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Iran bombardiert Israel, Update Väterrechte, Kommission zu Abtreibungen, Reform des Klimaschutzgesetzes, Update Waldwege, xz-Attacke, Schutz wichtiger Software (Fiona Krakenbürger, Sovereign Tech Fund)

Iran bombardiert Israel, Update Väterrechte, Kommission zu Abtreibungen, Reform des Klimaschutzgesetzes, Update Waldwege, xz-Attacke, Schutz wichtiger Software (Fiona Krakenbürger, Sovereign Tech Fund)

Released Wednesday, 17th April 2024
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Iran bombardiert Israel, Update Väterrechte, Kommission zu Abtreibungen, Reform des Klimaschutzgesetzes, Update Waldwege, xz-Attacke, Schutz wichtiger Software (Fiona Krakenbürger, Sovereign Tech Fund)

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Iran bombardiert Israel, Update Väterrechte, Kommission zu Abtreibungen, Reform des Klimaschutzgesetzes, Update Waldwege, xz-Attacke, Schutz wichtiger Software (Fiona Krakenbürger, Sovereign Tech Fund)

Iran bombardiert Israel, Update Väterrechte, Kommission zu Abtreibungen, Reform des Klimaschutzgesetzes, Update Waldwege, xz-Attacke, Schutz wichtiger Software (Fiona Krakenbürger, Sovereign Tech Fund)

Wednesday, 17th April 2024
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Herzlich willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nummer 378

0:03

vom 17. April 2024

0:07

und im Berliner Lagestudio begrüßen euch Ulf Buermeyer, das bin ich,

0:11

Jurist aus Berlin und-

0:12

Philip Banse, Journalist. Ganz herzlich willkommen auch von

0:14

meiner Seite. Wir haben heute wieder ein volles Pad, viele Themen, viel

0:18

vorbereitet. Deswegen nur ganz kurze

0:20

Hausmitteilung vorweg. Hatten wir letztes Mal schon

0:23

angedeutet. Es gibt da diesen deutschen Podcastpreis

0:26

und da werden halt Podcasts gekürt in verschiedenen Disziplinen.

0:29

Und es gibt eben auch eine Disziplin, journalistischer Podcast,

0:32

glaube ich, heißt es und speziell das Publikumsvoting,

0:36

also wo ihr abstimmen könnt, welchen Podcast ihr besonders

0:40

toll und preiswürdig findet. Wir haben da mal einen

0:44

Link für euch.

0:45

Wir haben einen Vorschlag, welcher Podcast möglicherweise eure

0:48

Stimme verdient haben könnte. Unter lage.link/preis. Lage.link/preis.

0:56

Die Lage im Nahen Osten hat sich

0:58

weiter zugespitzt. Da schauen natürlich jetzt alle

1:01

gebannt nach Israel und vor allen Dingen auf den Iran,

1:05

denn der Krieg dort

1:07

droht sich auszubreiten.

1:09

Vielleicht aber auch nicht. Vieles ist unklar.

1:11

Deswegen analysieren wir mal die Lage, wie sie sich jetzt gerade

1:15

darstellt im Nahen Osten, im Konflikt zwischen Iran und

1:19

Israel.

1:19

Ja, was ist passiert? Wir müssen zunächst zurückblicken

1:21

zum 1. April. Da wurden zwei hohe

1:24

iranische Militärführer

1:27

und noch ein paar Mitarbeitende von ihnen getötet.

1:29

Und zwar, und das macht die Sache so juicy, im Gebäude der iranischen

1:34

Botschaft in Damaskus, also in Syrien.

1:37

Dieses Gebäude wurde von einer Rakete zerstört.

1:41

Es ist ein bisschen umstritten, ob Botschaft selber oder Nebengebäude,

1:43

aber jedenfalls in diesen diplomatischen Komplex ist eine

1:47

Rakete reingeflogen. Da stand natürlich kein Name drauf,

1:50

kein Absender, aber höchstwahrscheinlich und auch nicht

1:53

dementiert, wurde dieses

1:55

Projektil von Israel abgefeuert.

1:57

Und das, muss man sagen, wenn es denn so war und alle

2:00

gehen davon aus, dass es so war, ist ein klarer Bruch des Völkerrechts.

2:04

Israel hat mit Waffengewalt

2:06

auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates zugeschlagen.

2:09

Botschaftsgebiet ist Hoheitsgebiet.

2:11

Und das ist ein klarer Verstoß gegen

2:14

das Gewaltverbot. Außerdem sind natürlich

2:16

diplomatische Vertretungen noch mal gesondert geschützt, ist auch klar.

2:19

Also das ist ziemlich unstrittig, wenn es Israel war, alle gehen davon

2:22

aus, dass Israel war, war dieser

2:24

Angriff mit den Raketen auf diese beiden Generäle ein klarer Verstoß

2:28

gegen das Völkerrecht.

2:29

Und in der Nacht zum Sonntag nun hat der Iran auf

2:33

diesen Angriff mutmaßlich Israels

2:35

geantwortet, nämlich in dem er rund 300 Drohnen,

2:39

Raketen, Marschflugkörper

2:41

vom Iran, selbst vom eigenen Staatsgebiet aus, auf Israel

2:45

abgefeuert hat. Wobei man sagen muss 90 %,

2:48

mehr als 90 %.

2:49

Weit über, fast 99, glaube ich eigentlich.

2:51

Auf jeden Fall sehr viele dieser Projektile wurden abgefangen.

2:55

Israel selbst hat das geschafft mit dem sogenannten Iron Dome.

2:58

Also so ein Raketenabwehrschutzschild.

3:00

Gibt auch noch andere Abwehrschutzschilde, die da zum

3:02

Einsatz gekommen sind. Aber das ist schon erstaunlich, was

3:04

die abgewehrt haben.

3:04

Das muss man schon sagen. Wirklich Respekt. Was natürlich wiederum auch

3:07

ein gewisses gutes Gefühl geben dürfte den Menschen in Israel, dass

3:10

sie einfach so gut verteidigt sind. Wobei es natürlich trotzdem Stress

3:13

ist, wenn es die ganze Nacht rummst am Himmel.

3:15

Rummst am Himmel und vor allen Dingen auch nach diesem 7.

3:17

Oktober, wo ja natürlich dieses "Wir sind geschützt und wir sind

3:21

sicher durch unser Militär" dieses Bewusstsein extrem Schaden

3:24

genommen hat. Und jetzt zu sehen okay, da kommen 300 Drohnen,

3:27

Raketen, Marschflugkörper und wir und unsere Freunde können

3:31

de facto 99 % davon abschießen.

3:33

Das ist schon auch noch mal eine neue Perspektive.

3:36

Wir und unsere Freunde ist ja in diesem Fall tatsächlich wichtig.

3:39

Denn wie gesagt, Israel hat mit eigenen Mitteln sehr viele

3:42

Projektile abfangen können. Allerdings haben auch die

3:45

Vereinigten Staaten und Großbritannien und

3:48

interessanterweise auch Jordanien

3:50

bei der Verteidigung Israels geholfen.

3:53

Jordanien ist deswegen so speziell, weil es ja auch ein islamisches Land

3:56

ist, das sich aber in diesem Krisenfall jetzt auf die Seite

3:59

Israels gestellt hat und dazu

4:01

beigetragen hat, dass, das muss man auch sagen, der Schaden in Israel

4:05

tatsächlich minimal geblieben ist. Ein paar Schäden gab es an

4:07

Luftwaffenstützpunkten und insbesondere gab es keine Toten.

4:11

Es sind allerdings Kinder verletzt worden und ich habe irgendwo

4:13

gelesen, 30 Menschen sind

4:15

verletzt worden, durch Stolpern wahrscheinlich, auf dem Weg zu

4:20

Luftschutzkellern. Natürlich muss man sagen, natürlich

4:22

haben die Sirenen geheult, die Menschen sind in halbwegs sichere

4:26

Unterkünfte geflüchtet und dabei

4:28

gab es dann circa 30 Verletzte.

4:30

Auch dieser Angriff durch den Iran ist illegal.

4:33

Das sagt Matthias Goldmann vom Max-Planck-Institut in Heidelberg.

4:38

Das Völkerrecht, sagt er, kennt keine Vergeltung,

4:42

nur Selbstverteidigung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr.

4:46

Iran verletze das Gewaltverbot, auch wenn das durch den illegalen

4:50

israelischen Angriff auf die diplomatische Vertretung provoziert

4:54

sein sollte. Das ist also die Einschätzung

4:57

von Matthias Goldmann vom MPI in Heidelberg.

5:00

Also kein Recht auf Rache steht

5:02

eigentlich dahinter.

5:03

Das gilt im Grunde für beide Seiten auch bei dem israelischen Angriff

5:06

auf die oder mutmaßlich israelischen Angriff auf die Botschaft in

5:09

Damaskus kann man natürlich sagen, dass es für den gute Gründe gab,

5:12

einfach weil der Iran quasi so Terror Mastermind

5:16

in der ganzen Region ist, weil der Iran offiziell die Vernichtung

5:19

Israels plant. Also es gibt gute Gründe dafür, aber

5:23

das macht den Angriff nicht legal.

5:24

Und zumal muss man auch sagen, diese Generäle, die da getötet wurden,

5:28

die sind natürlich Stellvertreter, die organisieren diesen Krieg

5:31

des Irans über Proxy Kräfte in Syrien und anderen Staaten und

5:35

Libanon. Die versorgen die mit Waffen, mit

5:37

Geld und so, also das waren ganz zentrale Figuren in diesem

5:41

Schattenkrieg des Irans gegen Israel. Aber was wollte jetzt also

5:45

der Iran mit diesem Gegenschlag? Na ja, er wollte halt antworten.

5:49

Er wollte diesen Angriff

5:51

auf seine Botschaft nicht einfach so stehen lassen.

5:54

Die Tötung der hochrangigen Generäle. Zerstörung der Botschaft.

5:57

Das musste irgendwie vergolten

5:59

werden. Gleichzeitig wollte der Iran aber ganz

6:02

offensichtlich auch nicht zu viel Ärger machen.

6:06

Zum Beispiel hat der Iran sich ganz bewusst nur Militärbasen als Ziele

6:09

ausgesucht, also gerade nicht zivile Ziele in Haifa zum Beispiel

6:13

oder in Tel Aviv oder in Jerusalem. Und dieser Angriff wurde

6:17

stundenlang im Voraus angekündigt,

6:20

so dass tatsächlich sowohl Israel als auch verbündete Kräfte in

6:23

die Lage versetzt wurden, sich darauf entsprechend vorzubereiten.

6:26

Aber das ist und bleibt der erste direkter Angriff des

6:30

Irans auf Israel seit der Machtübernahme der

6:33

Ayatollahs 1979 im Iran hat der Iran sich offiziell auf die

6:36

Fahnen geschrieben, wir wollen Israel von der Weltkarte tilgen, wir

6:40

wollen Israel vernichten. Aber dieser proklamierte

6:44

Vernichtungskrieg, der blieb eben immer indirekt.

6:46

Also Iran hat finanziert und mit Waffen unterstützt Truppen in

6:49

Syrien, Gaza, Libanon, Irak,

6:51

Jemen. Und so weiter und so fort.

6:53

Die waren aber immer bemüht, einen direkten Konflikt mit Israel

6:57

und dann damit mittelbar auch mit den USA zu vermeiden.

7:02

Auch weil sie wahrscheinlich

7:04

demnächst die Atombombe haben

7:07

und dieses Projekt nicht durch einen eskalierenden

7:11

Konflikt mit Israel und USA gefährden wollten.

7:15

Würde ich mal annehmen.

7:15

Stellen wir uns vor, sie überschreiten so weit die rote

7:18

Linie, dass Israel und oder die USA irgendwann entscheiden,

7:21

jetzt reicht's uns, jetzt wollen wir Regimechange im Iran, wie auch immer

7:25

das dann aussieht. Ob dann Marschflugkörper abgefeuert werden,

7:28

ob es dann tatsächlich eine Invasion gibt, was auch immer.

7:30

Wenn das passieren sollte, dann würde das Mullahregime ja quasi

7:34

wenige Meter vor dem Ziel der Atombombe noch weggeputscht oder

7:37

gestürzt. So, das wollen sie natürlich vermeiden.

7:40

Und deswegen zum Beispiel haben sie auch direkt nach diesem Angriff

7:43

eine etwas skurrile Botschaft

7:45

veröffentlicht, wo sie nämlich sagen so sinngemäß, habe ich jetzt nicht

7:48

wörtlich drauf. Wir haben uns jetzt gerächt und

7:50

jetzt ist auch gut. Jetzt schlag mal bitte nicht zurück.

7:52

Von uns aus ist die Sache jetzt erledigt.

7:54

Wir haben einen Kuchen mitgebracht. Habt ihr Interesse?

7:56

Israel hat momentan kein verstärktes Interesse an so einem Kuchen.

8:00

Die Frage ist, steht immer noch so ein bisschen im Raum, was wollte

8:03

Israel mit diesem sehr riskanten Angriff auf die

8:07

iranische Botschaft in Syrien, auf diese Generäle?

8:10

War das nicht zu riskant in so einem

8:12

sowieso schon aufgeheizten Klima? Und Analysten

8:15

machen so ein bisschen die Rechnung auf. Na ja, Israel könnte mit

8:18

diesem Angriff versucht haben, den Iran zu provozieren und damit

8:22

die Lücke, die Zwistigkeiten

8:25

mit den USA zu beseitigen, die es ja um den Gazakrieg gegeben hat,

8:28

wo die USA extrem Druck machen auf Israel. Jetzt beende diesen

8:32

Krieg im Gaza oder dreht ihn auf jeden Fall deutlich zurück oder

8:35

greift auf keinen Fall Rafah an, aber wenn der Iran sich entscheiden

8:39

sollte, Israel anzugreifen,

8:41

dann, das war die Kalkulation, oder könnte die Kalkulation hinter diesem

8:44

Angriff gewesen sein, dann wäre die USA gezwungen, sich

8:48

wieder eng an die Seite Israels zu stellen. Und letztlich ist ja auch

8:51

das genau passiert.

8:52

Also diese Einschätzung hat zum Beispiel Tomas Avenarius geäußert,

8:55

Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Er schreibt: "Nach den nach wie vor

8:59

geltenden Spielregeln des Nahen Ostens musste Irans

9:02

Revolutionsführer Ali Chamenei zurückschlagen und das vermeintliche

9:05

Gleichgewicht des Schreckens wiederherstellen.

9:08

Das war erwartbar, aber erhöht das Risiko eines regionalen Kriegs

9:11

um das Vielfache. Und genau das war von Israels

9:15

Regierung wahrscheinlich so beabsichtigt.

9:17

Benjamin Netanjahu steht unter gewaltigem Druck.

9:20

Im Gazakrieg hat seine Armee die Hamas auch im sechsten Monat nicht

9:22

besiegt. Gut die Hälfte

9:24

der von den Terroristen am 7. Oktober entführten Geiseln vegetiert

9:28

in Tunneln im Gazastreifen. Auf den Straßen Israels rufen

9:31

Demonstranten nach einer neuen Führung. Was käme da gelegener,

9:35

als das Feuer auf die Islamische Republik zu lenken?

9:38

In den Augen der westlichen Politik ohnehin der Erzbösewicht

9:42

des Nahen Ostens.

9:43

Jetzt ist die Frage, wie reagiert also Israel?

9:45

Und das hängt natürlich sehr von Israel ab.

9:48

Werden sie also einen Vergeltungsschlag ausüben?

9:51

Wenn ja, wie sieht der aus?

9:53

Würde der dann die Spirale der Gewalt weiterführen, wäre das

9:56

vielleicht so ein Schlag, der zehnmal so groß ist wie der vom

9:59

Iran, um klar zu machen in dieser Vergeltungslogik, also das war's

10:03

jetzt von uns aus. Kommt bloß nicht auf die Idee, noch

10:05

mal zurückzuschlagen.

10:06

Oder, muss man ganz ehrlich sagen, setzen sich in Israel die Kräfte

10:09

durch, die die These vertreten, Moment mal, die sind auf dem Weg zur

10:13

Atommacht? Wenn die so was wie vor ein paar

10:15

Tagen jetzt mit Atomwaffen durchgeführt hätten, dann reicht

10:19

eine einzige Rakete, die wir nicht abfangen und wir haben ein echtes

10:22

Problem. Mit anderen Worten, man kann sich

10:24

sehr gut ein Narrativ vorstellen, warum ich sage jetzt mal die Falken

10:28

die Meinung vertreten, das ist unsere letzte Chance, das

10:31

Atomprogramm des Iran in die Steinzeit zu bomben.

10:33

Richtig. Und diesmal auch mit einer Legitimation.

10:36

Sie haben das ja schon öfter versucht. So-

10:38

Mit so chirugischen Schlägen.

10:40

Mmit so chirurgischen Schlägen nicht richtig offiziell, Aber alle wissen,

10:42

dass es sie Israelis waren, mit Angriffen auf Atomfabriken und

10:46

Anreicherungsanlagen und so im Iran. Das könnten sie jetzt mehr

10:49

oder weniger offiziell vom Völkerrecht sanktioniert tun,

10:53

würde ich mal denken.

10:54

Also völkerrechtlich glaube ich die Lage schon schwierig deswegen

10:57

war diese Erklärung des Iran zwar skurril, aber vielleicht gar nicht

10:59

so dumm. Wenn der Iran jetzt wirklich sagt, das war's jetzt aus

11:02

unserer Sicht, aus unserer Sicht herrscht jetzt wieder Frieden, dann

11:05

kann man insbesondere nach einem gewissen Zeitablauf

11:08

natürlich schon die Frage stellen, ob es sich tatsächlich, wie Herr

11:11

Matthias Goldmann völlig richtig dargestellt hat, noch um die Abwehr

11:14

einer gegenwärtigen Gefahr handelt.

11:16

Wenn man jetzt tatsächlich zum Beispiel Atomanlagen im Iran

11:19

ausbombt.

11:20

Gut, aber die öffentliche Rechtfertigbarkeit, so möchte ich es

11:23

mal nennen, die wäre schon besonders stark gegeben in

11:27

diesem Kontext. Netanjahu, der steht also

11:30

unter einem enormen Druck. Tomas Avenarius hat das skizziert

11:33

mit Protesten. Neuwahlen sind gefordert.

11:36

Er hat seine rechtsradikalen Minister, die eben so einen

11:38

Gegenschlag verlangen, an den sich, wie sie sagen, Generationen noch

11:41

erinnern sollen. Dann die USA, die da gegenhalten und sagen, jetzt

11:44

haltet euch mal zurück, ihr habt wirklich alles erreicht.

11:48

Maximaler Gewinn in dieser, in dieser Sache. Ihr habt diese

11:50

Generäle getötet. Der Iran steht als schwach

11:53

da und ihr könntet euch auch

11:55

Sympathien, verlorengegangene Sympathien zurückerobern, wenn

11:59

ihr jetzt still haltet. Man muss sagen, ist offen. Man weiß

12:01

es nicht was passiert. Zur Stunde. Wir nehmen jetzt hier am

12:04

Mittwoch, 17. April, 12:12, das auf.

12:07

Ja, eine interessante Option für den Nahen Osten wäre natürlich auch,

12:10

dass man versucht, diesen Konflikt rauszuholen aus dieser Bipolarität

12:13

Israel gegen Iran, Iran mit Proxies, Israel mit Unterstützung

12:17

insbesondere westlicher Kräfte. Eine interessante Option wäre

12:21

nämlich eine langfristige Absicherung der Region.

12:23

Statt einem kurzfristigen Pingpong

12:26

von Abschreckung und Vergeltungsschlägen.

12:28

Nämlich sagen wir mal durch so einen

12:30

Ausbau und vielleicht auch durch eine Institutionalisierung

12:34

der jetzt gerade aktuell gezeigten Militärkooperation.

12:37

Richtig, da ist die Argumentation so, na ja, es gibt ja schon so ein

12:40

zartes Pflänzchen, was sich nennt Middle East Air Defense und da gibt

12:44

es schon so eine zarte Zusammenarbeit zwischen Israel und

12:46

auch einigen arabischen Staaten wie Jordanien zum Beispiel.

