus dem Grundgesetz
35:01
und ihre Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit
35:05
einbeziehen. Das sind also die beiden Grundrechte, die hier immer
35:08
miteinander und gegeneinander abgewogen werden
35:12
müssen. Und daneben gibt es dann noch die Grundrechte Dritter wie den
35:15
des männlichen Erzeugers und der Ärzte und Ärztinnen, denen eben auch
35:18
Rechnung getragen werden muss. Aber im Kern geht es hier um das
35:21
Recht auf Leben beim Fötus, beim Embryo und eben das allgemeine
35:24
Persönlichkeitsrecht, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Leben
35:27
bei der Frau.
35:27
Und das ist als solches natürlich auch gar keine Überraschung, denn
35:30
das Bundesverfassungsgericht ist seinerzeit bei dieser Abwägung ja
35:33
zur geltenden Rechtslage gekommen. Es hatte da auch noch die
35:36
Menschenwürde des Fötus stärker in den Blick genommen. Das sieht die
35:39
Kommission jetzt ein bisschen anders. Aber im Grundsatz hat das
35:42
Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 1993
35:45
dieselbe Güterabwägung vorgenommen. Es ist allerdings zu einem völlig
35:48
anderen Ergebnis gekommen.
35:49
Als die Kommission jetzt. Jetzt wiederum kommt die Kommission
35:51
zu dem Ergebnis, was wir oben geschildert haben. Die Frau hat ein
35:54
Recht auf Abtreibung in dieser frühen Phase der Schwangerschaft,
35:58
also die ersten zwölf Wochen.
36:00
Was aber völlig offen bleibt,
36:03
ist, wie ist die Kommission dahin gekommen?
36:07
Ja, sie sagen, die Frau hat ein Recht.
36:09
Aber diese Eindeutigkeit, mit der sie das formulieren,
36:13
hat ein Recht und es muss,
36:15
die ist kühn.
36:16
Also ich finde das deswegen so spannend, weil diese Analyse auf der
36:19
einen Seite sehr ausführlich und nach meiner Wahrnehmung auch sehr
36:22
nachvollziehbar, plausibel und vollständig die verschiedenen
36:24
grundrechtlichen Positionen darstellt, auch die verschiedenen
36:27
rechtsdogmatischen Sichtweisen
36:30
auf diese Grundrechte, auch zum Beispiel verschiedene juristische
36:32
Auffassungen. Es wird alles sehr sauber aufgearbeitet wie in einer
36:34
guten Doktorarbeit. Und dann kommt am Ende dieses langen
36:37
Grundrechtesteils, nach mehr als 50 Seiten, kommt dann so ein kurzer
36:41
Abschnitt, wo so mehr oder weniger apodiktisch diese Konsequenz
36:44
gezogen wird, die wir eben gerade vorgelesen haben. Man kann natürlich sagen, das
36:47
ergebe sich jetzt irgendwie aus diesen 50 Seiten oder noch mehr, ich
36:50
habe es jetzt nicht gezählt, grundrechtsdogmatischer Erwägungen.
36:53
Das will ich auch gar nicht Abrede stellen. Vielleicht ist es ja alles richtig. Nur dieser logische
36:57
Schluss, von den vielen, vielen Grundrechten hin zu
37:01
der These der Kommission, der hängt irgendwie so ein bisschen in der
37:04
Luft. Viele würden daher sagen, na ja, das ist eine plausible Position,
37:08
das darf man so sehen, kann man so sehen. Aber letztlich
37:11
bleiben da eben doch eine ganze Menge Spielräume.
37:14
Und wirklich entscheiden kann das eben nur der Gesetzgeber.
37:17
Also ich glaube, das, was du ja sagst, es steht einfach nicht bei
37:20
uns in der Verfassung, im Grundgesetz, Frauen haben ein Recht
37:24
auf Abtreibung bis zur zwölfte Woche. Das steht da nicht.
37:26
Deswegen würde ich sagen, jedes Gesetz, was am Ende Gesetz wird,
37:30
ist immer Ergebnis einer Abwägung
37:33
der Sachen, die im Grundgesetz stehen. Und die Kommission hat
37:36
die Sachen, die im Grundgesetz stehen, sauber aufgelistet.
37:39
Aber wie sie zu dieser Gewichtung kommen, dass das, was wir
37:42
aufgelistet haben, dazu führt,
37:45
dass wir sagen, die Frau hat ein Recht und der Staat muss,
37:49
das bleibt einfach im Dunkeln.
37:51
Und sie sagen, das Grundrecht der Frau überwiegt und man fragt sich,
37:54
ja, das kann man sicher so sehen. Aber wie leitet ihr das her aus dem,
37:57
was im Grundgesetz steht? Das wird da irgendwie nicht richtig klar.
37:59
Also da sehe ich den zentralen Bruch. Es gibt so einen Gedanken,
38:02
der, also das muss man mutmaßen,
38:05
aber der vermutlich die Kommission zu diesem Ergebnis geführt hat.
38:08
Und das ist der Gedanke, dass das Grundrecht des Fötus auf Leben
38:12
mit fortdauernder Schwangerschaft
38:14
immer intensiver wird. Sie gehen davon aus, dass gewinnt
38:18
immer mehr an Gewicht, insbesondere von dem Zeitpunkt an, wo der Fötus
38:21
auch außerhalb des Mutterleibes lebensfähig wäre.
38:24
Andererseits argumentieren sie, dass das Grundrecht auf Leben so lange
38:28
gleichsam schwächer ausgeprägt sei,
38:31
wie der Fötus biologisch noch auf den Körper der Mutter angewiesen
38:34
ist. Ja, das ist, glaube ich, der Grundgedanke, der dahintersteht.
38:36
Andererseits sagen sie, dass quasi das Selbstbestimmungsrecht der
38:39
Mutter immer schwächer werde.
38:42
Aus einer feministischen Perspektive auch vermutlich nicht unstrittig
38:45
dieser Punkt. Aber, dass das Recht immer schwächer werde, je länger die
38:48
Frau quasi die Schwangerschaft schon geduldet hat.
38:50
Na, das habe ich jetzt etwas zugespitzt, aber das scheint mir der
38:53
Gedanke zu sein. Also das sind die beiden zentralen
38:55
Argumentationsmuster und ich finde, die haben auch mehr oder weniger was
38:59
für sich. Mit dem zweiten habe ich eher ein bisschen Probleme.
39:01
Grundsätzlich kann man aber, glaube ich, schon sagen, je weiter das Baby
39:04
herangewachsen ist, desto stärker
39:06
sein Recht auf Leben. Nur auch das führt aus meiner Sicht
39:09
jetzt nicht zwingend zu der Konsequenz, die die Kommission
39:12
zieht. Und ich frage mich so ein bisschen-
39:13
Ja, Entschuldigung, aber wenn dir hier jetzt so zuhöre, das ist ja
39:16
letztlich auch der Gedanke, der der jetzigen Regelung zugrunde liegt.
39:19
Genau.
39:20
Die kommen halt dann zu anderen Konsequenzen, wie diese
39:22
Güterabwägung dann in reales
39:24
Leben umgemünzt werden soll. Aber die Abwägung ist da.
39:28
Sie kommen aber zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen und
39:30
man würde schon gern wissen, wie kommt denn diese Kommission, die nun
39:34
extra eingesetzt wurde, um das mal richtig wissenschaftlich
39:38
aufzuschlüsseln, wie kommt diese Kommission zu ihrem Schluss?
39:41
Das wird ja auch nicht ganz unwesentlich sein, denn sollte diese
39:44
Regelung wirklich Gesetz werden, dann wird die in Karlsruhe landen
39:47
und dann hätte man von so einer Kommission schon gerne gewusst,
39:50
na, wie würden wir denn wohl in Karlsruhe argumentieren?
39:54
Weil-
39:55
Sie würden halt und sie würden es halt einfach glaube ich so argumentieren, wie ich es gerade
39:57
dargestellt habe. Ich glaube, das wäre die Argumentation.
40:00
Ich glaube, der zentrale Fehler ist noch nicht mal zu sagen, wir
40:03
finden das die plausiblere
40:05
Lösung. Aber ich glaube, es geht eigentlich zu weit zu sagen, es gibt
40:08
quasi in diesem verfassungsrechtlichen Konfliktfeld
40:11
letztlich nur noch eine richtige Lösung.
40:14
Das halte ich jedenfalls verfassungsrechtlich betrachtet für
40:18
mutig.
40:18
Kühn.
40:19
Kühn. Ich glaube, das ist die richtige Beschreibung. Ich glaube, es wäre
40:22
ein Tick redlicher gewesen zu sagen, das ist das Spannungsfeld.
40:25
Das haben sie ja sehr schön gemacht, das haben sie ja aufgearbeitet.
40:27
Und innerhalb dieses Spannungsfeldes
40:30
muss der Gesetzgeber eine Abwägungsentscheidung treffen.
40:33
Und ich meine, das ist doch die klassische Aufgabenverteilung.
40:35
Das Grundgesetz definiert bestimmte
40:37
Rechtspositionen, verfassungsrechtliche Positionen.
40:39
Da bleibt eigentlich immer irgendwo eine Grauzone, außer bei
40:43
Menschenwürdeverstößen. Und diese Grauzone auszufüllen,
40:47
zu entscheiden im Detail, welches
40:49
Grundrecht überwiegt welches andere?
40:51
Das ist doch die zentrale Aufgabe der Politik.
40:55
So spielen Grundrechte, Grundgesetz
40:57
und Politik zusammen. Das Grundgesetz gibt einen Rahmen
41:00
vor und innerhalb dieses Rahmens
41:02
eine Wertentscheidung zu treffen, das ist eben genau das, was die
41:05
Menschen tun müssen, die wir demokratisch legitimieren.
41:09
Da würde ich jetzt sagen, genau dabei hätte diese Kommission der
41:11
Politik ja helfen sollen.
41:14
Da würde ich sagen, diesen Auftrag hat sie aus meiner Sicht erfüllt.
41:17
Ja, ich bin jetzt auch kein Oberexperte für das Thema, aber ich
41:19
habe das mit großem Interesse, mit großem Gewinn gelesen.
41:22
Das ist aus meiner Sicht eine sehr gute juristische Analyse, die
41:26
die relevanten Rechtspositionen tatsächlich darstellt.
41:29
Das ist extrem hilfreich. Nur wenn man so eine steile These
41:32
aufstellt, es gibt nur noch eine richtige rechtliche Lösung, dann
41:35
braucht man an dieser Stelle aus meiner Sicht mehr an Begründungen.
41:39
Die Union droht ja nun auch mit Klage. Wenig überraschend.
41:42
Es wäre grundfalsch, sagt Thorsten Frei, der Parlamentarische
41:45
Geschäftsführer der Unionsfraktion, es wäre grundfalsch,
41:48
weitere gesellschaftliche Konflikte zu provozieren.
41:52
Auch der Vorsitzende der CSU Landesgruppe im Bundestag, Alexander
41:54
Dobrindt, drohte mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Dobrindt
41:58
sprach von einem weiteren
42:00
Baustein in der Polarisierung der Gesellschaft.
42:03
Mit dem Paragraphen 218
42:05
sei vor 30 Jahren ein schwieriger Kompromiss erarbeitet worden,
42:08
sagt er, der für viele nicht zufriedenstellend ist, der aber
42:12
einen gesellschaftlichen Frieden hergestellt hat über dieses
42:15
Thema. Zitat Ende. Dann war natürlich jetzt die große
42:19
Frage okay, da gibt es die Kommission mit einer sehr klaren
42:22
Handlungsanweisung an die Politik. Was sagen denn nun die Minister
42:25
Ministerinnen, die diese Kommission
42:27
ins Rennen geschickt haben? Da gab es dann im Anschluss gleich
42:30
auch eine Pressekonferenz
42:32
von den drei betreffenden Ministern
42:34
Ministerinnen, Karl Lauterbach, SPD
42:36
Gesundheit, Marco Buschmann, FDP Justiz und Lisa Paus,
42:40
Familie von den Grünen.
42:42
Und ich würde ihre Aussage mal so paraphrasieren.
42:46
Vielen Dank für den Bericht. Wir prüfen das mal und melden
42:49
uns dann, falls wir irgendwann noch mal wiedergewählt werden, aber in
42:51
dieser Legislatur werden wir das nicht anfassen.
42:53
Also es klang tatsächlich so, also Bundesgesundheitsminister Karl
42:56
Lauterbach hat deutlich gemacht, es brauche einen breiten
42:59
gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens.
43:03
Klammer auf, den es ja nicht gibt,
43:05
hat die Union sofort deutlich gemacht. Das heißt also, Karl
43:07
Lauterbach hat einer Reform damit
43:09
durch die Blume eine Absage erteilt, und er schiebt das jetzt so ein
43:12
bisschen auf die lange Bank. Er sagt nämlich, er werde einen
43:15
geordneten Prozess vorschlagen, wie, Zitat, wie wir als
43:18
Bundesregierung im Parlament damit umgehen.
43:20
Bundesjustizminister Marco Buschmann sagt, er werde den Bericht zunächst
43:23
gründlich auswerten. Immer gut über Konsequenzen zu
43:26
reden, sei noch zu früh. Zitat Was wir nicht gebrauchen
43:29
können, das sind Debatten, die die Gesellschaft in Flammen setzen oder
43:33
gar spalten.
43:35
Klingt auch nicht so, als wenn er da in den Konflikt gehen wollte mit der
43:37
Union.
