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Herzlich willkommen zur Lage der Nation Ausgabe Nummer 366
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vom 1. Februar 2024.
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Und an den Mikrofonen begrüßen euch
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wie eigentlich fast in jeder Woche Ulf Buermeyer, das bin ich, Jurist
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aus Berlin und:
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Philip Banse, Journalist aus Berlin. Ganz herzlich willkommen zu unserem
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wöchentlichen Politikpodcast, in dem wir die Lage hierzulande und in der
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Welt analysieren und zusammenkehren.
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Zu unserem ersten Thema. In der Ukraine tobt immer noch
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Krieg. Vor fast zwei Jahren hat Russland sein Nachbarland, die
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Ukraine, überfallen. Und die Ukraine ist zwar viel
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kleiner als Russland, hat insbesondere auch viel weniger
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militärisches Potenzial, konnte aber den russischen Vormarsch
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bisher stoppen, sogar einige
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Gebiete wieder von der russischen Besatzung befreien.
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Aber Philip, ich glaube, man kann es nicht anders sagen, die militärische
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Lage in der Ukraine ist trotzdem
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weiterhin oder vielleicht sogar in den letzten Monaten besonders ernst.
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Ja, es ist so, dass,laube ich, Russland ungefähr 17 % der
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ukrainischen Staatsfläche
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besetzt hält und hier und da tatsächlich jetzt auch wieder
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kleinere Territorien
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erobert, die zunächst von der Ukraine besetzt waren.
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Die Sommeroffensive der Ukraine
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letztes Jahr, in die ja alle Seiten,
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zumindest Ukrainer und auch große Teile des Westens, natürlich große
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Hoffnungen gesetzt hatten, die, muss man sagen, ist weitgehend
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gescheitert. Und seitdem herrscht ein
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ziemlich tödliches
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Patt.
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Genauso muss man das sagen. Es sterben jeden Tag Menschen
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auf beiden Seiten. Vor allem werden auch gerade auf
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ukrainischer Seite immer noch Zivilisten getötet, weil Russland
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ja weiterhin insbesondere mit Drohnen auch die Zivilbevölkerung
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der Ukraine ins Visier nimmt. Aber bislang gibt
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es aus einer militärischen Perspektive keine klare
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Entscheidung. Es erinnert ein bisschen an den Stellungskrieg des
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Ersten Weltkriegs. Auf der anderen Seite ist die
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mittel- bis langfristige Perspektive
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der Ukraine sehr ernst.
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Ich glaube, das ist nicht zu viel gesagt, denn Russland ist natürlich
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einfach viel, viel, viel größer als die Ukraine und hat einfach viel
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mehr wirtschaftliche Ressourcen.
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Wirtschaftliche Ressourcen und auch muss man leider sagen
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Menschressourcen, also die schmeißen
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wirklich viele, viele junge Leute an die Front und in den Tod, die
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drehen die da wirklich durch den Fleischwolf.
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Es klingt brutal, aber ich glaube, das ist so und
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sie rücken eben, das habe ich gesagt, an verschiedenen Fronten
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vor, unter großen, großen Verlusten zum Teil. Die Ukraine kämpft
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weiter, kann aber eben,
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und das ist auch seit langem klar und wird immer deutlicher,
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nur mithilfe aus dem Westen überleben, sei es mit Geld
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oder vor allen Dingen auch mit Lieferungen von Waffen.
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Ja, und ein dauerndes Problem auf ukrainischer Seite ist der
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Munitionsmangel. Das betrifft zum einen,
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ich sag mal vergleichsweise dumme Munition, also einfach
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Artilleriegranaten. Das betrifft aber mindestens ebenso
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sehr smarte Munition, also zum Beispiel Lenkwaffen,
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Marschflugkörper. Und deswegen ist heute
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jedenfalls die Perspektive, dass die Zeit eher für Putin spielt,
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weil er eben mehr militärische Ressourcen hat und weil es ihm
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offenbar auch gelungen ist, das westliche Embargo weitgehend zu
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umgehen. Er schafft es zum Beispiel über Waffenlieferungen aus
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Nordkorea, über andere Schmuggelrouten oder auch durch
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Waffenlieferungen aus dem Iran weiter Drohnen zu bauen.
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Mit Mikrochips zum Beispiel. Also so richtig sieht man jetzt noch
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nicht, dass die russische Militärmaschine in irgendeiner Art
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und Weise ausgehungert-
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Ausgetrocknet würde.
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Ne, überhaupt gar nicht.
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Dazu muss man aber sagen, dass bei den Waffenlieferungen aus dem
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Westen es Licht und Schatten gibt. Vor allen Dingen gibt es ja immer
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viel Debatten, auch um Munitionslieferung. Das hattest du gesagt. Das wird
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besonders dringend benötigt.
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Und da, das haben wir mal reingenommen, weil es eben
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nicht nur Schatten gibt, sondern auch ein bisschen Licht, scheint
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sich die Lage, die Situation
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in der EU etwas zu verbessern
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oder zumindest besser zu sein, als ich das zumindest erst mal so
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wahrgenommen habe. Das erklärte Gustav
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Gressel vom Think Tank European
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Council on Foreign Relations
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im NDR Podcast Streitkräfte und Strategien.
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Da sagte Gressel, die EU hatte ja versprochen, 1 Million
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Schuss Artillerie zu liefern, glaube ich. Das war eigentlich das
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Ziel bis Ende letzten Jahres. Das hat offensichtlich nicht
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geklappt. Er sagt aber, das werde klappen, aber eben erst zum
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Sommer. Im letzten Jahr seien in Europa etwa 650.000
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Schuss Artilleriemunition produziert worden, aber eben rund nur die
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Hälfte davon sei in der Ukraine angekommen, weil europäische Staaten
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eben auch die eigenen Bestände
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aufgefüllt haben und eben nicht alles einfach weitergeben an
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die Ukraine. Aber, sagt Gressel, die EU Kommission habe doch
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dann letztlich einen ziemlich guten Job gemacht, im Herbst dann Verträge
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abgeschlossen. Und jetzt, sagt Gressel,
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gehe tatsächlich die Produktion von Artilleriemunition in Europa
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auch los.
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Wir haben ja in Europa 18
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Produktionsstraßen für Artilleriemunition, und
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das kommt am Ende des Tages schon was zusammen. Es ist nicht so, dass
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wir da ganz unfähig wären. Aber wie gesagt, das ist,
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im Krieg in der Ukraine an der Front kommt davon wenig an, und
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durch das EU Kommissionsgeld, das muss auch gesagt werden, wird
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Europa, die Europäische Union, die 1 Million Schuss pro Jahr
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Marke dieses Jahr auch
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knacken in der Herstellung und wahrscheinlich auch überschreiten.
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Das heißt, es wird von
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Monat zu Monat die Lage für uns, die Amerikaner zu
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substituieren gerade im Bereich Artilleriemunition besser.
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Das ist eben die wichtige Artillerie, aber die vergleichsweise
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dumme Munition. Steckt man in ein Rohr, schießt sie
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ab und dann fliegt sie halt. Dort ist Besserung in Sicht.
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Nicht ganz so gut sieht es bei
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intelligenterer Munition aus. So jedenfalls Herr Gressel.
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Schwierig wird die Lage bleiben bei Spezialmunition, also Patriotraketen
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zum Beispiel sind da ein Klassiker.
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Da wird es bedeutend schwieriger, die Amerikaner zu substituieren,
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weil die Produktion in Europa
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da erst jetzt die Verträge zustande gekommen sind. Und bis die
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hochgefahren wird, ist natürlich noch ein langer Weg und
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das ist noch viel komplexer ist als Artielleriemunition. Dann reden wir
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von sehr langen Lieferzeiten, die neue Patriotraketen in Europa
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haben. Da müssen wir dann schauen, dass wir in dieser Zeit irgendwie
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mit dem Bestand umschichten, um die Ukraine weiter zu versorgen.
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Und das wird natürlich auch zunehmend schwieriger.
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Ja, europäische Eigenständigkeit ist hier aber dringend nötig.
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Ja, denn die Hilfen aus den Vereinigten Staaten kommen jetzt
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schon ins Stocken. Und vor allem ist die mittel- bis
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langfristige Perspektive sehr problematisch.
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Akut geht es darum, dass die Republikaner im amerikanischen
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Parlament die Hilfe für die Ukraine
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bisher blockieren. Das hat auch erhebliche
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innenpolitische Gründe. Also die Republikaner nehmen
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potenzielle Milliarden für die Unterstützung der Ukraine quasi als
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Pfand, um Zugeständnisse der Demokraten an anderer Stelle zu
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erreichen. Aber insbesondere Donald Trump,
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der ja sehr wahrscheinlich der Präsidentschaftskandidat der
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Republikanischen Partei sein wird bei den Wahlen jetzt im Herbst, ist
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für seine Nähe zu Wladimir Putin bekannt. Er rühmt sich so
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seiner Männerfreundschaft mit Putin, und damit drohen die Vereinigten
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Staaten als wichtigste Stütze der Ukraine, was die Militärhilfe
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angeht, einfach wegzubrechen also was das für die Ukraine bedeuten
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würde, also Militärlieferung. Und man muss ja eigentlich sagen, es
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geht natürlich auch, darüber wird weniger geredet, aber es geht ja
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auch viel um das, was man im Englischen so schön intelligence
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nennt, also nachrichtendienstliche
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Erkenntnisse zum Beispiel über russische Positionen,
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Satellitenüberwachungsbilder und so. Also, wenn da tatsächlich
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aus dem Weißen Haus die Order käme, diese Informationen nicht mehr
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weiterzuleiten, dann hätte die Ukraine auch ein Problem.
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Und Deutschlands Rolle ist wenig überraschend, etwas
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zwiespältig. Einerseits leistet Deutschland nach
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den USA die meiste Militärhilfe
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für die Ukraine, also mehr als Frankreich und UK.
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Und das ist, das ist schon mal was. Ich meine Deutschland ist ja
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eigentlich gerade nicht als Militärmacht bekannt, seit dem
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Zweiten Weltkrieg jedenfalls. Und dass wir dann trotzdem so
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umfangreich die Ukraine unterstützen, ist einfach ein
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Statement.
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Andererseits zögert Olaf Scholz seit
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Monaten, der Ukraine
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die sogenannten Taurus Raketen zu liefern. Also Taurus, das
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sind moderne Marschflugkörper.
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Da gibt es natürlich auch verschiedene andere aus England
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und Frankreich vor allen Dingen, aber der USP, also sozusagen
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das Einzigartige dieser Taurus Rakete ist, dass sie eben sehr, sehr
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autonom ist. Sie braucht, so wie ich das verstanden habe, kein GPS von
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außen. Sie kann quasi nur
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mit Bordmitteln und dem einprogrammierten Weg ihr
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Ziel finden. Also das wird dann halt einprogrammiert. Dann fliegt die
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Rakete links, rechts kann durch, Täler, hat eine eigene
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Höhenkontrolle, kann die Umgebung mit Infrarotsensoren lesen und
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so halt den Weg in ihr Ziel finden.
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Und sie hat eine viel größere Reichweite. Ungefähr 500 Kilometer,
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was ungefähr doppelt so viel ist wie die Konkurrenz aus
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Frankreich und Großbritannien.
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Und sie fliegen halt sehr schnell und sind noch gleichsam resistent
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gegen die Flugabwehr. Also nun muss man ganz ehrlich
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sagen, wenn man sich so die Geschichte des Krieges in der Ukraine anschaut,
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dann war schon öfter von fast
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Wunderwaffen die Rede. Also es wurden schon immer
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Waffensysteme hochgejazzt, die dann angeblich der Game Changer sind.
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Und bislang hakt's da,
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wenn ich mal ehrlich bin. Auf der anderen Seite ist jedenfalls
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nicht zu verkennen, dass das schon ein sehr potentes militärisches
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Instrument wäre. Wie gesagt, das ist jetzt nicht die
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eine Wunderwaffe, aber die Taurus würden wahrscheinlich deswegen schon
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helfen, weil sie es eben ermöglichen würden, präzise Schläge
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gegen weit entfernte Infrastruktur auszuführen.
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Da wäre Taurus denke ich schon eine starke Hilfe.
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Ja, gerade zum Beispiel die Brücke zwischen Krim und dem ukrainischen
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Festland, wo viel Nachschub für die russische Armee rüberkommt.
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Das kann man natürlich mit dieser Rakete erreichen.
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Grüne und FDP wollen liefern, schon seit langem.
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Olaf Scholz ziert sich und die SPD.
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Ja, da haben wir im Grunde so eine, so eine Vorstellung von täglich
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grüßt das Murmeltier. Wir hatten ja solche Debatten jetzt
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schon mehrfach, dass einfach in der Diskussion war, ein bestimmtes
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Waffensystem sollte geliefert werden, wird von der
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Ukraine eingefordert. Ganz viele sind dafür,
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interessanterweise FDP und Grüne typischerweise.
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Die SPD und Olaf Scholz hingegen
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haben immer wieder große Bedenken.
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Das Thema ist immer, überschreiten wir mit dieser Lieferung nicht eine
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rote Linie?
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Ja und da muss man sagen, also, wenn es diese roten Linien je gab, dann
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wurden sie alle überschritten, ohne
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dass es wirklich signifikante
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Konsequenzen gehabt hätte seitens Moskau.
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Also das war beim Thema Kampfpanzer
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so. Alle haben gedacht, wenn wir Kampfpanzer liefern, dann eskaliert
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das, dann ist eine rote Linie überschritten.
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Da wurde monatelang drüber debattiert. Das hat Monate gedauert,
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bis Deutschland, bis Scholz sich endlich mal durchgerungen haben,
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Leopard 2 Panzer zu liefern.
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Irgendwann gab dann Scholz nach. Konsequenzen: Keine.
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Ja, keine, insofern, dass Russland
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jetzt nicht irgendwie in Polen einmarschiert ist oder so, wohl aber
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massive Konsequenzen für die ukrainische Sommerinitiative.
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Denn jedenfalls nach Aussage einiger militärischer Analysten hat
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die Sommeroffensive massiv darunter gelitten, dass Panzer eben zu spät
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kam, dass die Besatzungen nicht gut genug trainiert werden konnten usw.
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Usw. Also ich will jetzt nicht so monokausal so tun, als sei
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Olaf Scholz verantwortlich für das Scheitern der Sommeroffensive.
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Aber jedenfalls hat das Zögern
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beim Liefern von schweren Kampfpanzern da einen negativen
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Beitrag geleistet.
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Und es ist halt ein Muster erkennbar. Das ist, finde ich, das
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Bizarre, dass es immer Forderungen
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gibt und Experten Expertinnen sagen, das macht Sinn, das sollten
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wir tun. Viele in der Regierung sind dafür.
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Scholz zögert, zögert, zögert, zögert, bis er dann irgendwann nicht
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mehr zögert.
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Und zwar ohne, dass sich was geändert.
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Ohne, dass sich was geändert hat.
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Das ist, finde ich, der Witz bei dem bei dem Muster von Olaf Scholz.
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Er zögert monatelang und ohne Veränderung der Sachlage ändert
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er dann seine Meinung, so dass man jedes Mal eigentlich sich fragen
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muss, warum haben wir diese Panzer nicht schon vor einem halben Jahr
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geliefert? Das finde ich, also wenn man,
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wie soll ich sagen, das finde ich persönlich nicht so wahnsinnig
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plausibel. Olaf Scholz hat offensichtlich
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einfach Angst.
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Er hat Angst. Er hat Angst, dass die Ukraine jetzt konkret mit den Taurus
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Raketen russisches Territorium angreifen würde.
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Das dürfte die Ukraine völkerrechtlich. Sie greifen ja auch
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russisches Territorium an, haben das aber eben bisher nicht mit
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westlicher Technik getan, soweit man weiß, weil westliche Technik immer
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nur geliefert wird mit der Ansage,
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hier könnt ihr gerne einsetzen, aber bitte nicht auf russischem
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Territorium.
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Wobei man sich auch die Frage stellen kann, warum eigentlich diese
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Anforderung von westlicher Seite gestellt wird. Aus einer politischen
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Perspektive ist es klar, Russland
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nicht provozieren, aber aus einer völkerrechtlichen Perspektive darf
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ein angegriffener Staat sich natürlich nicht nur auf seinem
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eigenen Staatsgebiet verteidigen, sondern er darf durchaus auch
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militärische Einrichtungen
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auf dem Hoheitsgebiet des angreifenden Staats angreifen.
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Also wenn die Ukraine zum Beispiel
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die Brücke zur Krim in die Luft jagen würde, dann wäre das
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völkerrechtlich völlig gedeckt. Wobei man da noch sagen muss, kann
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man sich noch die Frage stellen, ob das nicht ohnehin auf ukrainische
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Staatsgebiet ist, oder ob das internationale Gewässer sind.
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Schwierig, weiß ich nicht auswendig. Hängt wohl auch davon ab, wo die
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Bombe einschlagen wird. Aber auf jeden Fall, das wäre
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völkerrechtlich in Ordnung. Der Westen macht sich da große
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Sorgen, dass das passieren könnte.
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Die Ukraine ist nebenbei relativ erfolgreich, sogar bei Angriffen auf
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russischem Staatsgebiet. Also gerade zum Beispiel hat es
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Explosionen gegeben in einem Treibstofflager in Sankt Petersburg,
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über 1000 Kilometer entfernt
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vom ukrainischen Staatsgebiet. Vieles spricht dafür, dass das
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ukrainische Drohnen waren. Das wird dann von ukrainischer Seite
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immer wieder bestätigt noch bestritten.
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Aber ich meine, warum soll also ein Spritlager oder mehrere Tanks aus
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dem Spritlager über Nacht mit einmal in die Luft fliegen?
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Also Stand heute will Olaf Scholz Taurus nicht liefern.
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Wie gesagt, es ist ein Muster zu erkennen. Es war bei den Leoparden
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so, es war auch am Anfang bei den Haubitzen so, dass es dann auf
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einmal doch ging. Und in der Zeit leidet eben die
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Ukraine. Und die Frage ist, warum
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ist das so? Woher dieser Schlingerkurs?
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Also wir haben uns das lange gefragt, weil das halt so auf
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den ersten Blick so irrational erscheint, einfach lange Zeit nicht
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zu machen, dann irgendwann doch zuzustimmen, ohne dass sich
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eigentlich die Grundlagen dieser Entscheidung verändert hätten.
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Und meine große Sorge ist,
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das können wir natürlich nicht belegen, aber das erscheint mir eine
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plausible Annahme.,Meine große Sorge ist, dass es letztlich der
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Bundesregierung um Olaf Scholz, um eine quasi relativ
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stabile Mittellage geht,
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also quasi darum, diesen Konflikt nicht einzufrieren, sondern quasi
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am Köcheln zu halten, ohne dass der eine oder andere gewinnen soll.
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Sie wollen natürlich nicht, dass die Ukraine zusammenbricht.
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Warum wollen sie das nicht? Weil das ein fatales Beispiel
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wäre, das sich Überfälle auf Nachbarstaaten wieder lohnen.
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Wir wollen natürlich eigentlich keine Angriffskriege, schon mal gar
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nicht in Europa. Und deswegen darf Russland diesen
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Krieg nicht gewinnen. Das hat Olaf Scholz auch häufig gesagt.
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Aber meine große Sorge ist, dass er eigentlich auch nicht will, dass die
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Ukraine gewinnt, um Russland eben nicht zu provozieren.
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Da ist dieses ganz starke Moment,
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den russischen Bären nicht zu sehr zu reizen. Und ich persönlich
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glaube, dass das ein ziemlich
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zynisches Kalkül ist, weil das natürlich ein enorm hohen Preis hat.
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Das würde ich sagen und der Gedanke zu Ende gedacht ist, wenn die
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Ukraine gewinnt, was passiert dann mit Putin? Wird er gestürzt?