12:50

Und da geht die Argumentation, jetzt auch in Israel vertreten, vor allen

12:53

Dingen von Benny Gantz, dem Oppositionsführer, der jetzt aber in

12:55

diesem Kriegskabinett mit sitzt, und dem Verteidigungsminister Joaw

12:58

Galant, die geht so, na komm, lass uns dieses Pflänzchen doch

13:02

jetzt züchten, lass uns das doch größer machen. Wir haben doch jetzt

13:05

bei der Abwehr dieser iranischen Raketen und der Drohnen gesehen,

13:09

dass es da doch durchaus einige Staaten gibt, die uns wohlgesonnen

13:11

sind. Sollen wir nicht diese Kooperation verstärken?

13:14

Ist das nicht für Iran die viel

13:17

größere Gefahr, dass jetzt auch arabische Staaten Israel

13:20

sich zu einer Art Middle East

13:22

NATO zusammenschließen gegen den Iran?

13:25

Ist das nicht für den Iran die viel größere Gefahr?

13:28

Und bringt das nicht viel mehr Sicherheit für Israel als

13:31

jetzt ein Gegenschlag auf eine Atomanlage?

13:33

Ja, also ich sage mal, das hat natürlich alles auch aus

13:35

israelischer Perspektive Vor und Nachteile. Auf der einen Seite würde

13:39

dann quasi die Front noch mal gestärkt gegen den Iran,

13:43

denn dem Iran würde noch deutlicher

13:45

gemacht, mit wem er sich da so anlegt, wenn er tatsächlich weitere

13:49

Militärschläge planen sollte oder wenn er seine Proxies weiter in die

13:52

Schlacht schickt. Auf der anderen Seite hat das aus

13:54

israelischer Perspektive natürlich auch den Nachteil einer doch

13:57

noch intensiveren Einbindung

14:00

in ich sage mal internationale Struktur. Man müsste dann vermutlich

14:03

schon damit rechnen, dass einem gerade die Amerikaner, aber

14:07

vielleicht in Zukunft auch die Briten etwas mehr reinreden,

14:09

wie man denn seine eigene Militäroperationen plane.

14:12

Mitunter neigt Israel ja schon zu sehr harten Schlägen.

14:15

Schauen wir auf den Konflikt im Gazastreifen. Schauen wir auch auf

14:18

die sehr scharfe internationale Kritik an Israel.

14:21

Auf der anderen Seite aus einer menschenrechtlichen Perspektive,

14:24

glaube ich, hätte das tatsächlich den Vorteil einer besseren

14:26

Einbindung. Denn in Israel muss man einfach sehen, sitzen radikale

14:29

Kräfte mit am Kabinettstisch. Manche von denen bezeichnen sich

14:32

selbst wohlgemerkt als Faschisten,

14:35

also keine Fremdbezeichnung, sondern sagen das quasi mit Stolz.

14:37

Jedenfalls werden einige Minister von Beobachtern im Westen

14:41

auch als Rechtsextremisten angesehen. Und wenn

14:44

dieses teilweise doch loose Cannon

14:46

Kabinett jetzt besser eingebunden würde in so eine etwas formellere

14:50

Allianz, glaube ich, dann birgt

14:52

das auch Perspektiven für ein, sagen wir mal besonnenes Vorgehen.

14:56

Wir haben noch ein Update zu unserer Berichterstattung über das Urteil

14:59

des Bundesverfassungsgerichts von letzter Woche, das die

15:03

Rechte leiblicher Väter

15:05

gestärkt hat und da substanzielle

15:07

Änderungen in der deutschen Gesetzgebung angemahnt

15:10

hat. Und bei dem, was wir erzählt haben, ging es natürlich

15:14

auch darum, na, welche

15:16

Rechte haben denn leibliche

15:18

Väter heute schon.

15:20

Und zwar ohne rechtlicher Vater zu sein. Das war ja die Konfliktlage in

15:24

diesem Fall und wir haben das nicht ausdrücklich erwähnt und ich denke,

15:26

das lohnt sich aber, das nachzutragen. Sie sind nicht komplett rechtlos

15:30

gestellt, sondern Paragraph 16 86 des Bürgerlichen Gesetzbuches

15:34

gibt ihnen auch heute schon jedenfalls gewisse Rechte.

15:37

Die Voraussetzung ist immer, dass sie ein ernsthaftes Interesse am

15:40

Kind gezeigt haben. Dann haben sie zum einen unter

15:43

bestimmten Voraussetzungen auch

15:45

die Möglichkeit, ein Umgangsrecht zu bekommen, aber eben nur, wenn es dem

15:49

Kindeswohl dient. Und da hatten wir ursprünglich einen

15:52

Fehler in der Folge, wo wir gesagt haben, das kann die Mutter

15:54

entscheiden. Das war nicht korrekt, deshalb haben wir das ganz früh

15:57

schon rausgeschnitten. Aber ein paar Leute hatten die alte

16:00

Folge schon runtergeladen. Deswegen wollen wir das an dieser

16:02

Stelle ausdrücklich noch nachtragen. Und außerdem kann ein solcher

16:06

leiblicher Vater auch Auskünfte von den rechtlichen Eltern, also zum

16:09

Beispiel der Mutter und ihrem neuen Partner, verlangen.

16:12

Das Problem dabei ist nur, dass diese Rechte des leiblichen Vaters

16:14

in der Praxis natürlich

16:16

im Konfliktfall schwer durchzusetzen sind.

16:18

Im Zweifel muss man klagen. Dann hat der leibliche Vater mit der

16:21

leiblichen Mutter ein Kind. Die beiden trennen sich, die Mutter

16:24

hat einen neuen Partner. Der wird dann vielleicht auch

16:26

rechtlicher Vater. Und der leibliche Vater hat dann

16:29

zwar noch Anrechte, die du oben skizziert hast, auf Umgang,

16:33

bestimmte Auskünfte, aber wenn die Mutter ihm die freiwillig

16:37

nicht gibt, was ja durchaus vorkommen soll, dann muss der Vater

16:41

eben vor Gericht ziehen.

16:41

Und das ist natürlich kein Spaß. Und das würde natürlich alles

16:44

einfacher, wenn der biologische Vater auch rechtlicher Vater ist,

16:47

denn dann hat die Mutter einfach ein größeres Interesse, sich zu einigen.

16:50

Das ist ja im Grunde die Situation, wenn zum Beispiel ein Ehepaar

16:53

sich trennt, die gemeinsame Kinder haben, dann sind ja beide

16:57

Elternteile auch rechtliche Eltern.

17:00

Ich will das jetzt nicht beschönigen. Natürlich gibt es Scheidungskriege

17:03

ohne Ende. Das ist jetzt auch nicht alles quasi Candyland und

17:06

und Ponyhof. Aber jedenfalls ist dann auf beiden

17:08

Seiten grundsätzlich ein Interesse da. Ich kenne das aber auch bei

17:11

unverheirateten Eltern in meinem Freundeskreis, die sich getrennt

17:14

haben. Das ist nicht immer leicht, wenn

17:17

beide Eltern sind nach so einer Trennung. Aber es gibt dann einfach

17:20

ein grundsätzliches beidseitiges Interesse zu einem gedeihlichen

17:23

Zusammenleben oder jedenfalls dazu,

17:25

irgendwie eine Lösung zu finden. Und ich würde mal denken, der neue,

17:28

der neue soziale Vater, also der neue Partner der Mutter, der braucht

17:31

so eine rechtliche Position eigentlich nicht, weil er sich ja

17:34

hoffentlich mit der Mutter auch so einig wird. Also insofern glaube

17:37

ich, macht das schon Sinn, was das Bundesverfassungsgericht da

17:41

entschieden hat. Dass diese bisherigen Rechtspositionen, also

17:44

nur Umgangsrecht, vielleicht unter bestimmten Voraussetzungen ein

17:46

Auskunftsrecht, das die der Rolle des biologischen Vaters nicht

17:49

gerecht werden.

17:50

Und dann hatten wir in dem Kapitel auch, ich will mal sagen, den

17:53

Eindruck erweckt, als würde das Bundesministerium der Justiz

17:58

gar nicht so wahnsinnig viel

18:00

in Sachen Kindschaftsrecht unternehmen, als käme

18:03

da nix. Und da müssen wir uns korrigieren lassen vom BMJ

18:07

selber. Wir haben uns gefreut, die haben uns angemailt und hören

18:10

offensichtlich auch die Lage. Zumindest ein Mitarbeiter.

18:12

Der weist uns darauf hin, dass

18:14

das Ministerium der Justiz bereits

18:17

Eckpunkte vorgelegt hat zur Reform des Kindschaftsrechts.

18:20

Da muss man sagen, ja, Eckpunkte in dieser ganzen

18:24

Hierarchie oder in der Biografie

18:26

eines Gesetzes sind Eckpunkte sowas

18:28

wie die Geburtsstunde, würde ich mal sagen. Das ist ein Brainstorming.

18:31

Was könnten wir denn mal machen, wenn wir denn ein Gesetz

18:35

schreiben wollen würden? Was könnte denn da drinstehen?

18:38

Und das ist eben insbesondere noch kein Gesetzentwurf, noch nicht mal

18:41

einen Referentinnen- oder Referentenentwurf.

18:44

Und deswegen hatten wir in der letzten Folge auch nicht darauf

18:47

hingewiesen, weil wir so ein bisschen den Eindruck hatten, so wahnsinnig viel Dynamik ist da nicht

18:50

drin. Aber der Mitarbeiter, der uns geschrieben hat, hat natürlich

18:53

völlig recht. Das sollte man schon erwähnen.

18:55

Und wir haben die Eckpunkte jetzt auch verlinkt. Wer sich dafür

18:58

interessiert, kann es also mal nachlesen.

19:00

Außerdem haben wir zur Einordnung der Diskussion um

19:04

Väterrechte, biologische Väter, rechtliche Väter und Mütter

19:07

natürlich auch noch mal mit einer

19:10

Expertin gesprochen, nämlich mit Rechtsanwältin Lucy Chebout.

19:13

Sie ist Fachanwältin für Familienrecht in Berlin, vertritt

19:16

insbesondere viele queere Familien,

19:19

also beispielsweise Familien aus zwei Frauen und einem

19:23

Baby. Und sie beschreibt

19:25

die bisherigen rechtlichen Probleme der Menschen, die sie vertritt.

19:29

Das Problem ist bislang im geltenden Abstammungsrecht, dass es quasi

19:32

nur Regelungen für Mutter Vater Kind Familien vorsieht.

19:35

Das heißt ein Kind, das in eine Ehe

19:37

von einem Mann und einer Frau hineingeboren wird.

19:40

Das hat qua Geburt und qua Gesetz

19:42

zwei rechtliche Eltern die Mutter, die das Kind geboren hat, und den

19:45

Ehemann der Mutter und ein Kind, das in eine Ehe von zwei

19:48

Frauen beispielsweise hineingeboren wird, gilt als das Kind einer

19:52

alleinerziehenden Mutter und hat zur Ehefrau der Mutter überhaupt

19:55

gar keine rechtliche Beziehung. Die muss das Kind erst in einem

19:59

Adoptionsverfahren unter staatlicher Prüfung als Kind

20:03

annehmen. Und das Problem ist eben, dass hier

20:06

die zweite Elternstelle für dieses Kind frei bleibt, das Kind

20:10

also auch nur durch einen rechtlichen Elternteil abgesichert

20:12

ist. Gegen einen rechtlichen Elternteil nur Unterhaltsansprüche,

20:15

Versorgungsansprüche, ein Erbrecht,

20:18

ein Recht auf Namensführung, ein Recht auf Staatsangehörigkeit usw.

20:22

hat und eben die andere Person

20:24

überhaupt gar nicht existiert für das Kind, obwohl sie im Alltag des

20:28

Kindes und im Leben des Kindes von Anfang an die Elternverantwortung

20:32

auch übernimmt und ausübt. Aber diese ist eben nicht

20:35

abgesichert.

20:36

Wir haben sie dann auch gefragt, was sie vor diesem Hintergrund, quasi

20:39

dieser Problemlage ihrer Mandantinnen und Mandanten von den

20:42

Eckpunkten hält. Und die sieht sie im Grundsatz positiv.

20:45

Da gibt es nämlich insbesondere zwei

20:47

Regelungsansätze, die diese Situation queerer Familien

20:51

verbessern würden. Also zum einen

20:53

soll die Frau, die

20:55

mit der Mutter eines Kindes verheiratet ist, in Zukunft auch

20:58

automatisch zweite Mutter werden. Also genauso wie das heute für den

21:02

Ehemann der Mutter gilt, soll das auch für die Frau gelten.

21:04

Und zum zweiten soll es auch für weibliche Partnerinnen

21:08

einer Mutter einfacher werden, quasi die in Anführungsstrichen zweite

21:11

Mutterschaft anzuerkennen. Auch da soll ein einfacherer

21:14

rechtlicher Weg geschaffen werden, sodass diese Adoption in Zukunft

21:17

nicht mehr erforderlich ist.

21:18

Okay.

21:19

Aber das Problem ist halt, es sind eben nur Eckpunkte.

21:22

Es liegt immer noch kein Gesetzentwurf auf dem Tisch.

21:24

Und da sagt sie, das findet sie natürlich nicht gut, dass bisher

21:27

nichts passiert ist. Nach zwei Jahren Ampel nur Eckpunkte oder

21:30

zweieinhalb Jahren Ampel. Sie macht sie einfach so ein bisschen

21:32

Sorgen, ob das jetzt wirklich passiert.

21:34

Okay, das ist so die Frage. Es gibt zwei Elternteile und

21:38

wer kann diese Position der Eltern eigentlich besetzen?

21:42

Sie hat eben dieses Problem beschrieben, dass es bei,

21:45

wenn zwei Frauen ein Kind haben,

21:47

dass es aktuell eben wahnsinnig schwierig ist und dass die, die

21:50

nicht-Mutter sozusagen das Kind adoptieren muss mit allen

21:53

Hürden. Da gibt es jetzt Eckpunkte, das will das BMJ ändern, aber

21:57

besonders viel Dynamik ist da nicht drin. Und dann war natürlich im

22:00

Kontext dieses Urteils vom Bundesverfassungsgericht,

22:03

das die Rechte der leiblichen Väter gestärkt hat, diese Option

22:07

aufgeworfen worden, oder die drängt sich auf, der Gesetzgeber

22:11

muss da also was neu regeln. Und dann ist eine sehr,

22:15

wie sagt man sehr, sehr naheliegende Option, na, der Gesetzgeber könnte

22:18

doch regeln, dass ein Kind nicht nur zwei Elternteile hat,

22:22

sondern drei Elternteile.

22:24

Das macht das Bundesverfassungsgericht sehr stark, weist mehrfach in den

22:27

Leitsätzen der Entscheidung schon darauf hin, dass es diese Option ja

22:30

auch geben könnte. Man könnte fast sagen, es winkt so

22:33

ein bisschen mit dieser Option und sagt Lieber Gesetzgeber, mach mal!

22:36

Dieser Idee aus Karlsruhe hat allerdings Bundesjustizminister

22:40

Marco Buschmann direkt nach der Entscheidung gleich eine Absage

22:43

erteilt. Er sagt, es soll weiter im deutschen Familienrecht nur zwei

22:47

Elternstellen geben.

22:48

Ja.

22:49

Und ich finde das ganz, ganz interessant.

22:51

Wir dachten ja auch, dass das jedenfalls aus der Perspektive von

22:55

queeren Familien eigentlich

22:57

eine tolle Sache sein könnte, weil dann dieser Konflikt zwei Mütter und

23:00

Samenspender, weil der vielleicht dann nicht mehr so aufbrechen

23:03

dürfte. Wobei das Bundesverfassungsgericht ja die

23:06

Rechte von Samenspendern gar nicht so explizit gestärkt hat, sondern es

23:08

ging da ja vor allem um Männer, die auch eine Beziehung zu ihrem Kind

23:11

haben.

23:11

Richtig, Aber in meiner Vorstellung war das so okay, ein Kind

23:15

kann drei Elternteile haben, das muss doch in diesem Kontext queere

23:18

Familien mehr Möglichkeiten

23:21

bieten. Ja, und deswegen haben wir Lucy Chebout, die viele dieser

23:24

Familien vertritt, auch danach

23:27

gefragt, was hält sie denn eigentlich von dieser Idee?

23:30

Ein Kind kann auch drei Eltern haben.

23:32

Also grundsätzlich bin ich total dafür, über Möglichkeiten der

23:36

Mehrelternschaft nachzudenken. Und es kommt auch gerade aus der

23:39

Ecke von queeren Familien,

23:41

dass eben gefordert wird, das Abstammungsrecht viel

23:43

selbstbestimmter und an den Bedürfnissen und Vereinbarungen

23:47

der konkreten Familien orientiert auszugestalten, auch

23:51

Selbstbestimmung in familienrechtlichen Beziehungen zu

23:53

ermöglichen. Meine große Sorge ist aber vor allen

23:56

Dingen mit Blick auf die zwei

23:58

Mütter Familien, die bislang nicht rechtlich entstehen dürfen,

24:02

dass hier eine Mehrelternschaft quasi aufgezwungen wird, indem

24:06

etwa dem Samenspender eine automatische Beteiligung

24:10

an der elterlichen Verantwortung

24:12

eingeräumt wird, die von den Familien selbst überhaupt nicht

24:14

gewünscht ist.

24:15

Also im Grunde positiv.

24:18

Gutes, vielversprechendes Modell,

24:20

was vielen Familien

24:22

neue Optionen geben könnte. Aber in diesem speziellen Modell,

24:25

Familie aus zwei Müttern und einem Kind fürchtet sie, dass

24:29

der Samenspender, der ja eigentlich erst mal nur Samenspender ist, auf

24:32

diesem Weg auch tatsächlich Elternrechte bekommen könnte.

24:35

Das ist so ihre Befürchtung.

24:36

Das ist ihre Befürchtung und das ist natürlich auch, jedenfalls im

24:39

geltenden Recht, eine reale Gefahr. Muss man so deutlich sagen.

24:42

Also man versucht das dann natürlich auszuschließen, indem man also in

24:46

der Praxis jetzt versucht, einen

24:48

Samenspender zu suchen, bei dem völlig klar ist, dass der kein

24:51

Interesse hat. Also zum Beispiel, weil er ganz anderswo auf der

24:54

Welt lebt. Also ich habe das im Freundeskreis

24:56

tatsächlich auch mal erlebt. Da ging es dann um eine Person, die

24:59

tausende von Flugkilometern entfernt lebt, wo so ein bisschen die

25:02

Hoffnung war, der wird schon nicht Vater werden wollen im sozialen

25:05

Sinne. Und auch das Bundesjustizministerium hat diese

25:08

Konfliktlage durchaus erkannt. Also es soll auch da Möglichkeiten

25:12

geben, wie eben solche Samenspender, man nennt das dann

25:15

Becherspender, weil das eben nicht über ein Institut geht, über

25:19

eine Samenbank, sondern weil das tatsächlich ganz banal mit einem

25:21

Becher passiert, dass diese Becher Spender tatsächlich schon im Vorfeld

25:25

rechtliche Klarheit schaffen können, indem sie auf diese Elternverantwortung

25:28

verzichten.

25:28

Weil das ist ja bei den normalen Samenbanken der normale Fall.

25:31

Da ist das, genau, bei den Samenbanken ist das rechtlich schon

25:33

geklärt, aber eben bei diesen sogenannten Becherspendern nicht.

25:36

Also wo das so im informellen Kreis passiert, nicht über eine Samenbank

25:40

und Vertrag und unterschreiben und Geld und hier und da, sondern zwei

25:44

Frauen wollen Kind, da ist ein Mann, der hat Samen.

25:47

Der würde wohl.

25:47

Der würde wohl und hat sonst kein Interesse. Aber wenn ein Kind auf

25:51

der Welt ist und wenn zwei Frauen glücklich sind, voila.

25:54

Ja. Hier ist der Becher.

25:56

Das könnte deutlicher geregelt werden.