43:38
Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen sagt, die Empfehlungen
43:41
der Kommission böten eine gute Grundlage für den notwendigen
43:45
offenen und faktenbasierten
43:47
Diskurs. Ich will mal sagen politischer Drive,
43:50
politischer Gestaltungs- und Handlungswille in dieser Frage, der
43:54
klingt anders.
43:55
Dann hören wir aus der Ampel auch noch das Zitat,
43:59
das haben wir von mehreren Leuten gehört, Olaf will das nicht.
44:02
Also Olaf Scholz will das Fass nicht aufmachen.
44:05
Der Kanzler hat keine Lust auf einen weiteren Konflikt, was ich politisch
44:07
nachvollziehen kann. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich
44:10
finde, diese Kommission hat eine sehr wertvolle Arbeit gemacht.
44:13
Das war auf jeden Fall gut, die Kommission einzusetzen.
44:16
Die verfassungsrechtliche Aufarbeitung ist aus meiner Sicht
44:18
aller Ehren wert. Und gerade auch diese Analysen, zum Beispiel
44:22
Rechtsvergleichen, wie sie das in anderen Ländern so, das ist alles
44:24
total wertvoll. Und sie hat immerhin deutlich
44:27
gemacht, aus ihrer Sicht kann man Schwangerschaftsabbrüche
44:31
entkriminalisieren. Man kann sie außerhalb des
44:33
Strafgesetzbuchs regeln. Das, finde ich, ist schon mal ein
44:35
starkes Statement. Und sie führt ja auch durchaus
44:38
gewichtige Argumente an. Andererseits hat die Analyse, wie
44:41
wir finden, auch Schwächen an zentralen Stellen.
44:43
Eins ist aber jedenfalls klar, eine Reform im Sinne der Kommission,
44:47
also Straffreiheit für den Schwangerschaftsabbruch in den
44:50
ersten Wochen, eine solche Reform kann tatsächlich
44:54
gut gehen, aber eben letztlich nur,
44:56
wenn das Bundesverfassungsgericht mitspielt.
44:58
Außerdem ich glaube, da hat die Union
45:02
nicht ganz Unrecht, natürlich wären sie da auch dran beteiligt, aber es
45:05
wird nicht nur die Union sein.
45:07
Außerdem würde so eine Debatte
45:10
sehr wahrscheinlich zu einem echten Kulturkampf auch in Deutschland
45:13
führen. Deutschland ist nicht Amerika. Aber es gibt doch auch Strukturen
45:17
der öffentlichen Debatte und Player, die hier auftauchen,
45:21
die denen in den USA schon sehr ähnlich sind.
45:23
Und ich glaube, es bedarf nicht
45:26
zu vieler Fantasie, um zu sagen,
45:28
das wird hier eine richtig, richtig heiße, wilde, völlig
45:32
irre Debatte auslösen. Ein Kulturkampf, der unter
45:36
Umständen mehr kaputt macht,
45:38
als er bringt.
45:40
Das ist das Risiko, das ich persönlich auch sehe.
45:42
Das, muss man natürlich sagen, ist als solches
45:50
jetzt auch kein alleinseelig machendes Argument. Also ganz ehrlich, es gibt auch andere Kulturkämpfe, die totaler Bullshit sind. Denken wir an die Genderdebatte und so.
45:53
Auf der anderen Seite muss man eben sehen. Hier ist es nicht ganz so
45:56
einfach. Hier sind richtig und falsch nicht so klar.
45:59
Und ich bin da glaube ich im Ergebnis bei Olaf Scholz, wenn er
46:02
sagt, also dieses grundsätzliche Fass aufzumachen, das hätte große
46:05
Risiken. Aber ich finde, Philip,
46:07
mit der Absage an die grundsätzliche
46:09
Diskussion bedeutet das ja nicht, dass die Ampel gar nichts machen
46:12
sollte. Ich finde nämlich, die Ampel sollte doch zumindest die Kraft
46:15
aufbringen, innerhalb des bisherigen
46:18
Rechtsrahmens endlich mal was zu tun, um die Situation schwangerer
46:21
Menschen zu verbessern.
46:22
Ich finde, ich kann die Leute total verstehen, die sagen, wir müssen,
46:25
wenn wir das Richtige erkannt haben, auch das Richtige tun und auch dafür
46:28
kämpfen.
46:29
Ja.
46:29
Ich finde, es gibt Argumente, die
46:31
einen da nachdenklich werden lassen, ob das in diesem Fall die richtige
46:35
Idee ist. Aber wie du sagst, wenn wir uns
46:38
dafür entscheiden, dieses Fass jetzt nicht aufzumachen, zumindest nicht
46:41
in dieser Legislatur.
46:42
Das sagt die Ampel ja jetzt im Prinzip.
46:44
Das sagt die Ampel, das wird nicht passieren. Dann müsste sie mindestens dafür
46:48
sorgen, dass A) der Abbruch wirklich kostenlos möglich sein
46:51
muss, nicht nur für junge Frauen, sondern einfach kostenlos, dass
46:55
die das nicht selber bezahlen müssen. Und er muss natürlich
46:58
viel, viel einfacher werden. Die Hürden, die da sind
47:02
über dieses Stigma hinaus,
47:04
ist rechtswidrig, die müssen einfach abgebaut werden. Wir brauchen viel
47:08
mehr Beratung, viel mehr Ärzt:innen, viel leichteren Zugang.
47:11
Es braucht viel mehr Anreize, um Beratungsstellen einzurichten,
47:15
Fahrtkosten und so zu der Beratung, auch zu dem
47:18
Abbruch. Die müssen übernommen werden. Es muss eine
47:21
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch geben können.
47:25
Wenn man zu so einer Beratung geht, ohne zu sagen, ich gehe zu so einer
47:29
Beratung.
47:30
Man muss halt einfach zum Hausarzt oder zur Hausärztin gehen können.
47:32
Ich hole mir jetzt einen gelben Zettel, weil ich mich beraten lassen
47:35
will. Das geht den Arbeitgeber nun wirklich gar nichts an, dass man
47:37
ungewollt schwanger ist. Aber ich finde, es muss dann möglich
47:40
sein, da eben unbürokratisch quasi
47:42
freizubekommen auf der Arbeit. Und natürlich müsste es mehr Geld
47:46
geben für Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche vornehmen. Denn die Zahl
47:49
derjenigen, die dazu bereit sind, die das anbieten, geht ja
47:52
immer weiter zurück. Ja, eine Hürde, dieses berühmte
47:55
sogenannte Werbeverbot 219 a StGB
47:58
hat die Ampel schon abgeschafft. Aber es muss da einfach mehr Anreize
48:01
geben. Denn eins ist doch mal klar, wenn man sagt,
48:04
Schwangerschaftsabbruch ist zwar rechtswidrig, aber im Grundsatz eben
48:07
doch straffrei möglich, dann muss man auch sich ehrlich machen und
48:10
tatsächlich diese Möglichkeit schaffen. Und zwar für alle
48:13
Menschen, nicht nur in Berlin.
48:13
Für alle Menschen, nicht nur in Berlin und nicht noch so, ja,
48:16
es gibt keine Strafe im Sinne des Strafgesetzbuches.
48:19
Aber so ein paar drücken wir euch schon rein.
48:21
Zahlt man halt mal schön und so und nimm mal schön Urlaub.
48:27
Die Ampel hat sich diese Woche auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes
48:31
geeinigt, also letztlich in der Frage, wie sehr muss die Ampel
48:35
eigentlich sich anstrengen, noch für den Klimaschutz auch kommende
48:38
Regierung, aber in erster Linie auch die Ampel selbst.
48:41
Und das ist wirklich eine interessante Geschichte. Einerseits natürlich
48:43
inhaltlich, weil es da wirklich um substanziellen Klimaschutz geht,
48:46
aber eben andererseits auch, weil es
48:48
zeigt, wie Politik gemacht
48:50
wird. Und um das ein bisschen aufzudröseln, nehmen wir uns ein
48:52
bisschen Zeit und zäumen das Pferd von hinten auf.
48:56
Schön der Reihe nach.
48:57
Es gibt ja diesen schönen alten Spruch. Sowohl beim Gesetze machen als auch
49:00
beim Würstchen machen, sollte man lieber nicht zu genau zuschauen.
49:03
Und so ein bisschen so ist das auch
49:06
hierbei. Ja, also letzte Woche gab es großen Wirbel in Deutschland,
49:09
vor allem in der Bildzeitung um angeblich drohende Fahrverbote
49:14
für Autos am Wochenende. Verkehrsminister Volker Wissing
49:17
nämlich hatte einen Brief geschrieben an seine Minister,
49:20
Kolleginnen und Kollegen. Genau genommen geschrieben hatte er,
49:24
dass Maßnahmen drohen.
49:26
Ja, Fahrverbote waren da nur eine denkbare Maßnahme,
49:31
wenn er tatsächlich die Vorgaben des zurzeit noch geltenden
49:34
Klimaschutzgesetzes erfüllen muss.
49:36
So, das war das, was er geschrieben hat. Natürlich wurde der Brief
49:39
geleakt und daraufhin
49:41
brach bei der Bildzeitung Panik
49:43
aus. Die BILD ließ diese Differenzierung Maßnahmen,
49:46
vielleicht Fahrverbote so, natürlich weg, wie es die Bildzeitung halt so
49:49
macht und machte daraus ganz plakativ "Wissing droht
49:52
mit Fahrverboten".
49:54
Ja, Wissing hat aber auch nicht viel unternommen, um diesen Eindruck zu verwischen.
49:56
Also er hat dann hinterher auch noch von rabiaten Maßnahmen gesprochen,
49:59
die getroffen werden müssen. Also das war schon auch ganz in
50:01
seinem Sinne. Aber alle haben sich dann natürlich gefragt, warum bitte
50:04
um alles in der Welt droht der Verkehrsminister mit Fahrverboten?
50:08
Warum setzt er die ganze Republik
50:10
in Panik? Und der Hintergrund, du hast es
50:12
angedeutet, ist eben das noch geltende Klimaschutzgesetz.
50:15
Bzw. Wissings verzerrte, muss man sagen,
50:18
Darstellung dessen. Das wurde ja noch von der großen
50:21
Koalition verabschiedet,
50:23
nachdem es 2021 eine ziemliche Klatsche gab vom
50:27
Bundesverfassungsgericht. Das alte Klimaschutzgesetz war
50:30
demnach verfassungswidrig, weil es eben zu wenig Klimaschutz brachte.
50:33
Deswegen musste das
50:35
erneuert werden, musste da eine Novelle her.
50:37
Das hat die GroKo dann noch kurz vor Toresschluss gemacht.
50:40
Im Sommer 2021 wurde das noch schnell vor der Bundestagswahl
50:43
durchs Parlament gebracht. Und das brachte da tatsächlich
50:47
einen ganz interessanten Mechanismus.
50:49
Richtig, Im Anhang zwei ist nämlich jetzt genau aufgeschlüsselt,
50:52
wie viel CO2 darf eigentlich
50:55
jeder Sektor des deutschen Wirtschaftslebens eigentlich
50:58
ausstoßen? So und so viel Tonnen darf
51:01
Industrie, Energiewirtschaft, Landwirtschaft, Gebäude, Verkehr,
51:03
Abfallwirtschaft und Sonstiges in diesem Jahr ausstoßen.
51:07
Und weil es natürlich für diese Sektoren jeweils im Kern
51:10
ein Ministerium, eine Ministerin, einen Minister gibt, führte das dann
51:13
zu einer relativ klaren politischen
51:16
Verantwortung. Also man hatte Emissionsmengen pro Sektor, da gab
51:19
es politische Verantwortung, und wenn es in einem Sektor nicht
51:22
funktioniert mit dem Klimaschutz, dann war auch immer relativ klar,
51:25
Welche Ministerin, welcher Minister hat den Hut auf?
51:28
Wenn diese Sektoren
51:30
ihren CO2 Ausstoß in einem Jahr übertreffen, dann wird
51:34
das kurz überprüft vom Expertenrat für Klimafragen. Und wenn dem dann
51:37
so ist tatsächlich, dann muss
51:39
das zuständige Ministerium, der Minister, die Ministerin innerhalb
51:42
weniger Monate einen Maßnahmenkatalog vorlegen, der
51:45
sicherstellt, dass halt dieser
51:47
Sektor, diese überschüssigen
51:49
CO2 Tonnen, die jetzt ausgestoßen wurden, in den nächsten Jahren
51:53
wieder einspart. Das ist der Mechanismus.
51:56
So, und so kam es dann auch dieses Jahr wieder quasi zum Showdown.
51:59
Das Umweltbundesamt nannte
52:02
vor einigen Wochen schon den Ausstoß pro Sektor im Jahr 2023.
52:06
Ergebnis, die meisten Sektoren sind auf Kurs, die Emissionen sinken
52:10
mehr oder weniger, außer Gebäude und vor allem Verkehr.
52:14
Das sind die beiden Sektoren, wo die Einsparziele bei weitem
52:17
nicht erreicht worden sind.
52:18
Und das wurde jetzt noch mal überprüft, wie beschrieben vom
52:21
Expertenrat für Klimafragen. Die haben sich das noch mal angeguckt
52:23
und die haben gesagt, ja, die Zahlen sind so weit okay, es gibt hier und
52:26
da ein bisschen Ermessensspielraum, aber im Kern ist das so.
52:28
Die meisten Sektoren sind auf Kurs, außer Gebäude und vor allem Verkehr.
52:32
Tja, nun müsste Volker Wissing, der Bundesverkehrsminister, nach dem
52:35
heute geltenden Klimaschutzgesetz noch im Juli Maßnahmen vorlegen.