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Was kommt danach? Bricht dann das Chaos aus und so?
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Also erstens muss man sagen, das ist Spekulation. Wir können nicht
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reingucken. Also weder gibt es Stimmen aus dem
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Kanzleramt, aus seiner Nähe die das irgendwie nahelegen, dass er
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so was mal geäußert hätte. Das ist reine Spekulation.
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Wir gucken uns die Lage an und denken, was könnte das Motiv
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sein? Wir können nicht in seinen Kopf gucken. Und es gibt auch
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keinerlei Indizien, dass das das Kalkül ist.
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Ich finde, und du hast das gesagt, es wäre extrem zynisch, weil es
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bedeutet, einfach Leute sterben
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zu lassen, um so ein Patt aufrecht zu erhalten.
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Das möchte ich ihm ehrlich gesagt nicht unterstellen.
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Und das zweite ist, dass die Unterstützung ja schon sehr groß
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ist. Also Deutsche haben es gesagt, Deutschland ist der zweitgrößte
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militärische Unterstützer nach den USA für die Ukraine.
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Und das spricht, finde ich dagegen,
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dass es ihnen darum geht, das möglichst auf kleiner Flamme zu
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halten. Auch wenn natürlich dann bei einzelnen Waffensystemen immer
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gezögert wird, hast du natürlich zu Recht gesagt. Es gibt nicht die eine
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Wunderwaffe. Wenn wir Taurus liefern, dann gewinnt die Ukraine.
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So ist es einfach nicht mehr. Wenn wir Leopard liefern, gewinnt
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die Ukraine. Und das, weil wir das nicht wollen,
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liefern wir den Leoparden nicht oder erst spät und weil wir das nicht
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wollen, zögern wir Taurus hinaus. So ist es halt nicht.
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Also das mag ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Auch weil die
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Kosten nicht nur für die Menschen in der Ukraine und für die Soldaten
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Soldatinnen in der Ukraine so hoch sind, sondern weil das ja auch für
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uns mit unfassbarer Unsicherheit
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verbunden ist wirtschaftlich, finanziell, Energieversorgung.
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Dieser Krieg in der Ukraine sorgt
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für so viel Instabilität
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an allen Ecken und Enden. Das es, glaube ich, auch
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aus dieser Perspektive mehr
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Vorteile gäbe, wenn dieser Krieg zu Ende wäre.
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Ja, aber glaubst du wirklich, dass Olaf Scholz ernsthaft möchte, dass
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dieser Krieg mit einem Sieg der Ukraine endet?
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Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst an diese, diese vielfältigen,
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skurrilen Interviewsituation, wo er immer wieder gefragt wurde, soll
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nicht die Ukraine gewinnen? Und er hat das nie gesagt.
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Soweit ich mich erinnern kann, hat er sich immer um diese Aussage
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gedrückt, sondern das immer umgedreht und gesagt, ich will, dass
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Russland nicht gewinnt. Oder die Ukraine darf nicht
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verlieren. Das war, also ich habe nicht jetzt noch mal gegoogelt, aber
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das ist nach meiner Erinnerung quasi der O Ton von Olaf Scholz gewesen,
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während er auf der anderen Seite aber nie gesagt hat, wir wollen,
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dass die Ukraine gewinnt.
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Weil das immer geheißen hätte, zu definieren, was heißt das denn
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konkret?
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Ne, das muss er ja nicht.
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Na gut, aber das hätte zumindest nahe gelegen. Aber was heißt das
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denn, Herr Bundeskanzler? Heißt das, die Krim mit einnehmen?
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Heißt, dass die Ostgebiete außer der Krim zurückzuerobern, heißt,
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dass einen Waffenstillstand herzustellen und die Ukraine
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geht in die NATO. Was heißt gewinnen?
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Klar, natürlich ist gewinnen auch nicht scharf definiert, aber ich
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finde es einfach total spannend, dass er sich konsequent nach meiner
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Erinnerung geweigert hat, diese politische Forderung aufzustellen.
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Und natürlich schon mal gar nicht, was das konkret bedeutet.
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Ich finde das einfach sehr verdächtig und ich finde, an
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ihren Taten werdet ihr sie erkennen. Also jedenfalls, ich weiß nicht, was
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in seinem Kopf vorgeht, oder generell ja auch in den Vorschlägen
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der Bundesregierung, das sind ja auch keine einsamen Entscheidungen.
17:41
Aber ich finde, vom Ergebnis her ist das, was die Bundesregierung
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tut, diesen Konflikt
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in einer Mittellage zu halten. Keine Seite gewinnt.
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Unter anderem auch, weil die Bundesregierung natürlich auch
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andere europäische Staaten eben
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so viel Unterstützung leisten, aber
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eben auch nicht alles tun, was sie könnten. Also ich glaube, wir
18:00
kommen nicht um die Erkenntnis drum herum, dass jedenfalls die
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Bundesregierung nicht all in geht.
18:05
Sie geht nicht all in, aber sie geht schon mit sehr viel in.
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Absolut!
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Einerseits diese Stelle zweitgrößter
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Unterstützer nach den USA. Und, da kommen wir jetzt zum
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nächsten Aspekt, sie machen
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extrem viel Druck in der EU, dass auch andere EU
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Länder Geld in den Topf
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werfen und die Ukraine mehr unterstützen.
18:25
Ja, und dieser Druck von Olaf Scholz auf europäischer Ebene, der war
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jetzt ja offenbar auch von Erfolg gekrönt. Heute Mittag, während wir
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hier unsere Sendung aufnehmen, kam eine ehrlich gesagt ziemlich
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überraschende Meldung rein.
18:36
Ja, richtig, denn die EU
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Chefs und Chefinnen haben sich
18:40
getroffen. Es gibt einen Gipfel und der sollte eigentlich schon im
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Dezember sollte das eigentlich Thema schon abgefrühstückt worden sein.
18:47
Es geht um die Hilfen
18:49
für die Ukraine, um 50
18:51
Milliarden Euro. Und da gab es und gibt es aktuell
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ein Gipfel, gibt es am Wochenende ein Gipfel und da kam jetzt gerade
18:57
die Meldung, dass die
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sich geeinigt haben, dass vor allen Dingen Ungarn den Zahlungen
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zugestimmt hat. Und jetzt bekommt also die Ukraine 50
19:06
Milliarden Euro über die nächsten vier Jahre von der EU.
19:10
Und diese 50 Milliarden Euro sind substanziell, Die sind für die
19:14
Ukraine überlebenswichtig.
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Das sind halt Haushaltshilfen. Die Ukraine steckt aktuell rund die
19:19
Hälfte ihrer Steuereinnahmen ins Militär, in die Verteidigung ihres
19:23
Landes. Und natürlich klafft da ein Riesenloch.
19:26
Und dieser ukrainische Haushalt, der kann nur mit internationalen Hilfen
19:29
überleben. Und ein Löwenanteil dieser Hilfen trägt heute schon die
19:33
EU. Und jetzt war halt die Frage,
19:35
wie geht es weiter? Was passiert in den nächsten vier Jahren?
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Da waren sich in der EU alle einig. Wir zahlen 50 Milliarden Euro,
19:42
damit die Ukraine überleben kann. Der einzige, der da immer blockiert
19:45
hat bis eben vor, weiß ich nicht
19:48
einer Stunde oder zwei Stunden war eben Viktor Orbán aus Ungarn.
19:51
Genau der ist jetzt also überraschend eingeknickt.
19:53
Also man hatte schon erwartet, dass man sich irgendwie einigen kann.
19:56
Aber auf der anderen Seite hatten die anderen Mitgliedsstaaten der
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europäischen Union auch schon quasi so das Folterbesteck ausgepackt.
20:02
Da war schon die Rede von Sanktionen, Einschränkung des
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Stimmrechts und so, das ist jetzt alles vom Tisch. Aber natürlich ist
20:08
jetzt die spannende Frage, was
20:10
ist das Gegengeschäft? Also was hat Orban für seine doch
20:13
recht überraschende Zustimmung bekommen? Was hat er für sein
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Einknicken bekommen? Und das wissen wir jetzt einfach
20:19
noch nicht. Da müssen wir mal abwarten, ob das in den nächsten Tagen noch
20:22
durchsickert. Aber grundsätzlich ist beschlossen,
20:25
über die nächsten vier Jahre wird
20:27
die Ukraine von der EU mit 50
20:29
Milliarden unterstützt.
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Richtig, das ist super wichtig und das muss man ehrlicherweise
20:34
sagen, das ist wahrscheinlich auch ein bisschen das Verdienst von
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Olaf Scholz.
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Zu unseren Hausmitteilungen. Und da haben wir in dieser Woche für
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euch eine schöne Nachricht. Wir hatten ja schon vor einiger Zeit
20:45
mal angedeutet, dass wir
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unseren Instakanal also ein Stück weit zu einem eigenen
20:50
journalistischen Format ausbauen wollen. Also natürlich soll der
20:53
weiterhin beruhen letztlich auf der Rechercheleistung, die wir hier
20:57
so für unseren Podcast machen. Aber unser Ziel ist es, dass
21:00
Insta eben nicht nur so ein Hinweis ist, hallo, es gibt da so einen
21:03
Podcast, sondern man soll unseren Kanal mit inhaltlichem Gewinn
21:06
lesen können.
21:07
Richtig. Und da freuen wir uns sehr, dass wir für diese Aufgabe
21:11
eine tolle neue Kollegin
21:14
haben gewinnen können, nämlich Anja Lordieck.
21:17
Erst mal ganz herzlich willkommen, Anja. An dieser Stelle auch noch mal
21:20
im Team der Lage der Nation. Wir freuen uns extrem, dass wir Anja
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haben gewinnen können. Die hat schon einige Erfahrung gesammelt auf Insta, auch so mit
21:27
journalistischen Formaten auf Instagram.
21:29
Und wir haben jetzt eine Weile auch
21:31
gebraucht über meine Babypause und dann irgendwie das
21:35
grafisch so ein bisschen aufpeppen, bis das jetzt so ein bisschen ins
21:37
Rollen kommt. Aber seit hier auch wieder der Betrieb so ein bisschen
21:40
normalen Beat gewonnen hat, denke ich, kommen wir da auch gut ins
21:42
Rollen. Und ja, wir sind auch gespannt, was ihr dazu sagt.
21:46
Also euer Feedback. Was könntet ihr euch auch
21:48
vorstellen? Welche Formate, welche Inhalte, welche Ideen könnten wir
21:50
auf Insta ja vielleicht in diesem Sinne auch mal vorantreiben,
21:54
würde ich sagen. Begrüßt doch mal Anja, auch Insta.
21:57
Geht mal zu Insta, Lage der Nation.
21:59
Genau da freut sie sich bestimmt. Wir freuen uns auf euer Feedback.
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Wir alle freuen uns auf eure Vorschläge. Und falls ihr dem Kanal der Lage
22:06
noch nicht folgen solltet
22:08
lagedernation auf Insta. Da sind wir zu finden.
22:12
Wir haben das in den USA gesehen.
22:14
Wir haben es in Polen gesehen, wir haben es in Ungarn gesehen.
22:17
Wenn Autokraten gewählt werden und die Macht übernehmen in einem
22:20
eigentlich demokratischen Staat,
22:22
bringen sie oft die obersten
22:24
Gerichte als erstes auf Linie.
22:26
Und zwar, indem sie halt die Regeln ändern, nach
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denen diese Gerichte funktionieren.
22:33
Warum ist das so? Na ganz einfach. Autoritäre Parteien
22:37
wollen eigentlich nur genau eine Wahl gewinnen müssen.
22:40
Und danach, wenn sie einmal die Macht haben, versuchen sie sich
22:42
typischerweise mit allen Mitteln
22:44
an der Macht festzuklammern, damit sie nie wieder abgewählt werden
22:47
können. Und das zentrale Problem,
22:50
das sie bei dieser Umgestaltung zum Beispiel von Wahlrecht haben,
22:53
ist das jeweilige Verfassungsgericht. Das Verfassungsgericht könnte diesen
22:56
Versuch, einen Staat gleichzuschalten, eine Gesellschaft
22:59
gleichzuschalten, Medien auszuschalten, blockieren.
23:02
Deswegen ist normalerweise
23:04
immer als allererstes Mal das jeweilige Verfassungsgericht im
23:07
Visier. Philip, und da zum Beispiel kann man beispielhaft nach Polen.
23:10
Ja, Polen, Polen, haben wir gesagt. Die PiS hatte den Bearbeitungsmodus
23:14
zum Beispiel geändert des Obersten Gerichts. Da hieß es dann auf einmal
23:17
first come first serve. Also Verfahren, die reinkommen,
23:21
werden in der Reihenfolge abgearbeitet, wie sie halt eingehen.
23:24
Und das lähmt natürlich so ein Gericht, weil es selber nicht mehr
23:26
priorisieren kann. Was ist eigentlich hier wichtig? Was müssen wir abarbeiten, was ist
23:29
unwichtig und was nicht?
23:31
Dann hat aber auch natürlich die PiS das Wahlgremium
23:35
für die Wahl von Richter und Richterinnen, einfach besetzt
23:38
mit linientreuen Personen, um
23:40
eben sicherzustellen, dass in diesem Gericht nur linientreue
23:44
Richter und Richterinnen sitzen. Anderes Beispiel ist Ungarn.
23:47
Die haben eine andere beliebte Strategie unter Autokraten gewählt.
23:50
Ja, das klassische sogenannte Court packing. Also auf Deutsch könnte man
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das überspitzen mit Vollstopfen eines Gerichts.
23:56
Sie haben einfach eine Reihe neuer Stellen geschaffen am ungarischen
23:59
Verfassungsgerichtshof und die mit linientreuen Richterinnen und
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Richtern besetzt. Da gab es dann mit einmal 15 statt elf Stellen.
24:05
Die vier neuen Stellen wurden mit linientreuen Leuten besetzt.
24:08
Damit kippte die Mehrheit und das Verfassungsgericht war schachmatt.
24:12
Also die Erfahrung zeigt einfach, für Regierungen ist es sehr
24:15
verlockend, das Verfassungsgericht auszuschalten.
24:17
Das hat auch noch mal der ehemalige Präsident des deutschen
24:20
Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, auf den Punkt gebracht,
24:23
der sagt, Verfassungsgerichte sind immer ein, wie er sagt, Stachel
24:26
im Fleisch der Machthaber. Denn sie sichern die Rechte von
24:30
Minderheiten gegen die Mehrheit. Sie stellen daher eine Art von,
24:33
wie er das nennt, struktureller
24:35
Opposition dar. Und er sagt, vor allem politische
24:39
Systeme mit totalitären Tendenzen
24:41
tut sich damit natürlich
24:43
schwer.
24:44
Die glauben ja in der Tendenz, sie vertreten den einen wahren
24:47
Volkswillen, und deswegen müssten sie durchregieren können.
24:50
Diese klassischen checks and balances, die es eben in Demokratien
24:54
gibt, Opposition, Medien,
24:56
Justiz und so, das ist denen alles ein Dorn im Auge.
24:59
Und ein weiterer Angriff auf eine demokratische Ordnung
25:03
kann man ebenfalls in Ungarn beobachten.
25:05
Dort nämlich hat Viktor Orbán Änderungen des Wahlrechts
25:08
durchgesetzt.
25:09
Einfach so, das ist auch ein beliebter Sport bei autokratischen
25:12
Systemen, dass die einfach
25:14
zum Beispiel Wahlsysteme
25:17
einführen und so verändern, dass wir auf dem Papier
25:20
zwar noch demokratisch sind, aber de facto darauf hinauslaufen, dass die
25:23
einmal an der Macht befindlichen
25:25
Leute de facto nicht mehr abgewählt werden können.
25:27
Genau das ist das große Problem dass
25:29
eben autoritäre Parteien das versuchen und wirklich verhindern
25:33
könnte das nur das jeweilige Verfassungsgericht.
25:36
Das war in Polen und Ungarn so und das wäre auch in Deutschland so,
25:39
wenn man tatsächlich am Wahlrecht rumfummelt, dann wäre das
25:42
Bundesverfassungsgericht letztlich die einzige Instanz, die das
25:45
noch verhindern könnte. Es sei denn, man hat es
25:49
vorher ausgeschaltet.
25:50
Richtig. Und angesichts der Umfragewerte, vor allem der
25:53
Umfragewerte für die AfD
25:55
in den Bundesländern, in denen
25:57
in diesem Jahr Landtagswahlen stattfinden, aber eben auch
26:00
angesichts der Umfragewerte bundesweit bei rund plus minus 20 %
26:04
gibt es auch in Deutschland
26:06
eine Debatte?
26:07
Ja, wo du sagst 20 %
26:09
Philip, kleine Kurzmeldung. Es gibt erste Anzeichen, dass
26:12
die breiten Demos gegen die AfD
26:14
tatsächlich dazu führen, dass die Zustimmung zu dieser extremen
26:18
Partei langsam abbröckelt.
26:20
Also ich habe jetzt eine Umfrage gesehen 19 %. Da kann man natürlich sagen okay,
26:24
das liegt noch in der Schwankungsbreite.
26:26
Also die AfD bricht
26:28
jetzt nicht zusammen. Natürlich verbreitet sie auch alle
26:31
möglichen Lügengeschichten, das seien von der Regierung gesteuerte
26:34
Demos. Aber sagen wir so es gibt jedenfalls
26:36
so ganz sanfte Tendenzen.
26:37
Aber ich würde dafür plädieren, auch
26:39
bei 19 % sollten wir uns der Frage stellen,
26:43
müssen wir das Bundesverfassungsgericht gegen
26:46
Autokraten jeder Couleur, vor allen Dingen
26:50
in der Farbe Hellblau von der AfD, müssen wir das Gericht schützen?
26:54
Und die Frage ist, wenn ja, wie sollen wir das machen?
26:56
Also Stand heute und das ist eine traurige Erkenntnis wäre
27:00
die Rolle, die Macht, die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts
27:03
einfach zu ändern. Ganz zentral ist hier das sogenannte
27:07
Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, kurz BVerfGG
27:11
im Jurist:innenslang. Und dieses BVerfGG ist so
27:14
eine Art Verfahrensordnung,
27:16
so eine Art Satzung für das Bundesverfassungsgericht.
27:19
Und das regelt eine ganze Menge wichtiger Details dazu, wie
27:23
unser Bundesverfassungsgericht eigentlich arbeitet.
27:25
Und vor allen Dingen in erfreulich klarer Sprache.
27:27
Also es gibt ja Gesetze, die sind so formuliert und so formuliert.
27:30
Aber ich habe mir das auch mal angesehen und das habe sogar ich
27:32
verstanden. Da steht dann drin sinngemäß, wer kann eigentlich
27:35
Richter Richterinnen am Bundesverfassungsgericht werden? Gibt es ein paar Kriterien.
27:38
Unter anderem müssen diese Personen mindestens 40 Jahre alt sein, aber
27:41
dann auch skizziert, wie werden denn diese Richter und
27:45
Richterinnen eigentlich gewählt? Und dann steht da na ja, die eine
27:48
Hälfte der Richter und Richterinnen, die wird eben vom Bundestag gewählt,
27:51
und zwar jeweils mit einer Zweidrittelmehrheit. Und die andere Hälfte der Richter
27:54
Richterinnen am Bundesverfassungsgericht wird vom
27:56
Bundesrat gewählt, also der Ländervertretung, und zwar ebenfalls
27:59
jeweils mit einer Zweidrittelmehrheit.
28:02
Dann steht da auch, wie lange können denn eigentlich diese Menschen Richter und Richterinnen am Bundesverfassungsgericht
28:05
sein? Nun steht da zwölf Jahre und es ist keine Wiederwahl möglich.
28:09
Also nach zwölf Jahren ist definitiv aus Ende vorbei.