25:59

Überhaupt mal. Bislang versucht man da alles Mögliche, geht

26:02

man halt mal zum Notar und so, aber das ist eigentlich rechtlich nicht

26:06

wirklich bindend. Und deswegen hat das BMJ

26:08

das auch in den Eckpunkten schon drin. Also man muss schon sagen, diese Eckpunkte sind an einigen

26:12

Stellen finde ich aus meiner Sicht schon sehr progressiv.

26:15

Deswegen hat ja auch Rechtsanwältin Chebout nicht grundsätzlich Probleme

26:19

angemeldet, sondern vor allem so ein bisschen an der, wie soll ich

26:22

sagen, an der Entschlossenheit des Ministeriums gezweifelt.

26:25

Man kann ja die Ampel wirklich substanziell kritisieren.

26:28

Was man aber schon sagen muss, sie arbeiten doch

26:32

auch ihren Koalitionsvertrag

26:35

ab. Und da steht zum Beispiel auch drin, wir

26:39

wollen eine Kommission einberufen, die ergründen soll, ob die

26:43

Abtreibung in Deutschland

26:45

nicht anders geregelt werden

26:47

kann, zum Beispiel außerhalb des Strafgesetzbuchs.

26:50

Und danach hatten wir ja auch Marco Buschmann bei unserem Interview

26:52

gefragt, den Bundesjustizminister. Sag mal, was ist da eigentlich mit

26:55

deiner Kommission und da sagt er, ja, ja, die richten wir jetzt ein,

26:58

kann ich nichts zu sagen. Die wird dann irgendwann einen

27:00

Bericht vorlegen, dann reden wir weiter.

27:02

So, das ist dann also diese Woche passiert.

27:05

Die Kommission hat geliefert. Seit Montag liegt ihr Vorschlag,

27:08

ihre Analyse auf dem Tisch. Interessant ist auch,

27:12

wer da so mitgewirkt hat an dieser Kommission.

27:14

Oder auch nicht mitgewirkt hat.

27:16

Also fast nur Frauen, was ja beim Thema Abtreibung total Sinn

27:19

macht und auch keine Kirchenvertreterinnen.

27:22

Ja, und da herrscht ein bisschen Dissens hier in der Redaktion, ob

27:24

das eine gute oder schlechte Nachricht ist.

27:26

Jedenfalls war es so.

27:27

Jedenfalls war es so. Ich halte es ja für einen großen

27:29

Fortschritt, dass die Kirche raus ist, zumindest aus dieser

27:32

Kommission. Die hat, finde ich, das Recht, sich zu moralischen

27:35

Fragen zu äußern, weitgehend verspielt. A) durch die Verbrechen,

27:39

die unter ihrem Dach passieren und B) durch die schlechte Aufklärung.

27:42

Insofern finde ich es gut, dass die Kirche nicht mehr einfach ein

27:45

Abo auf solche Kommissionen hat.

27:47

Also ich sehe das, ich sehe das deswegen anders, weil natürlich

27:50

Straftaten und Verbrechen und schlechte Aufklärung in der Kirche

27:54

tatsächlich vorgekommen sind. Aber ich störe mich schon an dem Begriff "die Kirche".

27:57

Es gibt ja reihenweise Kirchen. In der katholischen Kirche ist das

28:00

in jedem Bistum anders gelaufen. Die evangelische Kirche ist auch

28:03

betroffen, aber weniger betroffen. Also ich finde das-

28:05

Aber alle sind betroffen.

28:06

Alle sind mehr oder weniger betroffen. Aber von der Aufklärung

28:09

sind, denke ich, die verschiedenen Einrichtungen sehr unterschiedlich

28:12

betroffen. Und ich finde, dass sie tatsächlich auf einem

28:15

Themengebiet sich,

28:17

sagen wir mal kritikwürdig verhalten haben, bedeutet ja nicht, dass sie

28:21

deswegen keine sinnvollen Positionen

28:23

mehr zu moralischen Fragen formulieren können.

28:25

Also das würde mir zu weit gehen,

28:27

auch wenn das, wenn ich damit natürlich nichts irgendwie

28:29

gesundbeten oder rechtfertigen will, was da schiefgelaufen ist.

28:32

Jedenfalls diese Kommission hat in der genannten Zusammensetzung sich

28:36

zusammengesetzt und getagt und überlegt und gemacht und

28:39

geschrieben und haben nun also einen Bericht vorgelegt,

28:43

der der Frage nachgeht, kann Abtreibung in Deutschland nicht

28:46

anders geregelt werden außerhalb des Strafgesetzbuches?

28:49

Und die These ist von diesem Bericht

28:52

Abtreibung sollte sogar außerhalb des Strafgesetzbuchs

28:56

in Deutschland geregelt werden.

28:57

Und vor allem, und das ist, glaube ich, die zentrale These, verlangen

29:00

sie eine weit gehende Liberalisierung der Rechtslage

29:03

rund um Abtreibung. Insbesondere in der Frühphase der

29:06

Schwangerschaft, so die Kommission, müsse sie sogar generell

29:10

legal werden.

29:11

Also die Lage heute, und deswegen ja auch diese Kommission, die Lage

29:14

heute ist eben ja auch ein Kompromiss.

29:18

Das ist ein überparteilicher Kompromiss aus den 90er Jahren, der

29:22

bis heute Gesetz ist. Der wiederum fußt auf einer

29:25

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

29:28

Und diese Entscheidung oder in dieser Entscheidung hatte das

29:30

Gericht dem Bundestag relativ

29:32

wenig Spielraum eingeräumt.

29:34

Das heißt, die Vorgaben des Verfassungsgerichts, sie waren da

29:37

sehr detailliert und dementsprechend hatte der Bundestag

29:41

da auch wenig Spielraum. Aber darauf fußt halt

29:44

die Rechtslage heute.

29:46

Genau. Und die Rechtslage ist jetzt wirklich nur in Stichworten.

29:48

Wir hatten es in der Lage ja schon ganz häufig. Abtreibung ist generell

29:51

strafbar nach Paragraf 218

29:53

des Strafgesetzbuches. Sie wird aber nicht bestraft.

29:57

Sie ist also rechtswidrig, aber

29:59

nicht tatbestandsmäßig. So dieser Knoten im Kopf.

30:03

Für die Jura Nerds, die uns zuhören

30:05

ist also rechtswidrig, aber nicht tatbestandsmäßig, wenn die

30:08

Schwangere bestimmte Voraussetzungen einhält. Sie muss sich beraten

30:11

lassen, mindestens drei Tage vor dem Abbruch von einer solchen

30:14

Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle.

30:16

Der Abbruch darf nur bis zur zwölften Woche nach der Befruchtung

30:19

vorgenommen werden. Und natürlich muss er durch einen Arzt oder eine

30:22

Ärztin vorgenommen werden.

30:24

Abtreibung bleibt aber auch in diesen Fällen rechtswidrig,

30:28

das heißt nur straffrei, aber

30:30

eben gesellschaftlich nicht okay,

30:32

sondern geächtet. Und ja, also ich verstehe,

30:36

dass dieser Kompromiss vielen,

30:38

vielen Frauen nicht passt.

30:40

Das kann ich total nachvollziehen. Im Kern aus drei Punkten.

30:44

Ja, die hatten wir auch schon oft, deswegen auch hier nur in

30:46

Stichworten. Zum einen führe die weitere

30:49

Rechtswidrigkeit, wenn auch Straffreiheit von solchen

30:52

Schwangerschaftsabbrüchen zu einer Stigmatisierung.

30:54

Sie hat ja tatsächlich auch Kostenfolgen zum Beispiel, weil

30:57

Krankenkassen typischerweise die Kosten nicht übernehmen, außer bei

31:00

sehr jungen Frauen. Viele Frauen erleben die

31:03

Pflichtberatung als übergriffig,

31:05

frei nach dem Motto, ich weiß schon selbst, was für meinen Körper gut

31:08

ist. Es geht ja auch immerhin um meinen Körper. Und der dritte,

31:11

eher praktische Kritikpunkt, es gibt

31:13

einfach viel zu wenig Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen

31:17

und es gibt zu wenig Ärzte

31:19

und Ärztinnen, die dann auch tatsächlich Abbrüche vornehmen.

31:21

Mit anderen Worten, die vermeintliche Freiheit, die das

31:25

Gesetz heute einräume, die sei in der Praxis gar nicht

31:28

wirklich gewährleistet.

31:29

Klar ist aber auch auf der anderen Seite, wer in Deutschland abtreiben

31:33

möchte, der kann das eben auch tun, wenn auch mit Hürden.

31:37

Aber in aller Regel geht das. Die Rechtslage ist also

31:41

nicht perfekt. Aber, muss man auf der Habenseite sagen, immerhin

31:45

gibt es zumindest aktuell keine so extrem

31:48

polarisierende Debatte wie in anderen Ländern.

31:51

Wir hatten das ja auch in der Lage, glaube ich, 2020 irgendwann mal

31:54

dargestellt, wie die Debatte um Abtreibung das politische Klima

31:58

in den USA vergiftet hat, wie das Kristallisationspunkt

32:02

war für Spaltung links und rechts.

32:04

Das Thema hat den Republikanern massiv in die Hände gespült.

32:08

Und diese aufgeheizte Debatte hat unter anderem dazu geführt, dass

32:12

nun der Supreme Court vollgepackt

32:14

wurde mit erzkonservativen Richtern und Richterinnen.

32:17

Die werfen das Gesetz nun insgesamt

32:19

um Jahrzehnte zurück, unter anderem auch nicht nur bei

32:23

Abtreibungen, haben wir auch darüber gesprochen, sondern auch zum Beispiel im Klimaschutz.

32:26

Ja. Und das muss man sehen. Also dieser Kulturkampf um die Frage

32:30

Schwangerschaftsabbruch ja oder nein? Der ist also für progressive

32:33

Kräfte in den USA insgesamt eine Katastrophe. Sie haben jetzt nicht

32:36

nur das Recht auf Abtreibung verloren, das ja mal ein

32:39

verfassungsrechtliches Recht war in den USA, das jetzt eben nicht mehr

32:42

gilt, sondern sie verlieren auch an 1000 anderen Stellen.

32:45

Und einen solchen Kulturkampf kann ja in Deutschland eigentlich niemand

32:48

wollen. Und dementsprechend gespalten war die Ampel auch bei den

32:51

Koalitionsverhandlungen 2021.

32:54

Und was macht man, wenn man sich da nicht so richtig einigen kann?

32:57

Dann einigt man sich eben darauf, wenn man nicht mehr weiter weiß,

33:00

gründet man einen Arbeitskreis.

33:01

Und dieser Arbeitskreis, diese Kommission, die hat nun ihren

33:03

Bericht vorgestellt

33:05

und schlägt, wir haben es oben angedeutet, ziemlich weitreichende

33:09

Änderungen vor. Zum Beispiel für die Frühphase

33:12

der Schwangerschaft, sagt die Kommission, eine Verpflichtung zur

33:15

Fortsetzung der noch vergleichsweise

33:18

kurz bestehenden Schwangerschaft gegen den Willen der Frau erscheint

33:21

angesichts der gravierenden und lang andauernden Auswirkungen auf den

33:24

körperlichen und seelischen Zustand sowie die persönliche Lebensführung

33:28

und Zukunftsplanung der Frau unzumutbar.

33:31

Der Frau steht in dieser Schwangerschaftsphase ein Recht

33:35

auf Schwangerschaftsabbruch

33:37

zu, das ist deutlich.

33:40

Das ist sehr deutlich eine völlige Abkehr von der bisherigen

33:42

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

33:44

Für spätere Abbrüche, also zum Beispiel ab dem Zeitpunkt der

33:47

Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb

33:49

des Mutterleibes, soll im Prinzip im Großen und Ganzen alles bleiben wie

33:53

bisher. Und dann fordert die Kommission

33:55

drittens noch, dass Frauen den Abbruch auch tatsächlich zeitnah

33:58

barrierefrei in gut erreichbaren

34:00

Einrichtungen vornehmen lassen

34:02

können.

34:03

Ja, also sie sagen, Schwangerschaftsabbruch bis zur

34:06

zwölfte Woche muss

34:09

möglich sein. Die Frauen haben ein Recht darauf.

34:13

So sagen sie das jedenfalls aus einer verfassungsrechtlichen

34:15

Perspektive. Die Studie ist ist aber auch

34:17

ansonsten sehr lesenswert, weil wirklich sehr, sehr viele, auch

34:19

quasi tatsächliche Fragen rund

34:21

um Abtreibungen ausführlich analysiert werden, und so.

34:24

Also es ist schon sehr lesenswert. Soweit so gut.

34:27

Aber eine wichtige Frage

34:29

wird letztlich nicht so richtig beantwortet.

34:31

Und zwar ist es die, dass diese Frage Abtreibung strafbar,

34:35

ja oder nein, ja immer

34:37

zu einer Güterabwägung führt. Und die Kommission schreibt,

34:41

der Gesetzgeber muss auf

34:43

Seiten des Embryos, des Fötus, vor allem das Grundrecht auf Leben

34:48

aus Artikel zwei, Absatz zwei Satz eins des Grundgesetzes

34:51

beachten. Also hier ist das Grundrecht auf Leben beim Fötus.

34:54

Auf der anderen Seite aber eben auch

34:57

das allgemeine Persönlichkeitsrecht

34:59

der Schwangeren aus dem Grundgesetz

35:01

und ihre Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit

35:05

einbeziehen. Das sind also die beiden Grundrechte, die hier immer

35:08

miteinander und gegeneinander abgewogen werden

35:12

müssen. Und daneben gibt es dann noch die Grundrechte Dritter wie den

35:15

des männlichen Erzeugers und der Ärzte und Ärztinnen, denen eben auch

35:18

Rechnung getragen werden muss. Aber im Kern geht es hier um das

35:21

Recht auf Leben beim Fötus, beim Embryo und eben das allgemeine

35:24

Persönlichkeitsrecht, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Leben

35:27

bei der Frau.

35:27

Und das ist als solches natürlich auch gar keine Überraschung, denn

35:30

das Bundesverfassungsgericht ist seinerzeit bei dieser Abwägung ja

35:33

zur geltenden Rechtslage gekommen. Es hatte da auch noch die

35:36

Menschenwürde des Fötus stärker in den Blick genommen. Das sieht die

35:39

Kommission jetzt ein bisschen anders. Aber im Grundsatz hat das

35:42

Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 1993

35:45

dieselbe Güterabwägung vorgenommen. Es ist allerdings zu einem völlig

35:48

anderen Ergebnis gekommen.

35:49

Als die Kommission jetzt. Jetzt wiederum kommt die Kommission

35:51

zu dem Ergebnis, was wir oben geschildert haben. Die Frau hat ein

35:54

Recht auf Abtreibung in dieser frühen Phase der Schwangerschaft,

35:58

also die ersten zwölf Wochen.

36:00

Was aber völlig offen bleibt,

36:03

ist, wie ist die Kommission dahin gekommen?

36:07

Ja, sie sagen, die Frau hat ein Recht.

36:09

Aber diese Eindeutigkeit, mit der sie das formulieren,

36:13

hat ein Recht und es muss,

36:15

die ist kühn.

36:16

Also ich finde das deswegen so spannend, weil diese Analyse auf der

36:19

einen Seite sehr ausführlich und nach meiner Wahrnehmung auch sehr

36:22

nachvollziehbar, plausibel und vollständig die verschiedenen

36:24

grundrechtlichen Positionen darstellt, auch die verschiedenen

36:27

rechtsdogmatischen Sichtweisen

36:30

auf diese Grundrechte, auch zum Beispiel verschiedene juristische

36:32

Auffassungen. Es wird alles sehr sauber aufgearbeitet wie in einer

36:34

guten Doktorarbeit. Und dann kommt am Ende dieses langen

36:37

Grundrechtesteils, nach mehr als 50 Seiten, kommt dann so ein kurzer

36:41

Abschnitt, wo so mehr oder weniger apodiktisch diese Konsequenz

36:44

gezogen wird, die wir eben gerade vorgelesen haben. Man kann natürlich sagen, das

36:47

ergebe sich jetzt irgendwie aus diesen 50 Seiten oder noch mehr, ich

36:50

habe es jetzt nicht gezählt, grundrechtsdogmatischer Erwägungen.

36:53

Das will ich auch gar nicht Abrede stellen. Vielleicht ist es ja alles richtig. Nur dieser logische

36:57

Schluss, von den vielen, vielen Grundrechten hin zu

37:01

der These der Kommission, der hängt irgendwie so ein bisschen in der

37:04

Luft. Viele würden daher sagen, na ja, das ist eine plausible Position,

37:08

das darf man so sehen, kann man so sehen. Aber letztlich

37:11

bleiben da eben doch eine ganze Menge Spielräume.

37:14

Und wirklich entscheiden kann das eben nur der Gesetzgeber.

37:17

Also ich glaube, das, was du ja sagst, es steht einfach nicht bei

37:20

uns in der Verfassung, im Grundgesetz, Frauen haben ein Recht

37:24

auf Abtreibung bis zur zwölfte Woche. Das steht da nicht.

37:26

Deswegen würde ich sagen, jedes Gesetz, was am Ende Gesetz wird,

37:30

ist immer Ergebnis einer Abwägung

37:33

der Sachen, die im Grundgesetz stehen. Und die Kommission hat

37:36

die Sachen, die im Grundgesetz stehen, sauber aufgelistet.

37:39

Aber wie sie zu dieser Gewichtung kommen, dass das, was wir

37:42

aufgelistet haben, dazu führt,

37:45

dass wir sagen, die Frau hat ein Recht und der Staat muss,

37:49

das bleibt einfach im Dunkeln.

37:51

Und sie sagen, das Grundrecht der Frau überwiegt und man fragt sich,

37:54

ja, das kann man sicher so sehen. Aber wie leitet ihr das her aus dem,

37:57

was im Grundgesetz steht? Das wird da irgendwie nicht richtig klar.

37:59

Also da sehe ich den zentralen Bruch. Es gibt so einen Gedanken,

38:02

der, also das muss man mutmaßen,

38:05

aber der vermutlich die Kommission zu diesem Ergebnis geführt hat.

38:08

Und das ist der Gedanke, dass das Grundrecht des Fötus auf Leben

38:12

mit fortdauernder Schwangerschaft

38:14

immer intensiver wird. Sie gehen davon aus, dass gewinnt

38:18

immer mehr an Gewicht, insbesondere von dem Zeitpunkt an, wo der Fötus

38:21

auch außerhalb des Mutterleibes lebensfähig wäre.

38:24

Andererseits argumentieren sie, dass das Grundrecht auf Leben so lange

38:28

gleichsam schwächer ausgeprägt sei,

38:31

wie der Fötus biologisch noch auf den Körper der Mutter angewiesen

38:34

ist. Ja, das ist, glaube ich, der Grundgedanke, der dahintersteht.

38:36

Andererseits sagen sie, dass quasi das Selbstbestimmungsrecht der

38:39

Mutter immer schwächer werde.

38:42

Aus einer feministischen Perspektive auch vermutlich nicht unstrittig

38:45

dieser Punkt. Aber, dass das Recht immer schwächer werde, je länger die

38:48

Frau quasi die Schwangerschaft schon geduldet hat.

38:50

Na, das habe ich jetzt etwas zugespitzt, aber das scheint mir der

38:53

Gedanke zu sein. Also das sind die beiden zentralen

38:55

Argumentationsmuster und ich finde, die haben auch mehr oder weniger was

38:59

für sich. Mit dem zweiten habe ich eher ein bisschen Probleme.

39:01

Grundsätzlich kann man aber, glaube ich, schon sagen, je weiter das Baby

39:04

herangewachsen ist, desto stärker

39:06

sein Recht auf Leben. Nur auch das führt aus meiner Sicht

39:09

jetzt nicht zwingend zu der Konsequenz, die die Kommission

39:12

zieht. Und ich frage mich so ein bisschen-

39:13

Ja, Entschuldigung, aber wenn dir hier jetzt so zuhöre, das ist ja

39:16

letztlich auch der Gedanke, der der jetzigen Regelung zugrunde liegt.

39:19

Genau.

39:20

Die kommen halt dann zu anderen Konsequenzen, wie diese

39:22

Güterabwägung dann in reales

39:24

Leben umgemünzt werden soll. Aber die Abwägung ist da.