52:39
Und zwar, wie will er die zu
52:41
viel emittierten Millionen Tonnen CO2 einsparen?
52:44
Und zwar, und das ist ganz wichtig, er muss das nicht unbedingt in den
52:47
nächsten Wochen oder Monaten, auch nicht im nächsten Jahr, wie Wissing
52:51
in seinem Brief unterstellt hat, sondern in den nächsten Jahren.
52:54
Er muss zwar schnell reagieren, aber diese Reaktion muss jetzt nicht
52:58
noch in diesem Jahr zwingend
53:00
quasi das komplette zu viel emittierte CO2 einsparen,
53:04
sondern er muss halt einfach nur einen Pfad skizzieren, wie das
53:07
wieder eingesammelt werden soll.
53:08
Es gibt da ein bisschen Interpretationsspielraum, aber die Experten sind sich alle
53:10
einig, das muss nicht im nächsten Jahr passieren, dafür hast du ein
53:13
paar Jahre Zeit. Wissing aber sagt, er muss das im nächsten Jahr machen.
53:16
Deswegen ginge das nur mit Fahrverboten. Daher kommen diese
53:19
Fahrverbote. Das ist natürlich Unsinn, sagen
53:22
viele Experten, auch der Chef des Umweltbundesamtes.
53:25
Er sagt, zum einen gibt es gar keine Rechtsgrundlage für Fahrverbote.
53:28
Und zum anderen müssen diese 22 Millionen Tonnen, um die der Verkehr
53:32
in diesem Jahr sein Emissionsbudget
53:34
überschritten hat, nicht zwingend im nächsten Jahr eingespart werden.
53:37
Außerdem, sagt er, gibt es viel bessere Sparmaßnahmen
53:41
als ausgerechnet Fahrverbote.
53:43
Sinnvoll wären, nach einer ganz
53:45
ausführlichen Studie des Umweltbundesamtes vor allem drei
53:48
Maßnahmenpakete. Ein Tempolimit auf Autobahnen und
53:51
auf Landstraßen. Muss nicht 100 sein, kann auch 130 und 80
53:54
sein. Aber der Effekt ist substanziell.
53:56
Mehr Elektromobilität und
53:58
natürlich klimaschädliche Subventionen abbauen wie etwa
54:01
Dienstwagenprivileg und solche Sachen.
54:03
Genau. Haben wir alles in der Lage schon oft erklärt. Das Umweltbundesamt
54:06
behauptet das jetzt auch nicht einfach so, sondern die haben das
54:08
ganz konkret durchgerechnet, haben einen konkreten Plan vorgelegt.
54:12
Den haben wir natürlich in den Shownotes verlinkt, wie auch der
54:14
Verkehrssektor endlich auf den Klimaschutzpfad kommen könnte.
54:18
Dieses Konzept besteht insbesondere aus acht Bausteinen und die drei
54:22
Bausteine, die am meisten bringen,
54:24
sind eben Tempolimit, mehr Elektromobilität, weil
54:28
Elektroautos jedenfalls beim Fahren erst mal CO2 neutral
54:32
sind, wenn sie mit grünem Strom
54:34
"getankt" werden, und die klimaschädlichen Emissionen.
54:37
Das sind die drei großen Klopper, also Elektrifizierung, sagt das
54:40
UBA, bringt 37 Millionen Tonnen
54:42
CO2 Äquivalente bis 2030.
54:45
Tempolimit, die schlagen vor 120, 80 und 30
54:48
innerorts bringt 38 Millionen
54:51
Tonnen CO2 Äquivalente und
54:53
der Abbau klimaschädlicher Subventionen immerhin 28
54:57
Millionen. Also das sind so drei ganz wichtige Bausteine, sagt das
55:00
UBA. Das Problem ist bloß:
55:02
Volker Wissing will das nicht. Er will das einfach, und zwar auch
55:05
schon seit Jahren nicht. Und deswegen passiert im Verkehr
55:08
einfach zu wenig. Es gibt ein bisschen Ladesäulensubvention.
55:11
Ja, da passiert ein bisschen was. Auch bei der Bahn wird natürlich
55:13
investiert, aber zu wenig, wie wir wissen. Auch das Deutschlandticket
55:16
ist mit angeschoben worden. Aber da hat der Expertenrat für
55:19
Klimafragen jetzt auch bei der Pressekonferenz diese Woche gesagt,
55:22
den Klimaeffekt des Deutschlandtickets können wir noch
55:24
nicht abschätzen. Fakt ist, das Ziel,
55:28
was im Klimaschutzgesetz für den Verkehr vorgegeben ist,
55:32
ist nicht in Sicht.
55:33
Und zwar, weil die Leute halt einfach viel zu viel
55:37
mit Verbrennern fahren. Das ist der eine zentrale Grund.
55:40
Warum sie das tun, was man dagegen machen könnte, haben wir gesagt.
55:43
Aber der zentrale Grund ist, es fahren einfach viel zu viele Leute
55:47
viel zu viele Kilometer mit Verbrennern.
55:48
Und es wird zu viel Güter auf der Straße transportiert.
55:52
Das sind auch Verbrenner.
55:52
Richtig. Also UBA sagt, Umweltbundesamt sagt, der
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Verkehrssektor ist die Megabaustelle, wo derzeit
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Deutschland den Weg zur Klimaneutralität verstellt.
56:03
So will ich es mal formulieren. Und deswegen gucken nun also
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alle Wissing an und sagen, Und?
56:09
Tu was! Du bist verantwortlich.
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Und zwar nicht zuletzt auch die Gerichte tun das.
56:13
Die Deutsche Umwelthilfe hat den Bund schon vor einiger Zeit
56:16
verklagt, weil er eben seine Pflichten aus dem Klimaschutzgesetz
56:19
nicht erfüllt. Und der Bund hat dieses Verfahren
56:22
schon zweimal krachend verloren, nämlich vor dem Verwaltungsgericht
56:25
Berlin und dem Oberverwaltungsgericht Berlin
56:27
Brandenburg. Das ist, wenn man ehrlich ist, auch überhaupt nicht überraschend, weil
56:30
einfach völlig klar ist, dass der Verkehrssektor hier seine Vorgaben
56:33
nicht erfüllt.
56:34
Ja, und vor allen Dingen, dass Wissing keine Maßnahmenpläne
56:37
vorlegt. Er ist ja verpflichtet, aufgrund der Überschreitung diese
56:40
Pläne vorzulegen. Er argumentiert, er hat die
56:43
vorgelegt. Aber der Expertenrat für Klimafragen hat gesagt, ehrlich
56:46
gesagt, das sind zwar irgendwie Pläne, aber wir können die gar nicht
56:48
prüfen, weil da gar nicht richtig Maßnahmen drinstehen.
56:50
Also de facto hat er sich geweigert,
56:52
in den letzten Jahren seiner gesetzlichen Verpflichtung
56:55
nachzukommen, diese Pläne vorzulegen, wie er in seinem Sektor
56:58
von diesen Emissionen runterkommt.
57:00
Der Bund allerdings hat diese zwei Niederlagen nicht auf sich sitzen
57:02
lassen, ist in Revision gegangen. Jetzt liegt der Fall also beim
57:05
Bundesverwaltungsgericht, und auch deswegen ist da so ein bisschen
57:09
Druck auf dem Kessel. Denn der Bund wird dieses Verfahren
57:12
in Leipzig nach menschlichem Ermessen verlieren, jedenfalls
57:16
nach dem heutigen Klimaschutzgesetz.
57:18
Denn der Verstoß gegen das Klimaschutzgesetz ist glasklar,
57:21
mega peinlich für Volker Wissing. Die Gerichte könnten ihn
57:24
schlimmstenfalls inhaftieren, um ihn zu zwingen endlich das
57:27
Klimaschutzgesetz. Ja, ich meine, Verwaltungszwang.
57:29
Spart auch CO2. Fährt ja nicht mehr in einem Auto.
57:31
Weißte Bescheid, fliegt auch nicht mehr nach Rheinland Pfalz und so.
57:33
Also jedenfalls eilt das natürlich
57:36
deswegen, weil eine solche Niederlage um jeden Preis vermieden
57:38
werden soll, schon aus Gesichtswahrungsgründen. Die Frage ist halt Phillip, Warum
57:43
will denn Volker Wissing ums Verrecken im Verkehrsbereich keine
57:46
Maßnahmen treffen, die wirklich CO2 einsparen würden?
57:49
Wir würden ihn das natürlich gerne fragen. Hatten auch schon mal
57:51
Interview angefragt, keine Antwort bekommen. Vielleicht ergibt sich das
57:54
ja noch mal, deswegen können wir das jetzt nur vermuten.
57:56
Ich vermute, es hängt damit zusammen, weil einfach
58:00
ein Gutteil seiner Wähler das
58:02
nicht wollen. Ein Gutteil derjenigen, die
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halt diese 4 % für die FDP noch ausmachen, die haben einfach
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keinen Bock drauf.
58:10
Das heißt also Klimaschutz hin oder her, Klimaschutzgesetz hin oder her,
58:13
alles scheißegal. Unsere paar Prozent fossilen
58:17
Betonköpfe, die uns noch wählen, die wollen das nicht. Also deswegen
58:20
mache ich das nicht.
58:21
Deswegen mache ich das nicht.
58:21
Mutmaßlich!
58:22
Mutmaßlich.
58:23
Ausdrücklich auch noch mal die Einladung an Volker Wissing.
58:25
Sie bekommen von uns 60 bis 75
58:27
Minuten Interview. Wenn Sie da Zeit und Lust haben, uns
58:30
das mal zu erklären. Wir sind innerhalb von ein paar Tagen bei Ihnen im Haus.
58:33
Deswegen, also wegen
58:35
der Abneigung Wissings und der FDP insgesamt gegen dieses
58:38
Klimaschutzgesetz hat die FDP ein
58:40
neues Klimaschutzgesetz gefordert, schon lange.
58:43
Der Plan war
58:45
immer schon, ja, ja, wir wollen jetzt nicht jedes Jahr zurück
58:48
gucken, was hat denn jeder Sektor so ausgestoßen bzw wo hat er zu viel
58:52
ausgestoßen und dann irgendwelche
58:54
verpflichtenden Maßnahmenpläne einfordern, sondern wir wollen
58:57
einfach lieber Prognosen
58:59
machen, schauen, ob wir da ungefähr
59:01
unser Ziel 2030 erreichen. Und erst wenn das zwei Jahre
59:05
hintereinander nicht
59:07
funktioniert und die Prognose zwei Jahre hintereinander ergibt, na, das
59:10
Ziel 2030, das werden wir nicht erreichen. Erst dann soll
59:13
die Bundesregierung und dann irgendwie auch die Ministerien
59:17
überlegen, wie sie denn wieder auf den Pfad zurückkommen.
59:19
Ja, es würde in der Praxis natürlich bedeuten, dann könnte im
59:21
Verkehrssektor erst mal weiterhin
59:23
so gut wie nix passieren. Insbesondere Minister Wissing wäre
59:27
aus der Schussbahn. Fragt sich natürlich, diese
59:29
Koalition besteht ja jetzt nicht nur aus der FDP, sondern auch
59:33
aus der SPD. Also Olaf Scholz, der immerhin sich
59:35
hat wählen lassen als Klimakanzler
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2021 und natürlich vor allem die Grünen, für die ja effektiver
59:41
Klimaschutz jedenfalls offiziell quasi zur DNA gehört.
59:44
Dann fragt man sich, wieso machen die so was mit?
59:46
Es gab einen Koalitionsausschuss, das war so die erste Stufe.
59:49
Und zwar schon im Sommer letzten Jahres.
59:50
Richtig, Schon schon wirklich lange her, fast ein Jahr her.
59:53
Und damals ging es halt noch um das, ihr erinnert euch vielleicht, Heizungsgesetz.
59:56
Und das hat die FDP dann nur passieren lassen unter anderem
1:00:00
deshalb, weil die Grünen gesagt haben, na gut, dann reden wir halt
1:00:03
mit euch auch über eine Reform des Klimaschutzgesetzes, da hatten die
1:00:06
Grünen eigentlich überhaupt kein Bock drauf. Aber weil sie das
1:00:08
Heizungsgesetz durchbekommen wollten, haben sie sich darauf
1:00:10
eingelassen.
1:00:11
Das war also der Deal. Das sogenannte Gebäudeenergiegesetz
1:00:14
gegen ein Abschwächen des Klimaschutzgesetzes.
1:00:18
So kam es dann auch, also ein aufgeweichtes Klimaschutzgesetz, das
1:00:21
ging dann auch durchs Kabinett. Das heißt, die Grünen haben da ihr
1:00:23
Wort gehalten, dem zugestimmt. Aber nun lag es halt neun Monate
1:00:26
lang im Bundestag und es ging einfach nicht voran.
1:00:29
Und die Frage ist, warum hat es so lange gedauert?
1:00:32
Na ja, es gab eine politische
1:00:34
Kopplung. Die FDP wollte diese Novelle des Klimaschutzesgesetzes
1:00:38
mit den bekannten Kalkül, Wissing aus der Schussbahn zu nehmen.
1:00:41
Die Grünen wollten es aber auf keinen Fall. Oder im Parlament gab
1:00:45
es erhebliche Widerstände. Die Grünen wollten aber gerne ein
1:00:48
Solarpaket durchbringen, wo es dann irgendwie Subvention für deutsche
1:00:51
Solarhersteller gibt, wo es weniger Bürokratie gibt, um Solarpaneele
1:00:54
aufzubauen. So, und dann hat die FDP gesagt,
1:00:56
also wenn das jetzt hier so lange dauert, mit dieser Reform des
1:00:58
Klimaschutzgesetzes, dann lassen
1:01:01
wir euer Solarpaket auch verrecken auf der offenen Wildbahn und nungab
1:01:05
es halt diese Kopplung. Und nun gab es halt in beiden
1:01:07
Punkten eine Einigung. Die Grünen haben der Novelle
1:01:10
zugestimmt und die FDP hat dem Solarpaket zugestimmt.