28:11
Aus wie vielen Richtern und Richterinnen besteht dann eigentlich das Bundesverfassungsgericht?
28:14
16. Und wie viele Senate gibt es?
28:17
Zwei.
28:18
Ja, also die wesentlichen Spielregeln. Und das sind jetzt
28:20
quasi so die Formalien, wie viele,
28:22
wie lange und so. Und dann gibt es da natürlich noch ganz viele Regelungen dazu, wie die
28:25
Verfahren ablaufen. Also wenn man eine Verfassungsbeschwerde
28:27
einreicht, wie wird über die entschieden? Das steht da drin.
28:30
Wie ist das bei bei Normenkontrollen, wie ist das bei
28:33
Organstreitverfahren so? Diese ganzen Spielregeln stehen da
28:35
drin und da würde man ja denken, wo ist das Problem, Ist doch alles
28:38
geregelt. Das Problem ist ganz einfach Das BVerfGG ist
28:41
ein einfaches Bundesgesetz und das bedeutet, es kann mit einer
28:45
einfachen Mehrheit
28:47
im Bundestag geändert werden
28:49
und das ermöglicht gravierende
28:51
Änderungen. Richterinnen Richter könnten mit einem Mal absetzbar
28:54
sein, Richter könnten nach zwölf Jahren wiedergewählt werden können.
28:57
Klammer auf, so dass sie dann vielleicht ein Interesse daran
29:00
hätten, im Sinne der Mächtigen zu entscheiden, Klammer zu.
29:02
Oder Richterinnen und Richter könnten mit einer einfachen Mehrheit
29:05
im Bundestag oder Bundesrat ernannt
29:07
werden. Mit anderen Worten dann bräuchte es gerade keinen breiten
29:10
gesellschaftlichen Konsens mehr, um sie zu wählen. All das könnte man
29:14
mit einer einfachen Mehrheit im Bundestag ändern.
29:17
Richtig einfache Mehrheit, dahinter
29:19
steht die Vorstellung, was, wenn die AfD mal eine Mehrheit
29:23
im Bundestag stellt und vielleicht sogar die Regierung
29:26
stellt? Dann könnte sie halt mit
29:28
ihrer Mehrheit, mit der Mehrheit der AfD oder vielleicht eines rechten
29:31
Koalitionspartners dieses Gesetz
29:33
ändern und das Bundesverfassungsgericht, so wie wir
29:35
es heute kennen, de facto abschaffen. Und deswegen gibt es in
29:39
Deutschland eine Diskussion. Sollen wir das
29:41
Bundesverfassungsgericht dagegen absichern und wenn ja, wie?
29:44
Und da sind sich eigentlich viele einig, dass wir das machen sollten.
29:47
Und da gibt es im Kern zwei, drei Vorschläge, die gerade
29:51
debattiert werden.
29:52
Genau also der naheliegende Vorschlag ist ja eigentlich okay,
29:56
wenn das Problem doch darin liegt, dass die wichtigen Regeln nur in
29:59
einem einfachen Gesetz stehen, dann schreiben wir doch die wichtigsten
30:02
Regeln einfach ins Grundgesetz, also in unsere Verfassung.
30:05
Da steht nämlich bislang zum Bundesverfassungsgericht extrem
30:08
wenig drin. Da stehen nur die Verfahrensarten drin.
30:10
Und dann noch das Richterinnen und Richter zur Hälfte vom Bundestag,
30:13
zur Hälfte vom Bundesrat gewählt werden. Das war's auch fast schon.
30:16
Und da kann man sich natürlich vorstellen, ganz viele wesentliche
30:18
Fragen fehlen im Grunde im Grundgesetz. Wenn man sie dort
30:21
hineinschreiben würde, dann könnten sie nur noch mit
30:24
Zweidrittelmehrheit geändert werden. Das wäre schon eine sehr gute
30:27
Absicherung, so der wesentlichen Arbeitsweise des BVerfGG.
30:30
Ein alternativer Vorschlag dazu kommt von einem bekannten Berliner
30:33
Rechtsanwalt, der argumentiert,
30:35
na lass uns doch jetzt hier nicht jedes
30:39
Detail ins Grundgesetz schreiben, dafür ist das einfach der falsche
30:42
Ort. Im Grundgesetz sollten wir lieber
30:45
festschreiben, dass das Bundesverfassungsgerichtsgesetz
30:49
nur mit einer Zweidrittelmehrheit geändert werden kann.
30:51
Ja, das ist, wenn man, wenn man so ein bisschen verfassungsrechtlich
30:55
bewandert ist, erst mal ein ziemlich skurriler Vorschlag.
30:57
Ich glaube, er wird auch nur deswegen diskutiert, weil dieser Rechtsanwalt
31:00
einfach einen sehr, sehr guten Ruf genießt, gute Verbindungen auch ins
31:03
politische Berlin hat. Und ich persönlich kenne ihn auch,
31:06
also wirklich ein sehr, sehr fähiger Mensch. Deswegen denke ich, wird
31:09
dieser Vorschlag diskutiert. Ich bin, wenn ich ehrlich bin,
31:11
trotzdem so ein bisschen skeptisch. Dann gäbe es nämlich mit einem Mal
31:14
ein, quasi ein Supergesetz,
31:16
also ein Gesetz, das anders als alle
31:18
anderen Gesetze nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden
31:21
könnte. Also dieses Gesetz hätte so eine Sonderstellung und
31:25
das gibt es halt sonst überhaupt nicht. Und das heißt, man müsste
31:27
sich dann Gedanken darüber machen, was bedeutet das für das
31:29
Gesetzgebungsverfahren? Man müsste das Grundgesetz an vielen
31:32
Stellen ändern und es würde auch ein stückweit zu einer Versteinerung
31:35
führen, glaube ich. Denn es sind ja jetzt auch nicht
31:38
alle Regeln im Bundesverfassungsgerichtsgesetz
31:40
unmittelbar so relevant, dass ihre Änderung das Bundesverfassungsgericht
31:44
quasi abschießen würde. Also denken wir daran die jüngste
31:46
Änderung zum Beispiel betraf den elektronischen Rechtsverkehr.
31:49
Damit man endlich nach Karlsruhe nicht mehr faxen muss.
31:51
Müsstest du dann mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag
31:54
ändern.
31:55
Ja, und ob das wirklich so sachdienlich ist? Also ich glaube
31:58
ganz ehrlich, also ich verstehe den Ansatz. Die Sorge des Rechtsanwalts
32:01
ist halt, was ist denn, wenn wir das ins Grundgesetz schreiben, die
32:04
wichtigsten Punkte und dabei was vergessen, dann
32:07
wird die AfD doch wieder irgendwie kreativ und so, das sehe ich.
32:10
Auf der anderen Seite aber sehe ich auch, dass es nicht ganz
32:12
ungefährlich wäre, wenn es damit einmal ein Gesetz gäbe, das anders
32:15
ist als alle anderen.
32:18
Deswegen gibt es einen dritten Vorschlag, der hin und her geworfen
32:20
wird. Und danach würde
32:22
das Bundesverfassungsgericht
32:25
selbst ein Veto bekommen
32:27
bei Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes.
32:31
Also das Gesetz kann ja,
32:33
wie eben schon gesagt, heute mit einfacher Mehrheit geändert
32:37
werden. Das wäre dann auch weiterhin so, aber das Gericht selbst
32:41
könnte dann ein Widerspruchsrecht bekommen. Könnte sagen, ihr habt das
32:44
da mit einfacher Mehrheit geändert, aber wir widersprechen
32:47
dieser Änderung. Ihr müsst euch was anderes überlegen, aber der Änderung
32:50
widersprechen wir. Aber auch dafür müsste das
32:52
Grundgesetz geändert werden.
32:53
Also beispielsweise könnte man im Grundgesetz ja regeln, dass ein
32:56
Gesetz, das das BVerfGG ändert,
32:58
also dieses Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, dass das
33:01
frühestens drei Monate nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in
33:04
Kraft treten darf und dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem
33:07
Plenum, also mit der Versammlung der Richterinnen und Richter, innerhalb
33:10
dieser drei Monate mit Zweidrittelmehrheit beschließen
33:13
kann, dass dieses Gesetz nicht in Kraft tritt. Das wäre aus meiner
33:16
Sicht eine pragmatische Lösung. Also ich würde quasi die Option eins
33:19
und drei kombinieren. Ich würde sagen, man schreibt die wesentlichen Regeln zur Arbeit des
33:22
Gerichts ins Grundgesetz und dann bekommt das Bundesverfassungsgericht
33:26
noch so ein Vetorecht. 2/3 Mehrheitsbeschluss des Plenums
33:29
innerhalb der drei Monate nach dem Gesetz. Dann, glaube ich, wäre
33:32
eigentlich das Bundesverfassungsgericht gut
33:35
abgesichert.
33:36
Und das Argument ist ja auch von den Befürwortern und
33:39
Befürworterinnen, na ja, de facto
33:41
gibt es dieses Veto heute schon in vielen Fällen.
33:45
Denn heute schon ist es so, wenn
33:47
das Bundesverfassungsgerichtsgesetz geändert wird, fragen wir schon
33:51
meistens beim Gericht mal nach,
33:53
wie seht ihr das denn? Haben wir da irgendwie ein Knoten im
33:55
Kopf? Gibt es irgendwelche Probleme? Dann kommt zurück, nein, könnt ihr
33:57
so machen und dann wird das verabschiedet und der Charme wär
34:00
halt naja, wir würden halt so eine informelle kulturelle
34:03
Praxis, die meist angewendet wird, einfach in Gesetzesform gießen.
34:07
Ja, da kann man natürlich sagen, das ist natürlich so ein bisschen
34:09
Problem, dann entscheidet das Gericht ja selber darüber, was
34:12
so an Spielregeln gilt. Aber ich denke so eine 2/3
34:16
Mehrheit im Plenum des Bundesverfassungsgerichts, die würde
34:18
auch nur dann zustande kommen, wenn die Richterinnen und Richter
34:22
wirklich den Eindruck haben, diese Änderung, die zerschießt uns
34:25
im Prinzip unsere ganze Arbeit. Das heißt also, da würde, glaube
34:28
ich, jetzt nicht nur aus parteipolitischen Motiven ein Veto kommen, sondern
34:31
dann, wenn man, wenn sich die Richterinnen und Richter wirklich
34:34
Sorgen machen um ihr Haus. Und wie gesagt, die wesentlichen
34:36
Grundsätze könnte man ja oder sollte man sogar trotzdem noch im
34:39
Grundgesetz festlegen. Und dann hätte man insgesamt, glaube
34:41
ich, eine sehr gute Absicherung, solange das Gericht eben nicht schon
34:45
gekippt ist. Aber dann muss man ganz ehrlich sagen, dann ist eh Essig.
34:47
Dann ist eh vorbei. Genau.
34:49
Welche Änderung des Grundgesetzes auch immer. Alle diese Vorschläge
34:52
laufen darauf hinaus, im Prinzip sind alle dafür.
34:55
Scholz, Die Grünen, FDP, alle wollen das. Auch die Union ist im
34:59
Kern im Boot. Die müssen ja zustimmen, wenn
35:02
das Grundgesetz wie auch immer geändert wird.
35:04
Die zentrale Frage jetzt ist halt, na ja, wie viel soll denn ins
35:08
Grundgesetz? Alle Vorschläge beinhalten irgendeine Art von
35:10
Änderung. Man kann aber nicht jede
35:12
Verfahrensregel reinschreiben, haste gesagt. Aber zu wenig Regeln im
35:16
Grundgesetz schützen das Gericht dann eben auch nicht. Aber du hast
35:18
ja eben schon deine Lösung skizziert. Schreibt das Wesentliche
35:20
rein, gebt dem Gericht ein Veto
35:22
eine bestimmte Periode, innerhalb derer 2/3 des Gerichts eben
35:26
widersprechen können und dann ändern wir das Gesetz nicht aber
35:28
dann heißt es, das geht nicht, da müsst euch was Besseres überlegen.
35:31
So, das sind aber alles
35:34
Überlegungen und Vorkehrungen für den Fall, die AfD
35:38
oder irgendwelche anderen Demokratiefeinde haben eine
35:41
Mehrheit im Bundestag. Das ist nicht wahrscheinlich, aber
35:44
jetzt auch nicht völlig undenkbar. Viel wahrscheinlicher ist aber,
35:47
dass die AfD durch Wahlen
35:49
wächst, größer wird und
35:52
mehr als 1/3 der Sitze im Bundestag bekommt.
35:55
Keine Mehrheit.
35:56
Keine Mehrheit, aber sie bekommen mehr als 1/3 der Sitze im Bundestag und
35:59
das hätte auch so seine ganz eigene Problematik.
36:01
Genau dann kann sie natürlich keine Gesetze ändern, keine Gesetze
36:05
beschließen. Aber sie könnten
36:07
dann die Wahl von Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts
36:10
blockieren, weil dafür ja eben im Bundestag eine
36:13
Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Genauso für die Richterinnen
36:16
und Richter, die vom Bundesrat gewählt werden eben eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat.
36:19
So, das wäre natürlich eine Katastrophe, wenn die AfD es in der
36:22
Hand hätte, Richterinnen und Richter
36:24
zu blockieren, bis ihnen irgendwann
36:27
mal eine Kandidatin oder wahrscheinlich eher ein Kandidat
36:30
passt. Man nennt das eine sogenannte Sperrminorität, eine
36:33
Sperrminderheit. Und dazu würde eben schon
36:36
1/3 der Stimmen im Deutschen Bundestag reichen.
36:39
Momentan sieht es nicht so aus, aber das ist jedenfalls auch nicht völlig
36:42
esoterisch. Und das ist ehrlich gesagt schon ein
36:44
Problem.
36:45
Aber es ist, glaube ich, schon lösbar.
36:48
Es gibt zum Beispiel den Vorschlag, na ja, wenn der Bundestag
36:53
einfach keine Wahl zustande kriegt, weil die AfD zum Beispiel
36:57
mehr als 1/3 der Stimmen hat, ja,
36:59
dann könnte man sagen, erstens
37:01
kann dann nach X Monaten der Bundesrat wählen. Dann geht also das
37:04
Wahlrecht vom Bundestag auf den Bundesrat über.
37:07
Das hätte auch den Charme, so ein bisschen Zeitdruck entstünde
37:10
einfach, dass sie halt, ihr habt X Monate Zeit, um zu wählen.
37:13
Wenn ihr es nicht schafft, dann übernimmt das eben der Bundesrat.
37:15
Das ist nämlich total eingerissen. Also beispielsweise hab ich ja mal
37:18
für Winfried Hassemer gearbeitet am Bundesverfassungsgericht als
37:20
wissenschaftlicher Mitarbeiter, und der musste monatelang nachsitzen,
37:24
obwohl er eigentlich schon eine neue Stelle hatte in einer Kanzlei zum
37:26
Beispiel, bis dann irgendwann sich mal die Parteien in Berlin auf
37:30
Andreas Voßkuhle geeinigt haben, bei dem ich da noch ein paar Monate
37:33
gearbeitet habe. Also, und das war für alle
37:35
Beteiligten ehrlich gesagt ziemlich unangenehm. Deswegen, dieser
37:38
Zeitdruck wäre durchaus heilsam,
37:40
damit eben das politische Berlin nicht das Gericht so hängen lässt.
37:43
So, aber dann ist natürlich die Frage okay, dann ist der Bundesrat
37:46
zuständig. Aber was, wenn auch dort
37:49
die AfD über Beteiligungen an Landesregierungen ein
37:52
de facto Veto hat, weil sie mehr als 1/3 haben?
37:55
Also ich denke, die pragmatische Lösung für diesen Fall, also
37:58
Deadlock in beiden Kammern
38:00
wäre, dass dann das Bundesverfassungsgericht eine
38:02
Vorschlagsliste nach Berlin schicken sollte.
38:05
Ja, dann einigt sich das Plenum auf eine Liste von meinetwegen drei oder
38:08
fünf Menschen, wo sie sagen, die haben die fachliche Expertise und
38:12
auch die Persönlichkeit, dass wir sie uns in unserer Runde vorstellen
38:15
könnten. Und dann könnte der Bundestag aus dieser Liste
38:19
in zwei Wahlgängen eine neue Richterin oder einen neuen Richter
38:22
wählen. Also im ersten Wahlgang würde man quasi eine Platzierung
38:24
vornehmen. Wer ist Erster, Zweiter, Dritter, Vierter, Fünfter von den Stimmen im
38:28
Bundestag und dann in einem zweiten
38:30
Wahlgang aus den beiden Bestplatzierten jemanden wählen.
38:33
Das heißt, wer sich dann in diesem Zweiwahlgangsystem durchsetzt,
38:37
der wäre dann gewählt, auch wenn er keine 2/3-
38:40
Sondern mit einfacher Mehrheit.
38:41
Mit einfacher Mehrheit. Der wäre dann gewählt und wahrscheinlich
38:43
würde es dann ja eine absolute Mehrheit, wenn in der Stichwahl nur
38:46
zwei Personen auf dem Zettel sind, müsste in der Regel jemand eine
38:49
absolute Mehrheit kriegen, aber eben keine Zweidrittelmehrheit.
38:51
Und dadurch könnte dann auch ohne die Zweidrittelmehrheit
38:55
aber sichergestellt werden, dass hinter dieser Person einfach
38:58
ein, wie soll ich sagen, eine breite gesellschaftliche Mehrheit steht.
39:01
Einfach weil die Person ja zunächst mal vom Plenum in Karlsruhe
39:04
nominiert werden müsste.
39:05
Ich finde, so einen Einwand gegen dieses Prinzip ist natürlich so eine
39:07
Art Selbstrekrutierung der Eliten. Also wenn das, wenn das Gericht
39:10
anfängt, selber Listen zu schreiben, wer denn jetzt hier
39:14
uns genehm wäre in diesem Gericht, wen wir für geeignet
39:18
hielten, dann ist es natürlich das Gericht selber, was den Nachwuchs
39:22
quasi mit-, zumindest maßgeblich, mitbestimmt. Und so eine richtige
39:26
Frischzellenkur und so ein richtiger Austausch
39:30
weiß nicht, wird dann zumindest unwahrscheinlicher.
39:32
Das teile ich absolut. Das ist ein Schönheitsfehler.
39:35
Man kann auch ein ganz bisschen natürlich zweifeln an der
39:37
demokratischen Legitimation. Also wenn das Parlament zwar noch
39:40
wählt, aber nicht mehr völlig frei aus allen Menschen, die 40 sind.
39:44
Sehe ich durchaus dieses Problem. Auf der anderen Seite muss man
39:46
sagen, wir reden hier ja im Grunde von einer Situation des
39:49
Rekrutierungsnotstands, wenn eben das normale Wahlverfahren mit
39:53
Zweidrittelmehrheit nicht mehr funktioniert, weil die Autoritären
39:56
schon so weit vorgedrungen sind. Und ich denke mal, in einer solchen
39:59
Notstandssituation muss man ja irgendwie schauen, dass
40:03
das Gericht neu besetzt werden kann. Und da scheint mir ein Vorschlag aus
40:06
Karlsruhe plus absolute Mehrheit
40:08
ein guter Kompromiss. Wie gesagt, für eine Notsituation.
40:11
Das hält dann zumindest so lange die Arbeitsfähigkeit des Gerichts
40:14
aufrecht, wie das nicht selber
40:16
gekippt ist. Aber wie gesagt, das haben wir eben schon gesagt. Wenn das Gericht gekippt ist, dann ist
40:20
Essig. Dann weiß man auch nicht mehr, was dann passiert.