39:28

Sie kommen aber zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen und

39:30

man würde schon gern wissen, wie kommt denn diese Kommission, die nun

39:34

extra eingesetzt wurde, um das mal richtig wissenschaftlich

39:38

aufzuschlüsseln, wie kommt diese Kommission zu ihrem Schluss?

39:41

Das wird ja auch nicht ganz unwesentlich sein, denn sollte diese

39:44

Regelung wirklich Gesetz werden, dann wird die in Karlsruhe landen

39:47

und dann hätte man von so einer Kommission schon gerne gewusst,

39:50

na, wie würden wir denn wohl in Karlsruhe argumentieren?

39:54

Weil-

39:55

Sie würden halt und sie würden es halt einfach glaube ich so argumentieren, wie ich es gerade

39:57

dargestellt habe. Ich glaube, das wäre die Argumentation.

40:00

Ich glaube, der zentrale Fehler ist noch nicht mal zu sagen, wir

40:03

finden das die plausiblere

40:05

Lösung. Aber ich glaube, es geht eigentlich zu weit zu sagen, es gibt

40:08

quasi in diesem verfassungsrechtlichen Konfliktfeld

40:11

letztlich nur noch eine richtige Lösung.

40:14

Das halte ich jedenfalls verfassungsrechtlich betrachtet für

40:18

mutig.

40:18

Kühn.

40:19

Kühn. Ich glaube, das ist die richtige Beschreibung. Ich glaube, es wäre

40:22

ein Tick redlicher gewesen zu sagen, das ist das Spannungsfeld.

40:25

Das haben sie ja sehr schön gemacht, das haben sie ja aufgearbeitet.

40:27

Und innerhalb dieses Spannungsfeldes

40:30

muss der Gesetzgeber eine Abwägungsentscheidung treffen.

40:33

Und ich meine, das ist doch die klassische Aufgabenverteilung.

40:35

Das Grundgesetz definiert bestimmte

40:37

Rechtspositionen, verfassungsrechtliche Positionen.

40:39

Da bleibt eigentlich immer irgendwo eine Grauzone, außer bei

40:43

Menschenwürdeverstößen. Und diese Grauzone auszufüllen,

40:47

zu entscheiden im Detail, welches

40:49

Grundrecht überwiegt welches andere?

40:51

Das ist doch die zentrale Aufgabe der Politik.

40:55

So spielen Grundrechte, Grundgesetz

40:57

und Politik zusammen. Das Grundgesetz gibt einen Rahmen

41:00

vor und innerhalb dieses Rahmens

41:02

eine Wertentscheidung zu treffen, das ist eben genau das, was die

41:05

Menschen tun müssen, die wir demokratisch legitimieren.

41:09

Da würde ich jetzt sagen, genau dabei hätte diese Kommission der

41:11

Politik ja helfen sollen.

41:14

Da würde ich sagen, diesen Auftrag hat sie aus meiner Sicht erfüllt.

41:17

Ja, ich bin jetzt auch kein Oberexperte für das Thema, aber ich

41:19

habe das mit großem Interesse, mit großem Gewinn gelesen.

41:22

Das ist aus meiner Sicht eine sehr gute juristische Analyse, die

41:26

die relevanten Rechtspositionen tatsächlich darstellt.

41:29

Das ist extrem hilfreich. Nur wenn man so eine steile These

41:32

aufstellt, es gibt nur noch eine richtige rechtliche Lösung, dann

41:35

braucht man an dieser Stelle aus meiner Sicht mehr an Begründungen.

41:39

Die Union droht ja nun auch mit Klage. Wenig überraschend.

41:42

Es wäre grundfalsch, sagt Thorsten Frei, der Parlamentarische

41:45

Geschäftsführer der Unionsfraktion, es wäre grundfalsch,

41:48

weitere gesellschaftliche Konflikte zu provozieren.

41:52

Auch der Vorsitzende der CSU Landesgruppe im Bundestag, Alexander

41:54

Dobrindt, drohte mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Dobrindt

41:58

sprach von einem weiteren

42:00

Baustein in der Polarisierung der Gesellschaft.

42:03

Mit dem Paragraphen 218

42:05

sei vor 30 Jahren ein schwieriger Kompromiss erarbeitet worden,

42:08

sagt er, der für viele nicht zufriedenstellend ist, der aber

42:12

einen gesellschaftlichen Frieden hergestellt hat über dieses

42:15

Thema. Zitat Ende. Dann war natürlich jetzt die große

42:19

Frage okay, da gibt es die Kommission mit einer sehr klaren

42:22

Handlungsanweisung an die Politik. Was sagen denn nun die Minister

42:25

Ministerinnen, die diese Kommission

42:27

ins Rennen geschickt haben? Da gab es dann im Anschluss gleich

42:30

auch eine Pressekonferenz

42:32

von den drei betreffenden Ministern

42:34

Ministerinnen, Karl Lauterbach, SPD

42:36

Gesundheit, Marco Buschmann, FDP Justiz und Lisa Paus,

42:40

Familie von den Grünen.

42:42

Und ich würde ihre Aussage mal so paraphrasieren.

42:46

Vielen Dank für den Bericht. Wir prüfen das mal und melden

42:49

uns dann, falls wir irgendwann noch mal wiedergewählt werden, aber in

42:51

dieser Legislatur werden wir das nicht anfassen.

42:53

Also es klang tatsächlich so, also Bundesgesundheitsminister Karl

42:56

Lauterbach hat deutlich gemacht, es brauche einen breiten

42:59

gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens.

43:03

Klammer auf, den es ja nicht gibt,

43:05

hat die Union sofort deutlich gemacht. Das heißt also, Karl

43:07

Lauterbach hat einer Reform damit

43:09

durch die Blume eine Absage erteilt, und er schiebt das jetzt so ein

43:12

bisschen auf die lange Bank. Er sagt nämlich, er werde einen

43:15

geordneten Prozess vorschlagen, wie, Zitat, wie wir als

43:18

Bundesregierung im Parlament damit umgehen.

43:20

Bundesjustizminister Marco Buschmann sagt, er werde den Bericht zunächst

43:23

gründlich auswerten. Immer gut über Konsequenzen zu

43:26

reden, sei noch zu früh. Zitat Was wir nicht gebrauchen

43:29

können, das sind Debatten, die die Gesellschaft in Flammen setzen oder

43:33

gar spalten.

43:35

Klingt auch nicht so, als wenn er da in den Konflikt gehen wollte mit der

43:37

Union.

43:38

Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen sagt, die Empfehlungen

43:41

der Kommission böten eine gute Grundlage für den notwendigen

43:45

offenen und faktenbasierten

43:47

Diskurs. Ich will mal sagen politischer Drive,

43:50

politischer Gestaltungs- und Handlungswille in dieser Frage, der

43:54

klingt anders.

43:55

Dann hören wir aus der Ampel auch noch das Zitat,

43:59

das haben wir von mehreren Leuten gehört, Olaf will das nicht.

44:02

Also Olaf Scholz will das Fass nicht aufmachen.

44:05

Der Kanzler hat keine Lust auf einen weiteren Konflikt, was ich politisch

44:07

nachvollziehen kann. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich

44:10

finde, diese Kommission hat eine sehr wertvolle Arbeit gemacht.

44:13

Das war auf jeden Fall gut, die Kommission einzusetzen.

44:16

Die verfassungsrechtliche Aufarbeitung ist aus meiner Sicht

44:18

aller Ehren wert. Und gerade auch diese Analysen, zum Beispiel

44:22

Rechtsvergleichen, wie sie das in anderen Ländern so, das ist alles

44:24

total wertvoll. Und sie hat immerhin deutlich

44:27

gemacht, aus ihrer Sicht kann man Schwangerschaftsabbrüche

44:31

entkriminalisieren. Man kann sie außerhalb des

44:33

Strafgesetzbuchs regeln. Das, finde ich, ist schon mal ein

44:35

starkes Statement. Und sie führt ja auch durchaus

44:38

gewichtige Argumente an. Andererseits hat die Analyse, wie

44:41

wir finden, auch Schwächen an zentralen Stellen.

44:43

Eins ist aber jedenfalls klar, eine Reform im Sinne der Kommission,

44:47

also Straffreiheit für den Schwangerschaftsabbruch in den

44:50

ersten Wochen, eine solche Reform kann tatsächlich

44:54

gut gehen, aber eben letztlich nur,

44:56

wenn das Bundesverfassungsgericht mitspielt.

44:58

Außerdem ich glaube, da hat die Union

45:02

nicht ganz Unrecht, natürlich wären sie da auch dran beteiligt, aber es

45:05

wird nicht nur die Union sein.

45:07

Außerdem würde so eine Debatte

45:10

sehr wahrscheinlich zu einem echten Kulturkampf auch in Deutschland

45:13

führen. Deutschland ist nicht Amerika. Aber es gibt doch auch Strukturen

45:17

der öffentlichen Debatte und Player, die hier auftauchen,

45:21

die denen in den USA schon sehr ähnlich sind.

45:23

Und ich glaube, es bedarf nicht

45:26

zu vieler Fantasie, um zu sagen,

45:28

das wird hier eine richtig, richtig heiße, wilde, völlig

45:32

irre Debatte auslösen. Ein Kulturkampf, der unter

45:36

Umständen mehr kaputt macht,

45:38

als er bringt.

45:40

Das ist das Risiko, das ich persönlich auch sehe.

45:42

Das, muss man natürlich sagen, ist als solches

45:50

jetzt auch kein alleinseelig machendes Argument. Also ganz ehrlich, es gibt auch andere Kulturkämpfe, die totaler Bullshit sind. Denken wir an die Genderdebatte und so.

45:53

Auf der anderen Seite muss man eben sehen. Hier ist es nicht ganz so

45:56

einfach. Hier sind richtig und falsch nicht so klar.

45:59

Und ich bin da glaube ich im Ergebnis bei Olaf Scholz, wenn er

46:02

sagt, also dieses grundsätzliche Fass aufzumachen, das hätte große

46:05

Risiken. Aber ich finde, Philip,

46:07

mit der Absage an die grundsätzliche

46:09

Diskussion bedeutet das ja nicht, dass die Ampel gar nichts machen

46:12

sollte. Ich finde nämlich, die Ampel sollte doch zumindest die Kraft

46:15

aufbringen, innerhalb des bisherigen

46:18

Rechtsrahmens endlich mal was zu tun, um die Situation schwangerer

46:21

Menschen zu verbessern.

46:22

Ich finde, ich kann die Leute total verstehen, die sagen, wir müssen,

46:25

wenn wir das Richtige erkannt haben, auch das Richtige tun und auch dafür

46:28

kämpfen.

46:29

Ja.

46:29

Ich finde, es gibt Argumente, die

46:31

einen da nachdenklich werden lassen, ob das in diesem Fall die richtige

46:35

Idee ist. Aber wie du sagst, wenn wir uns

46:38

dafür entscheiden, dieses Fass jetzt nicht aufzumachen, zumindest nicht

46:41

in dieser Legislatur.

46:42

Das sagt die Ampel ja jetzt im Prinzip.

46:44

Das sagt die Ampel, das wird nicht passieren. Dann müsste sie mindestens dafür

46:48

sorgen, dass A) der Abbruch wirklich kostenlos möglich sein

46:51

muss, nicht nur für junge Frauen, sondern einfach kostenlos, dass

46:55

die das nicht selber bezahlen müssen. Und er muss natürlich

46:58

viel, viel einfacher werden. Die Hürden, die da sind

47:02

über dieses Stigma hinaus,

47:04

ist rechtswidrig, die müssen einfach abgebaut werden. Wir brauchen viel

47:08

mehr Beratung, viel mehr Ärzt:innen, viel leichteren Zugang.

47:11

Es braucht viel mehr Anreize, um Beratungsstellen einzurichten,

47:15

Fahrtkosten und so zu der Beratung, auch zu dem

47:18

Abbruch. Die müssen übernommen werden. Es muss eine

47:21

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch geben können.

47:25

Wenn man zu so einer Beratung geht, ohne zu sagen, ich gehe zu so einer

47:29

Beratung.

47:30

Man muss halt einfach zum Hausarzt oder zur Hausärztin gehen können.

47:32

Ich hole mir jetzt einen gelben Zettel, weil ich mich beraten lassen

47:35

will. Das geht den Arbeitgeber nun wirklich gar nichts an, dass man

47:37

ungewollt schwanger ist. Aber ich finde, es muss dann möglich

47:40

sein, da eben unbürokratisch quasi

47:42

freizubekommen auf der Arbeit. Und natürlich müsste es mehr Geld

47:46

geben für Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche vornehmen. Denn die Zahl

47:49

derjenigen, die dazu bereit sind, die das anbieten, geht ja

47:52

immer weiter zurück. Ja, eine Hürde, dieses berühmte

47:55

sogenannte Werbeverbot 219 a StGB

47:58

hat die Ampel schon abgeschafft. Aber es muss da einfach mehr Anreize

48:01

geben. Denn eins ist doch mal klar, wenn man sagt,

48:04

Schwangerschaftsabbruch ist zwar rechtswidrig, aber im Grundsatz eben

48:07

doch straffrei möglich, dann muss man auch sich ehrlich machen und

48:10

tatsächlich diese Möglichkeit schaffen. Und zwar für alle

48:13

Menschen, nicht nur in Berlin.

48:13

Für alle Menschen, nicht nur in Berlin und nicht noch so, ja,

48:16

es gibt keine Strafe im Sinne des Strafgesetzbuches.

48:19

Aber so ein paar drücken wir euch schon rein.

48:21

Zahlt man halt mal schön und so und nimm mal schön Urlaub.

48:27

Die Ampel hat sich diese Woche auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes

48:31

geeinigt, also letztlich in der Frage, wie sehr muss die Ampel

48:35

eigentlich sich anstrengen, noch für den Klimaschutz auch kommende

48:38

Regierung, aber in erster Linie auch die Ampel selbst.

48:41

Und das ist wirklich eine interessante Geschichte. Einerseits natürlich

48:43

inhaltlich, weil es da wirklich um substanziellen Klimaschutz geht,

48:46

aber eben andererseits auch, weil es

48:48

zeigt, wie Politik gemacht

48:50

wird. Und um das ein bisschen aufzudröseln, nehmen wir uns ein

48:52

bisschen Zeit und zäumen das Pferd von hinten auf.

48:56

Schön der Reihe nach.

48:57

Es gibt ja diesen schönen alten Spruch. Sowohl beim Gesetze machen als auch

49:00

beim Würstchen machen, sollte man lieber nicht zu genau zuschauen.

49:03

Und so ein bisschen so ist das auch

49:06

hierbei. Ja, also letzte Woche gab es großen Wirbel in Deutschland,

49:09

vor allem in der Bildzeitung um angeblich drohende Fahrverbote

49:14

für Autos am Wochenende. Verkehrsminister Volker Wissing

49:17

nämlich hatte einen Brief geschrieben an seine Minister,

49:20

Kolleginnen und Kollegen. Genau genommen geschrieben hatte er,

49:24

dass Maßnahmen drohen.

49:26

Ja, Fahrverbote waren da nur eine denkbare Maßnahme,

49:31

wenn er tatsächlich die Vorgaben des zurzeit noch geltenden

49:34

Klimaschutzgesetzes erfüllen muss.

49:36

So, das war das, was er geschrieben hat. Natürlich wurde der Brief

49:39

geleakt und daraufhin

49:41

brach bei der Bildzeitung Panik

49:43

aus. Die BILD ließ diese Differenzierung Maßnahmen,

49:46

vielleicht Fahrverbote so, natürlich weg, wie es die Bildzeitung halt so

49:49

macht und machte daraus ganz plakativ "Wissing droht

49:52

mit Fahrverboten".

49:54

Ja, Wissing hat aber auch nicht viel unternommen, um diesen Eindruck zu verwischen.

49:56

Also er hat dann hinterher auch noch von rabiaten Maßnahmen gesprochen,

49:59

die getroffen werden müssen. Also das war schon auch ganz in

50:01

seinem Sinne. Aber alle haben sich dann natürlich gefragt, warum bitte

50:04

um alles in der Welt droht der Verkehrsminister mit Fahrverboten?

50:08

Warum setzt er die ganze Republik

50:10

in Panik? Und der Hintergrund, du hast es

50:12

angedeutet, ist eben das noch geltende Klimaschutzgesetz.

50:15

Bzw. Wissings verzerrte, muss man sagen,

50:18

Darstellung dessen. Das wurde ja noch von der großen

50:21

Koalition verabschiedet,

50:23

nachdem es 2021 eine ziemliche Klatsche gab vom

50:27

Bundesverfassungsgericht. Das alte Klimaschutzgesetz war

50:30

demnach verfassungswidrig, weil es eben zu wenig Klimaschutz brachte.

50:33

Deswegen musste das

50:35

erneuert werden, musste da eine Novelle her.

50:37

Das hat die GroKo dann noch kurz vor Toresschluss gemacht.

50:40

Im Sommer 2021 wurde das noch schnell vor der Bundestagswahl

50:43

durchs Parlament gebracht. Und das brachte da tatsächlich

50:47

einen ganz interessanten Mechanismus.

50:49

Richtig, Im Anhang zwei ist nämlich jetzt genau aufgeschlüsselt,

50:52

wie viel CO2 darf eigentlich

50:55

jeder Sektor des deutschen Wirtschaftslebens eigentlich

50:58

ausstoßen? So und so viel Tonnen darf

51:01

Industrie, Energiewirtschaft, Landwirtschaft, Gebäude, Verkehr,

51:03

Abfallwirtschaft und Sonstiges in diesem Jahr ausstoßen.

51:07

Und weil es natürlich für diese Sektoren jeweils im Kern

51:10

ein Ministerium, eine Ministerin, einen Minister gibt, führte das dann

51:13

zu einer relativ klaren politischen

51:16

Verantwortung. Also man hatte Emissionsmengen pro Sektor, da gab

51:19

es politische Verantwortung, und wenn es in einem Sektor nicht

51:22

funktioniert mit dem Klimaschutz, dann war auch immer relativ klar,

51:25

Welche Ministerin, welcher Minister hat den Hut auf?

51:28

Wenn diese Sektoren

51:30

ihren CO2 Ausstoß in einem Jahr übertreffen, dann wird

51:34

das kurz überprüft vom Expertenrat für Klimafragen. Und wenn dem dann

51:37

so ist tatsächlich, dann muss

51:39

das zuständige Ministerium, der Minister, die Ministerin innerhalb

51:42

weniger Monate einen Maßnahmenkatalog vorlegen, der

51:45

sicherstellt, dass halt dieser

51:47

Sektor, diese überschüssigen

51:49

CO2 Tonnen, die jetzt ausgestoßen wurden, in den nächsten Jahren

51:53

wieder einspart. Das ist der Mechanismus.

51:56

So, und so kam es dann auch dieses Jahr wieder quasi zum Showdown.

51:59

Das Umweltbundesamt nannte

52:02

vor einigen Wochen schon den Ausstoß pro Sektor im Jahr 2023.

52:06

Ergebnis, die meisten Sektoren sind auf Kurs, die Emissionen sinken

52:10

mehr oder weniger, außer Gebäude und vor allem Verkehr.

52:14

Das sind die beiden Sektoren, wo die Einsparziele bei weitem

52:17

nicht erreicht worden sind.

52:18

Und das wurde jetzt noch mal überprüft, wie beschrieben vom

52:21

Expertenrat für Klimafragen. Die haben sich das noch mal angeguckt

52:23

und die haben gesagt, ja, die Zahlen sind so weit okay, es gibt hier und

52:26

da ein bisschen Ermessensspielraum, aber im Kern ist das so.

52:28

Die meisten Sektoren sind auf Kurs, außer Gebäude und vor allem Verkehr.

52:32

Tja, nun müsste Volker Wissing, der Bundesverkehrsminister, nach dem

52:35

heute geltenden Klimaschutzgesetz noch im Juli Maßnahmen vorlegen.

52:39

Und zwar, wie will er die zu

52:41

viel emittierten Millionen Tonnen CO2 einsparen?

52:44

Und zwar, und das ist ganz wichtig, er muss das nicht unbedingt in den

52:47

nächsten Wochen oder Monaten, auch nicht im nächsten Jahr, wie Wissing

52:51

in seinem Brief unterstellt hat, sondern in den nächsten Jahren.