1:01:13
Und deswegen haben wir jetzt bei beiden Punkten eine Einigung.
1:01:17
Und diese Woche nun kommen wir zum aktuellen Drama rund um
1:01:20
die Fahrverbote zurück. Diese Woche nun also drohte
1:01:23
der Bericht der Expertenkommission,
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wo absehbar drinstehen
1:01:28
würde, der Verkehr stößt zu viel aus, Wissing muss im Juli den Plan
1:01:31
vorlegen.
1:01:32
So ist es auch passiert.
1:01:32
So ist es auch passiert. Deswegen letzte Woche also
1:01:36
Volker Wissings Drohung mit Maßnahmen, zum Beispiel
1:01:38
Fahrverboten. Er wollte ganz offenbar Druck machen
1:01:41
und zugleich Stimmung machen gegen die Sektorziele.
1:01:45
Und man muss sagen, die Koalition lieferte. Am Dienstag gab es
1:01:48
eine Einigung beim Klimaschutzgesetz
1:01:50
und beim Solarpaket.
1:01:52
Wir haben nun bei Luisa
1:01:54
Neubauer mal angerufen, wie man weiß, eine der führenden Figuren von
1:01:59
Fridays for Future in Deutschland
1:02:01
auch eine der Beschwerdeführerin
1:02:03
bei dem Verfahren, das dann 2021
1:02:05
zum Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts führte.
1:02:09
Und Luisa Neubauer kann
1:02:11
diese Einigung in der Koalition nicht fassen.
1:02:14
Was ich persönlich, was ich politisch, was ich aber auch ethisch
1:02:19
verantwortungslos und inakzeptabel finde, ist das, was wir zuletzt
1:02:22
erlebt haben, nämlich ein Verkehrsminister, der zweieinhalb
1:02:27
Jahre lang keinen einzigen seriösen
1:02:29
Vorschlag gemacht hat, wie wirklich mittelfristig Klimaziele im
1:02:32
Verkehrssektor eingehalten werden können und dann durch die Lande
1:02:35
zieht und so ein populistisches
1:02:37
Szenario aufbauen möchte mit irgendwelchen Fahrverboten, für die
1:02:40
es überhaupt keine Gesetzesgrundlage gibt. Und dass man jetzt allen
1:02:44
Ernstes da steht, auch als Bundesregierung, und sagt, super,
1:02:46
wir haben diese Fahrverbote verhindert, indem wir kurzerhand
1:02:49
ein Gesetz demontiert haben. Was für eine politische Kultur soll
1:02:53
denn das spiegeln? Was für Zeichen sendet das dann in
1:02:55
die Welt?
1:02:56
Also worum geht es? Eine genaue Einigung, ehrlich
1:02:58
gesagt, liegt uns jetzt, wo wir aufnehmen, noch nicht vor.
1:03:01
Der Gesetzestext ist noch nicht final und wie immer wird da der
1:03:04
Teufel im Detail stecken. Also da muss man wirklich ganz genau
1:03:07
reingucken, was da alles genau geändert wird.
1:03:10
Aber es gibt Papiere, Hintergrundpapiere der
1:03:13
Ampel.
1:03:14
Also die Fraktionen werden quasi von ihren Klimaleuten intern
1:03:18
gebrieft. Das müsst ihr euch so vorstellen, da können ja
1:03:21
nicht immer hunderte von Abgeordneten so eine Einigung
1:03:24
irgendwie mit beraten, sondern da hat dann jede Fraktion ein paar
1:03:27
Menschen, die stellvertretend für die Fraktion solche Verhandlungen
1:03:31
führen. Und die schreiben dann so Hintergrundpapiere für
1:03:35
den Rest ihrer Fraktion, um ihren Leuten zu erläutern, jetzt mal kurz
1:03:39
gesagt, was drinsteht, aber auch immer so ein bisschen, warum das
1:03:41
alles super ist.
1:03:42
Richtig. Und die haben wir natürlich gelesen und darauf basiert
1:03:46
das jetzt, was wir schreiben. Und danach sieht dieses neue
1:03:48
Klimaschutzgesetz vor, dass jede Regierung einen Klimaschutzplan
1:03:52
aufstellen muss, der bis 2040
1:03:55
festlegt, wie wollen wir denn diese Ziele erreichen, die wir uns
1:03:58
gesteckt haben?
1:03:59
Und das ist neu. Das ist ein Fortschritt.
1:04:01
Das ist ein Fortschritt. Bisher galt das immer nur bis 2030,
1:04:04
jetzt muss es bis 2040 sein.
1:04:06
Außerdem steht in diesen Papieren, dass kein Gramm mehr CO2
1:04:09
ausgestoßen werden soll als
1:04:12
heute schon zulässig nach Klimaschutzgesetz.
1:04:14
Also da sollen jetzt nicht irgendwie die Ziele verwässert werden, aber
1:04:18
es wird halt verwischt, wer dafür verantwortlich ist,
1:04:22
diese Ziele zu erreichen.
1:04:23
Und es wird auch dadurch, dass diese Verantwortung verwischt wird und die
1:04:27
Verantwortung für Maßnahmen in jedem Sektor verwischt wird, wird
1:04:30
natürlich auch das Risiko erhöht,
1:04:32
dass die Ziele hinterher nicht erreicht werden und man dann nur
1:04:34
noch Krokodilstränen weinen kann.
1:04:36
Ja, es werden zwar in der Theorie und pro forma noch die
1:04:39
Sektorziele gemessen, für jeden Sektor einzeln, aber
1:04:43
entscheidend ist nur, was pusten alle zusammen in die Luft?
1:04:47
Und wie das oben schon beschrieben wurde, es werden Prognosen erstellt
1:04:51
und erst wenn diese Prognosen zwei Jahre hintereinander ergeben, wir
1:04:54
erreichen unsere Ziele für 2030 und 2040 nicht, dann
1:04:58
muss sich das Kabinett hinsetzen und
1:05:00
Maßnahmen entwickeln. Und dann, so sagt die Ampel, werden
1:05:04
natürlich auch die Ministerien besonders angeguckt, deren Sektoren
1:05:08
für diese Überschreitung wahrscheinlich der Ziele
1:05:10
verantwortlich ist.
1:05:11
Aber verbindlich ist das nicht.
1:05:13
Verbindlich ist das halt nicht.
1:05:14
Sie werden halt besonders streng angeguckt, ist allenfalls so was
1:05:16
wie, na, da kann dann eine Koalition
1:05:18
sagen, die schlimmsten Sünder müssen jetzt mehr tun, aber sie kann es
1:05:22
auch lassen.
1:05:22
Diese verbindlichen, verpflichtenden
1:05:24
gesetzlichen Sofortmaßnahmen,
1:05:26
die wird man eben nicht mehr
1:05:29
erstellen müssen und schon gar nicht umgehend erstellen müssen.
1:05:32
Deswegen sagt auch Luisa Neubauer:
1:05:34
Blick auf den Rest der Legislaturperiode, gibt es durch dieses Gesetz
1:05:36
praktisch keinen Druck mehr zu handeln. Eine Überprüfung wird
1:05:40
nicht kommen. Sofortprogramme braucht es nicht.
1:05:42
Das ist im Zweifel ein richtig guter Tag für alle Leute, die
1:05:46
ja kein Interesse haben an
1:05:48
richtig effektiven Klimaschutz.
1:05:50
Und das Bizarre an dieser Novelle ist, dass ihr Kern, also das,
1:05:53
was der FDP so wichtig ist, die sektorübergreifende Verrechnung
1:05:57
von Einsparungen und Emissionen, im Grundsatz heute sogar schon gehen.
1:06:01
Die erreichen jetzt mit dieser Novelle, das wirklich
1:06:04
nur in der Summe geguckt wird,
1:06:06
was stoßen die Sektoren aus und was die zusammen ausstoßen, das muss
1:06:10
irgendwie reichen, um diese Ziele zu erreichen.
1:06:13
Das ist ein großes Motiv für die FDP, dieses Gesetz
1:06:17
zu novellieren. Der Punkt ist, das geht mit
1:06:20
dem geltenden Gesetz heute schon. Das hat die Ko-Vorsitzende
1:06:24
des Expertenrats für Klimafragen diese Woche auch noch mal gesagt in
1:06:27
ihrer Pressekonferenz. Brigitte Knopf, die sagt,
1:06:30
man kann auch nach dem heute noch geltenden Klimaschutzgesetz schon
1:06:34
Einsparungen zwischen den Sektoren
1:06:36
verschieben. Und zwar geht es da um Paragraph acht des
1:06:39
Klimaschutzgesetzes.
1:06:40
Absatz zwei lautet, die Bundesregierung berät über die zu
1:06:43
ergreifenden Maßnahmen im betroffenen Sektor oder
1:06:47
in anderen Sektoren oder
1:06:50
über sektorübergreifende Maßnahmen
1:06:52
und beschließt diese schnellstmöglich.
1:06:54
Warum will denn die FDP diese
1:06:56
Novelle? Es geht vor allen Dingen darum, die Verantwortung
1:07:00
zu verwischen.
1:07:01
Heute gilt, zu viel CO2 Emissionen in einem Sektor, dann
1:07:04
muss der zuständige Minister einen Plan machen.
1:07:07
Dann kann das Kabinett hinterher
1:07:09
nach diesem Verfahren des acht Absatz zwei Klimaschutzgesetz
1:07:12
ausgleichen. Die Novelle wird dazu führen, zu
1:07:15
viel CO2, dann ist niemand mehr zunächst mal verantwortlich,
1:07:19
wird gar nicht mehr geschaut, welcher Sektor das war, und dann kann das Kabinett ausgleichen.
1:07:23
Und vielleicht muss dann auch Volker
1:07:25
Wissing einen Beitrag leisten, vielleicht auch nicht.
1:07:28
Und Brigitte Knopf, die Ko-Vorsitzende des Expertenrats für
1:07:30
Klimafragen, hat das auf der PK auch noch mal ausdrücklich
1:07:34
gesagt und bringt den Effekt der Novelle so auf den Punkt:
1:07:37
Ich glaube, der große Unterschied zu dem, was jetzt in der Novelle
1:07:40
geplant ist, dass diese
1:07:42
spezifische Verantwortung
1:07:44
eines Ministeriums erst mal wegfällt.
1:07:46
Darum geht es. Sektoren können auch heute schon
1:07:48
ausgeglichen werden. Wenn Verkehr zu viel ausstößt, kann
1:07:51
man gucken, spart ein anderer nicht mehr ein?
1:07:53
Das würde dem Gesetz Genüge tun.
1:07:55
Aber Wissing will vor allen Dingen raus aus der Verantwortung.
1:07:59
Volker Wissing selbst argumentiert demgegenüber, das Umweltbundesamt
1:08:03
hat aber doch neulich diese aktuelle
1:08:05
Projektion vorgestellt. Klammer auf, hatten wir auch in der
1:08:07
Lage, Klammer zu. Und danach erreicht Deutschland
1:08:10
doch mit den aktuellen Maßnahmen schon seine Klimaziele für 2030,
1:08:14
obwohl im Sektor Verkehr
1:08:16
nach dem Klimaschutzgesetz zu viel CO2 ausgestoßen wird.
1:08:19
Deswegen müssen wir doch gar nichts machen, ist doch alles in Butter und
1:08:22
deswegen müsse das KSG reformiert werden.
1:08:25
Diese Sektorziele, die sind natürlich nicht erreichbar
1:08:29
im Verkehr, wenn man nicht ganz rabiate Maßnahmen ergreift.
1:08:32
Und diese Maßnahmen sind überflüssig, weil wir ja die
1:08:34
Klimaschutzziele erreichen.
1:08:36
Was Volker Wissing allerdings verschweigt, ist, die
1:08:39
Klimaschutzziele sind natürlich nur Zwischenziele auf dem
1:08:43
Weg zu Netto Null. Wir müssen ja nicht nur quasi das
1:08:46
Niveau erreichen, das für 2030 vorgeschrieben ist. Danach geht es
1:08:49
ja weiter mit den Einsparungen, oder müsste es weitergehen, bis wir
1:08:52
irgendwann bei Netto null sind. Und ja, für 2030
1:08:56
sind wir laut neuester UBA Prognose
1:08:58
auf dem richtigen Weg. Aber eben nur, weil andere Sektoren
1:09:01
so gut liefern und die fehlenden Einsparungen im Verkehr wettmachen.
1:09:04
Aber die Frage ist doch, was ist denn dann nach 2030?
1:09:08
Dann wird Stand heute, weil ja überhaupt nicht eingespart wird, im
1:09:12
Verkehr immer noch massiv emittiert.
1:09:14
Da müssen wir dann ran. Aber damit das dann klappt,
1:09:18
damit wir die Klimaziele auch über 2030 hinaus einhalten,
1:09:21
müssen wir natürlich heute die Weichen richtig stellen.
1:09:25
Sonst kaufen die Leute einfach noch weiter Verbrenner, die dann auf
1:09:28
Jahrzehnte noch rumfahren und CO2 ausstoßen. Und ich glaube, genau
1:09:32
hier liegt auch die Kritik und der Makel dieser geplanten
1:09:36
Novelle. Sie senkt einfach
1:09:38
die Anreize, vorausschauend
1:09:41
Klimaschutz zu betreiben.