40:22
Wir kommen zum nächsten Thema und das ist ehrlicherweise ein bisschen
40:25
ein persönliches, was wir hier aber mal reingenommen haben,
40:28
weil ich glaube, dass es auch insgesamt
40:33
ein Abbild der gesellschaftlichen Stimmung durchaus sein könnte, was
40:35
sich bei uns, in mir, bei
40:37
mir so, so abspielt. Ich muss nämlich ehrlich sagen,
40:41
mich hat vor allen Dingen in der letzten Woche diese politische
40:43
Situation ja
40:47
mindestens nachdenklich gemacht und sie ist auch ein bisschen auf's
40:50
Gemüt geschlagen, finde ich. Also diese Umfragen
40:53
der AfD und dann auch diese Performance der Ampel oder
40:57
das Erscheinungsbild der Ampel. Ich habe mich da manchmal ein
41:00
bisschen hilflos und ein bisschen machtlos gefühlt,
41:05
weil ich mich immer so gefragt hab, ja, wo geht es denn jetzt
41:08
weiter? Was ist denn jetzt hier
41:10
der Pfad für die nächste zweite Halbzeit? Die Baustellen sind
41:13
bekannt. Wie geht es denn jetzt los?
41:15
Und mir fehlt da so der Spirit
41:17
und auch so der konstruktive Ansatz.
41:20
Und ich habe dann überlegt und saß dann auch im Auto auf dem Parkplatz
41:23
neulich und so und hab gedacht, was ist denn hier eigentlich das
41:26
Problem? Und ich glaube das Problem und warum einen das so ein
41:29
bisschen runterziehen kann, diese aktuelle politische Situation sind
41:32
weniger, die Inhalte, sind weniger die Gesetze, die die Ampel
41:36
macht und für die sie steht. Also wenn du dir den
41:38
Koalitionsvertrag anguckst, der ist ganz okay.
41:40
Wenn du dir diese von uns ja auch schon zitierte Bertelsmannstudie
41:43
anguckt, was haben die sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, was
41:47
sind sie zumindest angegangen, was haben sie auch schon abgeschlossen?
41:49
Da sind sie wirklich gut dabei. Da haben sie schon überdurchschnittlich
41:53
viel umgesetzt und auch abgeräumt.
41:55
Wir haben einen Boom bei der Photovoltaik, wir haben ein neues
41:58
Einwanderungsrecht, das nicht perfekt ist, aber doch verbessert
42:01
wurde. Wir haben Megakrisen gemeistert, wir sind raus aus dem
42:04
russischen Gas. Klar, es ist nicht alles super.
42:07
Ich meine, wir haben ein Buch geschrieben, das heißt die Baustellen der Nation.
42:09
400 Seiten über Baustellen.
42:10
Über Baustellen. Also da ist durchaus einiges zu machen.
42:13
Dass wir in dieser Situation kaum investieren, kaum neue Schulden
42:17
machen und uns auf unsere Schuldenbremse immer berufen, ich
42:20
würde sie jetzt mal Deutschlandbremse nennen, weil sie einfach ein Problem
42:23
ist für dieses Land,
42:25
das ist alles
42:27
doof, aber die Ampel hat
42:29
in diesen zwei Jahren, würde ich sagen, mehr Wandel
42:33
geschafft und mehr Umbau geschafft
42:35
als Merkel mindestens
42:38
in ihrer letzten Amtszeit. Also an den Inhalten
42:41
liegt es nicht diese Krise
42:43
der Ampel und mein Stimmungstief. Bei mir
42:47
liegt es eher daran,
42:49
wie A) diese Umfragen
42:51
natürlich sind. AfD 20 % bundesweit, 19, meinetwegen 18,
42:55
aber es sind immer noch zu viel. Und dann diese 30, 40 % in
42:58
einigen ostdeutschen Bundesländern.
43:00
Bei mir liegt es eher so ein bisschen daran, dass ich das Gefühl
43:03
habe, die Kommunikation
43:06
stimmt einfach nicht. Und ich finde, diese Demonstrationen, die wir gesehen
43:09
haben, die spiegeln das eigentlich ganz gut wieder. Du hast diese
43:12
Demonstrationen, die finden statt, das sind Hunderttausende, die auf
43:15
der Straße sind. Und das, finde ich, spricht ja auch
43:17
so ein bisschen für die These, oder scheint eine Manifestation
43:21
dieser These von Soziologen zu sein,
43:23
wie zum Beispiel Steffen Mau. Die sagen, unsere Gesellschaft ist
43:26
nicht polarisiert. Es gibt nicht die beiden großen
43:29
Lager, die sich gegenüberstehen
43:31
und gleich groß sind, sondern es gibt eine große, große Mitte.
43:34
Die ist total heterogen, kann sich aber auf sehr
43:38
Mitte orientierte, konsensorientierte, schon so ein
43:41
bisschen mainstreamig demokratieorientierte Inhalte einigen und dann gibt es am Rand die Extremisten. Das ist das Bild, was sich aktuell,
43:50
finde ich, auch in diesen Demonstrationen manifestiert.
43:53
Was mir fehlt ist, die Ampel
43:55
schafft es nicht, diesen
43:57
Spirit umzusetzen und kommunikativ
44:00
aufzunehmen, um ihre Inhalte
44:02
zu verkaufen und so einen Aufbruch zu kommunizieren,
44:06
der sich eigentlich in diesen Demonstrationen manifestiert.
44:09
Ja, man muss da ganz ehrlich sagen, diesen Aufbruch hat sie ganz am
44:12
Anfang ja durchaus kommuniziert. Also als diese Koalition Ende 2021
44:16
geschlossen wurde, fand ich, gab es durchaus was von einem Aufbruch.
44:20
Sie hat sich ja auch selber als Fortschrittskoalition bezeichnet.
44:23
Da gab es dieses berühmte Foto auf Insta von den
44:26
Verhandlungspartnerinnen und -partnern von Grünen und FDP, die
44:29
schon den Eindruck vermitteln wollten wir machen das jetzt hier mal zusammen.
44:32
Aber Philip, trotzdem, da hat sich tatsächlich eine Menge getan.
44:36
Du bist da ja auch überhaupt nicht alleine mit deiner Wahrnehmung.
44:38
Also es gibt zum Beispiel ja auch Umfragen, so quasi zur Stimmungslage
44:41
der Menschen in Deutschland. Und die genauen Zahlen hab ich jetzt
44:44
gar nicht im Kopf, aber im Kern ist es so, 70, 80 % sind total
44:48
skeptisch, was die Situation Deutschlands, was die Zukunft des
44:51
Landes angeht. Obwohl die persönliche Situation
44:54
von über 80 % als überwiegend gut oder sogar sehr gut eingeschätzt
44:57
wird. Also den Leuten geht es gut, aber sie haben das Gefühl, mit dem
45:00
Land geht es bergab. Und interessant ist ja auch,
45:03
dass dieses Gefühl, mit dem Land geht's bergab, sich überhaupt
45:07
nicht in den Kennzahlen der Wirtschaft widerspiegelt.
45:09
Die Wirtschaft ist ja alles andere als im Keller.
45:11
Ja, sie wächst zurzeit nicht. Es gab kurz sogar eine Rezession,
45:14
also ein Minuswachstum. Zurzeit kann man sagen, mehr oder
45:17
weniger Nullwachstum, wird vielleicht diese kurze Rezession
45:20
gerade aufgeholt? Das klingt jetzt erst mal nicht
45:22
doll, aber der Dax ist auf einem Allzeithoch.
45:25
Viele Unternehmen fahren riesige Gewinne ein, es herrscht nahezu
45:28
Vollbeschäftigung im Land, überall fehlen Arbeitskräfte.
45:31
Mit anderen Worten, also eigentlich der Wirtschaft geht es gut, den
45:34
Menschen persönlich geht es gut. Wo kommt diese schlechte Stimmung
45:38
her? Das ist ja, das ist ja auf eine bestimmte Weise total irrational.
45:41
Und deswegen haben wir uns in dieser Sendung gedacht,.lohnt sich das,
45:44
sich dieser Frage noch mal zu öffnen? Wo kommt diese irrational
45:48
schlechte Stimmung her?
45:48
Ja, ich würde, bei der Wirtschaft würde ich einhaken.
45:50
Ich gebe dir bei der Stimmung insgesamt recht, aber bei der Wirtschaft will ich einhaken, da ist
45:53
das Bild nicht ganz so eindeutig. Ich meine, du sagt Vollbeschäftigung.
45:56
Wir haben jetzt aktuell glaube ich, 6 % Arbeitslosigkeit.
45:58
Das ist, würde ich sagen,
46:00
immer noch historisch nicht so viel, aber es ist nicht Vollbeschäftigung
46:03
und wir haben halt-
46:05
Ich hab gesagt annähernd Vollbeschäftigung und also 100 %
46:07
Vollbeschäftigung hast du nie, weil nie das Angebot an Arbeitskraft
46:11
exakt eins zu eins passt zu der Nachfrage nach Arbeit.
46:14
Das hast du nie.
46:15
Ich will nur sagen, ich will, ich will, ich sage es mal so, dieses nur
46:18
positive Bild der deutschen Wirtschaft ein bisschen
46:20
relativieren. Aber trotzdem hast du recht, uns geht es relativ
46:23
gut und die Frage ist,
46:26
warum schafft die Ampel es nicht,
46:30
diese relativ gute Wirtschaft und diese Dynamik, diese
46:32
gesellschaftliche Aufbruchsdynamik
46:35
und dieses Bekenntnis für Demokratie
46:37
und Vielfalt, die sich in diesen Demonstrationen zeigt, warum schafft
46:41
die Ampel das nicht
46:43
aufzunehmen und zu übersetzen
46:45
in eine politische Dynamik? Und ich glaube, das liegt
46:48
an der mangelnden Kommunikationskompetenz
46:52
dieser Regierung. Die Ampel schafft es nicht,
46:54
diese kommunikative
46:57
Wende hinzukriegen. Sie finden keine Worte
47:00
für die Wende. Ja, nimm Merkel, wir
47:04
schaffen das. Nimm Mario Draghi, whatever
47:07
it takes.
47:08
Die hat damals im Grunde den Euro gerettet mit einem Satz ja.
47:11
Auch Scholz, Zeitenwende.
47:13
Da hat das mal funktioniert. Also Olaf Scholz kann ja durchaus
47:16
eine Vision kommunizieren,
47:18
wenn er das mal will.
47:19
Und diese Aussagen zeigen, welche
47:21
Macht Kommunikation hat,
47:24
welche Macht gute Politiker
47:26
und Politikerinnen haben, die zur richtigen Zeit die richtigen
47:30
Worte finden. Da braucht es nicht viel.
47:32
Wir schaffen das. Whatever it takes, das sind drei Worte.
47:34
Ja, drei Worte, die natürlich jetzt nicht die Welt verändert haben, aber
47:38
die unglaubliche Macht entfaltet
47:40
haben. Und was mir fehlt,
47:42
ist, dass die Ampel für diese Zeit, in der wir stecken, und
47:46
für die Herausforderungen, vor denen wir stehen, nämlich unsere
47:50
Gesellschaft zu wandeln,
47:52
umzubauen zu mehr Klimaneutralität,
47:55
dass ihnen dafür die Worte fehlen. Dafür haben sie keine
47:58
Begriffe gefunden, die die Leute verstehen, die die Leute
48:01
unterschreiben und die die Leute dazu bringen, in ihrer Mehrheit da
48:05
mitzugehen. Und dazu gehört, dass man den
48:08
Leuten reinen Wein einschenkt.
48:10
Du kannst nicht hingehen, wie Scholz sagen ja, ja, Wandel.
48:12
Aber der wird euch nicht betreffen. Ihr werdet davon gar nichts
48:15
mitkriegen. Du musst den Leuten reinen Wein
48:18
einschenken, dass sich was ändern wird und dass das auch nicht alles
48:21
super sein wird. Aber du musst ihn gleichzeitig
48:24
vermitteln, dafür gibt es einen
48:26
Plan. Und diesen Plan
48:28
verfolgen wir langfristig.
48:30
Da wäre natürlich das Thema Migrationspolitik wieder so ein ganz
48:33
zentrales Kommunikationsversagen
48:35
aus meiner Sicht. Man müsste den Menschen sagen,
48:38
Migration ist gut und sie ist ohnehin auch nicht zu
48:41
verhindern. Das wäre die Wahrheit. Nicht irgendwie Abschiebeinitiativen,
48:44
sondern man müsste den Menschen sagen, wir können unser Land ohnehin
48:47
nicht abschotten. Das ist völlig aussichtslos. Vielleicht kann man
48:49
die EU abschotten. Schwierig. Aber Deutschland
48:52
abschotten funktioniert nicht. Es ist auch eine Schnapsidee,
48:55
Deutschland möglichst unattraktiv
48:57
zu machen. Wir werden nie unattraktiver sein als bestimmte
49:00
Herkunftsländer, als Afghanistan und Syrien. Und man müsste es den Leuten
49:04
einfach ehrlich sagen. Die Menschen werden kommen.
49:06
Und der zweite Gedanke wäre, das
49:08
ist auch gut so. Wir brauchen diese 400.000 Menschen
49:11
und man müsste dann vernünftig reden über den Umgang mit Migration.
49:14
Das, find ich, ist ein klassisches Beispiel, wo einfach die SPD,
49:17
die FDP, partiell auch die Grünen
49:19
rechtsextremen Narrativen hinterherrennen mit den bekannten
49:23
Folgen. Wo steht die AfD? Und natürlich auch mit so
49:26
Schnapsideen, die jetzt im politischen Raum wieder Platz
49:28
greifen, die Bezahlkarte, Philip. Die Bezahlkarte, wo die Kommunen
49:32
sagen ist Quatsch, wo alle wissen riesen Bürokratieaufwand.
49:35
Wo alle wissen, wird natürlich die Transfers in die Heimatländern nicht
49:38
verhindern. Diese Bezahlkarte kommt jetzt. Das ist einfach nur noch
49:41
absurde Politik und ich finde, das ist einfach ein schönes Beispiel für
49:45
Kommunikationsversagen.
49:46
Und ich würde sagen, zum reinen Wein gehört aber auch, wir haben in
49:49
Berlin Tegel ein Übergangslager.
49:52
Ja, da sind 5-6000 Geflüchtete aus der Ukraine, aus
49:57
der ganzen Welt. Die sollten da ursprünglich mal,
50:00
als das eingerichtet wurde, Krieg in der Ukraine beginnt Frühjahr 22
50:04
wenige Tage
50:06
verbringen.
50:07
Wie das so geht.
50:08
Die sitzen da, weißt du, die finden
50:10
keine Wohnung, die finden keine Arbeit.
50:13
Das findet in Berlin ein bisschen außerhalb der Öffentlichkeit statt,
50:15
weil die da halt so abgekesselt sind. Aber das sind natürlich
50:19
Probleme, die wir haben.
50:20
Ja, da muss man das eben so kommunizieren. Da muss man sagen, die Leute sind da, die wollen wir
50:24
auch nicht wieder zurückschicken, im Fall der Ukraine können wir nicht,
50:27
geht gar nicht aus humanitären Gründen. Aber es kommen eben auch
50:29
noch viele andere Leute, die wir aber objektiv nicht wieder
50:32
loswerden, warum auch immer. Da können wir Abschiebeinitiativen
50:35
starten, bis wir schwarz werden. Die werden wir nicht los, die sind
50:38
hier und die bleiben hier auch. Das wäre ehrliche Kommunikation,
50:41
nicht irgendwie so Failkommunikation, abschieben wie so
50:45
ein Weltmeister, das wird ohnehin nicht funktionieren.
50:47
Was sagt das Innenministerium? 600 Leute mehr von den
50:50
350 oder 300.000 etwa, die im Land grundsätzlich
50:54
ausreisen.
50:54
Durch diese letzte Abschiebeinitiative.
50:56
Eine solche Quatschkommunikation. Und das ist jetzt das Thema
50:59
Migration, wo man einfach sieht, da hat sich die Ampel selber ein Bein
51:02
gestellt. Die FDP klebt jetzt in Berlin Plakate irgendwie
51:05
so mit, dass sie irgendwie
51:07
Migration kontrollieren will. Was für eine Schwachsinnskommunikation!
51:11
Sie verspricht den Leuten, dass man das irgendwie nennenswert
51:15
beeinflussen könnte, anstatt das zu tun, was eine progressive Politik
51:18
jetzt machen müsste, für die möglichst gute Integration
51:22
zu sorgen, die Leute so schnell wie möglich in Arbeit bringen, das wäre
51:26
doch Zukunftskommunikation.
51:27
Das ist richtig. Aber ich würde dir widersprechen, dass man Migration
51:30
nicht kontrollieren kann.
51:31
Ja, das hatten wir ja schon mal.
51:32
Hatten wir schon mal.
51:33
Ich habe das ja differenziert. Deutschland kann das nicht.
51:35
Man kann das an den europäischen Außengrenzen vielleicht.
51:38
Da gibt es alle möglichen Ideen
51:40
mit irgendwelchen Staaten in Afrika, wo man die Leute parken könnte und
51:43
so. Ich glaube, das Fass müssen wir nicht wieder aufmachen. Aber aus
51:45
einer deutschen Perspektive wäre die ehrliche Kommunikation, wir können
51:48
da überhaupt gar nichts machen. Wir können 600 Leute mehr
51:51
abschieben, Philip, bei 300.000.
51:53
Abschieben, gebe ich dir recht. Aber ich-
51:55
Was willst du denn machen? Willste die Mauer wieder aufbauen?
51:57
Nein, ich will nicht die Mauer wieder aufbauen. Aber es gibt ja
52:00
international viele Beispiele,
52:03
wie du es schaffst, Leute, die irgendwie irgendwelche Gewässer
52:06
überqueren, daran zu hindern, diese Gewässer zu überqueren und
52:10
darin zu sterben und ihn trotzdem
52:12
Schutz zu gewähren.
52:13
Das ist aber, das ist aber kein deutsches Thema. Wir haben, soweit
52:15
ich weiß, keinen Strand am Mittelmeer. Das ist wenn überhaupt
52:18
eine EU Thema. Und aus einer deutschen Perspektive wäre die
52:22
ehrliche Kommunikation, wir können da überhaupt gar nichts machen.
52:24
Wenn überhaupt, können wir uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen.
52:27
Stand heute müssen wir davon ausgehen, die Leute sind hier, die
52:30
Leute werden kommen und die Leute bleiben auch hier.
52:32
Und deswegen reden wir darüber, wie wir mit diesen Menschen am besten
52:35
umgehen. Es ist einfach eine Quatschkommunikation, dieses
52:38
Regelungsnarrativ aufrechtzuerhalten, dieses Narrativ,
52:41
wir können Migration nennenswert beeinflussen. Wie gesagt, vielleicht
52:44
auf EU Ebene, aber der Bundeskanzler ist nun eben nicht der Chef der EU
52:47
Kommission, weißt du? Und deswegen nervt das, dass der
52:49
Bundeskanzler den Leuten da nicht, das sind ja deine Worte, dass der
52:53
Bundeskanzler den Menschen nicht reinen Wein einschenkt.
52:55
Und ich finde, das ist einfach ein unglaubliches Politikversagen.
52:59
Das trägt wahnsinnig bei zum Aufstieg der AfD.
53:01
Und wir haben natürlich noch ein zweites wichtiges Politikfeld,
53:04
nämlich die Klimapolitik. Weil auch da wird ja den Menschen
53:07
jedenfalls nicht in der nötigen Weise gesagt, was einfach die
53:11
politischen Realitäten sind.
53:12
Ja, und das habe ich ja eben auch schon gesagt, du kannst den Leuten
53:15
diesen Wandel nicht schmackhaft machen, indem du sagst, jaja,
53:19
das wird sich viel ändern, aber euch wird das nicht betreffen und
53:22
letztlich verlangen, das ist ja übrigens jetzt gerade auch neu,
53:26
große Unternehmen der deutschen Wirtschaft, 50 Unternehmen, haben
53:29
Appell geschrieben von Aldi über Rossmann bis Thyssenkrupp, dass
53:32
sie sagen, Deutschland muss klimaneutral werden.