52:54

Er muss zwar schnell reagieren, aber diese Reaktion muss jetzt nicht

52:58

noch in diesem Jahr zwingend

53:00

quasi das komplette zu viel emittierte CO2 einsparen,

53:04

sondern er muss halt einfach nur einen Pfad skizzieren, wie das

53:07

wieder eingesammelt werden soll.

53:08

Es gibt da ein bisschen Interpretationsspielraum, aber die Experten sind sich alle

53:10

einig, das muss nicht im nächsten Jahr passieren, dafür hast du ein

53:13

paar Jahre Zeit. Wissing aber sagt, er muss das im nächsten Jahr machen.

53:16

Deswegen ginge das nur mit Fahrverboten. Daher kommen diese

53:19

Fahrverbote. Das ist natürlich Unsinn, sagen

53:22

viele Experten, auch der Chef des Umweltbundesamtes.

53:25

Er sagt, zum einen gibt es gar keine Rechtsgrundlage für Fahrverbote.

53:28

Und zum anderen müssen diese 22 Millionen Tonnen, um die der Verkehr

53:32

in diesem Jahr sein Emissionsbudget

53:34

überschritten hat, nicht zwingend im nächsten Jahr eingespart werden.

53:37

Außerdem, sagt er, gibt es viel bessere Sparmaßnahmen

53:41

als ausgerechnet Fahrverbote.

53:43

Sinnvoll wären, nach einer ganz

53:45

ausführlichen Studie des Umweltbundesamtes vor allem drei

53:48

Maßnahmenpakete. Ein Tempolimit auf Autobahnen und

53:51

auf Landstraßen. Muss nicht 100 sein, kann auch 130 und 80

53:54

sein. Aber der Effekt ist substanziell.

53:56

Mehr Elektromobilität und

53:58

natürlich klimaschädliche Subventionen abbauen wie etwa

54:01

Dienstwagenprivileg und solche Sachen.

54:03

Genau. Haben wir alles in der Lage schon oft erklärt. Das Umweltbundesamt

54:06

behauptet das jetzt auch nicht einfach so, sondern die haben das

54:08

ganz konkret durchgerechnet, haben einen konkreten Plan vorgelegt.

54:12

Den haben wir natürlich in den Shownotes verlinkt, wie auch der

54:14

Verkehrssektor endlich auf den Klimaschutzpfad kommen könnte.

54:18

Dieses Konzept besteht insbesondere aus acht Bausteinen und die drei

54:22

Bausteine, die am meisten bringen,

54:24

sind eben Tempolimit, mehr Elektromobilität, weil

54:28

Elektroautos jedenfalls beim Fahren erst mal CO2 neutral

54:32

sind, wenn sie mit grünem Strom

54:34

"getankt" werden, und die klimaschädlichen Emissionen.

54:37

Das sind die drei großen Klopper, also Elektrifizierung, sagt das

54:40

UBA, bringt 37 Millionen Tonnen

54:42

CO2 Äquivalente bis 2030.

54:45

Tempolimit, die schlagen vor 120, 80 und 30

54:48

innerorts bringt 38 Millionen

54:51

Tonnen CO2 Äquivalente und

54:53

der Abbau klimaschädlicher Subventionen immerhin 28

54:57

Millionen. Also das sind so drei ganz wichtige Bausteine, sagt das

55:00

UBA. Das Problem ist bloß:

55:02

Volker Wissing will das nicht. Er will das einfach, und zwar auch

55:05

schon seit Jahren nicht. Und deswegen passiert im Verkehr

55:08

einfach zu wenig. Es gibt ein bisschen Ladesäulensubvention.

55:11

Ja, da passiert ein bisschen was. Auch bei der Bahn wird natürlich

55:13

investiert, aber zu wenig, wie wir wissen. Auch das Deutschlandticket

55:16

ist mit angeschoben worden. Aber da hat der Expertenrat für

55:19

Klimafragen jetzt auch bei der Pressekonferenz diese Woche gesagt,

55:22

den Klimaeffekt des Deutschlandtickets können wir noch

55:24

nicht abschätzen. Fakt ist, das Ziel,

55:28

was im Klimaschutzgesetz für den Verkehr vorgegeben ist,

55:32

ist nicht in Sicht.

55:33

Und zwar, weil die Leute halt einfach viel zu viel

55:37

mit Verbrennern fahren. Das ist der eine zentrale Grund.

55:40

Warum sie das tun, was man dagegen machen könnte, haben wir gesagt.

55:43

Aber der zentrale Grund ist, es fahren einfach viel zu viele Leute

55:47

viel zu viele Kilometer mit Verbrennern.

55:48

Und es wird zu viel Güter auf der Straße transportiert.

55:52

Das sind auch Verbrenner.

55:52

Richtig. Also UBA sagt, Umweltbundesamt sagt, der

55:57

Verkehrssektor ist die Megabaustelle, wo derzeit

55:59

Deutschland den Weg zur Klimaneutralität verstellt.

56:03

So will ich es mal formulieren. Und deswegen gucken nun also

56:07

alle Wissing an und sagen, Und?

56:09

Tu was! Du bist verantwortlich.

56:11

Und zwar nicht zuletzt auch die Gerichte tun das.

56:13

Die Deutsche Umwelthilfe hat den Bund schon vor einiger Zeit

56:16

verklagt, weil er eben seine Pflichten aus dem Klimaschutzgesetz

56:19

nicht erfüllt. Und der Bund hat dieses Verfahren

56:22

schon zweimal krachend verloren, nämlich vor dem Verwaltungsgericht

56:25

Berlin und dem Oberverwaltungsgericht Berlin

56:27

Brandenburg. Das ist, wenn man ehrlich ist, auch überhaupt nicht überraschend, weil

56:30

einfach völlig klar ist, dass der Verkehrssektor hier seine Vorgaben

56:33

nicht erfüllt.

56:34

Ja, und vor allen Dingen, dass Wissing keine Maßnahmenpläne

56:37

vorlegt. Er ist ja verpflichtet, aufgrund der Überschreitung diese

56:40

Pläne vorzulegen. Er argumentiert, er hat die

56:43

vorgelegt. Aber der Expertenrat für Klimafragen hat gesagt, ehrlich

56:46

gesagt, das sind zwar irgendwie Pläne, aber wir können die gar nicht

56:48

prüfen, weil da gar nicht richtig Maßnahmen drinstehen.

56:50

Also de facto hat er sich geweigert,

56:52

in den letzten Jahren seiner gesetzlichen Verpflichtung

56:55

nachzukommen, diese Pläne vorzulegen, wie er in seinem Sektor

56:58

von diesen Emissionen runterkommt.

57:00

Der Bund allerdings hat diese zwei Niederlagen nicht auf sich sitzen

57:02

lassen, ist in Revision gegangen. Jetzt liegt der Fall also beim

57:05

Bundesverwaltungsgericht, und auch deswegen ist da so ein bisschen

57:09

Druck auf dem Kessel. Denn der Bund wird dieses Verfahren

57:12

in Leipzig nach menschlichem Ermessen verlieren, jedenfalls

57:16

nach dem heutigen Klimaschutzgesetz.

57:18

Denn der Verstoß gegen das Klimaschutzgesetz ist glasklar,

57:21

mega peinlich für Volker Wissing. Die Gerichte könnten ihn

57:24

schlimmstenfalls inhaftieren, um ihn zu zwingen endlich das

57:27

Klimaschutzgesetz. Ja, ich meine, Verwaltungszwang.

57:29

Spart auch CO2. Fährt ja nicht mehr in einem Auto.

57:31

Weißte Bescheid, fliegt auch nicht mehr nach Rheinland Pfalz und so.

57:33

Also jedenfalls eilt das natürlich

57:36

deswegen, weil eine solche Niederlage um jeden Preis vermieden

57:38

werden soll, schon aus Gesichtswahrungsgründen. Die Frage ist halt Phillip, Warum

57:43

will denn Volker Wissing ums Verrecken im Verkehrsbereich keine

57:46

Maßnahmen treffen, die wirklich CO2 einsparen würden?

57:49

Wir würden ihn das natürlich gerne fragen. Hatten auch schon mal

57:51

Interview angefragt, keine Antwort bekommen. Vielleicht ergibt sich das

57:54

ja noch mal, deswegen können wir das jetzt nur vermuten.

57:56

Ich vermute, es hängt damit zusammen, weil einfach

58:00

ein Gutteil seiner Wähler das

58:02

nicht wollen. Ein Gutteil derjenigen, die

58:05

halt diese 4 % für die FDP noch ausmachen, die haben einfach

58:09

keinen Bock drauf.

58:10

Das heißt also Klimaschutz hin oder her, Klimaschutzgesetz hin oder her,

58:13

alles scheißegal. Unsere paar Prozent fossilen

58:17

Betonköpfe, die uns noch wählen, die wollen das nicht. Also deswegen

58:20

mache ich das nicht.

58:21

Deswegen mache ich das nicht.

58:21

Mutmaßlich!

58:22

Mutmaßlich.

58:23

Ausdrücklich auch noch mal die Einladung an Volker Wissing.

58:25

Sie bekommen von uns 60 bis 75

58:27

Minuten Interview. Wenn Sie da Zeit und Lust haben, uns

58:30

das mal zu erklären. Wir sind innerhalb von ein paar Tagen bei Ihnen im Haus.

58:33

Deswegen, also wegen

58:35

der Abneigung Wissings und der FDP insgesamt gegen dieses

58:38

Klimaschutzgesetz hat die FDP ein

58:40

neues Klimaschutzgesetz gefordert, schon lange.

58:43

Der Plan war

58:45

immer schon, ja, ja, wir wollen jetzt nicht jedes Jahr zurück

58:48

gucken, was hat denn jeder Sektor so ausgestoßen bzw wo hat er zu viel

58:52

ausgestoßen und dann irgendwelche

58:54

verpflichtenden Maßnahmenpläne einfordern, sondern wir wollen

58:57

einfach lieber Prognosen

58:59

machen, schauen, ob wir da ungefähr

59:01

unser Ziel 2030 erreichen. Und erst wenn das zwei Jahre

59:05

hintereinander nicht

59:07

funktioniert und die Prognose zwei Jahre hintereinander ergibt, na, das

59:10

Ziel 2030, das werden wir nicht erreichen. Erst dann soll

59:13

die Bundesregierung und dann irgendwie auch die Ministerien

59:17

überlegen, wie sie denn wieder auf den Pfad zurückkommen.

59:19

Ja, es würde in der Praxis natürlich bedeuten, dann könnte im

59:21

Verkehrssektor erst mal weiterhin

59:23

so gut wie nix passieren. Insbesondere Minister Wissing wäre

59:27

aus der Schussbahn. Fragt sich natürlich, diese

59:29

Koalition besteht ja jetzt nicht nur aus der FDP, sondern auch

59:33

aus der SPD. Also Olaf Scholz, der immerhin sich

59:35

hat wählen lassen als Klimakanzler

59:37

2021 und natürlich vor allem die Grünen, für die ja effektiver

59:41

Klimaschutz jedenfalls offiziell quasi zur DNA gehört.

59:44

Dann fragt man sich, wieso machen die so was mit?

59:46

Es gab einen Koalitionsausschuss, das war so die erste Stufe.

59:49

Und zwar schon im Sommer letzten Jahres.

59:50

Richtig, Schon schon wirklich lange her, fast ein Jahr her.

59:53

Und damals ging es halt noch um das, ihr erinnert euch vielleicht, Heizungsgesetz.

59:56

Und das hat die FDP dann nur passieren lassen unter anderem

1:00:00

deshalb, weil die Grünen gesagt haben, na gut, dann reden wir halt

1:00:03

mit euch auch über eine Reform des Klimaschutzgesetzes, da hatten die

1:00:06

Grünen eigentlich überhaupt kein Bock drauf. Aber weil sie das

1:00:08

Heizungsgesetz durchbekommen wollten, haben sie sich darauf

1:00:10

eingelassen.

1:00:11

Das war also der Deal. Das sogenannte Gebäudeenergiegesetz

1:00:14

gegen ein Abschwächen des Klimaschutzgesetzes.

1:00:18

So kam es dann auch, also ein aufgeweichtes Klimaschutzgesetz, das

1:00:21

ging dann auch durchs Kabinett. Das heißt, die Grünen haben da ihr

1:00:23

Wort gehalten, dem zugestimmt. Aber nun lag es halt neun Monate

1:00:26

lang im Bundestag und es ging einfach nicht voran.

1:00:29

Und die Frage ist, warum hat es so lange gedauert?

1:00:32

Na ja, es gab eine politische

1:00:34

Kopplung. Die FDP wollte diese Novelle des Klimaschutzesgesetzes

1:00:38

mit den bekannten Kalkül, Wissing aus der Schussbahn zu nehmen.

1:00:41

Die Grünen wollten es aber auf keinen Fall. Oder im Parlament gab

1:00:45

es erhebliche Widerstände. Die Grünen wollten aber gerne ein

1:00:48

Solarpaket durchbringen, wo es dann irgendwie Subvention für deutsche

1:00:51

Solarhersteller gibt, wo es weniger Bürokratie gibt, um Solarpaneele

1:00:54

aufzubauen. So, und dann hat die FDP gesagt,

1:00:56

also wenn das jetzt hier so lange dauert, mit dieser Reform des

1:00:58

Klimaschutzgesetzes, dann lassen

1:01:01

wir euer Solarpaket auch verrecken auf der offenen Wildbahn und nungab

1:01:05

es halt diese Kopplung. Und nun gab es halt in beiden

1:01:07

Punkten eine Einigung. Die Grünen haben der Novelle

1:01:10

zugestimmt und die FDP hat dem Solarpaket zugestimmt.

1:01:13

Und deswegen haben wir jetzt bei beiden Punkten eine Einigung.

1:01:17

Und diese Woche nun kommen wir zum aktuellen Drama rund um

1:01:20

die Fahrverbote zurück. Diese Woche nun also drohte

1:01:23

der Bericht der Expertenkommission,

1:01:25

wo absehbar drinstehen

1:01:28

würde, der Verkehr stößt zu viel aus, Wissing muss im Juli den Plan

1:01:31

vorlegen.

1:01:32

So ist es auch passiert.

1:01:32

So ist es auch passiert. Deswegen letzte Woche also

1:01:36

Volker Wissings Drohung mit Maßnahmen, zum Beispiel

1:01:38

Fahrverboten. Er wollte ganz offenbar Druck machen

1:01:41

und zugleich Stimmung machen gegen die Sektorziele.

1:01:45

Und man muss sagen, die Koalition lieferte. Am Dienstag gab es

1:01:48

eine Einigung beim Klimaschutzgesetz

1:01:50

und beim Solarpaket.

1:01:52

Wir haben nun bei Luisa

1:01:54

Neubauer mal angerufen, wie man weiß, eine der führenden Figuren von

1:01:59

Fridays for Future in Deutschland

1:02:01

auch eine der Beschwerdeführerin

1:02:03

bei dem Verfahren, das dann 2021

1:02:05

zum Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts führte.

1:02:09

Und Luisa Neubauer kann

1:02:11

diese Einigung in der Koalition nicht fassen.

1:02:14

Was ich persönlich, was ich politisch, was ich aber auch ethisch

1:02:19

verantwortungslos und inakzeptabel finde, ist das, was wir zuletzt

1:02:22

erlebt haben, nämlich ein Verkehrsminister, der zweieinhalb

1:02:27

Jahre lang keinen einzigen seriösen

1:02:29

Vorschlag gemacht hat, wie wirklich mittelfristig Klimaziele im

1:02:32

Verkehrssektor eingehalten werden können und dann durch die Lande

1:02:35

zieht und so ein populistisches

1:02:37

Szenario aufbauen möchte mit irgendwelchen Fahrverboten, für die

1:02:40

es überhaupt keine Gesetzesgrundlage gibt. Und dass man jetzt allen

1:02:44

Ernstes da steht, auch als Bundesregierung, und sagt, super,

1:02:46

wir haben diese Fahrverbote verhindert, indem wir kurzerhand

1:02:49

ein Gesetz demontiert haben. Was für eine politische Kultur soll

1:02:53

denn das spiegeln? Was für Zeichen sendet das dann in

1:02:55

die Welt?

1:02:56

Also worum geht es? Eine genaue Einigung, ehrlich

1:02:58

gesagt, liegt uns jetzt, wo wir aufnehmen, noch nicht vor.

1:03:01

Der Gesetzestext ist noch nicht final und wie immer wird da der

1:03:04

Teufel im Detail stecken. Also da muss man wirklich ganz genau

1:03:07

reingucken, was da alles genau geändert wird.

1:03:10

Aber es gibt Papiere, Hintergrundpapiere der

1:03:13

Ampel.

1:03:14

Also die Fraktionen werden quasi von ihren Klimaleuten intern

1:03:18

gebrieft. Das müsst ihr euch so vorstellen, da können ja

1:03:21

nicht immer hunderte von Abgeordneten so eine Einigung

1:03:24

irgendwie mit beraten, sondern da hat dann jede Fraktion ein paar

1:03:27

Menschen, die stellvertretend für die Fraktion solche Verhandlungen

1:03:31

führen. Und die schreiben dann so Hintergrundpapiere für

1:03:35

den Rest ihrer Fraktion, um ihren Leuten zu erläutern, jetzt mal kurz

1:03:39

gesagt, was drinsteht, aber auch immer so ein bisschen, warum das

1:03:41

alles super ist.

1:03:42

Richtig. Und die haben wir natürlich gelesen und darauf basiert

1:03:46

das jetzt, was wir schreiben. Und danach sieht dieses neue

1:03:48

Klimaschutzgesetz vor, dass jede Regierung einen Klimaschutzplan

1:03:52

aufstellen muss, der bis 2040

1:03:55

festlegt, wie wollen wir denn diese Ziele erreichen, die wir uns

1:03:58

gesteckt haben?

1:03:59

Und das ist neu. Das ist ein Fortschritt.

1:04:01

Das ist ein Fortschritt. Bisher galt das immer nur bis 2030,

1:04:04

jetzt muss es bis 2040 sein.

1:04:06

Außerdem steht in diesen Papieren, dass kein Gramm mehr CO2

1:04:09

ausgestoßen werden soll als

1:04:12

heute schon zulässig nach Klimaschutzgesetz.

1:04:14

Also da sollen jetzt nicht irgendwie die Ziele verwässert werden, aber

1:04:18

es wird halt verwischt, wer dafür verantwortlich ist,

1:04:22

diese Ziele zu erreichen.

1:04:23

Und es wird auch dadurch, dass diese Verantwortung verwischt wird und die

1:04:27

Verantwortung für Maßnahmen in jedem Sektor verwischt wird, wird

1:04:30

natürlich auch das Risiko erhöht,

1:04:32

dass die Ziele hinterher nicht erreicht werden und man dann nur

1:04:34

noch Krokodilstränen weinen kann.

1:04:36

Ja, es werden zwar in der Theorie und pro forma noch die

1:04:39

Sektorziele gemessen, für jeden Sektor einzeln, aber

1:04:43

entscheidend ist nur, was pusten alle zusammen in die Luft?

1:04:47

Und wie das oben schon beschrieben wurde, es werden Prognosen erstellt

1:04:51

und erst wenn diese Prognosen zwei Jahre hintereinander ergeben, wir

1:04:54

erreichen unsere Ziele für 2030 und 2040 nicht, dann

1:04:58

muss sich das Kabinett hinsetzen und

1:05:00

Maßnahmen entwickeln. Und dann, so sagt die Ampel, werden

1:05:04

natürlich auch die Ministerien besonders angeguckt, deren Sektoren

1:05:08

für diese Überschreitung wahrscheinlich der Ziele

1:05:10

verantwortlich ist.

1:05:11

Aber verbindlich ist das nicht.

1:05:13

Verbindlich ist das halt nicht.

1:05:14

Sie werden halt besonders streng angeguckt, ist allenfalls so was

1:05:16

wie, na, da kann dann eine Koalition

1:05:18

sagen, die schlimmsten Sünder müssen jetzt mehr tun, aber sie kann es

1:05:22

auch lassen.