1:09:42
Und zwar in allen Sektoren. Auch im Verkehr muss man ja
1:09:45
zumindest mal anfangen.
1:09:46
Und genau hier liegt der Punkt. Ja, das UBA sagt nämlich in seiner
1:09:49
Projektion, wir sind so weit auf gutem Weg.
1:09:51
Mit den Maßnahmen können wir 2030 das Ziel erreichen.
1:09:55
Und durch die Novelle heißt das oder wird das heißen wenn
1:09:58
die so kommt, niemand
1:10:01
muss nachsteuern, auch nicht im Verkehr, denn es gibt ja diese
1:10:04
Prognose wir erreichen das Ziel.
1:10:07
Deswegen wird niemand nach dieser Novelle nachsteuern müssen.
1:10:10
Die Prognose des UBA ist aber durchsetzt und basiert auf
1:10:14
Annahmen und Unsicherheiten. Die geht davon aus, dass das
1:10:17
Wirtschaftswachstum nicht so dolle ist. Die geht davon aus, dass die
1:10:20
Maßnahmen toll wirken, das Gebäude Energiegesetz toll wirkt.
1:10:24
Die gehen davon aus, dass das Wetter
1:10:26
so warm bleibt, wie es jetzt ist. Das kann alles so sein.
1:10:29
Aber wenn diese Prognose nicht eintritt, dann werden die Emissionen
1:10:32
höher ausfallen als in dieser Prognose und wir werden das Ziel
1:10:36
nicht erreichen.
1:10:37
Außerdem muss man doch ganz ehrlich sagen Philip, man kann doch gar
1:10:40
nicht genug sparen. Also mal ganz ehrlich, wenn
1:10:42
bestimmte Sektoren mehr sparen als nötig, perfekt, aber das sollte
1:10:46
dann doch nicht bedeuten, dass andere dann weniger oder wie im
1:10:49
Verkehrsbereich gar nicht sparen.
1:10:50
Deswegen müssten jetzt eigentlich
1:10:53
langfristige Maßnahmen eingeleitet
1:10:55
werden. Also deswegen müsste das jetzt passieren und das passiert
1:10:58
nicht mit dieser Novelle. Anders wäre das halt im
1:11:01
Klimaschutzgesetz. Nach dem heutigen.
1:11:03
Dann würde das übertroffen das Sektorziel. Und dann müssten jetzt
1:11:07
Maßnahmen eingeläutet werden, um dann die Ziele zu erreichen.
1:11:11
Und dann wäre man auch dafür gewappnet, wenn das schlechter
1:11:14
läuft als in der Prognose angegeben.
1:11:15
Ja, also da muss man schon sagen, aus meiner Sicht ist das ziemlich
1:11:17
bitter. Es gibt da objektive
1:11:20
naturwissenschaftliche Zwänge, nämlich so viel CO2 einzusparen
1:11:23
wie irgendwie geht. Das Klimaschutzgesetz bedeutet ja
1:11:26
nicht bitte nicht mehr einsparen, sondern es ist ja eigentlich nur
1:11:29
eine Minimalanforderung, um irgendwie das 1,5 Grad Ziel
1:11:32
einzuhalten und das ist ja schon heute kaum noch zu schaffen.
1:11:35
Also insofern muss man sagen, ist das aus meiner Sicht schon sehr
1:11:38
bitter, dass quasi der Verkehrsminister einer derzeitigen
1:11:41
4 % Partei, um diese 4 %
1:11:43
der Bevölkerung nicht zu verstören
1:11:46
oder zu verunsichern, sagt, wir lassen es einfach sein.
1:11:49
Wir stellen ein paar Ladesäulen auf und ansonsten war es das.
1:11:52
Richtig. Und Wissing verschweigt ja noch eine andere Sache. Ja, das UBA
1:11:55
prognostiziert in Deutschland die deutschen Ziele, die deutschen
1:11:58
Klimaziele könnten wir aller Wahrscheinlichkeit nach
1:12:02
einhalten. Das UBA sagt aber auch,
1:12:04
wenn diese Prognose stimmt, werden wir einen weiteren Grenzwert
1:12:08
überschreiten, den Wissing verschweigt. Und das sind die
1:12:10
Grenzwerte der EU Klimaschutzverordnung.
1:12:14
Die wird auch nach dieser UBA Prognose der Verkehr überschreiten.
1:12:18
Und dann wird Deutschland sehr, sehr, sehr viele Milliarden
1:12:21
Euro ausgeben müssen für Strafzahlungen oder um sich
1:12:25
Zertifikate für diese überschüssigen, ausgestoßenen Tonnen
1:12:28
CO2 woanders in Europa
1:12:30
zu kaufen. Da werden Milliarden draufgehen, wenn sich beim Verkehr
1:12:34
nichts ändert.
1:12:35
Nun muss man natürlich sagen, jetzt kommt die FDP in diesem Blog einfach
1:12:38
nicht so wahnsinnig gut weg. Und ich finde, man sollte noch
1:12:40
einmal ausdrücklich sagen, was das zentrale Argument ist, das immer aus
1:12:44
FDP Kreisen kommt, habe ich auch auf Twitter jetzt mehrfach wieder
1:12:47
gelesen. Da kommt dann, liebe Leute,
1:12:49
jetzt mach doch nicht so eine riesen Welle. Mag ja sein, dass Volker
1:12:52
Wissing wenig einspart in seinem Bereich, aber dem Klima ist es doch
1:12:55
egal, wo das CO2 eingespart wird.
1:12:58
Sparen wir es doch am besten da ein, wo es am wenigsten kostet.
1:13:01
Wo es am einfachsten geht. Ist doch wunderbar.
1:13:03
Wir sind doch auf Kurs. Warum arbeitet ihr euch so an Volker
1:13:06
Wissing ab?
1:13:07
Also ich würde sagen, da gibt es zwei Entgegnungen. Einmal eine
1:13:09
nationale Entgegnung, dass man sagt, ja, momentan
1:13:13
sind wir gut auf Kurs. Das lag im letzten Jahr zu großen
1:13:16
Teilen am Wetter und an der Konjunktur.
1:13:18
Und es ist nicht garantiert,
1:13:21
dass es bei allen anderen Sektoren immer so weitergeht, wie es jetzt
1:13:24
weitergeht. Und es ist nicht garantiert,
1:13:27
dass diese Projektion, die das UBA aufgestellt hat, Wirklichkeit
1:13:32
wird. Und wir müssen darauf
1:13:34
gefasst sein, dass die Wirtschaft wieder anspringt, dass die Industrie
1:13:37
mehr Strom verbraucht, dass wir mehr Emissionen ausstoßen.
1:13:39
Und dann kommt es einfach auf jede Tonne an, die in jedem Sektor
1:13:42
eingespart wird, damit wir das nationale Ziel am Ende auch wirklich
1:13:45
erreichen. Das ist das eine und das andere Argument ist das europäische
1:13:48
Ziel. Es gibt die EU Klimaschutzverordnung, die hat für
1:13:51
alle Sektoren, die nicht durch den Emissionshandel in Europa
1:13:54
abgedeckt sind, in erster Linie Landwirtschaft, Gebäude und Verkehr,
1:13:58
eigene Sektorgrenzwerte
1:14:01
beschlossen, die gelten. Und nach der Projektion
1:14:04
des UBA wird Deutschland im Verkehr diese
1:14:08
Grenzwerte reißen. Das ist einerseits schlecht, weil
1:14:11
wir Geld werden zahlen müssen. Okay, geschenkt.
1:14:13
Aber der Mechanismus kann sein, wenn Deutschland im Verkehr da mehr
1:14:17
ausstößt und auch vielen anderen
1:14:19
Ländern das sehr schwer fällt, da einzusparen.
1:14:22
Dass wir dann tatsächlich das EU
1:14:24
Klimaziel reißen und dass wir mehr ausstoßen, als
1:14:28
die EU sich vorgenommen hat. Und das, weil die eben noch nicht
1:14:31
dem Emissionshandel unterliegen und die Emissionen gedeckelt sind, dass
1:14:34
wir in diesen Sektoren Verkehr und Gebäude einfach mehr CO2
1:14:38
ausstoßen, als wir das wollten. Und deswegen ist es
1:14:41
wichtig, überall zu sparen.
1:14:43
Und der dritte Punkt aus meiner Sicht sind eben diese langfristigen
1:14:46
Pfadabhängigkeiten im Verkehrsbereich.
1:14:48
Also selbst wenn wir heute möglicherweise das noch irgendwie
1:14:52
verrechnen können, müssen halt heute
1:14:54
im Verkehr Weichen gestellt
1:14:56
werden, damit wir ab 2030
1:14:59
wirklich überhaupt die Einsparziele einhalten können. Und das ist aus
1:15:02
meiner Sicht der einzige kleine Vorteil dieser Novelle, dass jetzt
1:15:05
quasi der Projektionszeitraum über das Jahr 2030 hinaus verlängert
1:15:09
wird, was ja nach bisheriger Politik
1:15:11
der Ampelkoalition passiert ist.
1:15:14
Wir sparen quasi überall ein, außer im Verkehrsbereich.
1:15:17
Das heißt, bis 2030 werden alle Sektoren hoffentlich hoffentlich
1:15:21
massiv sparen. Nur der Verkehr halt nicht.
1:15:22
Und Gebäude vielleicht, ist auch schwierig.
1:15:25
Das ist das, was passieren wird. Und dann wird da dieser eine
1:15:27
riesengroße Klotz noch im Weg
1:15:29
liegen zur Klimaneutralität,
1:15:31
nämlich der Verkehrssektor. Und dann stellt sich die Frage, was
1:15:34
machen wir denn jetzt? Und das Problem ist, dann wird es nämlich
1:15:36
nicht möglich sein, über Nacht diese ganzen Verbrenner von der Straße zu
1:15:40
holen. Denn das wird dann nämlich im Zweifel wirklich die Menschen
1:15:43
zu sehr belasten, wenn man ihnen von heute auf morgen oder innerhalb von
1:15:46
ein, zwei Jahren sagt, jetzt muss dein Auto von der Straße.
1:15:48
Und das ist aus meiner Sicht das ganz zentrale Problem, was die FDP
1:15:51
übersieht. Man ist jetzt quasi zu
1:15:54
faul, oder man kann es auch ein bisschen zuspitzen, man ist jetzt zu
1:15:57
populistisch, den Menschen klare
1:15:59
Anreize zu geben, zu sagen, weg mit den Verbrennern und natürlich
1:16:02
auch generell weniger Individualmobilität und
1:16:05
weniger Subvention im weitesten Sinne für individuelle Mobilität,
1:16:09
vor allem für Verbrenner und Diesel und so.
1:16:12
Man ist dazu zu faul, zu populistisch und das führt
1:16:15
einfach mittel- bis langfristig zu deutlichen Überschreitungen der
1:16:19
Budgets.
1:16:20
Die Frage ist jetzt so ein bisschen, wenn denn die Kritik an diesem
1:16:22
Gesetz so groß ist, wird dagegen geklagt werden?
1:16:25
Kann dagegen geklagt werden?
1:16:26
Ja, ich denke, man kann dagegen sogar sehr gut klagen.
1:16:29
Die Große Koalition hat ja dieses Klimaschutzgesetz, wie gesagt,
1:16:32
damals geschaffen in Reaktion
1:16:35
auf eine Verfassungsbeschwerde unter
1:16:37
anderem von Fridays for Future Aktivist:innen.
1:16:39
Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich diesen Menschen Recht
1:16:41
gegeben und gesagt, das Klimaschutzgesetz quasi vor der
1:16:44
Novelle durch die GroKo, reicht nicht. Und die Grundhaltung des
1:16:47
Bundesverfassungsgerichts ist immer, wir geben nur sehr ungern konkrete
1:16:51
politische Maßnahmen vor,
1:16:54
aber es braucht konkrete Maßnahmen,
1:16:57
und wir prüfen dann, ob das reicht, was ihr macht. Und das war eben bei
1:17:00
dem Klimaschutzgesetz vor der Novelle durch die GroKo nicht
1:17:04
der Fall. Jetzt hat das die GroKo eben gemacht mit diesem Anhang, mit
1:17:07
den konkreten Sektorzielen. So, dann kommt jetzt die Ampel
1:17:11
und, sagen wir mal ganz pauschal, wir haben es ja im Detail erläutert,
1:17:14
spült das Klimaschutzgesetz weich,
1:17:16
macht insbesondere die Sektorziele schwächer und die Verpflichtungen
1:17:20
zum Nachsteuern werden auch viel weicher. Und da könnte das
1:17:23
Bundesverfassungsgericht bei einer Verfassungsbeschwerde wunderbar
1:17:26
sagen, wir wollen euch ja weiterhin
1:17:28
keine Maßnahmen vorschreiben,
1:17:30
aber ein Klimaschutzgesetz, das
1:17:32
so halbwegs wirksame Maßnahmen
1:17:34
tatsächlich enthält, Stand 2021,
1:17:38
das weiter aufzuweichen,
1:17:40
das geht nicht. Und das Bundesverfassungsgericht
1:17:42
könnte einfach nur die Novelle der Ampel kassieren.
1:17:44
Ohne weitere Maßnahmen vorzugeben.
1:17:46
Genau. Dann bliebe das Klimaschutzgesetz genauso in Kraft, wie es die GroKo
1:17:49
beschlossen hat. So wie es heute gilt, inklusive sektorspezifischer
1:17:52
Ziele und inklusive Notprogramm.