53:34
Okay, so weit, so gut. Sie sagen aber, Klimaneutralität sei
53:38
eine Chance für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg in
53:40
Deutschland. Und jetzt kommt's, aber dafür braucht es eben einen klaren,
53:44
langfristig und gut kommunizierten
53:47
Plan, damit die Leute das verstehen,
53:49
damit auch die Wirtschaft sich drauf einstellen kann. Das sagt die
53:51
Vorständin der Stiftung Klimawirtschaft, die das quasi
53:55
vorgebracht hat Sabine Nallinger.
53:57
Die Politik muss jetzt klare Perspektiven, quasi ein
54:01
Leitbild für 2045
54:03
für den klimaneutralen Standort Deutschland aufzeigen.
54:07
Das geht nur, wenn alle demokratischen Parteien in
54:10
der Regierung und der Opposition zusammenarbeiten.
54:13
Wir brauchen einen verlässlichen Plan, der mehr als eine
54:16
Legislaturperiode überdauert.
54:19
Investitionen in die Transformation
54:21
sind langfristig angelegt und brauchen einen verlässlichen
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Fahrplan als Basis.
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So schaffen wir neue Wachstumsperspektiven und
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halten rechtsextreme politische Ränder klein.
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Die Ampel, würde ich sagen, macht aber fast das Gegenteil.
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Die wirkt halt nicht geschlossen,
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nicht planvoll, nicht energisch. Es gibt bei der Ampel
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kaum ein Projekt, das sie nicht selber torpediert.
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Jedenfalls kommunikativ.
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Jedenfalls kommunikativ. Ich meine, die härtesten Debatten, die wir in Deutschland
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erleben, ist nicht zwischen der Regierung und der Opposition.
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Das ist zwischen den Koalitionsparteien, und das finde
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ich, das kann nicht sein.
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Ja, und ein Beispiel dafür war ja die Rede des
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Bundesfinanzministers Christian Lindner vor einigen Tagen vor so
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einer Bauerndemo in Berlin.
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Das hat also auch die Historikerin
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Hedwig Richter im Spiegel in einer Kolumne vor einigen Tagen sehr
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deutlich kritisiert. Sie sagte sinngemäß, dass diese Rede
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eigentlich ein Tiefpunkt der Kommunikation der Ampel war, weil
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Christian Lindner sich im Grunde die ganze Zeit nur in Opposition
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begeben hat zu den gerade
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von der Ampel gefassten Beschlüssen. Man kann ja lange streiten über die
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Subventionen für die Bäuerinnen und Bauern, aber wenn man die in der
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Koalition einmal beschlossen hat, dann muss man es halt auch
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durchziehen. Oder man darf es gar nicht erst beschließen.
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Aber ein solches Chaos jedenfalls
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darf nicht eintreten.
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Sie hat halt argumentiert, und das fand ich halt ganz interessant,
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deswegen fand ich diese Kolumne auch lesenswert, warum
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diese diffuse,
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widersprüchliche, inkohärente
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Kommunikation und dieses zerstrittene
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und chaotische Bild von
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der Regierung, was dadurch entsteht,
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warum das so schädlich
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und problematisch ist. Sie beschreibt dieses chaotische
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Bild in der Öffentlichkeit, was von der Ampel selbstverschuldet
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mit entstanden ist als
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Humus, würde ich das mal paraphrasieren, für Extremisten.
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Und wir haben sie quasi noch mal gebeten, dieses Argument uns
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in einer kleinen Sprachnachricht auszuformulieren.
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Okay. Also ich denke, dass wirklich ganz prinzipiell das Chaos der
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Tummelplatz der Rechtsextremisten ist, weil sie ja das in
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Anführungsstrichen System attackieren. Also sie sind ja
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grundsätzlich gegen die liberale
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Ordnung, gegen die liberale Demokratie und je schlechter
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das scheinbar funktioniert desto wichtiger. Und deswegen ist ja in
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ihrer Kommunikation ganz
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wichtig, dass sie diese Vorstellung stark machen und dass sie in dieser
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Vorstellung leben, dass sie quasi
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in einem failed state sind, bzw.
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ganz kurz davor. Und das muss ja immer und immer
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wieder wach gehalten werden, dass überhaupt nichts mehr funktioniert.
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Und da ist es natürlich gut, wenn dann die Regierung sich selber
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widerspricht, sich selber attackiert, sich selber
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despektierlich über andere Regierungsmitglieder äußert.
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Und wenn dann noch sogar ein Minister sagt, dass diese Politik
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schlecht ist und sich darüber lustig macht und sich den Populisten
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offiziell in so einer Rede, in einer öffentlichen Rede
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anbiedert, das finde ich wirklich ganz fatal.
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Ich finde das total überzeugend. Wie soll denn eine Regierung die
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Menschen in Deutschland überzeugen, insbesondere die Menschen, die ihr
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vielleicht politisch zunächst mal nicht so wahnsinnig nahestehen, wenn
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sie sich noch nicht mal selber überzeugt?
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Also das ist doch gedanklich ein klarer Schritt. Erst muss man sich
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in einer Koalition auf irgendwas einigen.
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Und dann müssen eben auch wirklich alle dazu stehen.
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Und wie gesagt, wenn das selbst schon die einflussreichste
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Persönlichkeit bei der FDP nicht schafft wie Christian Lindner in
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diesem Fall, dann muss man sich natürlich auch nicht wundern, wenn
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die Menschen in Deutschland das Gefühl haben, die haben keinen
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klaren Kurs, die da in Berlin und,
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und das ist eben gerade bei den Bauernprotesten ja so deutlich
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geworden, wenn wir nur eine Riesenwelle machen, dann werden die
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schon wieder einknicken. Und das mal ganz ehrlich, so kann
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natürlich Reform auch nicht funktionieren, wenn alle
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Partikularinteressen jeweils eine große Welle machen und damit das
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Land lahmlegen.
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Richtig. Und natürlich gucken dann alle, finde ich zu Recht, auch auf
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Olaf Scholz, weil er derjenige
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wäre, der diese Kohärenz
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herstellen könnte und auch
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müsste. Aber ich glaube, dazu passt sein Politikverständnis
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einfach nicht. Wir haben diesen Satz damals auch hier zitiert.
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Ich paraphrasiere, aber er hat so was gesagt wie, jeder Beschluss
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für Klimaschutz, der muss hier in Deutschland ein Plebiszit
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überstehen.
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Also eine Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich haben.
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So und da finde ich, so funktioniert
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das nicht. Deswegen haben wir eine repräsentative Demokratie, deswegen
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wählen wir alle vier Jahre. Übertragen auf den Bundestag
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Macht. Der Bundestag, wählt den Bundeskanzler, die Bundeskanzlerin
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und dann muss er vier Jahre voraus gehen und wird
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nach vier Jahren wiedergewählt
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oder eben auch nicht für das, was
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er mit seiner Macht in diesen
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vier Jahren angestellt hat.
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Das ist ja der Witz bei der repräsentativen Demokratie ist ja
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eben gerade, dass nicht die Menschen
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in Deutschland ständig Volksabstimmungen entscheiden,
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sondern dass wir Abgeordnete wählen. Und die sollen eben
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idealerweise schlauer sein
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als der Schwarm, schlauer sein
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als der Stammtisch, schlauer sein als irgendwelche Gruppen auf
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Telegram, sondern die sollen sich eben mit Themen beschäftigen, sich
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da eine fundierte Meinung bilden und dann später für ihre Meinung
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kämpfen. Wir reden natürlich viel
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mit Menschen, die im Bundestag Verantwortung tragen und da war ich
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jetzt gerade vor zwei, drei Wochen noch mal bei einer Gruppe, war
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vertraulich, deswegen sage ich jetzt nicht, wo ich da genau war, aber was
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ich andeuten will, ist, die wiederum sagen dann, ja, können wir
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ja gerne versuchen, wir werden halt nicht mehr gehört mit dem, was wir
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sagen. Wir kommen mit unserer Nachricht nicht durch.
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Und ich muss gestehen, sie haben da auch ein stückweit einen Punkt.
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Also wenn man sich zum Beispiel erinnert, die SPD hat vor sechs
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Wochen auf ihrem Bundesparteitag-
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100 Milliarden für die Bildung.
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100 Milliarden für die Bildung. So wie es eben 100 Milliarden für
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die Bundeswehr gibt zurzeit, wollte die SPD parallel ein 100 Milliarden
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Programm für die Bildung. Und wer das Bildungssystem in
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Deutschland kennt, der weiß, dass ist jedenfalls im Ergebnis eine
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großartige Idee. Und sie hatte auch, sage ich jetzt
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mal ganz kurz, klassisch sozialdemokratische Ideen, wie man
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das finanzieren könnte. Philip, im Ernst. Hat es irgendwen
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interessiert? Nein. Wir hatten sogar die Vorsitzende der
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SPD, Saskia Esken, in der Lage, eine halbe Stunde zu dem Thema.
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Hat es irgendwen interessiert? Nein, also insofern, man
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kann schon, man kann schon mitgehen ein stückweit, wenn
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Abgeordnete sagen, wir versuchen ja rational zu kommunizieren, die
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Medien interessieren sich nicht dafür. Das ist, glaube ich, gehört
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zum fairen Bild auch mit dazu. Es ist nicht einfach.
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Wir haben ja diesen Teil so ein bisschen angefangen mit meinem
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persönlichen Befinden. Und wir haben uns überlegt okay, was
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bringt das hier in der Lage? Und ich habe nach Antworten gesucht,
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wie man persönlich mit dieser,
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mit dieser Unzufriedenheit, mit dieser Hilflosigkeit und auch
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Machtlosigkeit umgehen kann. Und bei uns in der Lage, bei dir
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wird das nicht anders sein als bei mir, geht es natürlich immer auch
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darum, irgendwie Lösungen zu finden, irgendwie konstruktiv zu sein.
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Und das ist natürlich ein guter Anspruch. Aber ich würde
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argumentieren, Erleichterung und ein besseres
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Lebensgefühl lässt sich schon durch
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Kommunikation erreichen, ohne dass wir immer
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sofort wissen, wie es weitergeht. Und mit Kommunikation
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meine ich Austausch mit anderen
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und auch die Formulierung
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von Stimmung, von von eigenen Zuständen, von eigenen
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Ängsten helfen
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schon dabei, mit diesen Ängsten und diesen Stimmungen umzugehen.
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Und deswegen haben wir das hier auch mal in die Lage reingenommen, weil
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ich glaube, ein Mehrwert der Lage kann auch sein, dass
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wir hier versuchen, Stimmungen vielleicht von euch,
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die hier zuhören, auch zu formulieren, ja, und
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ein bisschen auseinanderzunehmen und ihnen so ein paar Worte
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zu geben, weil das helfen kann, wenn man hört,
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aha, genau,
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so fühle ich mich auch. Daher kommt dieses Gefühl.
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Durch diesen und jenen Missstand wird dieses Gefühl verursacht.
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Ich habe für mich das Gefühl, dass das schon hilft, mit
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schwierigen Situationen besser umzugehen. Das schafft Raum
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für Lösungen, ohne dass man die sofort hat.
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Das schafft Raum für Gedanken.
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Wie gehen wir denn jetzt damit konstruktiv um?
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Ohne dass man das schon sofort
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weiß. Aber mir hilft das so ein bisschen zu analysieren,
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woher kommt denn dieses komische Gefühl? Woher kommt diese
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Unzufriedenheit und auch dieses bedrückte Gefühl?
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Und vielleicht, weiß ich nicht,
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hilft so ein Segment hier in der Lage, denjenigen unter euch,
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die das vielleicht ähnlich empfinden, damit ein bisschen besser
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und positiver umzugehen.
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Na ja, ich meine, das ist ja auch etwas, was viel an
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uns herangetragen wird, wenn wir so öffentliche Veranstaltungen machen.
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In den letzten Wochen war ich das hauptsächlich, Philip, wegen deines
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Babys habe ich ja die Lesungen gemacht und was da so war, und das
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ist schon etwas, wo ich immer wieder gespiegelt bekommen habe in den
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letzten Wochen, dass die Lage da einfach zum Ausdruck bringt, was
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viele so empfinden, ohne da vielleicht direkt Worte für zu
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haben. Und zugleich versuchen wir aber natürlich auch immer eine
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konstruktive Perspektive einzunehmen. Also die Dinge zu
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benennen, ist glaube ich ganz wichtig. Aber dein zweiter Aspekt
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ist dann ja auch immer, einfach deutlich zu machen, was man tun kann
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und was wirklich jeder tun kann, ist, zu einer Demo zu gehen, zum
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einen oder eben Briefe zu schreiben. Wir haben es in der letzten Woche
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ausführlich gemacht. Ich glaube gerade Briefe an
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Abgeordnete, Briefe an Medien, das sind so die beiden Wege, wie
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wir, wie wir alle uns einsetzen können für einen
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Erhalt unserer Demokratie, eben gegen rechtsextreme Narrative
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zum Beispiel. Und ich glaube, das hilft. Also ich habe jetzt auf
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Twitter, auf anderen sozialen Netzwerken viele Nachrichten
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gesehen, wo Leute einfach Briefe geschrieben haben. Und ich hoffe,
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dass nicht nur, wenn das jetzt Lager Hörenden tun, sondern auch, wenn
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viele andere Leute einfach sagen, Demokratie ist mir wichtig, bitte
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trefft auch demokratische Entscheidungen, die unser Land
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wirklich voranbringen. Ich glaube, dass das auf Dauer auch
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nicht ohne Folgen bleibt, zum Beispiel in den Parlamenten.
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Unser nächstes Thema. Da müssen wir ein bisschen grundsätzlich
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werden. Es passiert ja wirklich
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nicht oft, dass eine neue Technik auftaucht und
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eigentlich wirklich mehr oder weniger allen sofort klar ist, diese
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Technik wird die Welt wird unser Leben revolutionieren.
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Ja, und bei Artificial Intelligence, kurz AI oder auch künstlicher
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Intelligenz, kurz KI, sind Synonyme,
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da bezweifelt diesen revolutionären
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Effekt einfach niemand mehr.
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Allerspätestens seit vor gut einem
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Jahr die Software ChatGPT
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veröffentlicht wurde, der man ja gefühlt quasi alle Fragen
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dieser Welt stellen kann, die einem so ziemlich alle Antworten geben
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kann. Und Philip, Millionen Menschen sind davon fasziniert.
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Und auch die Wirtschaft ist natürlich elektrisiert ob
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der Chancen, die das bietet.
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Ja, genau. Und das war wirklich so
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ein Wasserscheidenmoment. Du kannst halt bei ChatGPT
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in einem simplen Textchat, den wirklich jeder und jede
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versteht, jedes Kind versteht, einfach mit einer Maschine reden
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und ihr sagen code mir mal
1:04:48
das Programm XY, schreib
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mir mal ein Gedicht, generiere
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mir mal ein Bild hier von diesem Foto, das so aussieht
1:04:56
wie im Stil von Van Gogh. Dieses Programm ChatGPT,
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diese KI, kann Stimmen
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erzeugen, dann die Stimme erzeugen von Olaf Scholz, von mir,
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von dir, von Joe Biden.
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Diese KI kann Studienarbeiten schreiben. Alles in dem man ein paar
1:05:12
Worte in diesen Chat schreibt.
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Und da war wirklich, das war zu spüren, das haben alle sofort
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benutzt. Das hat sich sofort in ganz viele Anwendungen, in ganz
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viele Alltagsbereiche rein gefressen. Der Nutzen war sofort
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erkennbar in so vielen Bereichen,
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dass eigentlich allen klar war, das wird nicht mehr weggehen.
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Es ist im Grunde ja heute schon sehr schwer, einen Bereich in Wirtschaft
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und Verwaltung und auch in der Lehre
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zum Beispiel in der Forschung zu finden, wo keine KI eingesetzt wird.
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Versicherungen, Steuersoftware, die Medizin zum Beispiel bei
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der Erkennung von Krebs in irgendwelchen Bildern zum Beispiel,
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Drogerieketten kippen ihre Businessdaten rein, schauen mal was
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da so rauskommt.
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Ja, das ist halt so, wenn du, wenn du wissen willst, was passiert in
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deinem Unternehmen, dann machen so Drogerieketten kippen alle ihre
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Daten, Rechnungen, Lieferungen, Kunden, bla bla bla alles in so ein
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Modell und können das Modell dann fragen, wie viel Umsatz haben
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wir denn hier gemacht? Welche Lieferanten haben uns am meisten
1:06:05
geliefert? Und diese KI wirft
1:06:07
das in Textform einfach aus.
1:06:08
Nicht, dass man das nicht auch früher irgendwie hätte machen
1:06:11
können, aber mit deutlich mehr Aufwand. Und es gibt eben auch viele
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Anwendungen, die mit früherer
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IT so nicht möglich gewesen wären.
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Die Lage zum Beispiel nutzt KI inzwischen auch zum Transkribieren
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von Lage olgen. Also ihr wisst ja, wenn man ein plus
1:06:24
Abo hat, kann man die Transkription der Lage mitlesen auf unserer
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Website. Wir lassen die noch mal redaktionell prüfen.
1:06:30
Wir haben eine Mitarbeiterin und einen Mitarbeiter, die so im Wechsel
1:06:33
diese Transkripte noch mal mit dem Audio abgleichen.
1:06:35
Das ist so quasi unsere Qualitätskontrolle. Aber wir merken schon, die beiden
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sagen uns auch, das wird einfach immer besser.
1:06:41
Auf der anderen Seite, glaube ich, Philip, muss man auch immer ganz
1:06:44
deutlich sagen, passieren mit
1:06:46
KI natürlich fiese Sachen, wie das so ist. Jede neue Technologie kannst
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du natürlich auch missbrauchen. Das Messer, mit dem du deinen Apfel
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schneidest, kannst du auch nutzen, um jemanden zu erstechen.
1:06:55
Und KI ist da leider keine Ausnahme.
1:06:57
Richtig. Haben wir jetzt gerade gesehen. X, vormals Twitter, wurde geflutet
1:07:01
von Pornobildern, die so aussahen wie Nacktbilder von
1:07:05
Taylor Swift, natürlich durch eine KI generiert.
1:07:10
X war völlig überfordert, hat am Ende alles sperren müssen, weil
1:07:14
das einfach nicht mehr beherrschbar war. Während der Vorwahlen haben
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einige Wähler und Wählerinnen in den USA Anrufe bekommen,
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gefakte Anrufe bzw. Anrufe bekommen, wo ihnen
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die Stimme von Joe Biden erklärt hat, so geh man nicht zur Wahl.
1:07:27
Braucht ihr nicht machen. Natürlich war diese Stimme generiert
1:07:31
von einer KI.
1:07:32
Voting this Tuesday only enables the republicans in their quest to elect Donald Trump again. Your vote makes a difference in november, not this tuesday.
1:07:42
KI kann auch automatisiert
1:07:44
Schadsoftware schreiben, programmieren, ohne dass Menschen
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das können müssen. Sie können einfach sagen, schreib
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mir mal eine Software, die das und das macht, das funktioniert.
1:07:52
Die KI halluziniert auch. Die tut so, als wüsste
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die Dinge, schreibt einfach Sachen auf, die aber einfach nicht
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stimmen, die frei erfunden sind. Die kommen aber in dem Gewand der
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absoluten Sicherheit und Faktizität
1:08:04
daher.
1:08:05
Kleines Beispiel unsere Transkriptionen für die Lage.
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Mitunter finden sich darin Sätze,
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und zwar komplette Sätze, die in der Lage nie gefallen sind.
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Das heißt also, diese KI hat einfach
1:08:15
ganze Sätze dazu fantasiert und ich meine, das ist natürlich
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extrem gefährlich. Philip hat es gerade schon angedeutet.