1:05:22

Diese verbindlichen, verpflichtenden

1:05:24

gesetzlichen Sofortmaßnahmen,

1:05:26

die wird man eben nicht mehr

1:05:29

erstellen müssen und schon gar nicht umgehend erstellen müssen.

1:05:32

Deswegen sagt auch Luisa Neubauer:

1:05:34

Blick auf den Rest der Legislaturperiode, gibt es durch dieses Gesetz

1:05:36

praktisch keinen Druck mehr zu handeln. Eine Überprüfung wird

1:05:40

nicht kommen. Sofortprogramme braucht es nicht.

1:05:42

Das ist im Zweifel ein richtig guter Tag für alle Leute, die

1:05:46

ja kein Interesse haben an

1:05:48

richtig effektiven Klimaschutz.

1:05:50

Und das Bizarre an dieser Novelle ist, dass ihr Kern, also das,

1:05:53

was der FDP so wichtig ist, die sektorübergreifende Verrechnung

1:05:57

von Einsparungen und Emissionen, im Grundsatz heute sogar schon gehen.

1:06:01

Die erreichen jetzt mit dieser Novelle, das wirklich

1:06:04

nur in der Summe geguckt wird,

1:06:06

was stoßen die Sektoren aus und was die zusammen ausstoßen, das muss

1:06:10

irgendwie reichen, um diese Ziele zu erreichen.

1:06:13

Das ist ein großes Motiv für die FDP, dieses Gesetz

1:06:17

zu novellieren. Der Punkt ist, das geht mit

1:06:20

dem geltenden Gesetz heute schon. Das hat die Ko-Vorsitzende

1:06:24

des Expertenrats für Klimafragen diese Woche auch noch mal gesagt in

1:06:27

ihrer Pressekonferenz. Brigitte Knopf, die sagt,

1:06:30

man kann auch nach dem heute noch geltenden Klimaschutzgesetz schon

1:06:34

Einsparungen zwischen den Sektoren

1:06:36

verschieben. Und zwar geht es da um Paragraph acht des

1:06:39

Klimaschutzgesetzes.

1:06:40

Absatz zwei lautet, die Bundesregierung berät über die zu

1:06:43

ergreifenden Maßnahmen im betroffenen Sektor oder

1:06:47

in anderen Sektoren oder

1:06:50

über sektorübergreifende Maßnahmen

1:06:52

und beschließt diese schnellstmöglich.

1:06:54

Warum will denn die FDP diese

1:06:56

Novelle? Es geht vor allen Dingen darum, die Verantwortung

1:07:00

zu verwischen.

1:07:01

Heute gilt, zu viel CO2 Emissionen in einem Sektor, dann

1:07:04

muss der zuständige Minister einen Plan machen.

1:07:07

Dann kann das Kabinett hinterher

1:07:09

nach diesem Verfahren des acht Absatz zwei Klimaschutzgesetz

1:07:12

ausgleichen. Die Novelle wird dazu führen, zu

1:07:15

viel CO2, dann ist niemand mehr zunächst mal verantwortlich,

1:07:19

wird gar nicht mehr geschaut, welcher Sektor das war, und dann kann das Kabinett ausgleichen.

1:07:23

Und vielleicht muss dann auch Volker

1:07:25

Wissing einen Beitrag leisten, vielleicht auch nicht.

1:07:28

Und Brigitte Knopf, die Ko-Vorsitzende des Expertenrats für

1:07:30

Klimafragen, hat das auf der PK auch noch mal ausdrücklich

1:07:34

gesagt und bringt den Effekt der Novelle so auf den Punkt:

1:07:37

Ich glaube, der große Unterschied zu dem, was jetzt in der Novelle

1:07:40

geplant ist, dass diese

1:07:42

spezifische Verantwortung

1:07:44

eines Ministeriums erst mal wegfällt.

1:07:46

Darum geht es. Sektoren können auch heute schon

1:07:48

ausgeglichen werden. Wenn Verkehr zu viel ausstößt, kann

1:07:51

man gucken, spart ein anderer nicht mehr ein?

1:07:53

Das würde dem Gesetz Genüge tun.

1:07:55

Aber Wissing will vor allen Dingen raus aus der Verantwortung.

1:07:59

Volker Wissing selbst argumentiert demgegenüber, das Umweltbundesamt

1:08:03

hat aber doch neulich diese aktuelle

1:08:05

Projektion vorgestellt. Klammer auf, hatten wir auch in der

1:08:07

Lage, Klammer zu. Und danach erreicht Deutschland

1:08:10

doch mit den aktuellen Maßnahmen schon seine Klimaziele für 2030,

1:08:14

obwohl im Sektor Verkehr

1:08:16

nach dem Klimaschutzgesetz zu viel CO2 ausgestoßen wird.

1:08:19

Deswegen müssen wir doch gar nichts machen, ist doch alles in Butter und

1:08:22

deswegen müsse das KSG reformiert werden.

1:08:25

Diese Sektorziele, die sind natürlich nicht erreichbar

1:08:29

im Verkehr, wenn man nicht ganz rabiate Maßnahmen ergreift.

1:08:32

Und diese Maßnahmen sind überflüssig, weil wir ja die

1:08:34

Klimaschutzziele erreichen.

1:08:36

Was Volker Wissing allerdings verschweigt, ist, die

1:08:39

Klimaschutzziele sind natürlich nur Zwischenziele auf dem

1:08:43

Weg zu Netto Null. Wir müssen ja nicht nur quasi das

1:08:46

Niveau erreichen, das für 2030 vorgeschrieben ist. Danach geht es

1:08:49

ja weiter mit den Einsparungen, oder müsste es weitergehen, bis wir

1:08:52

irgendwann bei Netto null sind. Und ja, für 2030

1:08:56

sind wir laut neuester UBA Prognose

1:08:58

auf dem richtigen Weg. Aber eben nur, weil andere Sektoren

1:09:01

so gut liefern und die fehlenden Einsparungen im Verkehr wettmachen.

1:09:04

Aber die Frage ist doch, was ist denn dann nach 2030?

1:09:08

Dann wird Stand heute, weil ja überhaupt nicht eingespart wird, im

1:09:12

Verkehr immer noch massiv emittiert.

1:09:14

Da müssen wir dann ran. Aber damit das dann klappt,

1:09:18

damit wir die Klimaziele auch über 2030 hinaus einhalten,

1:09:21

müssen wir natürlich heute die Weichen richtig stellen.

1:09:25

Sonst kaufen die Leute einfach noch weiter Verbrenner, die dann auf

1:09:28

Jahrzehnte noch rumfahren und CO2 ausstoßen. Und ich glaube, genau

1:09:32

hier liegt auch die Kritik und der Makel dieser geplanten

1:09:36

Novelle. Sie senkt einfach

1:09:38

die Anreize, vorausschauend

1:09:41

Klimaschutz zu betreiben.

1:09:42

Und zwar in allen Sektoren. Auch im Verkehr muss man ja

1:09:45

zumindest mal anfangen.

1:09:46

Und genau hier liegt der Punkt. Ja, das UBA sagt nämlich in seiner

1:09:49

Projektion, wir sind so weit auf gutem Weg.

1:09:51

Mit den Maßnahmen können wir 2030 das Ziel erreichen.

1:09:55

Und durch die Novelle heißt das oder wird das heißen wenn

1:09:58

die so kommt, niemand

1:10:01

muss nachsteuern, auch nicht im Verkehr, denn es gibt ja diese

1:10:04

Prognose wir erreichen das Ziel.

1:10:07

Deswegen wird niemand nach dieser Novelle nachsteuern müssen.

1:10:10

Die Prognose des UBA ist aber durchsetzt und basiert auf

1:10:14

Annahmen und Unsicherheiten. Die geht davon aus, dass das

1:10:17

Wirtschaftswachstum nicht so dolle ist. Die geht davon aus, dass die

1:10:20

Maßnahmen toll wirken, das Gebäude Energiegesetz toll wirkt.

1:10:24

Die gehen davon aus, dass das Wetter

1:10:26

so warm bleibt, wie es jetzt ist. Das kann alles so sein.

1:10:29

Aber wenn diese Prognose nicht eintritt, dann werden die Emissionen

1:10:32

höher ausfallen als in dieser Prognose und wir werden das Ziel

1:10:36

nicht erreichen.

1:10:37

Außerdem muss man doch ganz ehrlich sagen Philip, man kann doch gar

1:10:40

nicht genug sparen. Also mal ganz ehrlich, wenn

1:10:42

bestimmte Sektoren mehr sparen als nötig, perfekt, aber das sollte

1:10:46

dann doch nicht bedeuten, dass andere dann weniger oder wie im

1:10:49

Verkehrsbereich gar nicht sparen.

1:10:50

Deswegen müssten jetzt eigentlich

1:10:53

langfristige Maßnahmen eingeleitet

1:10:55

werden. Also deswegen müsste das jetzt passieren und das passiert

1:10:58

nicht mit dieser Novelle. Anders wäre das halt im

1:11:01

Klimaschutzgesetz. Nach dem heutigen.

1:11:03

Dann würde das übertroffen das Sektorziel. Und dann müssten jetzt

1:11:07

Maßnahmen eingeläutet werden, um dann die Ziele zu erreichen.

1:11:11

Und dann wäre man auch dafür gewappnet, wenn das schlechter

1:11:14

läuft als in der Prognose angegeben.

1:11:15

Ja, also da muss man schon sagen, aus meiner Sicht ist das ziemlich

1:11:17

bitter. Es gibt da objektive

1:11:20

naturwissenschaftliche Zwänge, nämlich so viel CO2 einzusparen

1:11:23

wie irgendwie geht. Das Klimaschutzgesetz bedeutet ja

1:11:26

nicht bitte nicht mehr einsparen, sondern es ist ja eigentlich nur

1:11:29

eine Minimalanforderung, um irgendwie das 1,5 Grad Ziel

1:11:32

einzuhalten und das ist ja schon heute kaum noch zu schaffen.

1:11:35

Also insofern muss man sagen, ist das aus meiner Sicht schon sehr

1:11:38

bitter, dass quasi der Verkehrsminister einer derzeitigen

1:11:41

4 % Partei, um diese 4 %

1:11:43

der Bevölkerung nicht zu verstören

1:11:46

oder zu verunsichern, sagt, wir lassen es einfach sein.

1:11:49

Wir stellen ein paar Ladesäulen auf und ansonsten war es das.

1:11:52

Richtig. Und Wissing verschweigt ja noch eine andere Sache. Ja, das UBA

1:11:55

prognostiziert in Deutschland die deutschen Ziele, die deutschen

1:11:58

Klimaziele könnten wir aller Wahrscheinlichkeit nach

1:12:02

einhalten. Das UBA sagt aber auch,

1:12:04

wenn diese Prognose stimmt, werden wir einen weiteren Grenzwert

1:12:08

überschreiten, den Wissing verschweigt. Und das sind die

1:12:10

Grenzwerte der EU Klimaschutzverordnung.

1:12:14

Die wird auch nach dieser UBA Prognose der Verkehr überschreiten.

1:12:18

Und dann wird Deutschland sehr, sehr, sehr viele Milliarden

1:12:21

Euro ausgeben müssen für Strafzahlungen oder um sich

1:12:25

Zertifikate für diese überschüssigen, ausgestoßenen Tonnen

1:12:28

CO2 woanders in Europa

1:12:30

zu kaufen. Da werden Milliarden draufgehen, wenn sich beim Verkehr

1:12:34

nichts ändert.

1:12:35

Nun muss man natürlich sagen, jetzt kommt die FDP in diesem Blog einfach

1:12:38

nicht so wahnsinnig gut weg. Und ich finde, man sollte noch

1:12:40

einmal ausdrücklich sagen, was das zentrale Argument ist, das immer aus

1:12:44

FDP Kreisen kommt, habe ich auch auf Twitter jetzt mehrfach wieder

1:12:47

gelesen. Da kommt dann, liebe Leute,

1:12:49

jetzt mach doch nicht so eine riesen Welle. Mag ja sein, dass Volker

1:12:52

Wissing wenig einspart in seinem Bereich, aber dem Klima ist es doch

1:12:55

egal, wo das CO2 eingespart wird.

1:12:58

Sparen wir es doch am besten da ein, wo es am wenigsten kostet.

1:13:01

Wo es am einfachsten geht. Ist doch wunderbar.

1:13:03

Wir sind doch auf Kurs. Warum arbeitet ihr euch so an Volker

1:13:06

Wissing ab?

1:13:07

Also ich würde sagen, da gibt es zwei Entgegnungen. Einmal eine

1:13:09

nationale Entgegnung, dass man sagt, ja, momentan

1:13:13

sind wir gut auf Kurs. Das lag im letzten Jahr zu großen

1:13:16

Teilen am Wetter und an der Konjunktur.

1:13:18

Und es ist nicht garantiert,

1:13:21

dass es bei allen anderen Sektoren immer so weitergeht, wie es jetzt

1:13:24

weitergeht. Und es ist nicht garantiert,

1:13:27

dass diese Projektion, die das UBA aufgestellt hat, Wirklichkeit

1:13:32

wird. Und wir müssen darauf

1:13:34

gefasst sein, dass die Wirtschaft wieder anspringt, dass die Industrie

1:13:37

mehr Strom verbraucht, dass wir mehr Emissionen ausstoßen.

1:13:39

Und dann kommt es einfach auf jede Tonne an, die in jedem Sektor

1:13:42

eingespart wird, damit wir das nationale Ziel am Ende auch wirklich

1:13:45

erreichen. Das ist das eine und das andere Argument ist das europäische

1:13:48

Ziel. Es gibt die EU Klimaschutzverordnung, die hat für

1:13:51

alle Sektoren, die nicht durch den Emissionshandel in Europa

1:13:54

abgedeckt sind, in erster Linie Landwirtschaft, Gebäude und Verkehr,

1:13:58

eigene Sektorgrenzwerte

1:14:01

beschlossen, die gelten. Und nach der Projektion

1:14:04

des UBA wird Deutschland im Verkehr diese

1:14:08

Grenzwerte reißen. Das ist einerseits schlecht, weil

1:14:11

wir Geld werden zahlen müssen. Okay, geschenkt.

1:14:13

Aber der Mechanismus kann sein, wenn Deutschland im Verkehr da mehr

1:14:17

ausstößt und auch vielen anderen

1:14:19

Ländern das sehr schwer fällt, da einzusparen.

1:14:22

Dass wir dann tatsächlich das EU

1:14:24

Klimaziel reißen und dass wir mehr ausstoßen, als

1:14:28

die EU sich vorgenommen hat. Und das, weil die eben noch nicht

1:14:31

dem Emissionshandel unterliegen und die Emissionen gedeckelt sind, dass

1:14:34

wir in diesen Sektoren Verkehr und Gebäude einfach mehr CO2

1:14:38

ausstoßen, als wir das wollten. Und deswegen ist es

1:14:41

wichtig, überall zu sparen.

1:14:43

Und der dritte Punkt aus meiner Sicht sind eben diese langfristigen

1:14:46

Pfadabhängigkeiten im Verkehrsbereich.

1:14:48

Also selbst wenn wir heute möglicherweise das noch irgendwie

1:14:52

verrechnen können, müssen halt heute

1:14:54

im Verkehr Weichen gestellt

1:14:56

werden, damit wir ab 2030

1:14:59

wirklich überhaupt die Einsparziele einhalten können. Und das ist aus

1:15:02

meiner Sicht der einzige kleine Vorteil dieser Novelle, dass jetzt

1:15:05

quasi der Projektionszeitraum über das Jahr 2030 hinaus verlängert

1:15:09

wird, was ja nach bisheriger Politik

1:15:11

der Ampelkoalition passiert ist.

1:15:14

Wir sparen quasi überall ein, außer im Verkehrsbereich.

1:15:17

Das heißt, bis 2030 werden alle Sektoren hoffentlich hoffentlich

1:15:21

massiv sparen. Nur der Verkehr halt nicht.

1:15:22

Und Gebäude vielleicht, ist auch schwierig.

1:15:25

Das ist das, was passieren wird. Und dann wird da dieser eine

1:15:27

riesengroße Klotz noch im Weg

1:15:29

liegen zur Klimaneutralität,

1:15:31

nämlich der Verkehrssektor. Und dann stellt sich die Frage, was

1:15:34

machen wir denn jetzt? Und das Problem ist, dann wird es nämlich

1:15:36

nicht möglich sein, über Nacht diese ganzen Verbrenner von der Straße zu

1:15:40

holen. Denn das wird dann nämlich im Zweifel wirklich die Menschen

1:15:43

zu sehr belasten, wenn man ihnen von heute auf morgen oder innerhalb von

1:15:46

ein, zwei Jahren sagt, jetzt muss dein Auto von der Straße.

1:15:48

Und das ist aus meiner Sicht das ganz zentrale Problem, was die FDP

1:15:51

übersieht. Man ist jetzt quasi zu

1:15:54

faul, oder man kann es auch ein bisschen zuspitzen, man ist jetzt zu

1:15:57

populistisch, den Menschen klare

1:15:59

Anreize zu geben, zu sagen, weg mit den Verbrennern und natürlich

1:16:02

auch generell weniger Individualmobilität und

1:16:05

weniger Subvention im weitesten Sinne für individuelle Mobilität,

1:16:09

vor allem für Verbrenner und Diesel und so.

1:16:12

Man ist dazu zu faul, zu populistisch und das führt

1:16:15

einfach mittel- bis langfristig zu deutlichen Überschreitungen der

1:16:19

Budgets.

1:16:20

Die Frage ist jetzt so ein bisschen, wenn denn die Kritik an diesem

1:16:22

Gesetz so groß ist, wird dagegen geklagt werden?

1:16:25

Kann dagegen geklagt werden?

1:16:26

Ja, ich denke, man kann dagegen sogar sehr gut klagen.

1:16:29

Die Große Koalition hat ja dieses Klimaschutzgesetz, wie gesagt,

1:16:32

damals geschaffen in Reaktion

1:16:35

auf eine Verfassungsbeschwerde unter

1:16:37

anderem von Fridays for Future Aktivist:innen.

1:16:39

Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich diesen Menschen Recht

1:16:41

gegeben und gesagt, das Klimaschutzgesetz quasi vor der

1:16:44

Novelle durch die GroKo, reicht nicht. Und die Grundhaltung des

1:16:47

Bundesverfassungsgerichts ist immer, wir geben nur sehr ungern konkrete

1:16:51

politische Maßnahmen vor,

1:16:54

aber es braucht konkrete Maßnahmen,

1:16:57

und wir prüfen dann, ob das reicht, was ihr macht. Und das war eben bei

1:17:00

dem Klimaschutzgesetz vor der Novelle durch die GroKo nicht

1:17:04

der Fall. Jetzt hat das die GroKo eben gemacht mit diesem Anhang, mit

1:17:07

den konkreten Sektorzielen. So, dann kommt jetzt die Ampel

1:17:11

und, sagen wir mal ganz pauschal, wir haben es ja im Detail erläutert,

1:17:14

spült das Klimaschutzgesetz weich,

1:17:16

macht insbesondere die Sektorziele schwächer und die Verpflichtungen

1:17:20

zum Nachsteuern werden auch viel weicher. Und da könnte das

1:17:23

Bundesverfassungsgericht bei einer Verfassungsbeschwerde wunderbar

1:17:26

sagen, wir wollen euch ja weiterhin

1:17:28

keine Maßnahmen vorschreiben,

1:17:30

aber ein Klimaschutzgesetz, das

1:17:32

so halbwegs wirksame Maßnahmen

1:17:34

tatsächlich enthält, Stand 2021,

1:17:38

das weiter aufzuweichen,

1:17:40

das geht nicht. Und das Bundesverfassungsgericht

1:17:42

könnte einfach nur die Novelle der Ampel kassieren.

1:17:44

Ohne weitere Maßnahmen vorzugeben.

1:17:46

Genau. Dann bliebe das Klimaschutzgesetz genauso in Kraft, wie es die GroKo

1:17:49

beschlossen hat. So wie es heute gilt, inklusive sektorspezifischer

1:17:52

Ziele und inklusive Notprogramm.