1:17:55
Das wäre für das Bundesverfassungsgericht quasi viel
1:17:58
einfacher. Sie müssten nicht selber Maßnahmen erfinden wie die
1:18:01
Sofortprogramme, sondern sie könnten einfach nur sagen, die
1:18:04
Abschaffung der Sofortprogramme ist verfassungswidrig.
1:18:06
Aufweichen geht nicht.
1:18:07
Aufweichen geht nicht. So quasi so ein bisschen wie so eine
1:18:10
Art Einbahnstraße. Mehr Klimaschutz, immer gerne.
1:18:12
Aber Rückschritte, das machen wir nicht mit.
1:18:14
Da drängen sich natürlich in erster Linie jene Leute auf,
1:18:17
die gegen das alte erste Klimaschutzgesetz geklagt haben,
1:18:21
damit die GroKo das dann nachschärfen musste.
1:18:23
Da war natürlich in erster Linie Rechtsanwalt Remo Klinger zu nennen,
1:18:27
der damals auch vor dem Verfassungsgericht mit dabei war.
1:18:29
Auch Roda Verheyen, die Klimaklagen
1:18:32
links und rechts dauernd führt, ist da mit zu nennen. Luisa Neubauer und
1:18:36
Fridays for Future. So, die hatten ja damals auch geklagt.
1:18:39
Gut möglich, denke ich mal, dass sie dann auch wieder gegen so eine
1:18:41
Novelle ins Feld ziehen und vors Gericht ziehen.
1:18:43
Haben wir natürlich gefragt, ob sie dagegen klagen wollen.
1:18:47
Da kam dann kein Kommentar. Kann man nix zu sagen.
1:18:49
Aber mal ganz ehrlich, wäre ja fast ein Witz, wenn sie diesen Elfmeter,
1:18:53
den ihnen die Ampel da vorlegt, nicht verwandeln würden.
1:18:56
Die Frage ist wieso Elfmeter?
1:18:58
Tja, also ganz sicher ist nix in Karlsruhe. Aber wenn die Ampel
1:19:01
ausgerechnet das Gesetz kalt stellt
1:19:03
und entschärft, mit dem die GroKo das Klimaurteil vom
1:19:06
Bundesverfassungsgericht umgesetzt hat, das kann doch Karlsruhe
1:19:09
kaum auf sich sitzen lassen. Zumal das UBA ja auch vorrechnet,
1:19:13
also ganz extrem viel von diesen zu viel Emissionen
1:19:16
werden aus dem Verkehrsbereich kommen. Und das wird auf einmal
1:19:20
abgeschafft. Also wie gesagt, man soll sagen, was in Karlsruhe
1:19:23
passiert. Aber ich halte die Wahrscheinlichkeit für recht hoch,
1:19:26
dass diese KSG Novelle der Ampel in Karlsruhe platzen wird und dass
1:19:29
dann Karlsruhe zum Beispiel auch eine einstweilige Anordnung erlassen
1:19:31
wird, die sogar noch vor einer endgültigen Entscheidung erst mal
1:19:34
diese Novelle quasi auf Eis legt. Das hätte nämlich dann den schönen
1:19:37
Effekt, dass Volker Wissings Sofortprogramm wieder fällig wäre.
1:19:41
Dann müsste er nämlich Gas geben.
1:19:44
Wir haben noch ein Update zu unserem Thema über das
1:19:48
Waldgesetz und die Waldwege, die vielleicht
1:19:51
aus Karten verschwinden.
1:19:53
Wir wollten euch zunächst mal noch zwei Apps empfehlen, mit denen
1:19:56
man selber an der OpenStreetMap mitwirken kann.
1:19:58
Für iOS gibt es da eine schöne App
1:20:01
namens Go Map!! Und für Android gibt es
1:20:03
StreetComplete. Findet ihr jeweils in den App
1:20:07
Stores eures Vertrauens. Wir packen euch auch noch mal die
1:20:09
Links in die Shownotes. Wenn man die OpenStreetMap nur
1:20:11
anzeigen will, gibt es ja eben die App, die ich da gebaut habe.
1:20:13
Die nennt sich MapAlarm. Findet ihr unter Lage.link/karten. Lage.link/karten.
1:20:21
Und da gab es auch jede Menge nettes Feedback, glaube ich.
1:20:23
Das war total nett. Also es ist wirklich immer wieder schön, denn wenn man dann so sieht
1:20:27
irgendwie, Lage-Hörerinnen und Hörer
1:20:29
probieren die App mal aus und sehen da irgendwelche Dinge. Ja geil,
1:20:32
wusste ich gar nicht, dass es die OpenStreetMap gibt. Und dann gibt es ja auch noch andere Karten,
1:20:35
OpenTopoMap, wo man dann so wie in der topografischen Karte die
1:20:38
Höhenlinien sieht und so, also wenn der Bock habt, könnt ja mal
1:20:40
reingucken.
1:20:41
Ja und dann hat sich noch Heiko gemeldet.
1:20:43
Hörer von der deutschen Initiative
1:20:45
Mountainbike.
1:20:46
Genau. Der bezieht sich so ein bisschen
1:20:49
auf unseren Lösungsvorschlag.
1:20:51
Also wir hatten ja gesagt, es braucht keine Regeln, um Wege
1:20:54
in einer Karte zu verstecken.
1:20:56
Es reicht, wenn man die Wege markiert, auf denen man zum
1:21:00
Beispiel nicht mit dem Mountainbike
1:21:02
fahren darf. Und dazu schreibt Heiko:.
1:21:05
Bei der Frage der digitalen Markierung der Wege mit
1:21:08
Radfahrverboten möchte ich aber
1:21:10
anmerken, dass ein willkürliches
1:21:13
Tagging durch den Waldbesitzer nicht
1:21:15
akzeptabel ist. Hier besteht die Gefahr, dass sehr
1:21:18
viele Wege mit Radfahrverboten
1:21:20
belegt werden, ohne dass es dafür
1:21:23
eine Rechtsgrundlage oder eine Begründung gibt.
1:21:25
Ja gut, da würde ich natürlich sagen, natürlich dürfen weder
1:21:27
Waldbesitzer noch Kommunen
1:21:29
sich über die tatsächliche Rechtslage mal hinwegsetzen
1:21:33
oder sie zumindest falsch darstellen. Sie müssen natürlich
1:21:36
ihre Einträge entsprechend der geltenden Rechtslage machen
1:21:40
und die ergibt sich normalerweise aus dem Landeswaldgesetz oder dem
1:21:43
Landesnaturschutzgesetz.
1:21:44
Unser Punkt war ja nur, es ist auf jeden Fall besser, die jeweils
1:21:47
geltenden Nutzungsregeln in die Karte einzutragen, als
1:21:51
ganze Wege löschen zu lassen oder noch schlimmer die Mapper zu
1:21:54
zwingen, erst mal vorher zwei Stellen zu fragen, nur
1:21:57
weil man am Ende einen solchen Weg auch verbotswidrig mit dem
1:22:01
Mountainbike nutzen könnte. Also ich sag mal so ein Lügengebot
1:22:04
für Karten, das passt einfach nicht in die Zeit. Stattdessen sollte man
1:22:07
einen Weg nutzen, den diese OpenStreetMap Software selber
1:22:10
vorsieht, nämlich Tags mit bestimmten Regeln.
1:22:14
Unser letztes Thema ja
1:22:16
ist nochmal so eins, man könnte sagen eine gute Nachricht.
1:22:19
Also, die Welt ist nämlich, auch wenn ihr das nicht bemerkt
1:22:22
haben dürftet, dieser Tage
1:22:25
einem wirklich sehr gefährlichen
1:22:27
IT Angriff entkommen.
1:22:29
Und zwar extrem
1:22:31
knapp. Und das hat schon was von einer Räuberpistole.
1:22:34
Es hat auch, da gibt es viel zu lernen und man kann daraus viel
1:22:37
ableiten über das, was wir
1:22:40
in Zukunft vielleicht tun und besser machen sollten. Und deswegen dröseln
1:22:44
wir das hier mal in gewohnter Lagemanier auf.
1:22:46
Ja, dieser IT Angriff, der hätte nämlich viel mehr betroffen als nur
1:22:50
ein bisschen IT. Also das wäre jetzt nicht nur irgendwie so ein Problem für Nerds
1:22:53
gewesen, sondern ganz im Gegenteil dieser IT Angriff hätte dazu führen
1:22:57
können, dass Schulen, Behörden, Krankenhäuser, Stromnetze,
1:23:00
Wasserversorgung, Zahlungssysteme alles Mögliche wäre
1:23:04
dem Zugriff dieser virtuellen
1:23:06
Angreifer ausgesetzt gewesen und sie hätten potenziell sich da
1:23:10
quasi eine Hintertür eingebaut, mit der sie dann beispielsweise in einem
1:23:14
Konfliktfall mal eben die Stromversorgung in Deutschland
1:23:17
hätten abschalten können.
1:23:18
Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern dieser Angriff hätte diese
1:23:20
Systeme weltweit
1:23:22
verletzbar gemacht und die Angreifer
1:23:24
hätten große Chancen gehabt, einen großen Schalter in der Hand gehabt,
1:23:28
um Erpressungen durchzuführen, Spionage zu machen und schlichtweg
1:23:32
für Chaos zu sorgen. Und zwar, wie gesagt, weltweit.
1:23:36
Das ist eine von sehr langer Hand geplante und wenn es nicht so ernst
1:23:39
wäre, wirklich eine Räuberpistole. Eine krasse Geschichte, sodass wir
1:23:42
davon ausgehen müssen, das wird potenziell auch wieder
1:23:46
versucht werden. Und das bedeutet, wir müssen uns
1:23:49
jetzt die Frage stellen, welche Probleme gibt es hier, welche
1:23:52
Sicherheitslücken gibt es hier und wie können wir uns da anders
1:23:55
aufstellen?
1:23:56
Also im Zentrum dieses Angriffs, das ist auch irgendwie ganz lustig,
1:23:58
stand ein wirklich kleines Stück
1:24:01
Software, von dem ich noch nie gehört hatte. Viele andere
1:24:03
wahrscheinlich auch nicht. Nennt sich xz
1:24:06
utils, also xz utils,
1:24:09
wie immer man das auch aussprechen möchte. Ein kleines Programm
1:24:12
zum Komprimieren von Dateien. Letztlich so was wie ihr vielleicht
1:24:15
kennt Win Zip oder irgendwie so kleine Dateien, die halt auf PCs,
1:24:19
Apple Rechnern wie auch immer gibt, um eben Dateien kleiner zu
1:24:22
machen. Und diese Software,
1:24:25
konkret xz utils
1:24:27
ist Open Source Software, das
1:24:29
heißt der Programmcode,
1:24:31
aus dem dann Kompilierer
1:24:33
die Nullen und Einsen machen, die dann der Computer ausführt,
1:24:37
dieser Programmcode, der ist für alle im Internet klar
1:24:41
einsehbar und lesbar. Das ist das Prinzip von Open Source.
1:24:44
Und das Schöne an Open Source ist, im Prinzip kann jeder mitschreiben.
1:24:48
Also beispielsweise, wenn ich jetzt einen Fehler gefunden hätte in
1:24:51
einer solchen Software oder wenn ich vielleicht auch ein neues Feature
1:24:54
hinzufügen will, dann kann ich das machen. Dann lade ich mir
1:24:57
halt diesen Quelltext runter, bearbeite den und
1:25:01
dann lade ich ihn wieder hoch. Aber damit wird dieser Quelltext
1:25:04
nicht automatisch Teil des Programms, das alle nutzen,
1:25:07
sondern das ist dann zunächst mal nur ein sogenannter Pull Request,
1:25:11
also quasi so eine Art Vorschlag. Hallo, ich habe hier diese Software
1:25:15
verbessert, erweitert. Möchtet ihr das denn nicht
1:25:18
übernehmen, damit alle das nutzen?
1:25:20
Und dazu muss ich meinen Vorschlag derjenigen Person vorschlagen,
1:25:24
die das Programm verantworten,
1:25:26
die so ein bisschen die Regie führen. Häufig sind es die Menschen,
1:25:28
die das Programm oder das Projekt ursprünglich mal gestartet haben.
1:25:32
Und diese Person heißt Maintainer.
1:25:34
Also dieser Maintainer, Mann, Frau wie auch immer, muss also den Code
1:25:37
von Ulf übernehmen und im Zweifel auch mal durchschauen.
1:25:41
Dann eben freischalten und in die Software einbauen, die dann halt
1:25:45
jeder und jede sich runterladen kann. Es also so eine Art Software
1:25:47
Manager, also Art Gärtner. Das ist so ein bisschen schwer zu
1:25:50
vermitteln, weil es eben keine Behörde ist, wo man sich anstellen
1:25:53
lässt und dann eine Karriere macht als Maintainer, sondern es ist eben
1:25:56
ein recht freies Ökosystem. Wenn jemand anfängt, eine Software
1:25:59
zu bauen und die wird größer und größer und größer, na dann wird halt
1:26:01
die Personen Maintainer und bekommt
1:26:03
halt eine große Verantwortung.
1:26:05
Aber das ist ein ziemlich informeller Vorgang.
1:26:07
Ja, man kann sich das technisch so vorstellen, dass die meiste Software
1:26:10
inzwischen in sogenannten Git-Repositories verwaltet
1:26:13
wird. Das sind halt einfach große
1:26:16
Codespeicher. Sieht so ein bisschen aus wie so
1:26:18
eine, so eine Cloud für Dateien und da liegen eben die
1:26:21
Quelltextdateien drin. Und zunächst mal hat erstmal nur die
1:26:24
Person Schreibzugriff auf dieses Repository, die das Programm
1:26:28
ursprünglich mal erfunden hat, die das Repository eingerichtet hat.