1:08:21
Diese Ergebnisse einer KI, die kommen ja aus einem
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Computer, einem Computer, der einfach den Eindruck enormer
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Leistungsfähigkeit verbreitet. Und deswegen haben auch
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diese Ergebnisse immer so intuitiv eine enorme Überzeugungskraft.
1:08:34
Und sich dagegen zu wenden und zu sagen, was die KI da ausgespuckt
1:08:38
hat, das ist Quatsch, das ist einfach sehr, sehr schwer, weil
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Menschen eben spontan geneigt sind, der KI zu glauben.
1:08:44
Bei der Transkription ist es noch einfach, da gibt es ja das Audio, da
1:08:47
kann man hören und dann sieht man krass, dieser Satz da, der fällt
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einfach nicht. Die KI hat den stumpf erfunden.
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Aber es gibt natürlich auch Beispiele, wo es wesentlich schwerer
1:08:55
ist, so eine Einschätzung einer KI zu widerlegen.
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Richtig. Und diese Magie, wirklich anders kann man das nicht beschreiben,
1:09:01
dieses Gefühl von Magie und tatsächlich Intelligenz,
1:09:05
das sich vermittelt bei so was wie
1:09:07
ChatGPT aber auch anderen Modellen, die ist um so erstaunlicher, als
1:09:11
dass das Prinzip von KI,
1:09:13
von dieser KI, im Kern
1:09:15
eigentlich überraschend simpel ist.
1:09:18
Ja, im Zentrum stehen sogenannte Modelle.
1:09:21
Das sind quasi die Ergebnisse eines
1:09:23
Lernprozesses. Also KI bedeutet eine Software,
1:09:26
die lernfähig ist. Das heißt also, programmiert wird
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nur eine Methode zum Lernen. Und diese Software
1:09:32
wird dann angelernt mit gigantischen
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Datenmengen, die sie quasi in so einem Modell in letzten
1:09:38
Endes Entscheidungsregeln umsetzt.
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Und diese Entscheidungsregeln sind häufig gar nicht so wahnsinnig
1:09:43
komplex. Beispielsweise wenn es um textbasierte Modelle geht, dann
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lernt es typischerweise nur, wie wahrscheinlich ist es eigentlich,
1:09:50
dass nach einem bestimmten Wort ein bestimmtes anderes Wort kommt.
1:09:53
Richtig. Da wird also Text, wirklich gigantische Mengen an Text, Büchern,
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Wikipedia, Internet reingestopft und
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analysiert und dann wird halt eine Wahrscheinlichkeit entwickelt.
1:10:02
In diesem Kontext kommt aller Wahrscheinlichkeit nach diesem Wort
1:10:05
jenes Wort. Und zu dem Lernen gehört wie beim Menschen ja auch
1:10:08
Feedback. Also dann wird im Programm gesagt, zeige mir Bilder
1:10:12
von Katzen und dann sagt das Programm, hier sind Bilder von
1:10:15
Katzen und Menschen sagen, ja, das ist eine Katze, das eine Katze, das
1:10:18
ist eine Katze. Aber dies hier ist ein Hund. Oder zum Beispiel bei
1:10:21
ChatGPT ist es auch so, dann wurde ChatGPT angelernt, dann hat
1:10:25
ChatGPT eine bestimmte Frage bekommen und Menschen haben
1:10:27
entschieden, ob die Antwort, die ChatGPT auswirft, treffend ist,
1:10:31
gut ist, wie nah sie an der Wahrheit ist. Und mit dem Feedback von
1:10:35
diesen Menschen, sei es jetzt auf Hundebilder oder eben solche Antworten, lernt das Modell.
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Das heißt es verändert Parameter,
1:10:41
mit denen es bestimmte Inhalte
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kategorisiert, wirft dann neue Bilder aus oder neue
1:10:47
Antworten aus, versucht es einfach nochmal und gibt dann wieder
1:10:50
Feedback. Und so lernt ein System wie zum Beispiel GPT.
1:10:54
Genau und das geht im Kern schon seit vielen Jahren.
1:10:56
Aber Training und Aufbau eines
1:10:58
solchen Basismodells kostet Millionen oder sogar Milliarden von
1:11:02
Dollar. Das heißt also, zentral für die Revolution der letzten zwei,
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drei Jahre ist jetzt eben das Rechenpower, also insbesondere
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die Power von bestimmten Chips, sogenannten GPUs und eben auch Geld
1:11:13
da investiert wurde, um diese Modelle zu trainieren, und zwar
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heute mehr als zuvor. Und dadurch wird das jetzt
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zu einer wichtigen Triebfeder
1:11:22
dieser industriellen Revolution. Kann man glaube ich sagen.
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Und der große Unterschied zu früher ist auch, bisher waren, du hast es
1:11:28
gesagt, so ganz neu ist diese
1:11:30
Möglichkeit nicht, beispielsweise Katzenbilder auszuwerfen.
1:11:32
Das macht Google schon seit vielen Jahren eigentlich. Wenn du Katze
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eingibst, dass es auch Katzenbilder auswirft. Das war aber
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lange deterministisch. Das bedeutet, man konnte
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vorhersagen, bestimmte Eingaben
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führen zu bestimmten Ausgaben,
1:11:46
die der Code dieses lernenden Systems eben festlegt.
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Und heute ist es fundamental anders.
1:11:52
Der Code dieser
1:11:54
Maschine, dieses Modells, der bestimmt nur noch
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wie die Programme lernen, aber nicht
1:12:00
mehr, was sie ausspucken. Das heißt, selbst die Coder
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können nicht vorhersehen, wenn du eine bestimmte Frage rein
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gibst in so ein System, was wird die Antwort sein? Das ist nicht
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vorherzusehen. Nicht mal von den Leuten, die dieses
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lernende System geschrieben haben.
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Und das muss man sich immer wieder vor Augen führen.
1:12:17
Die Programmierung liegt nur noch das Lernen fest, aber nicht mehr die
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Ergebnisse des Lernens. Selbst Entwickler können nicht mehr
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vorhersagen, was ChatGPT auswerfen wird und daher, und das ist auch
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das, was ganz wichtig ist, gleich für die Diskussion von Problemen und
1:12:31
Risiken, daher ist im Grunde
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viel wichtiger als die Programmierung des Systems heute
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das Training, weil eben vor allem das Training eines Modells
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über den Output bestimmt, also das Training des Modells, mit welchen
1:12:43
Daten hat man das gefüttert? Wie hat man diesem System Feedback
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gegeben, das bestimmt, was hinterher
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ausgespuckt wird. Und das bedeutet eben auch, dass
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systematische Fehler in den verwendeten Trainingsdaten
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später im Output reproduziert
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werden.
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Es ist ja nicht so, dass das nicht schon passiert wäre.
1:13:00
Ganz im Gegenteil. Da gibt es zum Beispiel wirklich ganz
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problematische Beispiele aus den Vereinigten Staaten.
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Da haben Richter und Richterinnen in einem Bundesstaat, von dem ich es
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konkret weiß, zum Beispiel eine KI eingesetzt, um
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Bewährungssentscheidungen zu treffen, also die Frage, ob jemand,
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der schon im Gefängnis ist, auf Bewährung entlassen werden soll.
1:13:17
Und da ist natürlich ein ganz wesentlicher Faktor, ist im
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deutschen Recht so, aber auch im Amerikanischen, die Frage, ob dieser
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Mensch in Zukunft weitere Straftaten
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begehen wird oder ob dieser Mensch sich straffrei führen
1:13:28
wird. Und da hat man dann eben eine KI mit Akten gefüttert und
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dabei kam dann hinterher heraus, dass diese KI Menschen,
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die eben keine Weißen waren, wesentlich seltener freigelassen
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hat. Diese KI hat also diesen Menschen, die zum Beispiel People of
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Colour waren, wesentlich schlechtere
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Sozialprognosen gestellt. Und dann hat man später
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rausgefunden, das hängt selbstverständlich nicht an der
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Hautfarbe, sondern das liegt daran,
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wie arm oder nicht arm die sind. Das heißt also, wie auch in
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Deutschland, es ist nicht etwa der Migrationshintergrund entscheidend
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dafür, ob jemand kriminell wird, sondern es geht um die sozioökonomische
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Situation. Arme Weiße werden häufig
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kriminell, reiche Weiße jedenfalls seltener.
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Und auch auf anderen Kriminalitätsfeldern.
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Eher mal eine Steuerhinterziehung als ein Raubüberfall.
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Und das gilt eben auch zum Beispiel für schwarze Menschen.
1:14:13
Nur dieses System hat das eben nicht erkannt und hat damit
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einen systematischen Bias produziert, wo People of Colour, wo
1:14:20
schwarze Menschen, wesentlich schlechter wegkommen bei
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Bewährungssentscheidungen. Und das ist so einer der ganz großen
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KI Skandale, der Schlagzeilen gemacht hat. Und woran liegt es?
1:14:28
Na ja, die Trainingsdaten enthielten
1:14:30
eben eine schlechtere Sozialprognose
1:14:32
von People of Colour, aber
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diese Modelle hatten einfach nicht die wichtige Information enthalten,
1:14:38
ob diese Menschen in Armut leben oder ob diese Menschen in
1:14:40
vernünftigen finanziellen Verhältnissen leben.
1:14:43
Denn das ist das, was wirklich ausschlaggebend ist.
1:14:45
Das heißt also, es gab quasi eine zufällige Korrelation zwischen
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Hautfarbe und Sozialprognose, während eigentlich der wesentliche
1:14:52
Faktor gewesen wäre, ob diese Menschen in Armut leben oder in
1:14:55
soliden Verhältnissen.
1:14:56
Also das macht deutlich, wie wichtig es ist, mit welchen Daten
1:14:59
werden solche lernenden Systeme
1:15:01
gefüttert? Davon hängt ganz entscheidend ab,
1:15:04
welche Ergebnisse sie produzieren, ob diese Ergebnisse unseren
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Vorstellungen von Gerechtigkeit und Diskriminierungsfreiheit und so was
1:15:12
entsprechen. Gleichzeitig bei allen Gefahren muss man natürlich
1:15:15
sagen, das Potenzial für uns,
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für die Gesellschaft von KI ist
1:15:19
gigantisch. Das wurde halt auch allen klar, die
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sofort da mit ChatGPT mal herumgespielt haben.
1:15:24
Das hat sich halt überall sofort rein gefressen und es gibt
1:15:26
eigentlich kaum noch Wirtschaftsbereiche, die KI nicht
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nutzen. Die Innovationspotenziale, die
1:15:32
Wertschöpfungspotenziale durch
1:15:34
KI, die wachsen in einem eigentlich selten gesehenen
1:15:38
Tempo, auch die Weiterentwicklung dieser Techniken.
1:15:41
Und trotzdem ist natürlich
1:15:43
die Missbrauchsgefahr ganz erheblich.
1:15:45
Einige fürchten sogar, dass KI, AI sich irgendwann mal dem Willen und
1:15:49
der Macht der Menschen entziehen wird. Führende Forscher und KI
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Entwickler, die haben schon vor knapp zwei Jahren eine
1:15:56
Pause der KI Forschung gefordert
1:15:58
in einem offenen Brief und damals hieß das:
1:16:01
Heutige KI Systeme werden bei
1:16:03
allgemeinen Aufgaben immer konkurrenzfähiger für den Menschen.
1:16:06
Und wir müssen uns fragen, sollen wir zulassen, dass Maschinen unsere
1:16:10
Informationskanäle mit Propaganda
1:16:12
und Unwahrheiten überfluten? Sollten wir alle Jobs
1:16:15
automatisieren, auch die erfüllenden?
1:16:18
Sollten wir nicht menschliche Intelligenzen entwickeln, die uns
1:16:21
irgendwann zahlenmäßig überlegen sind, die uns überlisten,
1:16:24
überflüssig machen und ersetzen könnten? Sollen wir den Verlust
1:16:27
der Kontrolle über unsere Zivilisation riskieren?
1:16:30
Solche Entscheidungen dürfen nicht
1:16:33
an nichtgewählte Technikführer
1:16:35
delegiert werden. Leistungsstarke KI Systeme sollten
1:16:38
erst dann entwickelt werden, wenn wir sicher sind, dass ihre
1:16:41
Auswirkungen positiv und
1:16:43
ihre Risiken überschaubar sein werden.
1:16:45
Also sollen wir unsere Zivilisation quasi an die KI ausgliedern?
1:16:49
Das sind natürlich erhebliche Befürchtungen und damals gab es noch
1:16:52
nicht mal ChatGPT. Und by the way, diese Übersetzung
1:16:55
aus dem Englischen hat deepl.com geleistet, auch eine KI, by
1:16:59
the way. Das ist also ein bisschen der
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Hintergrund, vor dem
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jetzt die Staaten in der
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EU zum ersten Mal
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auf der Welt versuchen, KI gesetzlich zu regeln.
1:17:12
Der AI Act, also KI Act, AI Act, wie auch immer man es nennen
1:17:17
will, soll das weltweit erste
1:17:19
große Gesetz werden zur Regulierung
1:17:22
von künstlicher Intelligenz.
1:17:24
Und die Grundidee der Europäischen Union ist dabei, je riskanter
1:17:27
die Anwendung ist, desto strenger sollen die Regeln sein.
1:17:30
Bestimmte Hochrisikoanwendungen von KI sollen ganz verboten werden.
1:17:33
Je unbedenklicher ein KI System hingegen ist, desto weniger streng
1:17:37
soll es künftig reguliert werden. Seit über drei Jahren wird jetzt
1:17:40
verhandelt und Anfang Februar soll
1:17:42
der AI Act oder die KI Verordnung,
1:17:45
ist also technisch eine Verordnung der Europäischen Union, in Brüssel
1:17:48
endgültig verabschiedet werden.
1:17:49
Wie regelt man also
1:17:52
so etwas ambivalentes,
1:17:54
kompliziertes, vielschichtiges
1:17:57
wie künstliche Intelligenz
1:17:59
und wie gut ist das vor allem der
1:18:01
EU gelungen?
1:18:02
Ja, und dazu haben wir uns mit einem Experten verabredet, nämlich mit
1:18:05
Professor Dr. Philipp Hacker. Er ist Professor für Ethik und Recht
1:18:09
der Digitalen Gesellschaft an der Europa Universität Viadrina
1:18:13
in Frankfurt Oder. Ganz herzlich willkommen in der Lage
1:18:15
der Nation, Professor Hacker.
1:18:17
Ja, Schönen guten Tag. Freut mich sehr, dass ich dabei sein
1:18:20
darf.
1:18:20
Herr Hacker, Vielleicht zum Anfang mal, was genau
1:18:24
ist die Herausforderung beim Versuch, so etwas
1:18:28
vielschichtiges, gefahrvolles,
1:18:30
aber auch potenziell unglaublich hilfreiches wie KI,
1:18:33
Künstliche Intelligenz, gesetzlich zu regeln? Was ist die Herausforderung?
1:18:38
Ja, das ist eigentlich, wenn man so will, die doppelte Quadratur des
1:18:41
Kreises. Einmal deshalb, weil
1:18:44
man abwägen muss natürlich zwischen Innovation einerseits.
1:18:48
Man will das nicht alles abwürgen. Ja, wir brauchen ja auch dringend
1:18:51
KI, beispielsweise im Medizinbereich, im Bildungsbereich,
1:18:55
wenn sie denn gut gemacht ist,
1:18:57
weil wir da zum Beispiel Fachkräftemangel haben oder andere
1:19:00
Probleme, dass wir zum Beispiel Krebs nicht so gut erkennen
1:19:03
können oder jedenfalls nicht in der Fläche, zum Beispiel Brustkrebs bei
1:19:06
Frauen, wie es manchmal eine KI kann.
1:19:09
Und die andere Seite der Medaille ist, wie schon gesagt, dass KI
1:19:13
auch für ganz schlimme Zwecke missbraucht werden kann und dass wir
1:19:16
daher ganz massiven
1:19:18
Grundrechtsschutz benötigen.
1:19:21
Und da ist erst mal so ein klares Spannungsverhältnis.
1:19:23
Man will den Unternehmen schon erlauben, KI einzusetzen, aber halt
1:19:26
nicht irgendwie und irgendwohin,
1:19:29
sondern ganz klar mit dem Ziel
1:19:31
verantwortungsvoll, nachhaltig. Das ist die erste Quadratur des
1:19:34
Kreises. Und die zweite,
1:19:36
die besteht jetzt darin, dass die modernen KI Systeme
1:19:41
jetzt ja auch noch so sind, dass man die für alles mögliche einsetzen
1:19:44
kann. Also gerade so Basismodelle
1:19:46
wie ChatGPT, wo man ja sozusagen
1:19:49
Geburtstagskarten mit schreiben kann, aber eben auch
1:19:53
Schadsoftware programmieren kann. Da ist es sehr schwer,
1:19:56
das Regelungsmodell durchzuhalten,
1:19:59
das man bisher gefunden hatte. Wo man nämlich gesagt hat, ja,
1:20:02
wir regulieren die Anwendung. Also wenn jemand KI einsetzt,
1:20:07
dann ist das nicht per se reguliert
1:20:09
oder ganz scharf reguliert, sondern nur dann, wenn es in
1:20:12
besonders sensiblen Bereichen geschieht, eben Bildung, Medizin
1:20:16
usw. Und das ist aber eben schwierig
1:20:19
mit solchen Modellen, die im Prinzip
1:20:21
für alles genutzt werden können. Und das hat die EU jetzt vor
1:20:24
ganz erhebliche Herausforderungen gestellt.
1:20:27
Trotzdem bleibt ja die EU schon bei dem Modell, dass sie jedenfalls
1:20:29
bestimmte, besonders riskante Anwendungen auch grundsätzlich
1:20:33
verbieten will. Haben Sie da mal ein paar Beispiele
1:20:36
für uns, was nach dem KI Act, der jetzt in Brüssel auf dem Tisch
1:20:39
liegt, in Zukunft in der EU illegal
1:20:41
wäre?
1:20:42
Ja, das sind im Wesentlichen Modelle, bei denen sich auch ganz
1:20:46
breite Teile der Gesellschaft einig sind, dass wir die hier so nicht
1:20:49
wollen. Das erste und Wichtigste ist zum Beispiel Social Scoring
1:20:53
á la China, dass also wirklich massiv Daten abgegriffen werden,
1:20:57
um dann Vorhersagen über einzelne Personen zu treffen,
1:21:00
die zum Beispiel dann deren Kreditwürdigkeit oder die Chancen,
1:21:04
andere Verträge abzuschließen, beeinflussen würden.
1:21:08
Was auch im Grundsatz verboten
1:21:10
ist, ist jegliche Form der
1:21:12
psychologischen Manipulation.
1:21:14
Also wenn man gewissermaßen unterschwellig jetzt versucht,
1:21:18
man kennt das vielleicht noch von früher aus dem Kino, wo dann
1:21:20
angeblich immer so Eiswerbung eingeblendet wurde, sodass man die
1:21:24
nicht sieht, Immer nur ein Bild von 24, wenn man KI jetzt
1:21:27
in so einer Weise einsetzen wollte,
1:21:29
um unterbewusst Leute zu beeinflussen, das ist auch verboten.
1:21:33
Und dann kommen die Fälle,
1:21:36
die zwar verboten sind, die aber
1:21:38
einige Ausnahmen beinhalten. Und das war auch Teil des größten
1:21:42
Zankapfels, muss man sagen, im Bereich der KI Regulierung.
1:21:46
Da geht es dann um die Fernüberwachung
1:21:49
mithilfe von Gesichtserkennung im öffentlichen Raum.
1:21:52
Das ist grundsätzlich verboten,
1:21:54
aber da gibt es relativ breite Ausnahmen, besonders für den Bereich
1:21:58
der Verbrechensbekämpfung, Terrorismus, entführte Personen
1:22:02
und andere Dinge, Schwerstkriminalität.