1:17:55

Das wäre für das Bundesverfassungsgericht quasi viel

1:17:58

einfacher. Sie müssten nicht selber Maßnahmen erfinden wie die

1:18:01

Sofortprogramme, sondern sie könnten einfach nur sagen, die

1:18:04

Abschaffung der Sofortprogramme ist verfassungswidrig.

1:18:06

Aufweichen geht nicht.

1:18:07

Aufweichen geht nicht. So quasi so ein bisschen wie so eine

1:18:10

Art Einbahnstraße. Mehr Klimaschutz, immer gerne.

1:18:12

Aber Rückschritte, das machen wir nicht mit.

1:18:14

Da drängen sich natürlich in erster Linie jene Leute auf,

1:18:17

die gegen das alte erste Klimaschutzgesetz geklagt haben,

1:18:21

damit die GroKo das dann nachschärfen musste.

1:18:23

Da war natürlich in erster Linie Rechtsanwalt Remo Klinger zu nennen,

1:18:27

der damals auch vor dem Verfassungsgericht mit dabei war.

1:18:29

Auch Roda Verheyen, die Klimaklagen

1:18:32

links und rechts dauernd führt, ist da mit zu nennen. Luisa Neubauer und

1:18:36

Fridays for Future. So, die hatten ja damals auch geklagt.

1:18:39

Gut möglich, denke ich mal, dass sie dann auch wieder gegen so eine

1:18:41

Novelle ins Feld ziehen und vors Gericht ziehen.

1:18:43

Haben wir natürlich gefragt, ob sie dagegen klagen wollen.

1:18:47

Da kam dann kein Kommentar. Kann man nix zu sagen.

1:18:49

Aber mal ganz ehrlich, wäre ja fast ein Witz, wenn sie diesen Elfmeter,

1:18:53

den ihnen die Ampel da vorlegt, nicht verwandeln würden.

1:18:56

Die Frage ist wieso Elfmeter?

1:18:58

Tja, also ganz sicher ist nix in Karlsruhe. Aber wenn die Ampel

1:19:01

ausgerechnet das Gesetz kalt stellt

1:19:03

und entschärft, mit dem die GroKo das Klimaurteil vom

1:19:06

Bundesverfassungsgericht umgesetzt hat, das kann doch Karlsruhe

1:19:09

kaum auf sich sitzen lassen. Zumal das UBA ja auch vorrechnet,

1:19:13

also ganz extrem viel von diesen zu viel Emissionen

1:19:16

werden aus dem Verkehrsbereich kommen. Und das wird auf einmal

1:19:20

abgeschafft. Also wie gesagt, man soll sagen, was in Karlsruhe

1:19:23

passiert. Aber ich halte die Wahrscheinlichkeit für recht hoch,

1:19:26

dass diese KSG Novelle der Ampel in Karlsruhe platzen wird und dass

1:19:29

dann Karlsruhe zum Beispiel auch eine einstweilige Anordnung erlassen

1:19:31

wird, die sogar noch vor einer endgültigen Entscheidung erst mal

1:19:34

diese Novelle quasi auf Eis legt. Das hätte nämlich dann den schönen

1:19:37

Effekt, dass Volker Wissings Sofortprogramm wieder fällig wäre.

1:19:41

Dann müsste er nämlich Gas geben.

1:19:44

Wir haben noch ein Update zu unserem Thema über das

1:19:48

Waldgesetz und die Waldwege, die vielleicht

1:19:51

aus Karten verschwinden.

1:19:53

Wir wollten euch zunächst mal noch zwei Apps empfehlen, mit denen

1:19:56

man selber an der OpenStreetMap mitwirken kann.

1:19:58

Für iOS gibt es da eine schöne App

1:20:01

namens Go Map!! Und für Android gibt es

1:20:03

StreetComplete. Findet ihr jeweils in den App

1:20:07

Stores eures Vertrauens. Wir packen euch auch noch mal die

1:20:09

Links in die Shownotes. Wenn man die OpenStreetMap nur

1:20:11

anzeigen will, gibt es ja eben die App, die ich da gebaut habe.

1:20:13

Die nennt sich MapAlarm. Findet ihr unter Lage.link/karten. Lage.link/karten.

1:20:21

Und da gab es auch jede Menge nettes Feedback, glaube ich.

1:20:23

Das war total nett. Also es ist wirklich immer wieder schön, denn wenn man dann so sieht

1:20:27

irgendwie, Lage-Hörerinnen und Hörer

1:20:29

probieren die App mal aus und sehen da irgendwelche Dinge. Ja geil,

1:20:32

wusste ich gar nicht, dass es die OpenStreetMap gibt. Und dann gibt es ja auch noch andere Karten,

1:20:35

OpenTopoMap, wo man dann so wie in der topografischen Karte die

1:20:38

Höhenlinien sieht und so, also wenn der Bock habt, könnt ja mal

1:20:40

reingucken.

1:20:41

Ja und dann hat sich noch Heiko gemeldet.

1:20:43

Hörer von der deutschen Initiative

1:20:45

Mountainbike.

1:20:46

Genau. Der bezieht sich so ein bisschen

1:20:49

auf unseren Lösungsvorschlag.

1:20:51

Also wir hatten ja gesagt, es braucht keine Regeln, um Wege

1:20:54

in einer Karte zu verstecken.

1:20:56

Es reicht, wenn man die Wege markiert, auf denen man zum

1:21:00

Beispiel nicht mit dem Mountainbike

1:21:02

fahren darf. Und dazu schreibt Heiko:.

1:21:05

Bei der Frage der digitalen Markierung der Wege mit

1:21:08

Radfahrverboten möchte ich aber

1:21:10

anmerken, dass ein willkürliches

1:21:13

Tagging durch den Waldbesitzer nicht

1:21:15

akzeptabel ist. Hier besteht die Gefahr, dass sehr

1:21:18

viele Wege mit Radfahrverboten

1:21:20

belegt werden, ohne dass es dafür

1:21:23

eine Rechtsgrundlage oder eine Begründung gibt.

1:21:25

Ja gut, da würde ich natürlich sagen, natürlich dürfen weder

1:21:27

Waldbesitzer noch Kommunen

1:21:29

sich über die tatsächliche Rechtslage mal hinwegsetzen

1:21:33

oder sie zumindest falsch darstellen. Sie müssen natürlich

1:21:36

ihre Einträge entsprechend der geltenden Rechtslage machen

1:21:40

und die ergibt sich normalerweise aus dem Landeswaldgesetz oder dem

1:21:43

Landesnaturschutzgesetz.

1:21:44

Unser Punkt war ja nur, es ist auf jeden Fall besser, die jeweils

1:21:47

geltenden Nutzungsregeln in die Karte einzutragen, als

1:21:51

ganze Wege löschen zu lassen oder noch schlimmer die Mapper zu

1:21:54

zwingen, erst mal vorher zwei Stellen zu fragen, nur

1:21:57

weil man am Ende einen solchen Weg auch verbotswidrig mit dem

1:22:01

Mountainbike nutzen könnte. Also ich sag mal so ein Lügengebot

1:22:04

für Karten, das passt einfach nicht in die Zeit. Stattdessen sollte man

1:22:07

einen Weg nutzen, den diese OpenStreetMap Software selber

1:22:10

vorsieht, nämlich Tags mit bestimmten Regeln.

1:22:14

Unser letztes Thema ja

1:22:16

ist nochmal so eins, man könnte sagen eine gute Nachricht.

1:22:19

Also, die Welt ist nämlich, auch wenn ihr das nicht bemerkt

1:22:22

haben dürftet, dieser Tage

1:22:25

einem wirklich sehr gefährlichen

1:22:27

IT Angriff entkommen.

1:22:29

Und zwar extrem

1:22:31

knapp. Und das hat schon was von einer Räuberpistole.

1:22:34

Es hat auch, da gibt es viel zu lernen und man kann daraus viel

1:22:37

ableiten über das, was wir

1:22:40

in Zukunft vielleicht tun und besser machen sollten. Und deswegen dröseln

1:22:44

wir das hier mal in gewohnter Lagemanier auf.

1:22:46

Ja, dieser IT Angriff, der hätte nämlich viel mehr betroffen als nur

1:22:50

ein bisschen IT. Also das wäre jetzt nicht nur irgendwie so ein Problem für Nerds

1:22:53

gewesen, sondern ganz im Gegenteil dieser IT Angriff hätte dazu führen

1:22:57

können, dass Schulen, Behörden, Krankenhäuser, Stromnetze,

1:23:00

Wasserversorgung, Zahlungssysteme alles Mögliche wäre

1:23:04

dem Zugriff dieser virtuellen

1:23:06

Angreifer ausgesetzt gewesen und sie hätten potenziell sich da

1:23:10

quasi eine Hintertür eingebaut, mit der sie dann beispielsweise in einem

1:23:14

Konfliktfall mal eben die Stromversorgung in Deutschland

1:23:17

hätten abschalten können.

1:23:18

Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern dieser Angriff hätte diese

1:23:20

Systeme weltweit

1:23:22

verletzbar gemacht und die Angreifer

1:23:24

hätten große Chancen gehabt, einen großen Schalter in der Hand gehabt,

1:23:28

um Erpressungen durchzuführen, Spionage zu machen und schlichtweg

1:23:32

für Chaos zu sorgen. Und zwar, wie gesagt, weltweit.

1:23:36

Das ist eine von sehr langer Hand geplante und wenn es nicht so ernst

1:23:39

wäre, wirklich eine Räuberpistole. Eine krasse Geschichte, sodass wir

1:23:42

davon ausgehen müssen, das wird potenziell auch wieder

1:23:46

versucht werden. Und das bedeutet, wir müssen uns

1:23:49

jetzt die Frage stellen, welche Probleme gibt es hier, welche

1:23:52

Sicherheitslücken gibt es hier und wie können wir uns da anders

1:23:55

aufstellen?

1:23:56

Also im Zentrum dieses Angriffs, das ist auch irgendwie ganz lustig,

1:23:58

stand ein wirklich kleines Stück

1:24:01

Software, von dem ich noch nie gehört hatte. Viele andere

1:24:03

wahrscheinlich auch nicht. Nennt sich xz

1:24:06

utils, also xz utils,

1:24:09

wie immer man das auch aussprechen möchte. Ein kleines Programm

1:24:12

zum Komprimieren von Dateien. Letztlich so was wie ihr vielleicht

1:24:15

kennt Win Zip oder irgendwie so kleine Dateien, die halt auf PCs,

1:24:19

Apple Rechnern wie auch immer gibt, um eben Dateien kleiner zu

1:24:22

machen. Und diese Software,

1:24:25

konkret xz utils

1:24:27

ist Open Source Software, das

1:24:29

heißt der Programmcode,

1:24:31

aus dem dann Kompilierer

1:24:33

die Nullen und Einsen machen, die dann der Computer ausführt,

1:24:37

dieser Programmcode, der ist für alle im Internet klar

1:24:41

einsehbar und lesbar. Das ist das Prinzip von Open Source.

1:24:44

Und das Schöne an Open Source ist, im Prinzip kann jeder mitschreiben.

1:24:48

Also beispielsweise, wenn ich jetzt einen Fehler gefunden hätte in

1:24:51

einer solchen Software oder wenn ich vielleicht auch ein neues Feature

1:24:54

hinzufügen will, dann kann ich das machen. Dann lade ich mir

1:24:57

halt diesen Quelltext runter, bearbeite den und

1:25:01

dann lade ich ihn wieder hoch. Aber damit wird dieser Quelltext

1:25:04

nicht automatisch Teil des Programms, das alle nutzen,

1:25:07

sondern das ist dann zunächst mal nur ein sogenannter Pull Request,

1:25:11

also quasi so eine Art Vorschlag. Hallo, ich habe hier diese Software

1:25:15

verbessert, erweitert. Möchtet ihr das denn nicht

1:25:18

übernehmen, damit alle das nutzen?

1:25:20

Und dazu muss ich meinen Vorschlag derjenigen Person vorschlagen,

1:25:24

die das Programm verantworten,

1:25:26

die so ein bisschen die Regie führen. Häufig sind es die Menschen,

1:25:28

die das Programm oder das Projekt ursprünglich mal gestartet haben.

1:25:32

Und diese Person heißt Maintainer.

1:25:34

Also dieser Maintainer, Mann, Frau wie auch immer, muss also den Code

1:25:37

von Ulf übernehmen und im Zweifel auch mal durchschauen.

1:25:41

Dann eben freischalten und in die Software einbauen, die dann halt

1:25:45

jeder und jede sich runterladen kann. Es also so eine Art Software

1:25:47

Manager, also Art Gärtner. Das ist so ein bisschen schwer zu

1:25:50

vermitteln, weil es eben keine Behörde ist, wo man sich anstellen

1:25:53

lässt und dann eine Karriere macht als Maintainer, sondern es ist eben

1:25:56

ein recht freies Ökosystem. Wenn jemand anfängt, eine Software

1:25:59

zu bauen und die wird größer und größer und größer, na dann wird halt

1:26:01

die Personen Maintainer und bekommt

1:26:03

halt eine große Verantwortung.

1:26:05

Aber das ist ein ziemlich informeller Vorgang.

1:26:07

Ja, man kann sich das technisch so vorstellen, dass die meiste Software

1:26:10

inzwischen in sogenannten Git-Repositories verwaltet

1:26:13

wird. Das sind halt einfach große

1:26:16

Codespeicher. Sieht so ein bisschen aus wie so

1:26:18

eine, so eine Cloud für Dateien und da liegen eben die

1:26:21

Quelltextdateien drin. Und zunächst mal hat erstmal nur die

1:26:24

Person Schreibzugriff auf dieses Repository, die das Programm

1:26:28

ursprünglich mal erfunden hat, die das Repository eingerichtet hat.

1:26:30

Und die Frage ist halt, welchen weiteren Menschen gibt

1:26:34

dieser Mensch dann Schreibzugriff

1:26:36

und dann ist man de facto eben Maintainer von dieser Software.

1:26:38

Auf diese Art wird aber verhindert, dass einfach, obwohl das OpenSource

1:26:41

ist, obwohl da jeder mitlesen und im Prinzip auch mitschreiben kann,

1:26:45

dummes Zeug in diese Programme

1:26:47

reingespielt kommt. Da kann halt jeder Vorschläge machen. Aber es muss halt dieser

1:26:50

Maintainer einmal abnicken und sagen, ja, das habe ich mir

1:26:53

angeguckt, das ist gut, das ist jetzt Teil dieses Programms und

1:26:56

so wird halt hoffentlich bösartiger

1:26:58

Code, schlimmer Code, fehlerhafter Code verhindert und das funktioniert

1:27:02

im Prinzip auch gut. Es sei denn, es sei denn,

1:27:06

dieser Maintainer wird so ein bisschen von einem Kriminellen

1:27:09

beiseite gedrängt, Ein Krimineller

1:27:11

drängt sich mit in diese Position, bekommt ebenfalls

1:27:15

solche Rechte, ohne dass es jemand wirklich merkt.

1:27:18

Und dieser Kriminelle, der sich den Maintainer Status, den Gärtnerstatus

1:27:23

erschlichen hat, der kann dann eben

1:27:25

typischerweise gut getarnten Code in dieses Open Source Projekt

1:27:29

einschleusen, mit dem er oder seine

1:27:31

Hintermänner die Server dieser Welt übernehmen könnten.

1:27:34

Und genau so ist es bei diesen xz utils gelaufen. Also das ist

1:27:38

natürlich nicht ganz einfach aufzuklären. Die Menschen, die das

1:27:41

tun, versuchen natürlich ihre Spuren zu verwischen. Auf der anderen Seite

1:27:44

haben hunderte, wenn nicht tausende Menschen auf der Welt versucht, dem

1:27:47

nachzuspüren. Und Stand heute stellt sich

1:27:51

der Krimi folgendermaßen dar.

1:27:52

Dieser User, der sich in dieses Projekt eingeschlichen hat und

1:27:56

so Maintainer Status bekommen

1:27:58

hat, der

1:28:00

heißt Jia Tan und der ist einer

1:28:04

jahrelangen Strategie gefolgt,

1:28:07

um die Macht über dieses kleine Stück Software zu übernehmen.

1:28:11

Der hat also den bisherigen regulären Maintainer mit

1:28:15

Codevorschlägen überhäuft. Mach doch mal dies, mach da mal

1:28:17

jenes, bau doch mal das ein. Der war dann völlig überlastet.

1:28:20

Dann haben andere User

1:28:22

wahrscheinlich Proxy Account, also Sockenpuppen, Sockenpuppen,

1:28:25

Strohaccounts gefragt. Auch mal hier. Da gibt es noch Vorschläge.

1:28:28

Mach doch mal, mach doch mal, warum geht denn hier nichts voran?

1:28:30

Dann hat irgendwann der legitime Maintainer entnervt aufgegeben und

1:28:33

hat gesagt, ach komm, ich schaff das ja alles nicht mehr, Lass doch Jia

1:28:37

Tan mal ran. Der soll jetzt auch Maintainer

1:28:39

werden, der soll mir helfen, der soll mal machen.

1:28:42

Und dann hat dieser User diese Macht bekommen.

1:28:44

Und dann hatte der quasi die Schlüssel zum Schloss.

1:28:46

Wer ist jetzt Jia Tan? Völlig unklar. Also der Name klingt

1:28:49

ja erst mal asiatisch. Das dürfte aber wohl eine falsche

1:28:52

Fährte sein. Da haben im Internet auch Leute, die eben gut Chinesisch

1:28:55

können, sich das mal angeguckt und gesagt, das ist eigentlich gar kein

1:28:58

chinesischer Name. Und so ist alles wahrscheinlich

1:29:00

Fake. Ist wohl eine falsche Fährte. Die Indizien deuten, ihr könnt es

1:29:03

euch vorstellen, nach Russland, denn die meisten Edits, also die

1:29:07

meisten Änderungen an den Programmdateien, die passen

1:29:10

zu Bürozeiten in der Zeitzone von Moskau.

1:29:14

Außerdem gab es interessanterweise keine Commits an russischen

1:29:18

Feiertagen. Da hat er also dann im Zweifel nicht

1:29:20

gearbeitet. Dafür gab es aber Edits

1:29:22

an chinesischen Feiertagen, was ein Mensch, der tatsächlich

1:29:26

Chinese ist, typischerweise nicht tun würde. Da muss man sagen, das

1:29:29

ist jetzt keine exakte Wissenschaft. Natürlich könnte auch ein

1:29:31

chinesischer Hacker genau die falschen Fährten nach Russland

1:29:34

gelegt haben. Sicher ist das alles nicht. Aber das sind die Indizien,

1:29:38

die wir haben. Jedenfalls konnte dieser Jia Tan dann am Ende

1:29:41

entscheiden, welcher Code in diese

1:29:43

xz utils eingebaut wird. Und er nutzte diese Macht,

1:29:47

um eine Hintertür einzubauen,

1:29:49

die es ihm erlaubte, einen Server,

1:29:51

der im Netz hängt, am Internet hängt, der im Internet öffentlich

1:29:54

erreichbar ist, komplett zu übernehmen.

1:29:56

Und zwar wirklich komplett. Und das ist ja immer so, also für

1:29:59

die, die es jetzt noch nicht so oft haben. Man loggt sich auf Rechnern,

1:30:02

auf Servern mit einem Programm

1:30:04

ein namens SSH und auf dem Server läuft dann das Gegenstück.

1:30:08

Das nennt sich SSH daemon und normalerweise braucht man,

1:30:12

das verwundert nicht weiter, das richtige Passwort oder eben einen

1:30:15

Geheimschlüssel, um sich auf Servern einwählen

1:30:19

und sie zu administrieren, abzuschalten, anzuschalten,

1:30:22

umzuprogrammieren. Wie auch immer. Durch diesen Hack aber hätte

1:30:26

sich Jia Tan eigentlich auf

1:30:28

jedem Server einloggen können,

1:30:30

den man mit SSH erreichen

1:30:32

kann. Und das dürften de facto 99 % der Server

1:30:36

auf dieser Welt sein. Und das führt auch zu der Antwort,

1:30:39

warum er diesen ganzen Aufwand betrieben hat, um

1:30:43

die Macht über ein so kleines,

1:30:45

vermeintlich unwichtiges Stück Software zu übernehmen wie dieses

1:30:49

xz utils.

1:30:51

Das ist ein mini Tool zum Komprimieren von Dateien.