1:26:30
Und die Frage ist halt, welchen weiteren Menschen gibt
1:26:34
dieser Mensch dann Schreibzugriff
1:26:36
und dann ist man de facto eben Maintainer von dieser Software.
1:26:38
Auf diese Art wird aber verhindert, dass einfach, obwohl das OpenSource
1:26:41
ist, obwohl da jeder mitlesen und im Prinzip auch mitschreiben kann,
1:26:45
dummes Zeug in diese Programme
1:26:47
reingespielt kommt. Da kann halt jeder Vorschläge machen. Aber es muss halt dieser
1:26:50
Maintainer einmal abnicken und sagen, ja, das habe ich mir
1:26:53
angeguckt, das ist gut, das ist jetzt Teil dieses Programms und
1:26:56
so wird halt hoffentlich bösartiger
1:26:58
Code, schlimmer Code, fehlerhafter Code verhindert und das funktioniert
1:27:02
im Prinzip auch gut. Es sei denn, es sei denn,
1:27:06
dieser Maintainer wird so ein bisschen von einem Kriminellen
1:27:09
beiseite gedrängt, Ein Krimineller
1:27:11
drängt sich mit in diese Position, bekommt ebenfalls
1:27:15
solche Rechte, ohne dass es jemand wirklich merkt.
1:27:18
Und dieser Kriminelle, der sich den Maintainer Status, den Gärtnerstatus
1:27:23
erschlichen hat, der kann dann eben
1:27:25
typischerweise gut getarnten Code in dieses Open Source Projekt
1:27:29
einschleusen, mit dem er oder seine
1:27:31
Hintermänner die Server dieser Welt übernehmen könnten.
1:27:34
Und genau so ist es bei diesen xz utils gelaufen. Also das ist
1:27:38
natürlich nicht ganz einfach aufzuklären. Die Menschen, die das
1:27:41
tun, versuchen natürlich ihre Spuren zu verwischen. Auf der anderen Seite
1:27:44
haben hunderte, wenn nicht tausende Menschen auf der Welt versucht, dem
1:27:47
nachzuspüren. Und Stand heute stellt sich
1:27:51
der Krimi folgendermaßen dar.
1:27:52
Dieser User, der sich in dieses Projekt eingeschlichen hat und
1:27:56
so Maintainer Status bekommen
1:27:58
hat, der
1:28:00
heißt Jia Tan und der ist einer
1:28:04
jahrelangen Strategie gefolgt,
1:28:07
um die Macht über dieses kleine Stück Software zu übernehmen.
1:28:11
Der hat also den bisherigen regulären Maintainer mit
1:28:15
Codevorschlägen überhäuft. Mach doch mal dies, mach da mal
1:28:17
jenes, bau doch mal das ein. Der war dann völlig überlastet.
1:28:20
Dann haben andere User
1:28:22
wahrscheinlich Proxy Account, also Sockenpuppen, Sockenpuppen,
1:28:25
Strohaccounts gefragt. Auch mal hier. Da gibt es noch Vorschläge.
1:28:28
Mach doch mal, mach doch mal, warum geht denn hier nichts voran?
1:28:30
Dann hat irgendwann der legitime Maintainer entnervt aufgegeben und
1:28:33
hat gesagt, ach komm, ich schaff das ja alles nicht mehr, Lass doch Jia
1:28:37
Tan mal ran. Der soll jetzt auch Maintainer
1:28:39
werden, der soll mir helfen, der soll mal machen.
1:28:42
Und dann hat dieser User diese Macht bekommen.
1:28:44
Und dann hatte der quasi die Schlüssel zum Schloss.
1:28:46
Wer ist jetzt Jia Tan? Völlig unklar. Also der Name klingt
1:28:49
ja erst mal asiatisch. Das dürfte aber wohl eine falsche
1:28:52
Fährte sein. Da haben im Internet auch Leute, die eben gut Chinesisch
1:28:55
können, sich das mal angeguckt und gesagt, das ist eigentlich gar kein
1:28:58
chinesischer Name. Und so ist alles wahrscheinlich
1:29:00
Fake. Ist wohl eine falsche Fährte. Die Indizien deuten, ihr könnt es
1:29:03
euch vorstellen, nach Russland, denn die meisten Edits, also die
1:29:07
meisten Änderungen an den Programmdateien, die passen
1:29:10
zu Bürozeiten in der Zeitzone von Moskau.
1:29:14
Außerdem gab es interessanterweise keine Commits an russischen
1:29:18
Feiertagen. Da hat er also dann im Zweifel nicht
1:29:20
gearbeitet. Dafür gab es aber Edits
1:29:22
an chinesischen Feiertagen, was ein Mensch, der tatsächlich
1:29:26
Chinese ist, typischerweise nicht tun würde. Da muss man sagen, das
1:29:29
ist jetzt keine exakte Wissenschaft. Natürlich könnte auch ein
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chinesischer Hacker genau die falschen Fährten nach Russland
1:29:34
gelegt haben. Sicher ist das alles nicht. Aber das sind die Indizien,
1:29:38
die wir haben. Jedenfalls konnte dieser Jia Tan dann am Ende
1:29:41
entscheiden, welcher Code in diese
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xz utils eingebaut wird. Und er nutzte diese Macht,
1:29:47
um eine Hintertür einzubauen,
1:29:49
die es ihm erlaubte, einen Server,
1:29:51
der im Netz hängt, am Internet hängt, der im Internet öffentlich
1:29:54
erreichbar ist, komplett zu übernehmen.
1:29:56
Und zwar wirklich komplett. Und das ist ja immer so, also für
1:29:59
die, die es jetzt noch nicht so oft haben. Man loggt sich auf Rechnern,
1:30:02
auf Servern mit einem Programm
1:30:04
ein namens SSH und auf dem Server läuft dann das Gegenstück.
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Das nennt sich SSH daemon und normalerweise braucht man,
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das verwundert nicht weiter, das richtige Passwort oder eben einen
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Geheimschlüssel, um sich auf Servern einwählen
1:30:19
und sie zu administrieren, abzuschalten, anzuschalten,
1:30:22
umzuprogrammieren. Wie auch immer. Durch diesen Hack aber hätte
1:30:26
sich Jia Tan eigentlich auf
1:30:28
jedem Server einloggen können,
1:30:30
den man mit SSH erreichen
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kann. Und das dürften de facto 99 % der Server
1:30:36
auf dieser Welt sein. Und das führt auch zu der Antwort,
1:30:39
warum er diesen ganzen Aufwand betrieben hat, um
1:30:43
die Macht über ein so kleines,
1:30:45
vermeintlich unwichtiges Stück Software zu übernehmen wie dieses
1:30:49
xz utils.
1:30:51
Das ist ein mini Tool zum Komprimieren von Dateien.
1:30:54
Klingt erst mal nicht wichtig, aber
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das ist halt ein Stück Software,
1:30:58
das von diesem sogenannten SSH deamon, also von dem SSH
1:31:02
Server, eingebunden wird. Das heißt mit anderen Worten, wenn
1:31:05
man diese xz utils
1:31:07
verseucht hat, dann kann man damit mittelbar auch genau das
1:31:11
Stückchen Software infizieren,
1:31:13
das prüft, ob ein Login auf
1:31:15
einem Server im Internet berechtigt
1:31:18
ist oder nicht.
1:31:18
Das heißt also, dieses kleine Stück Software läuft so gut wie
1:31:22
auf jedem Linux Rechner auf dieser Welt. Jetzt habt ihr
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vielleicht keine Linux Rechner auf eurem Schreibtisch, aber
1:31:27
Linuxrechner sind das Rückgrat für
1:31:31
Software in Behörden, Krankenhäuser,
1:31:34
Webserver, Rechenzentrum, Stromversorgung, Banken,
1:31:36
Zahlungsverkehr. Überall läuft Linux.
1:31:40
Überall hätte er sich potenziell
1:31:42
einwählen können, überall hätte er potenziell die Macht
1:31:45
übernehmen können, wenn es ihm denn gelungen wäre, dieses kleine
1:31:49
Stück Software so zu verseuchen,
1:31:52
wie er das in ganz, ganz, ganz, ganz kleinem Umfang geschafft hat.
1:31:55
Und jetzt haben wir immer im Irrealis, im Konjunktiv gesprochen,
1:31:59
denn Gott sei Dank ist
1:32:01
diese Manipulation von
1:32:04
Jia Tan gerade noch mal rechtzeitig
1:32:06
aufgefallen. Und diesmal ist der Held, der die IT Welt
1:32:10
vor dem Chaos gerettet hat und damit vermutlich die Welt überhaupt,
1:32:13
zumindest erstmal
1:32:15
ein Deutscher.
1:32:16
Andreas Freund heißt der. Der arbeitet als Coder bei
1:32:18
Microsoft. Und als er das entdeckte,
1:32:21
war diese manipulierte Version
1:32:23
von xz utils noch
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nicht weitverbreitet. Die lief erst mal nur auf so
1:32:28
Testversionen. Aber Freund hatte sich auf seinem
1:32:31
Server eben schon eine dieser frühen
1:32:33
Softwarevarianten installiert.
1:32:35
Und da fielen ihm einfach Merkwürdigkeiten auf.
1:32:38
Da hat er seinen Rechner bedient und dann war die Prozessorlast ein
1:32:41
bisschen hoch beim Login und dem ist er dann irgendwie immer weiter
1:32:44
nachgegangen und dachte, so irgendwas kann doch hier nicht
1:32:46
stimmen usw. Und mit viel Geschick und auch wie
1:32:49
er sagt, mit viel Glück ist er dann auf Umwegen auf dieses
1:32:53
kleine Stück Software auf seinem Computer gestoßen und alarmierte
1:32:57
eben sehr schnell die Community. Und die hat dann verhindert, dass
1:33:01
dieses kleine Stück Software quasi
1:33:03
aus diesem Testmodus rauskam
1:33:05
und auf mehr oder weniger alle Linuxrechner der Welt verbreitet
1:33:09
wurde.
1:33:09
Es ist also gerade noch mal gut gegangen, Aber man muss sehr
1:33:11
deutlich sagen, das könnte wieder passieren. Die Präsidentin des
1:33:15
Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz BSI
1:33:19
Claudia Plattner, äußerte sich gegenüber der Funke
1:33:22
Mediengruppe und sie warnt
1:33:24
vor Cyberangriffen auf Schulen, Kindergärten und Landratsämter.
1:33:28
Und sie sagt:.
1:33:29
Genau diese Ziele, etwa Schulen
1:33:31
oder Verwaltungen in Kommunen, sind attraktiv für Cyberkriminelle.
1:33:34
Wer Landratsämter oder Kindertagesstätten lahmlegt, feiert
1:33:38
einen Propagandaerfolg gegen
1:33:40
Deutschland.
1:33:41
Dazu muss man natürlich immer den Hintergrund wissen. Wir sind de
1:33:44
facto natürlich längst in einem
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hybriden Krieg mit Russland. Das muss man sehen.
1:33:48
Also Russland ist heute schon massiv
1:33:50
dabei, die Demokratie in Deutschland zu unterminieren.
1:33:53
Aber jedenfalls Frau Plattner ist ganz offensichtlich der Meinung,
1:33:56
dass es auch attraktiv ist, einfach Deutschlands Schulen und
1:33:59
Kindergärten lahmzulegen.
1:34:00
Und wir haben das jetzt hier mal so ein bisschen ausgebreitet, weil man
1:34:03
doch aus diesem Angriff einiges lernen kann. Es ist zwar gerade noch
1:34:05
mal gut gegangen und natürlich ist es jetzt auch keine News, dass
1:34:08
sich Leute in Software hacken
1:34:11
und in Systeme hacken. Aber die Art, wie das hier gemacht
1:34:14
wurde, so extrem professionell,
1:34:16
offensichtlich über Jahre
1:34:18
geplant, die hat doch
1:34:20
schon einen neuen Charakter.
1:34:22
Und das sind eben ganz spezifische Angriffe auf Open Source Projekte.
1:34:25
In der Tendenz galten Open Source
1:34:27
Projekte häufig als besonders sicher, weil ja im Prinzip jeder
1:34:30
sich den Code anschauen kann. Aber das gilt natürlich
1:34:33
nur, solange sich wirklich genügend
1:34:35
Leute den Code auch tatsächlich anschauen und solange zum Beispiel
1:34:38
die Maintainer wirklich zuverlässig
1:34:40
sind. Und da zeigt eben dieser Fall eben auch, dass es da häufig
1:34:44
an Ressourcen mangelt. Man sieht sehr deutlich, das Open
1:34:48
Source Ökosystem braucht einfach Hilfe.
1:34:51
Das Prinzip ist gut, alle können lesen, alle können checken.
1:34:54
Aber was, wenn es keiner macht? Oder zu wenig machen?
1:34:58
Wenn ein Projekt irgendwie zu klein ist oder so?
1:35:00
Oder sich der Mensch, der das betreibt, überlastet fühlt?
1:35:04
Also letztlich ist es schon manchmal so, dass Rettung und
1:35:07
Fehlerfinden häufig eben
1:35:09
auch vom Zufall abhängen. Und das sollte
1:35:13
natürlich nicht so bleiben, weil
1:35:15
eben so große Teile unseres Lebens, unserer Wirtschaft von
1:35:19
dieser Software abhängen. Und natürlich ist das Problem auch
1:35:22
schon ein bisschen länger bekannt und glücklicherweise hat
1:35:24
sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz da mal
1:35:28
was Interessantes einfallen lassen, um sich dieses Problems anzunehmen.