1:22:05
Da kann man das dann einsetzen, auch leicht und
1:22:09
das ist ein Kompromiss, den man jetzt erst mal so hinnehmen muss.
1:22:12
Da sind auch gewisse Vorkehrungen
1:22:14
getroffen, dass da die Grundrechtsstandards nicht völlig
1:22:17
ausgehöhlt werden. Aber was extrem problematisch
1:22:20
ist meiner Ansicht nach, ist, dass nun auch erlaubt
1:22:24
werden bestimmte Teile der ex post
1:22:28
Fernüberwachung, wo man also
1:22:30
im Nachhinein dann
1:22:32
das Bildmaterial sichtet. Und da sind wiederum die Vorgaben
1:22:36
der EU nur relativ dünn.
1:22:38
Das sind so Anwendungen,
1:22:40
die größtenteils verboten sind.
1:22:42
Jetzt gibt es aber auch, das ist ja das Konzept dieses KI Acts,
1:22:45
riskante Anwendungen oder hochriskante Anwendungen, die
1:22:49
zwar nicht verboten sind, die aber durch Auflagen
1:22:54
gezähmt werden sollen.
1:22:56
Wie funktioniert das? Welche Anwendungen sind das und
1:22:59
durch welche Auflagen werden die
1:23:01
eingezäunt?
1:23:03
Ja, das ist richtig. Das ist eigentlich das Herzstück
1:23:06
des AI Acts. Das ist auch das, was eigentlich,
1:23:09
bevor dann ChatGPT wie so eine Abrissbirne einmal quer durch
1:23:13
den AI Act gepflügt ist, eigentlich das Zentrum
1:23:17
der Regelungsarchitektur ausgemacht
1:23:19
hat. Das sind also Anwendungen,
1:23:21
die unter ganz bestimmte Bereiche
1:23:23
fallen, zum Beispiel Beschäftigung
1:23:26
oder Kreditscoring, Versicherungen,
1:23:28
aber auch Migration,
1:23:30
Polizeiarbeit und letztlich auch der medizinische
1:23:33
Bereich. Das sind wirtschaftlich
1:23:35
oder gesellschaftlich sehr relevante
1:23:38
Bereiche. Und da gilt
1:23:40
dann, dass diese Anwendungen
1:23:42
nicht per se verboten sind. Ganz im Gegenteil, sie sind erlaubt.
1:23:46
Aber es müssen bestimmte,
1:23:48
ich sage mal Best Practices eingehalten werden, die ohnehin
1:23:52
von vernünftigen, verantwortungsvollen Unternehmen
1:23:56
berücksichtigt würden.
1:23:57
Mal ein Beispiel.
1:23:58
Genau. Also wenn ich jetzt eine KI einsetzen möchte, um Bewerber
1:24:02
und Bewerberinnen zu ranken für einen Job, dann kann das ja
1:24:06
im gewissem Rahmen sinnvoll sein, weil ich vielleicht irgendwie 1000
1:24:09
Bewerbungen kriege oder weil ich auch die Erfahrung gemacht habe, das
1:24:12
menschliche, meine Human
1:24:14
Resources Leute vielleicht manchmal
1:24:16
unbewusst auch gewisse Biases haben. Also sage ich, da nutzt ich doch ein
1:24:19
Computerprogramm um es schneller, effizienter zu machen.
1:24:21
Jetzt muss ich dann erst mal ein Risikomanagementsystem aufsetzen,
1:24:25
in dem ich mir schon mal überlege, was sind denn die potenziellen
1:24:28
Probleme, wenn ich diese KI implementiere.
1:24:31
Nämlich zum Beispiel, dass sie auf nicht hinreichend diversen
1:24:34
Datensätzen trainiert wurde und dass deshalb vielleicht diese KI
1:24:37
gelernt hat, dass Frauen oder Menschen anderer Herkunft
1:24:41
irgendwie per se angeblich schlechter abschnitten in diesem
1:24:44
Jobprofil. Ich muss also diese Risiken erkennen
1:24:47
und muss Maßnahmen implementieren,
1:24:50
und wo das nicht möglich ist, das zumindest dokumentieren,
1:24:53
wie diese Risiken minimiert werden können.
1:24:56
Dann muss ich ein Programm nehmen,
1:24:58
das die Trainingsdaten in gewisser Weise divers und
1:25:01
repräsentativ hält. Die KI muss weiterhin auch
1:25:05
transparent sein, sodass derjenige,
1:25:07
der sie anwendet, irgendwie versteht, was da los ist.
1:25:10
Und sie muss hinreichend akkurat sein. Sie muss robust sein, auch
1:25:14
gegenüber Cyberangriffen. Also es sind so eine ganze Reihe von
1:25:18
eben Best Practices, wo man sagen würde, eigentlich in der Industrie
1:25:21
gilt das ohnehin schon so als guter
1:25:23
Standard, aber jetzt müssen sich halt alle auch verpflichtend dran
1:25:26
halten. Es kann überprüft werden. Wenn das nicht der Fall ist, gibt es
1:25:29
heftige Bußgelder und es muss dokumentiert werden, damit im
1:25:32
Zweifelsfall eben nachgeschaut werden kann.
1:25:35
Passt das jetzt oder passt es nicht?
1:25:36
Ja, ein weiteres wichtiges Feld der Regulierung in dem geplanten KI
1:25:40
Act betrifft ja die sogenannten Basismodelle, wie zum Beispiel GPT.
1:25:45
Was sind denn so Basismodelle? Was macht sie so gefährlich und wie
1:25:48
kann man das einhegen?
1:25:49
Ja, das sind ja die Modelle, die jetzt besonders Furore gemacht haben
1:25:54
seitdem Ende November
1:25:56
2022 ChatGPT auf den Markt gebracht wurde.
1:26:00
Das sind also gewissermaßen Modelle,
1:26:02
die deshalb auch Basismodelle
1:26:04
genannt werden, weil sie erstens
1:26:06
mit ganz großen Datenmengen gefüttert werden und dann zweitens
1:26:10
die Basis, die Grundlage bilden für ganz viele weitere
1:26:13
Applikationen, die diese Modelle
1:26:16
nutzen. Man kann so fast sagen, es ist wie so eine Art neues
1:26:19
Betriebssystem. Bisher haben wir ja Windows oder
1:26:22
Apple Betriebssysteme
1:26:24
und da kann man jetzt sagen, das ist sozusagen so eine neue Plattform,
1:26:27
auf der ganz viele Entwicklerinnen und Entwickler aufsetzen, um neue
1:26:31
Modelle zu bauen.
1:26:33
Und das ist eben extrem relevant, weil das quasi dann einmal
1:26:37
durch die gesamte Wirtschaft, durch die ganze Wertschöpfungskette
1:26:39
durchgeht. Das heißt, wenn wir da an der Quelle Probleme haben,
1:26:43
dann verzweigt sich das nach unten in ganz viele Anwendungen.
1:26:47
Und deshalb ist es meiner Ansicht nach auch vollkommen richtig, dass
1:26:51
wir versuchen, diese Modelle gesondert mit Mindestanforderungen
1:26:55
auszustatten. Was ist das? Also sind Modelle, eben
1:26:58
so was wie GPT 4, ChatGPT, in Deutschland gibt
1:27:02
es Aleph Alpha, die haben ein Modell, das heißt Luminous.
1:27:04
In Frankreich gibt es eines von der Firma Mistral, aber die meisten,
1:27:08
wie zum Beispiel auch Google Bard, oder auch Gemini, die sind aus den USA
1:27:12
kommend. Trotzdem gilt der EU
1:27:16
AI Act für diese Firmen, auch wenn die in den USA verortet sind.
1:27:18
Wenn sie ihre Modelle auch in
1:27:20
oder ihre Services in Deutschland und der EU anbieten und das tun
1:27:24
sie ja im Regelfall. Was müssen die jetzt machen?
1:27:27
Die müssen im Wesentlichen erst
1:27:29
mal überhaupt Transparenzanforderungen erfüllen.
1:27:32
OpenAI hat ja diesen schönen Namen gewählt, weil sie ursprünglich
1:27:36
vielleicht tatsächlich mal vorhatten, irgendwie alles ganz
1:27:38
offen zu gestalten. Mittlerweile müsste das ja
1:27:41
eigentlich eher ClosedAI heißen, weil deren System völlig unbekannt
1:27:45
ist und man einfach nicht weiß, womit das trainiert wurde, was mit
1:27:48
den Daten genau passiert. Das soll sich jetzt ändern.
1:27:51
Die müssen also sagen, mit welchen Trainingsdaten das gefüttert wurde.
1:27:54
Sie müssen auch so eine Abschätzung darüber abgeben, ob vielleicht
1:27:57
Urheberrechte betroffen sind
1:27:59
und müssen dafür die Grundlage
1:28:01
eben legen, dass andere Marktteilnehmer oder Nutzerinnen
1:28:04
Nutzer dann sagen können, ah, das Modell würde ich vielleicht nehmen
1:28:07
und das eher nicht. Das ist mir irgendwie sehr suspekt
1:28:10
hinsichtlich der Trainingsdaten. Und dann gibt es noch eine
1:28:14
weitere Kategorie
1:28:16
von Modellen, die besonders potent
1:28:20
sind. Das macht man jetzt, weil es keine besseren Kriterien gibt, an
1:28:23
der Rechenleistung fest. Und wenn diese Modelle
1:28:28
mit sehr, sehr viel Rechenleistung
1:28:30
trainiert werden mussten, also für die Profis zehn hoch 25 Flops,
1:28:34
Floating Operation Points,
1:28:36
dann müssen sie noch mal weitere
1:28:38
Kriterien erfüllen. Und meiner Ansicht nach hätten diese
1:28:41
Kriterien eigentlich auch für alle Foundationmodels, also für alle
1:28:44
Basismodelle, gelten müssen. Man hat sich jetzt entschlossen, das
1:28:47
im Grunde nur auf diese Höchstleistungsmodelle anzuwenden.
1:28:51
Das gilt wahrscheinlich nur für momentan GPT 4 und
1:28:55
vielleicht Gemini von Google. Und was müssen die jetzt machen?
1:28:59
Die müssen auch noch sicherstellen,
1:29:01
dass sie ein nochmal spezielles Risikomanagementsystem haben,
1:29:05
das ganz genau guckt, wie diese Basismodelle funktionieren und
1:29:09
da auch wieder Risiken minimiert. Sie müssen auch weiterhin angeben,
1:29:13
zum Beispiel wie viel Energie verbraucht wird durch diese
1:29:16
Basismodelle. Das ist auch ein ganz wichtiger
1:29:19
Punkt, weil zum Beispiel der Energieverbrauch ja immens hoch ist
1:29:22
bei diesen Modellen, auch der Wasserverbrauch.
1:29:24
Und, und das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, sie müssen
1:29:28
state of the art, also sozusagen die heute üblichen Cybersecurity,
1:29:32
also IT Sicherheitsrichtlinien,
1:29:35
beachten, damit, man kann sich das so vorstellen, nicht
1:29:38
gewissermaßen da oben in der Quelle im Betriebssystem so eine Hintertür
1:29:42
eingebaut wird versehentlich, durch die dann Angreifer reinkommen
1:29:46
können und sich dort gewissermaßen einnisten und dann sich
1:29:50
in tausende weitere Programme hineinspielen lassen, weil diese
1:29:53
Basismodelle dann dort eben überall Anwendung finden.
1:29:56
Sie haben jetzt ein paar Ideen, Werkzeuge, Hebel genannt, mit
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der der AI Act, die Zivilgesellschaft,
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die Staaten diese KI und Modelle einhegen,
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transparenter machen wollen, besser kontrollierbar machen wollen.
1:30:10
All das gilt aber
1:30:13
oft nicht, wenn die KI
1:30:15
und die Modelle im Namen der nationalen Sicherheit oder
1:30:19
für das Militär betrieben werden, ist das richtig und ein
1:30:22
Problem?
1:30:24
Ja, das ist richtig, dass militärische Anwendungen und
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nationale Sicherheit im Wesentlichen ausgenommen sind, wenn man jetzt
1:30:30
mal absieht von diesen Fällen der
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remote biometric identification, also der biometrischen
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Gesichtserkennung beispielsweise zu Strafverfolgungszwecken.
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Die sind ja in gewisser Weise schon geregelt, aber der weitere Teil
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ist ausgenommen. Das ist im Grunde
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der europäischen Regelungsarchitektur geschuldet,
1:30:50
weil die EU
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da nur sehr schwer eine Rechtsetzungskompetenz hat.
1:30:56
Das ist im Grundsatz jedenfalls den Nationalstaaten anheimgestellt.
1:31:00
Die wollen eben nur ungern auf diese
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für sie ja doch irgendwie essenziellen Themen verzichten
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und das an die EU abgeben. Es ist aber trotzdem natürlich
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problematisch, dass wir da keine Regelungen haben.
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Denn es ist ganz klar,
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KI spielt gerade in militärischen
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Kontexten eine zunehmend wichtige Rolle.
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Es ist meiner Ansicht nach auch richtig, dass da KI eingesetzt
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wird. Nicht weil das jetzt besonders schön wäre, dass man mit
1:31:25
KI dann präziser Militärschläge
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ausführen kann, sondern weil es einfach schwer ist, dazu
1:31:31
Alternativen zu entwickeln, wenn wir in einem geostrategischen
1:31:34
Umfeld momentan sind, das halt im Wesentlichen durch Konflikt, durch
1:31:38
auch den unprovozierten
1:31:40
Überfall der Russischen
1:31:42
Föderation auf die Ukraine, auch
1:31:44
durch die Bedrohung Chinas geprägt ist, wo diese Akteure ganz
1:31:48
klar auf autonome Waffensysteme setzen und wir gewissermaßen
1:31:52
nur reagieren können, indem wir uns da auch selber fit machen, wenn
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wir nicht sozusagen Soldatinnen und Soldaten da an der Front in
1:31:59
Situationen bringen wollen, wo sie dann ihr Leben verlieren, was
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vielleicht durch eine KI verhindert werden könnte. Ich will damit keine
1:32:04
Werbung für militärische KI machen. Ich glaube nur, dass es sozusagen
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notwendig ist, sich darüber klar zu sein, dass wir ohne militärische KI
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nicht wirklich verteidigungsfähig sein werden.
1:32:12
Aber gleichzeitig brauchen wir meiner Ansicht nach klare Handhabung
1:32:15
dafür, wie weit wir gehen können, zum Beispiel in
1:32:19
der Automatisierung und in der Autonomie solcher Systeme.
1:32:22
Wann brauche ich immer einen Mensch, der noch sozusagen den
1:32:26
sign off macht? Oder gibt es Situationen, in denen man das dann
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nicht mehr braucht? All das muss gesellschaftlich verhandelt werden
1:32:31
und dafür brauchen wir klare Regeln.
1:32:33
Und das ist natürlich jetzt ein Problem, wenn der KI Act
1:32:36
dieses Feld ausklammert. Ein weiteres Thema, was
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stark kritisiert wird, ist die Tatsache, dass nationale Sicherheit
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ja auch Migration erfassen
1:32:44
soll, also beispielsweise die Frage, ob Menschen mit KI daraufhin
1:32:48
durchleuchtet werden, aus welchem Land sie möglicherweise stammen und
1:32:50
so. Also da gibt es, da gibt es noch ein weites Feld für Kritik, aber wir
1:32:53
wollten noch auf einen anderen Aspekt. Und zwar ist es ja
1:32:57
heute schon so, dass rund 75 %
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der KI Modelle nach Schätzung in den Vereinigten Staaten betrieben
1:33:02
werden, etwa weitere 15 % in China.
1:33:05
Und die restlichen 10 % verteilen sich dann auf die ganze
1:33:08
Welt. Das heißt, insbesondere die Europäische Union hat da bislang nur
1:33:12
ein klitzekleines Stückchen vom Kuchen. Und nun schafft der KI
1:33:15
Act ja neue Regelungen,
1:33:17
neue Auflagen, neue Hürden für den Einsatz und für die Entwicklung
1:33:21
von KI. Ist das nicht ein erheblicher
1:33:24
Wettbewerbsnachteil? Werden da nicht IT Unternehmen der
1:33:26
EU komplett abgehängt international?
1:33:30
Also das ist eine Gefahr,
1:33:32
die aber immer bei Regulierung
1:33:34
gewissermaßen besteht. Das wäre sonst jetzt auch ein
1:33:37
Argument dafür, jeglichen Grundrechtsschutz einfach sein zu
1:33:39
lassen. Das wäre natürlich gewissermaßen für Unternehmen am
1:33:42
besten, ist aber trotzdem etwas, was man gesellschaftlich nicht will.
1:33:44
Wir wollen ja nicht Innovation um ihrer selbst willen, sondern
1:33:47
verantwortungsvolle, sozial nützliche Innovation.
1:33:50
Jetzt muss man sagen, die Zahlen, die Sie genannt haben, die sind
1:33:53
richtig, die gelten für foundation
1:33:55
models, also für Basismodelle. Und in der Tat ist es so,
1:33:59
dass wir da eine ganz bedrohliche
1:34:01
Abhängigkeit haben von den USA
1:34:03
und China bzw. Firmen, die dort ansässig sind.
1:34:06
Man könnte sogar sagen, dass wir da sehenden Auges in die nächste
1:34:10
Abhängigkeit á la Öl und Gas hineinlaufen.
1:34:13
Denn wenn wir uns jetzt mal vorstellen, China ist einfach
1:34:16
momentan kein verlässlicher Partner, muss man so sagen.
1:34:18
Aber auch die USA sind es ja nicht mehr wirklich. Wenn jetzt Trump 2025
1:34:22
wiedergewählt würde, ist durchaus
1:34:24
nicht völlig absurd zu sagen,
1:34:26
dass er dann Forderungen erhebt,
1:34:28
die EU soll jetzt dies und jenes tun, die Ukraine nicht mehr
1:34:31
unterstützen oder whatever, ansonsten drehte er die API
1:34:34
von amerikanischen Modellen ab. Das heißt, wir brauchen dringend mehr
1:34:37
europäische Modelle, europäische Souveränität bei diesen
1:34:40
Basismodellen. Da allerdings ist meiner Ansicht
1:34:42
nach der AI Act kein Störfaktor.
1:34:45
Denn wenn ich solche Basismodelle, solche hochpotenten Modelle
1:34:48
entwickeln will, dann hat Future Society mal ausgerechnet, braucht
1:34:51
man schon für zehn noch 24 Flop Modelle, das sind also solche, die
1:34:55
ungefähr so gut sind wie
1:34:57
GPT 3.5, also wie der jetzige
1:34:59
ChatGPT, dann braucht man dafür
1:35:01
ungefähr 60 Millionen Euro.
1:35:03
Und da fallen diese bisschen Compliance Kosten dafür, dass man
1:35:07
dann adäquate Cybersicherheit usw.
1:35:09
einbaut, überhaupt nicht mehr ins Gewicht. Das sind ungefähr 1 % der
1:35:13
Kosten. Das heißt, da wird wirklich bei den
1:35:15
Basismodellen nur verlangt, was ohnehin guter Industriestandard ist.
1:35:19
Wer in der Champions League mitspielen will, der muss sich halt
1:35:21
auch an die Champions League Regeln halten und kann nicht sagen, ich
1:35:23
möchte da gern mitspielen, aber dann 20 mal wechseln.
1:35:26
Kleine Nachfrage noch mal dazu. Für wen gelten denn eigentlich die
1:35:29
Anforderungen des KI Acts, wenn er denn so beschlossen werden soll?