1:30:54

Klingt erst mal nicht wichtig, aber

1:30:56

das ist halt ein Stück Software,

1:30:58

das von diesem sogenannten SSH deamon, also von dem SSH

1:31:02

Server, eingebunden wird. Das heißt mit anderen Worten, wenn

1:31:05

man diese xz utils

1:31:07

verseucht hat, dann kann man damit mittelbar auch genau das

1:31:11

Stückchen Software infizieren,

1:31:13

das prüft, ob ein Login auf

1:31:15

einem Server im Internet berechtigt

1:31:18

ist oder nicht.

1:31:18

Das heißt also, dieses kleine Stück Software läuft so gut wie

1:31:22

auf jedem Linux Rechner auf dieser Welt. Jetzt habt ihr

1:31:25

vielleicht keine Linux Rechner auf eurem Schreibtisch, aber

1:31:27

Linuxrechner sind das Rückgrat für

1:31:31

Software in Behörden, Krankenhäuser,

1:31:34

Webserver, Rechenzentrum, Stromversorgung, Banken,

1:31:36

Zahlungsverkehr. Überall läuft Linux.

1:31:40

Überall hätte er sich potenziell

1:31:42

einwählen können, überall hätte er potenziell die Macht

1:31:45

übernehmen können, wenn es ihm denn gelungen wäre, dieses kleine

1:31:49

Stück Software so zu verseuchen,

1:31:52

wie er das in ganz, ganz, ganz, ganz kleinem Umfang geschafft hat.

1:31:55

Und jetzt haben wir immer im Irrealis, im Konjunktiv gesprochen,

1:31:59

denn Gott sei Dank ist

1:32:01

diese Manipulation von

1:32:04

Jia Tan gerade noch mal rechtzeitig

1:32:06

aufgefallen. Und diesmal ist der Held, der die IT Welt

1:32:10

vor dem Chaos gerettet hat und damit vermutlich die Welt überhaupt,

1:32:13

zumindest erstmal

1:32:15

ein Deutscher.

1:32:16

Andreas Freund heißt der. Der arbeitet als Coder bei

1:32:18

Microsoft. Und als er das entdeckte,

1:32:21

war diese manipulierte Version

1:32:23

von xz utils noch

1:32:25

nicht weitverbreitet. Die lief erst mal nur auf so

1:32:28

Testversionen. Aber Freund hatte sich auf seinem

1:32:31

Server eben schon eine dieser frühen

1:32:33

Softwarevarianten installiert.

1:32:35

Und da fielen ihm einfach Merkwürdigkeiten auf.

1:32:38

Da hat er seinen Rechner bedient und dann war die Prozessorlast ein

1:32:41

bisschen hoch beim Login und dem ist er dann irgendwie immer weiter

1:32:44

nachgegangen und dachte, so irgendwas kann doch hier nicht

1:32:46

stimmen usw. Und mit viel Geschick und auch wie

1:32:49

er sagt, mit viel Glück ist er dann auf Umwegen auf dieses

1:32:53

kleine Stück Software auf seinem Computer gestoßen und alarmierte

1:32:57

eben sehr schnell die Community. Und die hat dann verhindert, dass

1:33:01

dieses kleine Stück Software quasi

1:33:03

aus diesem Testmodus rauskam

1:33:05

und auf mehr oder weniger alle Linuxrechner der Welt verbreitet

1:33:09

wurde.

1:33:09

Es ist also gerade noch mal gut gegangen, Aber man muss sehr

1:33:11

deutlich sagen, das könnte wieder passieren. Die Präsidentin des

1:33:15

Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz BSI

1:33:19

Claudia Plattner, äußerte sich gegenüber der Funke

1:33:22

Mediengruppe und sie warnt

1:33:24

vor Cyberangriffen auf Schulen, Kindergärten und Landratsämter.

1:33:28

Und sie sagt:.

1:33:29

Genau diese Ziele, etwa Schulen

1:33:31

oder Verwaltungen in Kommunen, sind attraktiv für Cyberkriminelle.

1:33:34

Wer Landratsämter oder Kindertagesstätten lahmlegt, feiert

1:33:38

einen Propagandaerfolg gegen

1:33:40

Deutschland.

1:33:41

Dazu muss man natürlich immer den Hintergrund wissen. Wir sind de

1:33:44

facto natürlich längst in einem

1:33:46

hybriden Krieg mit Russland. Das muss man sehen.

1:33:48

Also Russland ist heute schon massiv

1:33:50

dabei, die Demokratie in Deutschland zu unterminieren.

1:33:53

Aber jedenfalls Frau Plattner ist ganz offensichtlich der Meinung,

1:33:56

dass es auch attraktiv ist, einfach Deutschlands Schulen und

1:33:59

Kindergärten lahmzulegen.

1:34:00

Und wir haben das jetzt hier mal so ein bisschen ausgebreitet, weil man

1:34:03

doch aus diesem Angriff einiges lernen kann. Es ist zwar gerade noch

1:34:05

mal gut gegangen und natürlich ist es jetzt auch keine News, dass

1:34:08

sich Leute in Software hacken

1:34:11

und in Systeme hacken. Aber die Art, wie das hier gemacht

1:34:14

wurde, so extrem professionell,

1:34:16

offensichtlich über Jahre

1:34:18

geplant, die hat doch

1:34:20

schon einen neuen Charakter.

1:34:22

Und das sind eben ganz spezifische Angriffe auf Open Source Projekte.

1:34:25

In der Tendenz galten Open Source

1:34:27

Projekte häufig als besonders sicher, weil ja im Prinzip jeder

1:34:30

sich den Code anschauen kann. Aber das gilt natürlich

1:34:33

nur, solange sich wirklich genügend

1:34:35

Leute den Code auch tatsächlich anschauen und solange zum Beispiel

1:34:38

die Maintainer wirklich zuverlässig

1:34:40

sind. Und da zeigt eben dieser Fall eben auch, dass es da häufig

1:34:44

an Ressourcen mangelt. Man sieht sehr deutlich, das Open

1:34:48

Source Ökosystem braucht einfach Hilfe.

1:34:51

Das Prinzip ist gut, alle können lesen, alle können checken.

1:34:54

Aber was, wenn es keiner macht? Oder zu wenig machen?

1:34:58

Wenn ein Projekt irgendwie zu klein ist oder so?

1:35:00

Oder sich der Mensch, der das betreibt, überlastet fühlt?

1:35:04

Also letztlich ist es schon manchmal so, dass Rettung und

1:35:07

Fehlerfinden häufig eben

1:35:09

auch vom Zufall abhängen. Und das sollte

1:35:13

natürlich nicht so bleiben, weil

1:35:15

eben so große Teile unseres Lebens, unserer Wirtschaft von

1:35:19

dieser Software abhängen. Und natürlich ist das Problem auch

1:35:22

schon ein bisschen länger bekannt und glücklicherweise hat

1:35:24

sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz da mal

1:35:28

was Interessantes einfallen lassen, um sich dieses Problems anzunehmen.

1:35:31

Nämlich den sogenannten Sovereign Tech Fund.

1:35:33

Und was es damit auf sich hat, das wollen wir jetzt im

1:35:37

Interview besprechen mit Fiona Krakenbürger.

1:35:40

Ja, Fiona Krakenbürger ist Mitgründerin des Sovereign

1:35:44

Tech Funds. Das ist so ein Projekt,

1:35:46

ein staatlich finanziertes Projekt der Bundesagentur für

1:35:49

Sprunginnovationen, kurz Sprint. Und der Sovereign Tech

1:35:53

Fund ist so ein Projekt innerhalb dieses Agentur Kosmos,

1:35:57

das sich aber gerade auf dem Weg der Ausgründung befindet,

1:36:01

also auf dem Weg in die Selbstständigkeit.

1:36:03

Die Mission bleibt aber die nachhaltige Stärkung

1:36:07

der eben von uns schon beschriebenen

1:36:09

Open Source Software

1:36:12

Systeme. Ganz herzlich willkommen erst mal in der Lage, Fiona

1:36:15

Krakenbürger.

1:36:16

Vielen Dank für die Einladung.

1:36:17

Warum braucht denn Open Source Software staatliche Hilfe?

1:36:21

Ja, ist eine gute Frage. Ich glaube Open Source, das

1:36:23

Ökosystem braucht Hilfe

1:36:25

aus, oder Unterstützung aus verschiedenen Richtungen.

1:36:28

Wir sind der Meinung, auch staatliche Unterstützung.

1:36:31

Wir investieren ja in Open Source Infrastruktur im öffentlichen

1:36:34

Interesse mit öffentlichen Mitteln von BMWK, weil wir

1:36:38

finden, dass digitale Infrastruktur

1:36:40

genauso betrachtet werden sollte wie physische Infrastruktur.

1:36:43

Es ist im öffentlichen Interesse, dass diese instand gehalten wird,

1:36:46

gebaut wird und abgesichert wird.

1:36:48

Und warum brauchen Open Source Projekte denn überhaupt Hilfe?

1:36:51

Denn ursprünglich war ja mal die Idee, dass einfach interessierte

1:36:54

Menschen, Nerds und Nerdettes aus dem Internet sich

1:36:57

einfach zusammenschließen und irgendwas coden.

1:36:59

Warum klappt das nicht in jedem Fall so richtig optimal?

1:37:02

Ich glaube vor 20, 30 Jahren hätte das auch noch gut funktioniert.

1:37:05

Aber wir leben in einer zunehmend digitalisierten Welt und

1:37:08

Gesellschaft und der Druck auf Software und gerade diese

1:37:12

Infrastruktursoftware wächst

1:37:14

jeden Tag. Solche Projekte wie

1:37:17

xz utils sind wahnsinnig kritisch. Die sind in etlichen verschiedenen

1:37:20

Softwarekomponenten, anderen

1:37:22

Softwarekomponenten verbaut und essenziell für jede Art von

1:37:24

Softwareentwicklung. Und es ist auch so, dass gar nicht

1:37:28

so wenige Entwickler und Entwicklerinnen tatsächlich solche

1:37:30

Projekte als Hobby anfangen und etwas entwickeln, was sie selber

1:37:33

vielleicht brauchen, das veröffentlichen.

1:37:35

Dann gibt es aber so viele weitere

1:37:38

Softwareanwendungen, die darauf aufbauen, die das nutzen und davon

1:37:40

abhängig sind, dass der Druck einfach enorm wächst.

1:37:43

Und das ist eine strukturelle Herausforderung, wie sich auch bei

1:37:45

xz util sich gezeigt hat und die aber tatsächlich

1:37:49

auch keine Seltenheit ist. Es ist eher eine strukturelle

1:37:51

Herausforderung, die wir schon lange sehen und auch zugrunde

1:37:54

liegt bei verschiedenen Sicherheitsvorfällen, die wir in den

1:37:57

letzten Jahren gesehen haben.

1:37:58

Jetzt sind Sie elf, zwölf, demnächst

1:38:01

vielleicht 14 Leute. Wie sorgen Sie dafür, dass Open

1:38:03

Source Software sicherer wird?

1:38:05

Unsere Mission ist ja, wie schon angesprochen, die nachhaltige

1:38:07

Stärkung des Open Source Ökosystems. Das machen wir, indem wir gezielt

1:38:11

in kritische Open Source Software Komponenten investieren, also genau

1:38:14

in diese digitale Infrastruktur, die wir überall brauchen, egal ob

1:38:18

kommerziell oder für andere digitale Services, Verwaltung usw.

1:38:22

Wir alle brauchen das und wir identifizieren diese Technologien,

1:38:25

die können sich auch bei uns bewerben und treten dann in Kontakt mit den

1:38:28

sogenannten Maintainern, also den Leuten, die daran arbeiten oder

1:38:32

identifizieren geeignete Partner, die daran arbeiten können und

1:38:35

vergeben Aufträge, damit diese

1:38:37

Projekte auch tatsächlich abgesichert werden.

1:38:40

Da fließt dann staatliches Geld von ihnen gesteuert da rein.

1:38:43

Was passiert mit dem Geld?

1:38:44

Exakt. Was ich hervorheben möchte, ist,

1:38:46

dass wir eben nicht nur in neue

1:38:48

Projekte investieren, sondern dass wir tatsächlich gezielt die

1:38:51

Absicherung und Instandhaltung von diesen Projekten unterstützen

1:38:55

und fördern. Wir identifizieren erst mal eine

1:38:57

Technologie, reden dann mit den Leuten und oft gibt es dann schon

1:39:00

eine Warteschlange von Dingen,

1:39:02

die eigentlich dringend gemacht werden müssten, um dieses Projekt

1:39:06

abzusichern, die aber von niemandem finanziert werden, beispielsweise

1:39:10

durch 120 Bugs gehen, die mal gemeldet wurden und mal

1:39:13

durchgucken, was ist das überhaupt? Ist das wichtig oder nicht?

1:39:15

Oder ein vernünftiges Sicherheitsteam aufbauen oder,

1:39:20

was wir auch gerne erwähnen, manchmal ist die notwendige Arbeit

1:39:23

tatsächlich auch Code zu löschen und nicht zu schreiben, um die

1:39:26

Codebase besser wartbar

1:39:28

zu machen und damit im Endeffekt auch ein Projekt abzusichern.

1:39:31

Und das unterscheidet sich eben davon, immer in neue Features

1:39:34

zu investieren, wofür es meistens eigentlich das Geld gibt, wenn

1:39:36

überhaupt.

1:39:38

Jetzt würde mich interessieren, wie man sich das ganz konkret vorstellen

1:39:40

muss. Sie haben ja schon eine Reihe von Software Projekten gefördert.

1:39:43

Was passiert dann? Also finanzieren Sie dann eine Stelle für eine

1:39:46

Programmiererin oder wie ist das

1:39:48

ganz konkret? Wie läuft das ab?

1:39:50

Das ist eine gute Frage. Also das Modell, das wir gewählt haben oder

1:39:53

das wir derzeit nutzen, ist, dass wir tatsächlich Aufträge vergeben.

1:39:56

Also das sind Dienstleistungsaufträge, um Arbeit an diesen Projekten

1:40:00

zu finanzieren. Und wir setzen uns mit den

1:40:02

Maintainern zusammen und sagen, aus der öffentlichen Interesseperspektive,

1:40:06

wären diese und jene Arbeiten wichtig. Das ist dann zum Beispiel

1:40:09

diese Absicherung. Manchmal ist das auch eine Neuentwicklung

1:40:12

von Dingen oder ein Update, Anpassung an neue

1:40:14

Entwicklungsumgebungen. Das ist sehr unterschiedlich.

1:40:17

Von welchen Summen reden wir da? Was investieren Sie im Jahr?

1:40:20

Wir haben ein Gesamtbudget von

1:40:22

dieses Jahr 17.500.000. Letztes Jahr hatten wir 11,5

1:40:26

Millionen, dieses Jahr sind es 17.000.000.

1:40:28

Davon investieren wir 80 %.

1:40:31

Was ist das Neue? Ist es ein neues Konzept, dieser

1:40:33

Sovereign Tech Fund oder gibt es das schon irgendwo?

1:40:35

Ein vergleichbares Konzept gibt es tatsächlich nicht.

1:40:38

Es gibt andere Akteure, es gibt andere Organisationen, die

1:40:41

schon ähnliche Sachen machen. Die kommen dann eher aus dem

1:40:44

kommerziellen Bereich oder auch von staatlichen Stellen.

1:40:47

Aber ein wirklich öffentlich finanziertes Programm, das

1:40:50

spezifisch die Arbeit an

1:40:52

Open Source Infrastruktur und die Absicherung finanziert, gibt es

1:40:55

noch nicht. Wir wünschen uns aber, dass es davon wesentlich mehr gibt,

1:40:57

weil es braucht mehr und der Bedarf ist riesengroß.

1:41:00

Jetzt vielleicht mal so ein paar Stichworte für die Menschen, die uns zuhören

1:41:03

und so ein bisschen aus der nerdigen Ecke kommen. Haben Sie so ein paar

1:41:06

Stichworte, welche Projekte bisher gefördert wurden vom SovereignTech

1:41:09

Fund?

1:41:11

Gerne! Ein Klassiker, den ich gerne erwähne, ist cURL.

1:41:13

Das ist ein Projekt, das, um das vereinfacht dazustellen, gebraucht

1:41:17

wird, um Daten von A nach B zu transportieren.

1:41:19

Während wir hier sprechen, nutzen wir wahrscheinlich Devices, in denen

1:41:21

das schon hundertfach verbaut ist. Es ist eine ganz, ganz kritische

1:41:24

Komponente, die in allen möglichen

1:41:26

Softwareanwendungen und Devices usw

1:41:28

verwendet wird, in allen möglichen Autos.

1:41:30

Mit denen haben wir beispielsweise zusammengearbeitet.

1:41:32

Dann das PyPI, ist der Python Packaging Index, den

1:41:36

unterstützen wir. Genau, um ein paar Beispiele

1:41:39

zu nennen.

1:41:40

Vielleicht abschließend, was haben wir denn bisher gelernt aus Ihrem

1:41:43

Projekt, was wir in die Zukunft

1:41:45

blickend besser machen müssen? Wie können wir die Sicherheit da

1:41:47

verbessern, außer natürlich mehr Geld reinzustecken?

1:41:51

Ja, also ich mein Geld ist natürlich nicht die Lösung.

1:41:54

Es ist aber ein Teil der Lösung und ich würde sagen, wir brauchen

1:41:58

weiterhin mehr Unterstützung. Aber dafür braucht es auch erst mal

1:42:00

Verantwortung, die übernommen werden muss und ein Bewusstsein dafür, dass

1:42:04

Open Source eben überall ist,

1:42:06

dass wir auch gar nicht die Wahl haben, ob wir Open Source nutzen

1:42:08

oder nicht. Wir brauchen es für die Art und Weise, wie wir leben,

1:42:12

wie wir unsere Welt gestalten und für eine digitale Gesellschaft.

1:42:15

Und dafür muss Verantwortung übernommen werden, sowohl von

1:42:17

staatlichen Akteuren als auch von privaten Akteuren.

1:42:20

Da muss meiner Meinung nach weiterhin ein Umdenken stattfinden.

1:42:23

Eigentlich die zugrunde liegenden strukturellen Herausforderungen

1:42:26

kennen wir. Ich finde, wir brauchen mehr Akteure im Feld, die

1:42:30

unterschiedliche Unterstützungsformate auch anbieten können.

1:42:32

Der Bedarf ist riesengroß. Der Bedarf ist auch sehr

1:42:35

unterschiedlich. Ja, einige brauchen finanzielle

1:42:37

Unterstützung, andere brauchen vielleicht Unterstützung anderer Art

1:42:40

und davon ist der Sovereign Tech Fund ein Teil der Lösung.

1:42:43

Aber aus unserer Sicht braucht es noch mehr Unterstützungsformate.

1:42:47

Wunderbar. Ganz herzlichen Dank! Das war Fiona Krakenbürger,

1:42:50

Mitgründerin des Sovereign Tech Fund. Vielen Dank für dieses

1:42:53

Gespräch.

1:42:53

Dankeschön.

1:42:55

Bei dieser Gelegenheit vielleicht noch der Hinweis: Der Sovereign Tech

1:42:57

Fund sucht eine administrative

1:42:59

Geschäftsführung. Also die haben einen Job zu

1:43:02

vergeben. Wenn das was für euch

1:43:04

sein sollte, schaut es euch an! Unter sovereigntechfund.de.

1:43:08

Seite haben wir auch noch mal in den

1:43:11

Shownotes.

1:43:11

Und damit ist die Lage der Nation umfassend in dieser Woche ja ganz

1:43:14

besonders umfassend und abschließend erörtert. Wir freuen uns, wenn es

1:43:18

euch gefallen hat. Falls dem so sein sollte, schreibt

1:43:20

gerne einen freundlichen Satz in den App Store eures Vertrauens.

1:43:23

Da hatten wir jetzt gerade mal wieder zu tun mit bösen

1:43:26

Kommentaren aus der rechten Ecke. In diesem Sinne einen schönen

1:43:30

Abschluss der Woche. Ein schönes Wochenende. Bis bald.

1:43:32

Bis dahin, bis nächste Woche. Tschüss.

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