1:35:31
Nämlich den sogenannten Sovereign Tech Fund.
1:35:33
Und was es damit auf sich hat, das wollen wir jetzt im
1:35:37
Interview besprechen mit Fiona Krakenbürger.
1:35:40
Ja, Fiona Krakenbürger ist Mitgründerin des Sovereign
1:35:44
Tech Funds. Das ist so ein Projekt,
1:35:46
ein staatlich finanziertes Projekt der Bundesagentur für
1:35:49
Sprunginnovationen, kurz Sprint. Und der Sovereign Tech
1:35:53
Fund ist so ein Projekt innerhalb dieses Agentur Kosmos,
1:35:57
das sich aber gerade auf dem Weg der Ausgründung befindet,
1:36:01
also auf dem Weg in die Selbstständigkeit.
1:36:03
Die Mission bleibt aber die nachhaltige Stärkung
1:36:07
der eben von uns schon beschriebenen
1:36:09
Open Source Software
1:36:12
Systeme. Ganz herzlich willkommen erst mal in der Lage, Fiona
1:36:15
Krakenbürger.
1:36:16
Vielen Dank für die Einladung.
1:36:17
Warum braucht denn Open Source Software staatliche Hilfe?
1:36:21
Ja, ist eine gute Frage. Ich glaube Open Source, das
1:36:23
Ökosystem braucht Hilfe
1:36:25
aus, oder Unterstützung aus verschiedenen Richtungen.
1:36:28
Wir sind der Meinung, auch staatliche Unterstützung.
1:36:31
Wir investieren ja in Open Source Infrastruktur im öffentlichen
1:36:34
Interesse mit öffentlichen Mitteln von BMWK, weil wir
1:36:38
finden, dass digitale Infrastruktur
1:36:40
genauso betrachtet werden sollte wie physische Infrastruktur.
1:36:43
Es ist im öffentlichen Interesse, dass diese instand gehalten wird,
1:36:46
gebaut wird und abgesichert wird.
1:36:48
Und warum brauchen Open Source Projekte denn überhaupt Hilfe?
1:36:51
Denn ursprünglich war ja mal die Idee, dass einfach interessierte
1:36:54
Menschen, Nerds und Nerdettes aus dem Internet sich
1:36:57
einfach zusammenschließen und irgendwas coden.
1:36:59
Warum klappt das nicht in jedem Fall so richtig optimal?
1:37:02
Ich glaube vor 20, 30 Jahren hätte das auch noch gut funktioniert.
1:37:05
Aber wir leben in einer zunehmend digitalisierten Welt und
1:37:08
Gesellschaft und der Druck auf Software und gerade diese
1:37:12
Infrastruktursoftware wächst
1:37:14
jeden Tag. Solche Projekte wie
1:37:17
xz utils sind wahnsinnig kritisch. Die sind in etlichen verschiedenen
1:37:20
Softwarekomponenten, anderen
1:37:22
Softwarekomponenten verbaut und essenziell für jede Art von
1:37:24
Softwareentwicklung. Und es ist auch so, dass gar nicht
1:37:28
so wenige Entwickler und Entwicklerinnen tatsächlich solche
1:37:30
Projekte als Hobby anfangen und etwas entwickeln, was sie selber
1:37:33
vielleicht brauchen, das veröffentlichen.
1:37:35
Dann gibt es aber so viele weitere
1:37:38
Softwareanwendungen, die darauf aufbauen, die das nutzen und davon
1:37:40
abhängig sind, dass der Druck einfach enorm wächst.
1:37:43
Und das ist eine strukturelle Herausforderung, wie sich auch bei
1:37:45
xz util sich gezeigt hat und die aber tatsächlich
1:37:49
auch keine Seltenheit ist. Es ist eher eine strukturelle
1:37:51
Herausforderung, die wir schon lange sehen und auch zugrunde
1:37:54
liegt bei verschiedenen Sicherheitsvorfällen, die wir in den
1:37:57
letzten Jahren gesehen haben.
1:37:58
Jetzt sind Sie elf, zwölf, demnächst
1:38:01
vielleicht 14 Leute. Wie sorgen Sie dafür, dass Open
1:38:03
Source Software sicherer wird?
1:38:05
Unsere Mission ist ja, wie schon angesprochen, die nachhaltige
1:38:07
Stärkung des Open Source Ökosystems. Das machen wir, indem wir gezielt
1:38:11
in kritische Open Source Software Komponenten investieren, also genau
1:38:14
in diese digitale Infrastruktur, die wir überall brauchen, egal ob
1:38:18
kommerziell oder für andere digitale Services, Verwaltung usw.
1:38:22
Wir alle brauchen das und wir identifizieren diese Technologien,
1:38:25
die können sich auch bei uns bewerben und treten dann in Kontakt mit den
1:38:28
sogenannten Maintainern, also den Leuten, die daran arbeiten oder
1:38:32
identifizieren geeignete Partner, die daran arbeiten können und
1:38:35
vergeben Aufträge, damit diese
1:38:37
Projekte auch tatsächlich abgesichert werden.
1:38:40
Da fließt dann staatliches Geld von ihnen gesteuert da rein.
1:38:43
Was passiert mit dem Geld?
1:38:44
Exakt. Was ich hervorheben möchte, ist,
1:38:46
dass wir eben nicht nur in neue
1:38:48
Projekte investieren, sondern dass wir tatsächlich gezielt die
1:38:51
Absicherung und Instandhaltung von diesen Projekten unterstützen
1:38:55
und fördern. Wir identifizieren erst mal eine
1:38:57
Technologie, reden dann mit den Leuten und oft gibt es dann schon
1:39:00
eine Warteschlange von Dingen,
1:39:02
die eigentlich dringend gemacht werden müssten, um dieses Projekt
1:39:06
abzusichern, die aber von niemandem finanziert werden, beispielsweise
1:39:10
durch 120 Bugs gehen, die mal gemeldet wurden und mal
1:39:13
durchgucken, was ist das überhaupt? Ist das wichtig oder nicht?
1:39:15
Oder ein vernünftiges Sicherheitsteam aufbauen oder,
1:39:20
was wir auch gerne erwähnen, manchmal ist die notwendige Arbeit
1:39:23
tatsächlich auch Code zu löschen und nicht zu schreiben, um die
1:39:26
Codebase besser wartbar
1:39:28
zu machen und damit im Endeffekt auch ein Projekt abzusichern.
1:39:31
Und das unterscheidet sich eben davon, immer in neue Features
1:39:34
zu investieren, wofür es meistens eigentlich das Geld gibt, wenn
1:39:36
überhaupt.
1:39:38
Jetzt würde mich interessieren, wie man sich das ganz konkret vorstellen
1:39:40
muss. Sie haben ja schon eine Reihe von Software Projekten gefördert.
1:39:43
Was passiert dann? Also finanzieren Sie dann eine Stelle für eine
1:39:46
Programmiererin oder wie ist das
1:39:48
ganz konkret? Wie läuft das ab?
1:39:50
Das ist eine gute Frage. Also das Modell, das wir gewählt haben oder
1:39:53
das wir derzeit nutzen, ist, dass wir tatsächlich Aufträge vergeben.
1:39:56
Also das sind Dienstleistungsaufträge, um Arbeit an diesen Projekten
1:40:00
zu finanzieren. Und wir setzen uns mit den
1:40:02
Maintainern zusammen und sagen, aus der öffentlichen Interesseperspektive,
1:40:06
wären diese und jene Arbeiten wichtig. Das ist dann zum Beispiel
1:40:09
diese Absicherung. Manchmal ist das auch eine Neuentwicklung
1:40:12
von Dingen oder ein Update, Anpassung an neue
1:40:14
Entwicklungsumgebungen. Das ist sehr unterschiedlich.
1:40:17
Von welchen Summen reden wir da? Was investieren Sie im Jahr?
1:40:20
Wir haben ein Gesamtbudget von
1:40:22
dieses Jahr 17.500.000. Letztes Jahr hatten wir 11,5
1:40:26
Millionen, dieses Jahr sind es 17.000.000.
1:40:28
Davon investieren wir 80 %.
1:40:31
Was ist das Neue? Ist es ein neues Konzept, dieser
1:40:33
Sovereign Tech Fund oder gibt es das schon irgendwo?
1:40:35
Ein vergleichbares Konzept gibt es tatsächlich nicht.
1:40:38
Es gibt andere Akteure, es gibt andere Organisationen, die
1:40:41
schon ähnliche Sachen machen. Die kommen dann eher aus dem
1:40:44
kommerziellen Bereich oder auch von staatlichen Stellen.
1:40:47
Aber ein wirklich öffentlich finanziertes Programm, das
1:40:50
spezifisch die Arbeit an
1:40:52
Open Source Infrastruktur und die Absicherung finanziert, gibt es
1:40:55
noch nicht. Wir wünschen uns aber, dass es davon wesentlich mehr gibt,
1:40:57
weil es braucht mehr und der Bedarf ist riesengroß.
1:41:00
Jetzt vielleicht mal so ein paar Stichworte für die Menschen, die uns zuhören
1:41:03
und so ein bisschen aus der nerdigen Ecke kommen. Haben Sie so ein paar
1:41:06
Stichworte, welche Projekte bisher gefördert wurden vom SovereignTech
1:41:09
Fund?
1:41:11
Gerne! Ein Klassiker, den ich gerne erwähne, ist cURL.
1:41:13
Das ist ein Projekt, das, um das vereinfacht dazustellen, gebraucht
1:41:17
wird, um Daten von A nach B zu transportieren.
1:41:19
Während wir hier sprechen, nutzen wir wahrscheinlich Devices, in denen
1:41:21
das schon hundertfach verbaut ist. Es ist eine ganz, ganz kritische
1:41:24
Komponente, die in allen möglichen
1:41:26
Softwareanwendungen und Devices usw
1:41:28
verwendet wird, in allen möglichen Autos.
1:41:30
Mit denen haben wir beispielsweise zusammengearbeitet.
1:41:32
Dann das PyPI, ist der Python Packaging Index, den
1:41:36
unterstützen wir. Genau, um ein paar Beispiele
1:41:39
zu nennen.
1:41:40
Vielleicht abschließend, was haben wir denn bisher gelernt aus Ihrem
1:41:43
Projekt, was wir in die Zukunft
1:41:45
blickend besser machen müssen? Wie können wir die Sicherheit da
1:41:47
verbessern, außer natürlich mehr Geld reinzustecken?
1:41:51
Ja, also ich mein Geld ist natürlich nicht die Lösung.
1:41:54
Es ist aber ein Teil der Lösung und ich würde sagen, wir brauchen
1:41:58
weiterhin mehr Unterstützung. Aber dafür braucht es auch erst mal
1:42:00
Verantwortung, die übernommen werden muss und ein Bewusstsein dafür, dass
1:42:04
Open Source eben überall ist,
1:42:06
dass wir auch gar nicht die Wahl haben, ob wir Open Source nutzen
1:42:08
oder nicht. Wir brauchen es für die Art und Weise, wie wir leben,
1:42:12
wie wir unsere Welt gestalten und für eine digitale Gesellschaft.
1:42:15
Und dafür muss Verantwortung übernommen werden, sowohl von
1:42:17
staatlichen Akteuren als auch von privaten Akteuren.
1:42:20
Da muss meiner Meinung nach weiterhin ein Umdenken stattfinden.
1:42:23
Eigentlich die zugrunde liegenden strukturellen Herausforderungen
1:42:26
kennen wir. Ich finde, wir brauchen mehr Akteure im Feld, die
1:42:30
unterschiedliche Unterstützungsformate auch anbieten können.
1:42:32
Der Bedarf ist riesengroß. Der Bedarf ist auch sehr
1:42:35
unterschiedlich. Ja, einige brauchen finanzielle
1:42:37
Unterstützung, andere brauchen vielleicht Unterstützung anderer Art
1:42:40
und davon ist der Sovereign Tech Fund ein Teil der Lösung.
1:42:43
Aber aus unserer Sicht braucht es noch mehr Unterstützungsformate.
1:42:47
Wunderbar. Ganz herzlichen Dank! Das war Fiona Krakenbürger,
1:42:50
Mitgründerin des Sovereign Tech Fund. Vielen Dank für dieses
1:42:53
Gespräch.
1:42:53
Dankeschön.
1:42:55
Bei dieser Gelegenheit vielleicht noch der Hinweis: Der Sovereign Tech
1:42:57
Fund sucht eine administrative
1:42:59
Geschäftsführung. Also die haben einen Job zu
1:43:02
vergeben. Wenn das was für euch
1:43:04
sein sollte, schaut es euch an! Unter sovereigntechfund.de.
1:43:08
Seite haben wir auch noch mal in den
1:43:11
Shownotes.
1:43:11
Und damit ist die Lage der Nation umfassend in dieser Woche ja ganz
1:43:14
besonders umfassend und abschließend erörtert. Wir freuen uns, wenn es
1:43:18
euch gefallen hat. Falls dem so sein sollte, schreibt
1:43:20
gerne einen freundlichen Satz in den App Store eures Vertrauens.
1:43:23
Da hatten wir jetzt gerade mal wieder zu tun mit bösen
1:43:26
Kommentaren aus der rechten Ecke. In diesem Sinne einen schönen
1:43:30
Abschluss der Woche. Ein schönes Wochenende. Bis bald.
1:43:32
Bis dahin, bis nächste Woche. Tschüss.
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