1:35:32
In der Datenschutzgrundverordnung insbesondere sind ja viele
1:35:35
Regelungen enthalten, die eben gerade nicht nur für Unternehmen
1:35:38
gelten, die in Europa ansässig
1:35:40
sind, sondern schon dann gelten,
1:35:42
wenn diese Firmen quasi doing business in der Europäischen Union
1:35:46
sich auf die Fahnen geschrieben haben, wenn sie europäische Verbraucher:innen
1:35:49
in den Blick nehmen. Wie soll das beim KI Act aussehen?
1:35:52
Ganz ähnlich wie in der DSGVO.
1:35:54
Also auch da, dieses sogenannte Marktortprinzip, wenn ich praktisch
1:35:57
auf dem europäischen Markt tätig sein will und hier Produkte anbiete,
1:36:01
dann muss ich auch mich an die europäischen Regeln halten.
1:36:04
Es geht sogar so weit, dass wenn ich nur die Ergebnisse eines KI Systems
1:36:08
hier in Europa anwenden will, dann
1:36:10
reicht das auch schon, damit das KI System davon erfasst ist bzw.
1:36:13
der Hersteller dann davon erfasst ist.
1:36:15
Aber man muss dann schon sehen, das hat einen sehr breiten
1:36:19
Reach. Ob die EU das letztlich alles durchsetzen kann,
1:36:23
ist fraglich. Das ist auch bei der DSGVO ein Kritikpunkt.
1:36:26
Und man muss natürlich sehen, die
1:36:28
großen Hersteller, die
1:36:30
können das natürlich auch von den Compliance Kosten ja durchaus
1:36:33
Schultern. Auch diejenigen, die sozusagen diese großen Basismodelle
1:36:36
herstellen, für die wird das auch kein Problem sein.
1:36:38
Oder jedenfalls eines, das sie mit ihren Mitteln lösen können.
1:36:41
Wo wir tatsächlich erhebliche Probleme sehen werden, ist in der
1:36:44
Adaptation von KMU, also kleinen
1:36:46
und mittleren Unternehmen. Gerade der Mittelstand versucht ja
1:36:49
ganz massiv, auch um international
1:36:51
wettbewerbsfähig zu bleiben, KI
1:36:53
anzuwenden und darin zu investieren.
1:36:55
Und die müssen jetzt erst mal sozusagen ihr Personal schulen,
1:36:58
müssen jetzt die Leute auf Zack bringen, müssen gucken, dass
1:37:01
gewissermaßen die Systeme da in ihr Compliance System eingebaut
1:37:06
werden oder erst mal Neues schaffen. Das ist für diese Unternehmen ein
1:37:09
ganz erhebliches Problem. Und da wird noch viel Arbeit zu
1:37:13
leisten sein mithilfe von technischen Standards, mit
1:37:15
Guidelines, auch mit Beratung, um zu versuchen, dass wir da
1:37:19
sozusagen bei den KMU nicht in Wettbewerbsnachteil geraten.
1:37:22
Sie haben es eben schon geschildert. KI ist überall schon
1:37:25
heute im Einsatz, sei es jetzt bei Bewerbungsgesprächen, sei es
1:37:29
bei Creditscoring, Schufa, solchen Sachen.
1:37:32
Was machen denn Menschen, Verbraucher Verbraucherinnen und
1:37:35
Bürger Bürgerinnen, wenn sie das Gefühl haben, ah, ich bin hier
1:37:38
in eine KI geraten, sei es beim
1:37:40
Auswahlgespräch, beim Bewerbungsgespräch oder eben bei so
1:37:42
einem Schufa Scoring, Kreditscoring und hab das Gefühl, ich bin
1:37:46
benachteiligt worden. Da ist irgendwas schiefgelaufen.
1:37:48
Ich bin damit nicht einverstanden. Ich beschwere mich darüber.
1:37:51
Ich glaube, da ist was faul. Was machen die?
1:37:53
Das war ein Kritikpunkt ganz lange und zu Recht finde ich auch, vor
1:37:56
allem seitens der Zivilgesellschaft und zivilgesellschaftlicher
1:37:59
Organisationen am AI Act. Der AI Act hat nämlich
1:38:03
ursprünglich nur Regeln oder Vorschriften vorgesehen für
1:38:07
die Hersteller dieser Modelle und für die Anwender gewissermaßen in
1:38:10
gewisser Weise auch, aber nicht für die betroffenen Bürgerinnen und
1:38:14
Bürger. Jetzt ist am Ende tatsächlich noch
1:38:16
hinein verhandelt worden ein Beschwerderecht.
1:38:19
Sie erwähnten es sozusagen gerade schon. Das heißt, man kann sich
1:38:22
wenden an seine nationalen Aufsichtsbehörden zum Beispiel, und
1:38:26
sagen, guck mal, da ist irgendwie vielleicht was faul im Staate
1:38:28
Dänemark, da müsstet ihr vielleicht mal nachschauen.
1:38:31
Weiterhin gibt es jetzt ein neues
1:38:33
Recht auf Erklärung eines KI Systems.
1:38:37
Das ist allerdings relativ schwach
1:38:39
ausgeprägt. Das gibt es auch schon nach der
1:38:41
DSGVO. Und wenn man sich die neueste
1:38:44
Rechtsprechung da in der DSGVO anschaut, da gab es grade ja Fälle,
1:38:47
wo über die Schufa was entschieden wurde. Da gibt es gerade Fälle, die
1:38:50
in den Niederlanden entschieden werden über Uber und Ola.
1:38:54
Dann geht das meiner Ansicht nach eigentlich schon weiter als das im
1:38:58
AI Act vorgezeichnete. Ich glaube, dass dieses Recht auf
1:39:01
Erklärung im AI Act, das ist so ein politisches Symbol, das ist mehr
1:39:05
ein zahnloser Tiger, das Beschwerderecht, weil, ja, das
1:39:08
ist auch nice to have sozusagen,
1:39:10
aber ob das so viel bringt am Ende des Tages, da bin ich mir auch nicht
1:39:13
so sicher. Ich glaube, was spannender ist, ist
1:39:16
zu sehen, dass erstens das DSGVO
1:39:19
Instrumentarium momentan geschärft wird durch die Rechtsprechung und
1:39:22
dass zweitens wir parallel
1:39:25
zum AI Act eine Haftungsrichtlinie
1:39:27
haben, eine Produkthaftungsrichtlinie,
1:39:29
die jedem Geschädigten jeder Geschädigten einen Anspruch gibt,
1:39:34
insbesondere in KI Kontexten
1:39:36
Informationen vom Hersteller zu bekommen und dann erleichtert klagen
1:39:40
zu können, häufig mit einer Beweislastumkehr.
1:39:43
Das heißt, wenn ich da das Gefühl habe, es ist was schiefgelaufen,
1:39:47
dann wird es geben deutlich erleichterte Möglichkeiten, da
1:39:50
Rechtsschutz zu erlangen. Das ist sicherlich aus einer
1:39:53
Bürgerrechtsposition her
1:39:55
durchaus positiv zu bewerten, ist natürlich andererseits dann aber
1:39:59
auch damit verbunden, dass man zu Gericht gehen muss.
1:40:01
Das wird nicht jede und jeder machen. Dafür gibt es dann eben
1:40:03
niedrigschwelliger dieses Beschwerderecht nach dem AI Act.
1:40:06
Also wir stehen jetzt ja wirklich ganz, ganz, ganz, ganz nah am
1:40:10
Ende der Entwicklung des
1:40:12
AI Acts. Der lief jetzt ja über drei Jahre, der soll jetzt
1:40:16
Anfang Februar aller Wahrscheinlichkeit nach beschlossen
1:40:19
werden. Er ist aber noch nicht abschließend beschlossen, unter
1:40:23
anderem, weil Deutschland und Frankreich bis zuletzt Kritik
1:40:26
geübt haben und immer noch überlegt haben, stimmen wir jetzt zu oder
1:40:29
versuchen wir es noch mal zu verschieben? Was waren deren Einwendungen?
1:40:32
Und wird das Ding jetzt beschlossen anfang Februar oder nicht?
1:40:35
Also ich leg mich jetzt mal fest. Das wird zu 98 %
1:40:39
Wahrscheinlichkeit beschlossen werden. Ich war da immer schon
1:40:42
relativ optimistisch, was damit zusammenhängt, dass diese
1:40:45
Fundamentaloppositionslinie, die
1:40:48
Frankreich und zum Teil auch Deutschland gefahren haben, sehr
1:40:51
inkohärent war. Was möchte Frankreich?
1:40:54
Frankreich möchte einerseits sein Unicorn, also sein
1:40:58
Hochleistungsunternehmen Mistral, die eben diese Basismodelle bauen,
1:41:02
beschützen und will, dass Mistral
1:41:04
nicht zu viele Regulierungsanforderungen
1:41:07
hat. Das ist in gewisser Weise gelungen, weil, wie gesagt, diese
1:41:11
strengeren Vorschriften für Basismodelle nur für
1:41:14
ganz, ganz Hochleistungsmodelle gelten. Und da fällt Mistral
1:41:17
momentan noch nicht runter. Das zweite, was Frankreich gerne
1:41:20
möchte, ist möglichst wenig
1:41:23
Einschränkungen beim Einsatz von KI
1:41:25
in der Überwachung, vor allem bei der Gesichtserkennung.
1:41:27
Warum? Weil die Olympischen Spiele in Paris vor der Tür stehen und man
1:41:30
das da ganz massiv verwenden möchte.
1:41:32
Für Deutschland hingegen, da sieht es ganz anders aus.
1:41:35
Da hat man einerseits zum Teil im Wirtschaftsministerium, vor
1:41:38
allem im Ministerium für Digitales
1:41:40
und Verkehr, also bei Herrn Wissing,
1:41:42
den Eindruck, dass man auch die Basismodelle gar nicht wirklich
1:41:46
regulieren sollte. Da ist der Schulterschluss mit
1:41:48
Frankreich. Aber was die Gesichtserkennung
1:41:51
anbelangt, da ist Deutschland eigentlich genau am anderen Ende und
1:41:54
wollte eigentlich stärkere Vorschriften. Gerade die FDP hat
1:41:56
sich dafür stark gemacht, sodass diese Allianz schon von Anfang an
1:42:00
so etwas unheilig war. Und da muss man jetzt sagen, ich
1:42:03
finde glücklicherweise, hat sich
1:42:05
die Stimme der Vernunft in Deutschland auch durchgesetzt.
1:42:07
Es gab jetzt auch noch mal einen großen offenen Brief seitens
1:42:10
der Zivilgesellschaft, auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ich habe da auch
1:42:13
unterschrieben, der vielleicht auch noch mal ein bisschen was bewegt
1:42:15
hat, sodass jetzt Deutschland
1:42:17
oder sagen wir mal Wissing eingelenkt hat und Deutschland
1:42:21
seine Ja Stimme abgeben wird. Und das bedeutet zugleich, dass
1:42:24
jetzt schon eine sehr breite neue
1:42:27
Front sich aufmachen müsste gegen den AI Act.
1:42:29
Das sehe ich nicht. Es kann sein, dass Frankreich sich
1:42:31
vielleicht enthält oder auch dagegen stimmt. Aber das würde nicht
1:42:33
reichen. Es braucht schon mindestens vier Nationen, die dann auch
1:42:37
einigermaßen groß sind. Und wenn Deutschland jetzt dabei
1:42:39
ist, kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass der AI Act
1:42:42
noch scheitert.
1:42:43
Ja, ganz herzlichen Dank. Das war im Gespräch mit der Lage
1:42:46
der Nation Professor Dr. Philipp Hacker. Er ist Professor für Recht
1:42:49
und Ethik der Digitalen Gesellschaft an der Europa Universität Viadrina
1:42:53
in Frankfurt Oder. Ganz vielen Dank, dass Sie heute Zeit für uns hatten.
1:42:56
Herzlichen Dank für das Gespräch.
1:42:58
Wir machen ja manchmal hier so auch ein bisschen Verbraucherjournalismus
1:43:02
und das finde ich auch total wertvoll und wichtig.
1:43:05
Das ist jetzt hier nicht die Hauptaufgabe, glaube ich, der Lage.
1:43:07
Aber hin und wieder, glaube ich, müssen wir mal auf ein paar
1:43:10
wichtige Sachen hinweisen.
1:43:12
Für ganz, ganz viele von euch wird das eine absolute Selbstverständlichkeit
1:43:16
sein. Aber ich erlebe
1:43:18
doch immer häufig mal,
1:43:20
dass Leute mich mit großen Augen
1:43:22
angucken, wenn ich ihnen sage,
1:43:24
natürlich brauche jeder eine private
1:43:26
Haftpflichtversicherung.
1:43:28
Das ist im Grunde unsere zentrale Botschaft in dieser Woche.
1:43:31
Jeder Mensch braucht eine Haftpflichtversicherung.
1:43:34
Und zwar deswegen, weil es eben einfach sein kann, dass man durch
1:43:37
eine kleine Unachtsamkeit einen riesengroßen Schaden anrichtet.
1:43:40
Beispielsweise riesengroßer Schaden in finanzieller Hinsicht, aber auch
1:43:43
in persönlicher Hinsicht tritt natürlich ein, wenn man zum Beispiel
1:43:46
einen Unfall eines Menschen verursacht, der dann vielleicht
1:43:49
nicht mehr arbeiten kann. Man stelle sich vor, der Mensch ist dann querschnittsgelähmt.
1:43:52
Da entstehen einfach riesige Behandlungskosten, medizinische
1:43:55
Kosten. Natürlich ist das für den Menschen furchtbar und er wird auch
1:43:58
in der Tendenz weniger Geld verdienen. Das heißt, man ist dann
1:44:00
möglicherweise auch für Einnahmenausfälle verantwortlich.
1:44:03
Da können also schnell Hunderttausende von Euro zustande
1:44:05
kommen und für die ist man dann persönlich verantwortlich.
1:44:09
Und das bedeutet, wenn man jetzt nicht gerade sehr reich ist, dann
1:44:11
ist man einfach pleite. Und für diesen Fall braucht man eine
1:44:14
Haftpflichtversicherung, die dann eben in solchen Extremfällen
1:44:17
einspringt. Philip, du hast eine Haftpflichtversicherung. Ich habe natürlich
1:44:20
auch ein Haftpflichtversicherung und du hast damit auch schon so
1:44:22
bestimmte Erfahrungen gemacht. So für Pipifax, für Kleinkram ist
1:44:25
die nicht gemacht.
1:44:26
Nein. Das habe ich ehrlich gesagt auch nicht so richtig verstanden.
1:44:29
Also man klickt sich eine Haftpflichtversicherung.
1:44:32
Das ist deswegen auch ein Nobrainer, weil die in aller Regel total
1:44:35
billig sind. Die kosten 40, 50, 60 €
1:44:38
für eine einzelne Person im Jahr
1:44:40
und decken im Zweifel Millionen
1:44:42
Euro von Schäden ab. Die verhindern, dass ihr wirklich
1:44:45
privat bankrott geht.
1:44:48
Und ich habe dann gedacht, na gut, jetzt habe ich so eine Haftpflichtversicherung,
1:44:50
was weiß ich, ich habe dann im Urlaub mal einen Stuhl kaputt gemacht.
1:44:53
Was heißt, ich habe mein Sohn hochgehoben-
1:44:54
War eine geile Party.
1:44:55
Nein, ich hab mein Sohn hochgehoben, der war ein bisschen kleiner. Der Stuhl war ein bisschen morsch.
1:44:58
Dann ist der Stuhl zerbrochen. Da hab ich gesagt. Okay, was weiß
1:45:00
ich, natürlich kaufe ich neuen Stuhl. Kein Thema, was weiß ich,
1:45:03
60 € oder was das Ding gekostet hat. Und da hat meine Haftpflicht gesagt,
1:45:06
hier, Ich habe übrigens den Stuhl kaputt gemacht, bitte zahlt doch
1:45:08
mal. I selben Urlaub ist, dann irgendwo
1:45:11
noch eine Scheibe kaputt gegangen, was? weiß ich, von irgendeinem Kamin. Da hab ich dann irgnedwie den
1:45:13
Kamin zugemacht. Das Stück Holz hat das Kaminglas durchbrochen.
1:45:17
Kam Ersatz. 100 €? Ich weiß es nicht.
1:45:20
Habe ich auch der Haftpflichtversicherung gemeldet.
1:45:22
Haben die gezahlt, und mich rausgeworfen.
1:45:25
Das ist halt das Problem, wenn man die ständig mit kleinen Summen
1:45:27
behelligt. Da hat man zwar eigentlich einen
1:45:30
Anspruch drauf, wenn man jetzt keine-
1:45:32
Haben sie ja auch gezahlt!
1:45:33
Haben sie auch bezahlt, aber da haben natürlich die Versicherungen
1:45:35
keinen Bock drauf, dass man ständig mit kleinen Sachen ankommt.
1:45:37
Deswegen, man hat die am besten,
1:45:39
meldet aber Kleinkram nicht,
1:45:41
sondern man meldet Schäden, die wirklich die eigenen finanziellen
1:45:45
Möglichkeiten sprengen.
1:45:46
Die private Haftpflichtversicherung ist wirklich für den absoluten
1:45:50
Worst Case gedacht. Wenn es wirklich richtig nach Süden
1:45:54
geht und ihr vor einer Privatinsolvenz steht.
1:45:56
Euch stehen tausende, hunderttausende Euro von Forderungen
1:46:00
ins Haus, dann zieht ihr diese
1:46:02
Privathaftpflichtversicherung. Ich hab das jetzt gemacht.
1:46:04
Die haben mich halt rausgeworfen. Natürlich kann ich woanders eine
1:46:06
neue abschließen, aber da wirst du halt gefragt, hatten Sie denn in
1:46:09
letzter Zeit eigentlich schon mal woanders eine Privathaftung?
1:46:11
Aha, da sind Sie rausgeflogen. Aha. Das muss man natürlich
1:46:14
ehrlicherweise beantworten. Na gut, dann kriegst du schon eine
1:46:16
neue Haftpflicht. Die ist halt ein bisschen teurer. Und die gibt es
1:46:19
halt nur mit einem gewissen Selbstbehalt, das heißt Schäden, was
1:46:22
weiß ich unter 300 € oder so, keine Ahnung, die musst du halt
1:46:25
per se selbst bezahlen.
1:46:26
Das sollte man vielleicht sowieso machen, aber generell werden sich
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jetzt natürlich viele Fragen okay, brauche ich, hat mich überzeugt,
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aber welche klicke ich da jetzt? Und da hat in dieser Woche
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finanztip.de eine Übersicht veröffentlicht.
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Sie empfehlen auch drei Tarife ganz
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konkret. Und diese Pressemitteilung,
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die finanztip verschickt hat, war für uns ehrlich gesagt auch der
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Anlass, mal wieder darauf hinzuweisen, dass man eine solche
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private Haftpflichtversicherung braucht, eben um den privaten
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Supergau zu verhindern. Wir haben euch diese Übersicht mal
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in die Shownotes gepackt, könnt ihr euch anschauen. Da werden
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verschiedene Versicherungen getestet, werden auch ein paar
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empfohlen. Aber schaut doch mal, dass ihr da
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nicht irgendein Risiko eingeht, das echt nicht sein muss.
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Und damit ist die Lage für diese Woche ausführlich und abschließend
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natürlich wie immer beurteilt
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und analysiert. Wir danken euch für die
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Aufmerksamkeit, für das große Interesse, sind gespannt auf
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Feedback, gerne auch bei Instagram unter Lage der Nation.
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Habt noch eine schöne Woche und wenn euch die Sendung gefallen hat, ihr
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könnt die Lage auch unterstützen. Da gibt es dieses plus Abo unter
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plus.lagedernation.org. Das machen auch schon einige Leute.
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Davon leben wir zu einem nicht ganz unerheblichen Teil und wir freuen
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uns über eure Unterstützung.
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Bis dann. Bis nächste Woche. Ciao.
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